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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_543/2023  
 
 
Urteil vom 29. Februar 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichterinnen Moser-Szeless, Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Eidgenössische Ausgleichskasse, Schwarztorstrasse 59, 3003 Bern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Margot Benz, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. August 2023 (AHV 2023/1). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1969 geborene A.________ ist seit dem 26. November 2006 verwitwet und bezog ab Dezember 2006 eine Witwerrente der AHV. Da sein jüngster Sohn im Dezember 2020 18 Jahre alt wurde, stellte die Eidgenössische Ausgleichskasse (EAK) die Auszahlung der Rente mit Schreiben vom 25. November 2020 per Ende Dezember 2020 ein. 
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2022 beantragte der Versicherte unter Hinweis auf das Urteil 78630/12 Beeler gegen Schweiz des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 11. Oktober 2022 eine rückwirkende Wiederaufnahme der Rentenzahlungen. Eine solche lehnte die EAK mit Verfügung vom 14. Dezember 2022 und Einspracheentscheid vom 30. Januar 2023 ab.  
 
B.  
Die von A.________ gegen diesen Einspracheentscheid erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 17. August 2023 teilweise gut und sprach dem Beschwerdeführer ab 1. November 2022 eine Witwerrente der AHV zu. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die EAK, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ihr Einspracheentscheid zu bestätigen. 
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) deren Gutheissung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Indes prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (vgl. Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1).  
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es dem Beschwerdegegner für die Zeit ab 1. November 2022 eine Witwerrente der AHV zusprach. 
 
3.  
 
3.1. Nach Art. 24 Abs. 2 AHVG erlischt der Anspruch auf eine Witwerrente, zusätzlich zu den in Art. 23 Abs. 4 AHVG aufgezählten Gründen (Wiederverheiratung bzw. Tod der Witwe oder des Witwers), wenn das letzte Kind des Witwers das 18. Altersjahr vollendet hat.  
 
3.2. Mit Urteil 78630/12 Beeler gegen Schweiz vom 11. Oktober 2022 entschied die Grosse Kammer des EGMR, dass durch diese Bestimmung Witwer diskriminiert werden, indem ihre Hinterlassenenrente, anders als jene von Witwen, mit der Volljährigkeit des jüngsten Kindes erlischt. Er stellte in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art. 14 (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) fest. Somit ist zwecks Herstellung eines konventionskonformen Zustandes in vergleichbaren Konstellationen fortan darauf zu verzichten, die Witwerrente allein aufgrund der Volljährigkeit des jüngsten Kindes aufzuheben (vgl. BGE 143 I 50 E. 4.1 und 4.2; 143 I 60 E. 3.3; vgl. auch die Urteile 9C_481/2021 und 9C_749/2020 vom 9. Januar 2023 je E. 2.1). Das erkannte auch das BSV in seinen Mitteilungen Nr. 460 vom 21. Oktober 2022 an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen. Die Mitteilungen sehen unter anderem für Witwer mit Kindern, welche die Rentenaufhebungsverfügung angefochten haben und deren Fall am 11. Oktober 2022 hängig ist, eine Übergangsregelung vor. Gemäss dieser soll die auf der Grundlage von Art. 23 AHVG gewährte Witwerrente nicht mehr mit Vollendung des 18. Altersjahres des jüngsten Kindes enden.  
 
3.3. Unter Vorbehalt der Rückkommenstitel der prozessualen Revision (Art. 53 Abs. 1 ATSG) und der Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2 ATSG) haben Witwer, deren Rente bereits vor dem 11. Oktober 2022 aufgrund des Umstandes, dass das jüngste Kind volljährig geworden war, rechtskräftig aufgehoben wurde, auch in der Folge des zitierten Urteils des EGMR vom 11. Oktober 2022 keinen Anspruch auf Wiederaufnahme der Rentenzahlungen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Rente formlos aufgehoben wurde und sich der betroffene Witwer gegen die Aufhebung der Rente nicht innert eines Jahres wehrte (Urteil 9C_281/2022 vom 28. Juni 2023 E. 4).  
 
4.  
Vorliegend steht fest, dass die Rente des Beschwerdegegners mit Schreiben vom 25. November 2020 formlos aufgehoben wurde, er jedoch erst am 24. Oktober 2022 dagegen intervenierte. Ein prozessualer Revisionsgrund oder ein Wiedererwägungsgrund ist weder letztinstanzlich geltend gemacht noch ersichtlich. Somit hat der Beschwerdegegner nach der zitierten Rechtsprechung - zu deren Überprüfung kein Anlass besteht (vgl. zu den Voraussetzungen für eine Praxisänderung: Urteil 9C_259/2023 vom 18. September 2023 E. 7.3.1 [zur Publikation vorgesehen], BGE 147 V 342 E. 5.5.1) - keinen Anspruch auf eine Wiederaufnahme der Rentenzahlungen. Der anderslautende kantonale Gerichtsentscheid verletzt Bundesrecht, entsprechend ist er unter Gutheissung der Beschwerde der Ausgleichskasse aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 30. Januar 2023 ist zu bestätigen. 
 
5.  
Die offensichtlich begründete Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG zu erledigen. Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. August 2023 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Eidgenössischen Ausgleichskasse vom 30. Januar 2023 bestätigt. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 29. Februar 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold