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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_954/2022  
 
 
Urteil vom 29. August 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, Bovey, 
Bundesrichterin De Rossa, 
Gerichtsschreiberin Conrad. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Marina Weibel, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Lienert, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Kindesbelange, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 14. November 2022 (LY220039-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. C.________ (geb. 2017) ist der gemeinsame Sohn der unverheirateten Eltern B.________ (geb. 1983) und A.________ (geb. 1984). Im Mai 2018 trennten sich die Eltern. Das Kind blieb vorerst in der Obhut der Mutter.  
 
A.b. Seit August 2018 ist zwischen den Parteien (zu Beginn zwischen dem Kind und dem Vater) ein Verfahren betreffend Unterhalt und die weiteren Kinderbelange vor dem Bezirksgericht Zürich hängig.  
 
A.c. Mit Gesuch um vorsorgliche Massnahmen vom 17. September 2018 beantragte der Vater unter anderem die alternierende Obhut. Anlässlich der Verhandlung vom 5. Dezember 2018 betreffend vorsorgliche Massnahmen einigten sich die Parteien auf die gemeinsame elterliche Sorge und alternierende Obhut mit wechselnder Betreuung und zivilrechtlichem Wohnsitz von C.________ bei der Mutter. Hinsichtlich der Betreuungsregelung wurde diese Vereinbarung mehrmals geändert.  
 
A.d. Im Juli 2021 ist eine Gefährdungsmeldung bei der KESB eingegangen. Anlässlich der Instruktionsverhandlung erklärten sich die Parteien bereit, sich einer Eltern-/Familienberatung zu unterziehen. Im Herbst 2021 zog die Mutter mit dem Kind nach U.________.  
 
A.e. Mit Gesuch vom 7. September 2021 ersuchte der Vater das Bezirksgericht, der Mutter für die Dauer des Gerichtsverfahrens zu verbieten, den Wohnsitz von C.________ zu verlegen und ihr unter Androhung der Strafe nach Art. 292 StGB vorsorglich die Weisung zu erteilen, C.________ weiterhin in die Kita D.________ in V.________ zu bringen. Ausserdem beantragte er die alleinige Obhut über C.________ für die Dauer des Hauptverfahrens und stellte Anträge in Bezug auf die vorsorgliche Kontaktregelung und den Kindesunterhalt.  
 
A.f. Mit Entscheid vom 25. Juli 2022 stellte das Bezirksgericht C.________ für die Dauer des Hauptsacheverfahrens unter die alleinige Obhut des Vaters, erklärte den Wohnsitz von C.________ beim Vater, regelte das Kontaktrecht der Mutter, hob die Verpflichtung des Vaters, Kindesunterhalt per 1. August 2022 zu bezahlen auf und wies mangels Leistungsfähigkeit der Mutter die Pflicht zur Leistung von Kindesunterhalt ab. Zudem errichtete das Bezirksgericht für C.________ eine Beistandschaft im Sinn von Art. 308 Abs. 1 und Abs. 2 ZGB.  
 
B.  
Die gegen diesen Entscheid von der Mutter erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 14. November 2022 teilweise gut und stellte C.________ ab 1. Januar 2023 für die weitere Dauer des Hauptverfahrens unter die alleinige Obhut der Mutter, erklärte seinen Wohnsitz bei derselben und regelte das Kontaktrecht des Vaters sowie die von diesem zu zahlenden Unterhaltsbeiträge neu. 
 
C.  
 
C.a. A.________ (Beschwerdeführer) gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 8. Dezember 2022 an das Bundesgericht. Er beantragt unter Kosten- und Entschädigungsfolgen die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils vom 14. November 2022 und Bestätigung der Verfügung des Bezirksgerichts vom 25. Juli 2022. Eventualiter sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben und zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Subeventualiter sei Dispositivziffer 1./5. (Kontaktrecht) des Urteils des Obergerichts aufzuheben und durch eine vom Beschwerdeführer detailliert vorgetragene Regelung zu ersetzen.  
 
C.b. Ferner stellt der Beschwerdeführer den Prozessantrag, seiner Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.  
 
C.c. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen.  
 
C.d. Mit Verfügung vom 4. Januar 2023 hiess der Präsident der urteilenden Abteilung das Gesuch des Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung insoweit gut, als C.________ während des bundesgerichtlichen Verfahrens unter der alleinigen Obhut des Vaters verbleibt und die Regelung gemäss dem Entscheid des Bezirksgerichts Zürich vom 25. Juli 2022 gilt.  
 
C.e. Das Obergericht liess sich bereits am 15. Dezember 2022 zur Sache vernehmen. Die Beschwerdegegnerin reichte fristgerecht am 10. Juli 2023 eine Stellungnahme in der Sache ein, mit der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Zudem stellt sie den Antrag auf Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren und Beiordnung ihres Rechtsanwalts als unentgeltlichen Rechtsvertreter. Die Parteien haben Replik und Duplik eingereicht.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Entscheid einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht auf Rechtsmittel hin (Art. 75 BGG) vorsorglich über den vom Beschwerdeführer zu bezahlenden Unterhalt sowie weitere Kinderbelange entschieden hat. Hierbei handelt es sich rechtsprechungsgemäss um einen Endentscheid (Art. 90 BGG; BGE 137 III 586 E. 1.2; Urteil 5A_848/2021 vom 5. Mai 2022 E. 1.2). Es liegt insgesamt eine nicht vermögensrechtliche Zivilsache vor (Art. 72 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 76 Abs. 1 BGG) und hat sie rechtzeitig erhoben (Art. 100 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde in Zivilsachen ist einzutreten.  
 
1.2. Mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG; vgl. BGE 137 III 193 E. 1.2). Die Anwendung von Bundesgesetzen prüft das Bundesgericht im Rahmen von Art. 98 BGG nur auf die Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) hin (Urteil 5A_157/2021 vom 24. Februar 2022 E. 1.4.1). Auch eine Berichtigung oder Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen kommt nur in Frage, wenn die kantonale Instanz verfassungsmässige Rechte, namentlich das Willkürverbot, verletzt hat. In der Beschwerde ist überdies darzutun, inwiefern die Behebung des gerügten Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (BGE 133 III 585 E. 4.1 mit Hinweisen). Es gilt das strenge Rügeprinzip nach Art. 106 Abs. 2 BGG. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 144 II 313 E. 5.1; 142 II 369 E. 2.1; 140 IIII 264 E. 2.3). Die selben Begründungsanforderungen gelten auch für die Beschwerdeantwort (Urteil 4A_347/2009 vom 16. November 2009 E. 4.1 in fine, nicht publ. in: BGE 136 III 96).  
Diese Grundsätze verkennt die Beschwerdegegnerin, soweit sie Ausführungen zum vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt macht oder diesen ergänzt wissen will, ohne wirksame Sachverhaltsrügen zu erheben. Solche Ausführungen bleiben folglich unbeachtlich. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt in formeller Hinsicht eine unzulässige Besetzung der Vorinstanz und damit eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK
 
2.1. Am angefochtenen Entscheid haben zwei ordentliche Oberrichterinnen und ein Ersatzoberrichter mitgewirkt, wobei der Ersatzoberrichter in seiner Haupttätigkeit als Leitender Gerichtsschreiber in der urteilenden II. Zivilkammer tätig ist.  
 
2.2. In BGE 149 I 14 E. 5 hat das Bundesgericht die Einsetzung einer Gerichtsschreiberin und eines Gerichtsschreibers der entscheidenden Kammer als Ersatzoberrichterin und Ersatzoberrichter in ebendieser Kammer hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt des Anscheins der fehlenden Unabhängigkeit in allgemeiner Weise als mit dem Anspruch einer Partei auf ein unabhängiges Gericht gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK unvereinbar erklärt. Auf die dort angestellten Erwägungen kann verwiesen werden.  
Die Umstände, dass die am angefochtenen Entscheid beteiligte ordentliche Oberrichterin den Vorsitz der II. Zivilkammer - anders als in BGE 149 I 14 - nur in Vertretung ausübte, und dass - wiederum anders als in BGE 149 I 14 - nur ein in der Kammer tätiger Gerichtsschreiber als Ersatzoberrichter mitgewirkt hat, vermögen daran nichts zu ändern (vgl. Urteil 1B_519/2022 vom 1. November 2022 E. 2.3). Soweit die Vorinstanz sodann einwendet, der Ersatzrichter übernehme in seiner Funktion als Leitender Gerichtsschreiber nur noch organisatorische und administrative Aufgaben für die Kammer (Zusammenarbeit mit der Gerichtsverwaltung, Mitwirkung an Projekten, z.B. bei der Erarbeitung des neu konzipierten Rechenschaftsberichts des Obergerichts, Leitung der kaufmännischen Kanzlei sowie der Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber der Kammer), jedoch keine eigentliche Gerichtsschreibertätigkeit mehr, ändert dies ebenfalls nichts an der Problematik von dessen Einsatz als Ersatzrichter am Obergericht. Gemäss § 24 der kantonalen Verordnung über die Organisation des Obergerichts vom 3. November 2010 (LS 212.51) obliegt den Leitenden Gerichtsschreibern des Obergerichts die Aufgabe der Urteilsredaktion und der Antragstellung. Aufgrund dieser Bestimmung bleibt der Anschein der informellen Hierarchie zwischen dem Ersatzrichter in seiner (hauptamtlichen) Funktion als Leitender Gerichtsschreiber und den am angefochtenen Entscheid beteiligten Oberrichterinnen bestehen, unabhängig davon, für welche konkreten Tätigkeiten der Leitende Gerichtsschreiber faktisch in der Kammer eingesetzt wird. 
 
2.3. Der Anspruch auf ein unabhängiges Gericht ist formeller Natur, womit seine Verletzung ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides führt (BGE 149 I 14 E. 5.4). Diesem Ausgang des Verfahrens entsprechend, braucht auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers nicht eingegangen zu werden.  
 
3.  
 
3.1. Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist vollumfänglich aufzuheben und die Sache ist zum neuen Entscheid im Sinne der obigen Erwägungen an das Obergericht zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2 BGG). Dieses wird auch erneut über die Kosten des kantonalen Verfahrens zu entscheiden haben.  
 
3.2. Die Rückweisung zu erneutem Entscheid mit offenem Ausgang gilt hinsichtlich der Prozesskosten als Obsiegen der beschwerdeführenden Partei (BGE 141 V 281 E. 11.1). Die Beschwerdegegnerin hat Abweisung der Beschwerde beantragt. Deshalb ist sie, obwohl der Rechtsfehler klarerweise dem Obergericht zuzuschreiben ist, für das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG; vgl. Urteil 5A_87/2022 vom 2. November 2022 E. 4.4.1, nicht publ. in: BGE 149 III 12).  
 
3.3. Die Beschwerdegegnerin ersucht für das bundesgerichtliche Verfahren indes um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Das Gesuch ist gutzuheissen, da die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin erhält folglich ihren Rechtsvertreter als unentgeltlichen Vertreter beigeordnet und er ist aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen (Art. 64 Abs. 2 BGG). Hingegen hat die Beschwerdegegnerin die Entschädigung des Beschwerdeführers selbst zu tragen, weil von der unentgeltlichen Rechtspflege nur die eigenen, nicht aber die Kosten der Gegenpartei erfasst werden (Urteil 5A_463/2022 vom 22. Mai 2023 E. 8.1). Die Beschwerdegegnerin wird darauf hingewiesen, dass sie der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat, falls sie dazu später in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. November 2022 wird aufgehoben und die Sache wird zu neuer Entscheidung im Sinn der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen und es wird ihr Rechtsanwalt Markus Lienert als unentgeltlicher Rechtsvertreter beigeordnet. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.  
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
5.  
Rechtsanwalt Markus Lienert wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt. 
 
6.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. August 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Conrad