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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_88/2023, 1B_89/2023  
 
 
Urteil vom 26. Mai 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Müller, Kölz, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1B_88/2023 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andrea Brüesch, 
Beschwerdeführer, 
 
und 
 
1B_89/2023 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Vera Delnon, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Rohanstrasse 5, 7001 Chur. 
 
Gegenstand 
Vergehen gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und falsche Anschuldigung, 
 
Beschwerden gegen den Beschluss des Kantonsgerichts von Graubünden, II. Strafkammer, vom 9. Januar 2023 (SK2 22 23/24). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Graubünden erhob am 24. November 2021 Anklage gegen B.________ beim Regionalgericht Plessur wegen Vergehen gegen das Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) sowie wegen falscher Anschuldigung. Das Regionalgericht Plessur trat am 24. Mai 2022 infolge örtlicher Unzuständigkeit nicht auf die Anklage ein und wies die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft zurück. Dagegen erhob A.________, der die Verfahren mit seinen beiden Strafanzeigen wegen des angeblichen Verstosses gegen das UWG (SK2 22 23) und wegen falscher Anschuldigung (SK2 22 24) eingeleitet hatte, am 7. Juni 2022 zwei separate Beschwerden an das Kantonsgericht Graubünden. Dieses vereinigte die beiden Verfahren und wies die Beschwerden am 9. Januar 2023 ab (SK2 22 23/24). 
 
B.  
Mit Eingaben vom 10. Februar 2023 führt A.________, zum einen vertreten durch Dr. Andrea Brüesch (Verfahren 1B_88/2023; angebliche Widerhandlung gegen das UWG) und zum anderen vertreten durch Dr. Vera Delnon (Verfahren 1B_89/2022; angebliche falsche Anschuldigung), zwei separate Beschwerden gegen den Entscheid vom 9. Januar 2023 an das Bundesgericht. Er beantragt in beiden Beschwerden, der angefochtene Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden samt Nichteintretensbeschluss des Regionalgerichts Plessur seien vollumfänglich aufzuheben und das Regionalgericht Plessur sei anzuweisen, auf die Anklage der Staatsanwaltschaft Graubünden einzutreten und raschmöglichst das Gerichtsverfahren durchzuführen. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, ihrerseits das Regionalgericht Plessur ohne Verzug aufzufordern, auf die Anklage der Staatsanwaltschaft Graubünden einzutreten und das Gerichtsverfahren mit Beschleunigung durchzuführen. 
Das Kantonsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerden, soweit darauf einzutreten sei. Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerden abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 
1.1. Die zwei Beschwerden richten sich gegen denselben Entscheid vom 9. Januar 2023, betreffen dieselben Parteien und werfen inhaltlich die gleichen Rechtsfragen auf. Die Verfahren 1B_88/2023 und 1B_89/2023 sind daher zu vereinigen.  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid betrifft die innerkantonale Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden (Art. 92 Abs. 1 BGG) und kann später nicht mehr angefochten werden (Art. 92 Abs. 2 BGG; vgl. 1B_201/2019 vom 12. September 2019 E. 1.1 mit Hinweis). Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Auf die Beschwerden ist daher einzutreten.  
 
1.3. Der Beschwerdeführer beantragt, es seien die Akten der Vorinstanz (SK2 22 23/24) samt erstinstanzlichen Akten sowie die im vorinstanzlichen und im vorliegenden Beschwerdeverfahren angerufenen Untersuchungsakten der Staatsanwaltschaft Graubünden in den Verfahren VV.2018.1648/JH sowie VV.2014.3475/BU beizuziehen. Da sich sämtliche relevanten Aktenstücke in den dem Bundesgericht von der Vorinstanz eingereichten Akten befinden, kann jedoch vom Beizug weiterer Akten abgesehen werden.  
 
2.  
Umstritten ist einzig die innerkantonale örtliche Zuständigkeit. Nicht bestritten ist demgegenüber die interkantonale örtliche Zuständigkeit, namentlich die Zuständigkeit der Strafbehörden des Kantons Graubünden. 
Das Regionalgericht Plessur ist auf die Anklage der Staatsanwaltschaft Graubünden infolge örtlicher Unzuständigkeit nicht eingetreten. Dieses Nichteintreten hat das Kantonsgericht mit der Begründung geschützt, dass die vom Beschwerdeführer angezeigten Tätigkeitsdelikte des Beschwerdegegners (Widerhandlungen gegen das UWG und falsche Anschuldigung) in U.________ begangen worden seien. Der Gerichtsstand richte sich gemäss Art. 31 ff. StPO nach dem Begehungs- bzw. Handlungsort. Folglich sei das Regionalgericht Maloja örtlich zuständig. 
 
3.  
 
3.1. Das angerufene Gericht hat gestützt auf Art. 329 Abs. 1 lit. b StPO die örtliche Zuständigkeit als Prozessvoraussetzung von Amtes wegen zu prüfen. Sowohl für die Bestimmung des interkantonal als auch des innerkantonal örtlich zuständigen Gerichts sind die Art. 31 ff. StPO anwendbar (STEPHAN SCHLEGEL, in: Kommentar zur Schweizerischen StPO, 3. Aufl. 2020, N. 1 zu Art. 31 StPO; URS BARTETZKO, in: Basler Kommentar StPO, 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 31 StPO). Nach Art. 31 Abs. 1 StPO sind für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat primär die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Wenn das mit der Anklage bestimmte Gericht innerkantonal an seiner örtlichen Zuständigkeit zweifelt, da ein örtlicher Anknüpfungspunkt fehlt, so weist es die Anklage zur Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurück (siehe ERICH KUHN, in: Basler Kommentar StPO, 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 40 StPO).  
 
3.2. Das Kantonsgebiet Graubünden ist gemäss Art. 68 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Graubünden vom 14. September 2003 (KV/GR; BR 110.100) in elf Regionen eingeteilt. Diese bilden nach Art. 71 Abs. 3 KV/GR die Gerichtssprengel für die Regionalgerichte. U.________ bildet dabei Teil des Gerichtssprengels Maloja, während Chur Teil des Gerichtssprengels Plessur ist.  
 
3.3. Die Vorinstanz erwog, der Gerichtsstand richte sich nach Art. 31 ff. StPO, gemäss Art. 31 StPO primär nach dem Begehungsort. Die angeblich strafbaren Handlungen seien in U.________ begangen worden, weshalb das Regionalgericht Maloja zuständig sei. Dies bestreitet der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht. Er ist aber der Auffassung, durch die in Chur geführte Strafuntersuchung sei der Gerichtsstand auf den Gerichtssprengel Plessur fixiert worden. Er habe in seinen Strafanzeigen auf die engen und kleinräumigen Verhältnisse im Engadin sowie die Publizität hingewiesen. Damit habe er triftige Gründe im Sinne von Art. 40 Abs. 3 StPO vorgebracht, weshalb die Strafuntersuchung durch die Staatsanwaltschaft Chur zu führen sei, was auch geschehen sei. Die Vorinstanzen sprächen der Staatsanwaltschaft nun zu Unrecht die Kompetenz ab, aus triftigen Gründen auf begründeten Parteiantrag hin einen vom Begehungsort abweichenden örtlichen Gerichtsstand für das gesamte Verfahren zu bestimmen. Es bestünden keine Gründe, von diesem Gerichtsstand abzuweichen. Folglich sei das Regionalgericht Plessur zuständig.  
 
3.4. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wie die Vorinstanz erwog, richtet sich die gerichtliche Zuständigkeit auch innerkantonal nach Art. 31 ff. StPO. Die interne, administrativ bedingte Zuweisung eines Falles an eine Zweigstelle oder einen Amtssitz begründet keinen Gerichtsstand in der entsprechenden Region. Wo die Staatsanwaltschaft einen Fall untersucht, ist nicht massgebend. Der Hauptsitz der Staatsanwaltschaft Graubünden befindet sich in Chur (Art. 7 Abs. 3 des Einführungsgesetzes des Kantons Graubünden vom 16. Juni 2010 zur Schweizerischen Strafprozessordnung [EGzStPO/ GR; BR 350.100]). Wie die Vorinstanz festhielt, können in Chur untersuchte Fälle indes nicht ausschliesslich am Regionalgericht Plessur zur Anklage kommen. Aufgrund des Umstands, dass die Strafuntersuchung in Chur geführt wurde, lässt sich mithin, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, nicht ableiten, es sei innerkantonal verbindlich ein Gerichtsstand festgelegt worden.  
Daran ändert auch seine Behauptung nichts, dass sich die Staatsanwaltschaft gestützt auf triftige Gründe bewusst für eine Untersuchungsführung in Chur und dementsprechend eine Anklageerhebung vor dem Regionalgericht Plessur entschieden habe, da sowohl er als auch der Beschwerdegegner immer noch bekannte und stark mit der Engadiner Justiz vernetzte Persönlichkeiten seien. Wie sich aus der aktenkundigen Notiz der Staatsanwaltschaft vom 17. August 2021 betreffend örtliche Zuständigkeit ergibt, erachtet die Staatsanwaltschaft das Regionalgericht Plessur als örtlich zuständig, da der Beschwerdeführer seine Strafanzeige wegen falscher Anschuldigung bei der Staatsanwaltschaft in Chur eingereicht habe und es sich dabei um die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat handle. Wie die Vorinstanz jedoch zu Recht festhielt, ist eine solche Begründung des Gerichtsstands rechtlich nicht haltbar, da ansonsten durch die Einreichung der Strafanzeige der Gerichtsstand frei bestimmt werden könnte. Entscheidend ist gemäss Art. 34 Abs. 1 StPO vielmehr der Ort, an welchem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Unabhängig davon steht aber fest, dass entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers die Staatsanwaltschaft für die Anklageerhebung nicht bewusst das Regionalgericht Plessur aufgrund der engen und kleinräumigen Verhältnisse im Engadin gewählt hat. 
Soweit der Beschwerdeführer schliesslich vorbringt, die Anfechtung eines Gerichtsstands habe unverzüglich zu erfolgen, weshalb der Einwand des Beschwerdegegners gegen die Zuständigkeit des Regionalgerichts Plessur verspätet sei, verkennt er zum einen, dass das Regionalgericht seine örtliche Zuständigkeit als Prozessvoraussetzung von Amtes wegen zu prüfen hat. Zum anderen wurde, wie bereits erwähnt, innerkantonal bisher noch gar kein Gerichtsstand begründet, und der Beschwerdegegner konnte sich bereits aus diesem Grund nicht auf den Gerichtsstand Chur bzw. Plessur einlassen. 
Da entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers durch die Zuweisung der Strafuntersuchung an die Staatsanwaltschaft Chur bisher kein Gerichtsstand festgelegt wurde, liegt durch die örtliche Unzuständigkeitserklärung des Regionalgerichts Plessur sodann auch kein Fall von Art. 42 Abs. 3 StPO vor, wonach ein nach Art. 38-41 StPO festgelegter Gerichtsstand nur aus neuen wichtigen Gründen und nur vor der Anklageerhebung geändert werden kann. 
 
3.5. Schliesslich kann dem Beschwerdeführer auch nicht gefolgt werden, wenn er vorbringt, die Vorinstanz habe Art. 29 Abs. 2 BV verletzt und sei in Willkür verfallen, da sie die von ihm angerufenen Gründe zur Bestimmung eines abweichenden Gerichtsstands ohne nachvollziehbare Begründung als ungenügend substanziiert bezeichnet habe. Die Vorinstanz hat sich in E. 4.2.2 des angefochtenen Entscheids mit den angeblich triftigen Gründen auseinandergesetzt. Sie hat festgehalten, ohne das Vorliegen weiterer Gründe rechtfertige sich jedenfalls keine Abweichung vom ordentlichen Gerichtsstand. Aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde und der aktenkundigen Gegebenheiten könne nicht von derartigen Verhältnissen ausgegangen werden, dass der Eindruck einer möglichen Befangenheit bei sämtlichen Mitgliedern des Regionalgerichts Maloja entstehen würde. Die Vorinstanz hat sich nach dem Gesagten hinreichend mit den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründen auseinandergesetzt, weshalb keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt. Überdies wird in der Beschwerde auch nicht dargetan, inwiefern die Beurteilung der Vorinstanz in diesem Punkt willkürlich wäre. Die Rüge erweist sich als unbegründet.  
 
3.6. Demnach steht fest, dass durch die Fallführung der Staatsanwaltschaft Chur kein Gerichtsstand begründet wurde. Somit ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Nichteintreten des Regionalgerichts Plessur infolge örtlicher Unzuständigkeit geschützt hat.  
 
4.  
Die Beschwerden erweisen sich als unbegründet und sind abzuweisen. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem als Anwalt in eigener Sache prozessierenden Beschwerdegegner ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da ihm kein besonderer Aufwand entstanden ist (vgl. Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 129 II 297 E. 5; Urteile 1B_555/2021 vom 1. September 2022 E. 3; 1C_70/2017 vom 18. Juli 2017 E. 4.3; 1B_462/2011 vom 21. November 2012 E. 5). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Verfahren 1B_88/2023 und 1B_89/2023 werden vereinigt. 
 
2.  
Die Beschwerden werden abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden und dem Kantonsgericht von Graubünden, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. Mai 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier