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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_82/2023  
 
 
Urteil vom 20. September 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, vom 24. Januar 2023 (BES.2022.146). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 30. Mai 2018 erstattete die Sozialhilfe Basel-Stadt eine (zweite) Strafanzeige gegen A.________ wegen Verdachts auf Unterstützungsbetrugs. Die Staatsanwaltschaft sistierte das Verfahren am 12. Juni 2019 bis zur rechtskräftigen Beurteilung im Parallelverfahren (Urteile 6B_1268_2021 vom 10. Januar 2022 und 6F_6/2022 vom 17. März 2022). Am 16. August 2022 hob sie die Sistierung auf und am 19. August 2022 erliess sie eine Nichtanhandnahmeverfügung. 
 
B.  
Die von A.________ gegen die Sistierungs- und die Nichtanhandnahmeverfügung vom 16. August 2022 bzw. vom 19. August 2022 erhobenen Beschwerden wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 24. Januar 2023 ab, soweit es darauf eintrat, und auferlegte A.________ Verfahrenskosten von Fr. 800.--. In ihrer Beschwerde vom 29. September 2022 beantragte A.________, "ein Untersuchungs- bzw. Gerichtsverfahren zur erneuten Strafanzeige der Sozialhilfe vom 30. Mai 2018 einzuleiten, zu der amtlichen Strafverteidigung mir, als Beschuldigter, zuzusprechen sei" (Antrag 1). Zudem sei die Nichtanhandnahmeverfügung vom 19. August 2022 in allen Punkten, Pkt. 1-3, als ungültig zu erklären (Antrag 2). 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 24. Januar 2023 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Anträge 1 und 2 ihrer Beschwerde vor Appellationsgericht seien gutzuheissen und ihr sei ein amtlicher Verteidiger zuzusprechen. Eventualiter beantragt sie eine Genugtuung von Fr. 14'700.--. Schliesslich ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege. 
Die kantonalen Akten, nicht jedoch Vernehmlassungen, wurden eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid in Sachen BES.2022.146, welcher auf die Beschwerde gegen die Sistierung nicht eintritt und die Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Verfahrens VT.2018.14691 schützt (Art. 78 Abs. 1, 80 Abs. 1, 90 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde in Strafsachen wurde fristgerecht (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereicht. Soweit die Beschwerde andere Verfahren thematisiert, insbesondere das Verfahren SB.2016.61, und die entsprechenden Verfahren vor Bundesgericht (vgl. Beschwerde S. 6 f.), ist darauf nicht einzutreten.  
 
1.2. Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat.  
 
1.3. Soweit die Beschwerdeführerin die Sistierungsverfügung, welche ihr erst mit der Nichtanhandnahmeverfügung zugestellt worden sein soll, bemängelt, fehlt es ihr an einem rechtlich geschützten Interesse im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG. Die Sistierung des Verfahrens wurde durch die Einstellung hinfällig. Die Beschwerdeführerin setzt sich diesbezüglich nicht mit dem angefochtenen Entscheid auseinander und legt auch nicht dar, weshalb ihr vor Bundesgericht, anders als im kantonalen Verfahren, ein rechtlich geschütztes Interesse zukommen sollte. Darauf ist nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG).  
 
1.4. Soweit die Beschwerdeführerin den vorinstanzlichen Sachverhalt "richtig stellt", genügt sie den Begründungsanforderungen nach Art. 42 Abs. 2 BGG nicht. Sie beschränkt sich auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid, auf welche nicht einzutreten ist (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2).  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin beanstandet die Nichtanhandnahmeverfügung und macht die Verletzung der Unschuldsvermutung geltend.  
 
2.2. Eine rechtskräftige Nichtanhandnahmeverfügung kommt einem freisprechenden Endentscheid gleich (Art. 320 Abs. 4 i.V.m. Art. 310 Abs. 2 StPO). Die beschuldigte Person ist deshalb grundsätzlich nicht legitimiert, eine zu ihren Gunsten erfolgte Nichtanhandnahme anzufechten, um eine andere juristische Begründung der Einstellungsverfügung zu erwirken. Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung nur dort, wo Begründung und Dispositiv der Einstellungsverfügung sinngemäss einem Schuldvorwurf gleichkommen, ohne dass zuvor der gesetzliche Beweis der Schuld erbracht worden wäre und die beschuldigte Person Gelegenheit zur Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte erhalten hätte (Urteile 6B_581/2017 vom 18. Juli 2017 E. 4; 6B_155/2014 vom 21. Juli 2014 E. 1.1; je mit Hinweisen).  
 
2.3. Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG hat die Beschwerdeführerin darzulegen, dass die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen erfüllt sind. Sie muss sich dabei mit dem angefochtenen Entscheid auseinandersetzen. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht, kann darauf grundsätzlich nicht eingetreten werden (vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).  
 
2.4. Die Vorinstanz begründet ausführlich und zutreffend, warum der Beschwerdeführerin mit der staatsanwaltschaftlichen Einstellung zufolge der Anwendung des Opportunitätsprinzips (Art. 8 Abs. 2 StPO) kein Schuldvorwurf gemacht wird (angefochtener Entscheid E. 3). Damit setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander, sondern sie wiederholt ihre bereits vor Vorinstanz vorgebrachte Argumentation. Ihre Rüge ist somit unbegründet, soweit darauf überhaupt einzutreten ist. Dies gilt auch für ihre Rüge, dass ihr vor Vorinstanz ein amtlicher Verteidiger hätte bestellt werden sollen.  
 
2.5. Den Antrag auf Entschädigung begründet die Beschwerdeführerin nicht. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass sie diesbezüglich den kantonalen Instanzenzug ausgeschöpft hätte (Art. 80 Abs. 1 BGG). Thema ist vorliegend bloss, ob die Vorinstanz zu Recht auf die im kantonalen Verfahren geführte Beschwerde nicht eingetreten ist. Auf den Antrag um Entschädigung ist nicht einzutreten.  
 
3.  
Die Beschwerdeführerin behauptet unter Berufung auf Art. 56 lit. b StPO die Befangenheit des urteilenden Richters. 
 
3.1. Gemäss Art. 56 lit. b StPO tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand, wenn sie in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeistand einer Partei, als Sachverständige oder als Zeugin in der gleichen Sache tätig war.  
 
3.2. Voreingenommenheit und Befangenheit werden bejaht, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit der Gerichtsperson zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten der betroffenen Gerichtsperson oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller oder organisatorischer Natur begründet sein. Hierbei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen, sondern das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Für die Ablehnung wird dagegen nicht verlangt, dass die Gerichtsperson tatsächlich befangen ist (BGE 141 IV 178 E. 3.2.1; 140 I 326 E. 5.1; 138 IV 142 E. 2.1; Urteil 6B_186/2023 vom 17. April 2023 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).  
 
3.3. Es sind keine Gründe ersichtlich, die für den Ausstand des beteiligten Richters in der neuen Rechtssache sprechen, und die Beschwerdeführerin macht solche auch nicht geltend. Weder der Umstand, dass der Richter in einem früheren Verfahren gegen die Beschwerdeführerin urteilte, noch der Inhalt des angefochtenen Entscheids begründen den Vorwurf der Befangenheit. Inhaltliche Kritik führt denn auch nur in Ausnahmefällen zum Ausstand (vgl. Urteil 6B_321/2023 vom 16. Juni 2023 E. 4.2.2 mit Hinweisen, betreffend den Ausstand eines Gutachters).  
 
4.  
Schliesslich macht die Beschwerdeführerin sinngemäss eine Rechtsverzögerung geltend (Beschwerde S. 6 f.), ohne jedoch hinreichend auszuführen, dass und inwieweit einzelne Verfahrensschritte bzw. die gesamte Verfahrensdauer übermässig lang gewesen wären. Darauf ist nicht einzutreten. 
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist zufolge offensichtlicher Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
 
2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.  
 
2.2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.  
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. September 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn