Institution und Organisation
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Das Bundesgericht beurteilt als letzte Instanz Fälle aus nahezu allen Rechtsgebieten. Es prüft auf Beschwerde von Betroffenen, ob das Recht beim angefochtenen Entscheid richtig angewendet wurde. Mit seinen Urteilen stellt das Bundesgericht die einheitliche Anwendung des Bundesrechts im ganzen Land sicher. Seine Entscheide tragen zur Entwicklung des Rechts und zu dessen Anpassung an veränderte Verhältnisse bei. Die anderen Gerichte und die Verwaltungsbehörden orientieren sich an der Rechtsprechung des Bundesgerichts und übernehmen deren Grundsätze.
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Das Bundesgericht zählt 40 Richterinnen und Richter. Derzeit bekleiden 15 Frauen und 25 Männer das Amt einer Bundesrichterin oder eines Bundesrichters. 3 Gerichtsmitglieder sind italienischer, 14 französischer und 23 deutscher Muttersprache. Den Gerichtsmitgliedern ist es untersagt, neben ihrer Tätigkeit als Bundesrichter oder Bundesrichterin eine entgeltliche Tätigkeit auszuüben. Sie haben den Status von Magistratspersonen. Neben den 40 ordentlichen Gerichtsmitgliedern gibt es 19 nebenamtliche Bundesrichterinnen und Bundesrichter.
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Das Amt der Bundesrichterin oder des Bundesrichters steht grundsätzlich allen Bürgerinnen und Bürgern des Landes offen. Eine (umfassende) Rechtsausbildung ist verfassungsrechtlich nicht erforderlich, in der Praxis allerdings unerlässlich. Gewählt werden die Gerichtsmitglieder durch die Vereinigte Bundesversammlung. Dabei wird neben der juristischen Befähigung auf eine ausgewogene Verteilung bezüglich Sprache, Parteizugehörigkeit, regionaler Herkunft sowie auf weitere Kriterien geachtet.
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Das Bundesgericht hat sich organisatorisch vom ursprünglichen Einkammergericht zu seiner heutigen Struktur mit acht Abteilungen entwickelt: Es verfügt über zwei zivilrechtliche Abteilungen, vier öffentlich-rechtliche Abteilungen sowie zwei strafrechtliche Abteilungen. Der Sitz des Bundesgerichts ist in Lausanne; die Dritte und die Vierte öffentlich-rechtliche Abteilung haben ihren Standort in Luzern. Die Organisation des Bundesgerichts in verschiedene Abteilungen orientiert sich an der üblichen Einteilung des Rechts: Dabei wird grundsätzlich das öffentliche Recht vom Privatrecht unterschieden. Das öffentliche Recht erfasst die Staatsorganisation, die Grundrechte der Menschen und das Verwaltungsrecht, welches als wichtigen Teil auch das Sozialversicherungsrecht umfasst. Das Privatrecht bestimmt die Spielregeln des Zusammenlebens in Wirtschaft, Gesellschaft und Familie. Das Strafrecht schliesslich legt fest, welches Fehlverhalten einer Person bestraft wird und welche Sanktionen oder Massnahmen dafür vom Staat verhängt werden können.
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Das Verfahren vor Bundesgericht findet auf dem schriftlichen Weg statt. Nach Eingang der Beschwerde wird der Fall einer Richterin zugewiesen, die allein oder in Zusammenarbeit mit einem Gerichtsschreiber einen Urteilsentwurf erstellt. Der Urteilsentwurf der zuständigen Richterin wird den anderen Gerichtsmitgliedern der befassten Abteilung unterbreitet. Stimmen alle zu, ist der Fall im Sinne des Entwurfs entschieden; sonst kommt es zu einer öffentlichen Urteilsberatung. Dabei präsentieren die fünf Richter und Richterinnen mündlich ihre unterschiedlichen Auffassungen, bevor mit Handerheben abgestimmt und das Urteil im Sinn der Mehrheit gefällt wird.
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Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt zwischen vier und fünf Monaten. Die Dauer kann aber je nach Komplexität des Falles oder der Art seiner Erledigung (z.B. im vereinfachten Verfahren gemäss Artikel 108 Bundesgerichtsgesetz [BGG]) kürzer oder wesentlich länger sein.
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Das Bundesstrafgericht, das Bundesverwaltungsgericht und das Bundespatentgericht wurden ab 2004 als erstinstanzliche Gerichte der Eidgenossenschaft geschaffen. Die Entscheide dieser Gerichte können teilweise an das Bundesgericht weitergezogen werden. Das Bundesgericht übt in administrativer Hinsicht die Aufsicht über die Geschäftsführung dieser Vorinstanzen aus.
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellt als Judikative des Europarates die Wahrung der Menschenrechte gemäss der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sicher. In dieser Funktion kann das Strassburger Gericht einen Entscheid des Bundesgerichts beanstanden, aber nicht aufheben. Heisst der EGMR einen Rekurs gut, dann wird die Schweiz wegen Verletzung der Menschenrechte verurteilt, nicht das Bundesgericht.
Stellt der Gerichtshof eine Verletzung der EMRK fest, kann beim Bundesgericht unter gewissen Voraussetzungen um Revision seines angefochtenen Urteils ersucht werden. -
Die Urteilsberatungen können von jeder interessierten Person vor Ort mitverfolgt werden. Die Daten der öffentlichen Sitzungen sind auf der Homepage des Bundesgerichts ersichtlich:Für Gruppen ist eine Anmeldung empfohlen (mit obenstehendem Link).
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Ausserhalb eines laufenden Verfahrens nimmt das Bundesgericht keine Stellung zu einer konkreten Rechtsfrage.
Einreichung einer Beschwerde
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Das Bundesgericht überprüft im Rahmen von gesetzlich genau umschriebenen Verfahren und innerhalb bestimmter Fristen Entscheide letzter kantonaler Instanzen, des Bundesstrafgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundespatentgerichts und der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). Wer sich in einem Verfahren vor diesen Instanzen unrecht behandelt fühlt, kann – sofern die übrigen Voraussetzungen zur Erhebung einer Beschwerde gegeben sind – mit oder auch ohne Rechtsvertretung (Anwalt oder Anwältin) beim Bundesgericht Beschwerde einreichen.
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Die Informationen zu den Voraussetzungen für eine Beschwerdeeingabe können im Wesentlichen dem Bundesgerichtsgesetz entnommen werden.
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In einem Verfahren vor Bundesgericht besteht kein Anwaltszwang. Weitere Angaben zur Parteivertretung können dem Bundesgerichtsgesetz (insbesondere Artikel 39 ff.) entnommen werden.
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Informationen zur Eingabe einer elektronischen Beschwerde finden Sie hier:
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Die Informationen zu den Fristen können dem Bundesgerichtsgesetz entnommen werden (insbesondere Artikel 44 ff.).
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Die Informationen zu den Kosten können dem Bundesgerichtsgesetz entnommen werden (insbesondere den Artikeln 62 ff.), sowie dem Tarif für die Gerichtsgebühren im Verfahren vor dem Bundesgericht.
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Gemäss Artikel 64 des Bundesgerichtsgesetzes kann eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, vom Bundesgericht auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung befreit werden, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Wenn es zur Wahrung der Rechte der Partei notwendig ist, bestellt das Bundesgericht ihr einen Anwalt oder eine Anwältin.
Bundesgerichtsentscheide
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Die Entscheide des Bundesgerichts gelten als sogenannte Präjudizien. Das bedeutet, dass sie den unteren Gerichten und den rechtsanwendenden Behörden als Wegweiser dienen, wenn es darum geht zu entscheiden, wie ein Gesetz oder eine Verordnung genau anzuwenden ist. Es kommt auch vor, dass das Bundesgericht eine rechtliche Frage klären muss, die gesetzlich gar nicht geregelt ist. Die Entscheide des Bundesgerichts können die politische Debatte nähren und schliesslich dazu führen, dass das Parlament Gesetze neu formuliert oder neue Themen aufnimmt.
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Die Entscheide des Bundesgerichts treten gemäss dem Bundesgerichtsgesetz (Artikel 61) am Tag der Ausfällung in Rechtskraft. Sie können mit keinem ordentlichen Rechtsmittel mehr angefochten werden.
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Auf schriftliches Gesuch hin bescheinigt das Bundesgericht die Rechtskraft der von ihm gefällten Endentscheide. Eine solche Bestätigung kann insbesondere im Zusammenhang mit der Vollstreckbarkeitserklärung im Ausland nötig sein. Mehr zur Rechtskraftbescheinigung
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Bestätigungen, dass beim Bundesgericht keine Beschwerde eingegangen ist, werden nur Vorinstanzen, Parteien oder gehörig bevollmächtigten Vertreterinnen oder Vertretern ausgestellt. Dritten kann keine Auskunft erteilt werden. Mehr zur Bestätigung
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Die Urteile des Bundesgerichts können auf der Internetseite des Gerichts abgerufen werden. Die Leit- oder Grundsatzentscheide (sogenannte A-Publikationen oder BGE-Entscheide) sind bis zurück in das Jahr 1875 zu finden unter Leitentscheide BGE. In Papierform ist diese Entscheidsammlung auch in grösseren öffentlichen Bibliotheken, teilweise auch bei kantonalen Amtsstellen verfügbar. Alle weiteren Urteile des Bundesgerichts sind seit dem Jahr 2000 nahezu vollständig und seit 2007 gänzlich zu finden unter Weitere Urteile ab 2000.
Es wird empfohlen, direkt mit der Nummer des Urteils - der sogenannten Urteilsreferenz - oder mit mindestens drei Stichwörtern zu suchen. Da die Parteien des jeweiligen Verfahrens in der Regel anonymisiert werden, ist eine Suche mit den Namen der betroffenen Personen nicht zielführend. -
Die auf Internet frei abrufbaren Entscheide des Bundesgerichts können ausgedruckt, aber nicht im PDF-Format heruntergeladen werden. Für eine bessere Lesbarkeit (grössere Schrift) ist es möglich, den Text zu kopieren, diesen in ein Word-Dokument einzufügen und dann auszudrucken. Nur in der kostenpflichtigen Expertensuche können seit 2004 BGE-Entscheide auch im PDF-Format heruntergeladen werden.
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Die Urteile des Bundesgerichts werden nur in einer Sprache verfasst, in der Regel jener des kantonalen Verfahrens. Abgesehen von den Regesten der Leitentscheide (BGE), die immer auf Deutsch, Französisch und Italienisch verfügbar sind, macht das Bundesgericht keine Übersetzungen. Einige spezialisierte juristische Zeitschriften übersetzen jedoch Auszüge oder ganze Entscheide.