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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_921/2023, 6B_963/2023  
 
 
Urteil vom 25. April 2024  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter von Felten, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
6B_921/2023 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Luc Humbel, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Obergericht des Kantons Aargau, 
Strafgericht, 1. Kammer, 
Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau, 
 
und 
 
6B_963/2023 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
6B_921/2023 
Ordnungsbusse (unentschuldigtes Nichterscheinen an der Berufungsverhandlung), 
 
6B_963/2023 
Rückzug der Anschlussberufung infolge unentschuldigten Nichterscheinens an der Berufungsverhandlung, 
 
Beschwerden gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 9. Juni 2023, SST.2022.241 (6B_921/2023), und gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 9. Juni 2023, SST.2022.241 (6B_963/2023). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ wird vorgeworfen, er habe mit der damals 14-jährigen C.________ im Zeitraum zwischen dem 5. Mai 2020 und Ende Juni 2020 bei mindestens fünf Gelegenheiten einvernehmlichen Geschlechts- und Oralverkehr gehabt. Im gleichen Zeitraum habe er ausserdem an einer unbekannten Örtlichkeit eine unbekannte Menge MDMA, mindestens jedoch eine Tablette Ecstasy konsumiert. 
 
B.  
Das Bezirksgericht Lenzburg verurteilte B.________ am 9. Mai 2022 wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind und Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 110.-- und einer Busse von Fr. 2'600.--. Es verzichtete auf die Anordnung der Landesverweisung und verbot ihm lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst. 
Gegen dieses Urteil erhob B.________ Berufung, mit dem Antrag, er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau erklärte Anschlussberufung und beantragte, B.________ sei in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils mit einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie einer Busse von Fr. 3'000.-- zu bestrafen und für die Dauer von fünf Jahren des Landes zu verweisen. 
 
C.  
 
C.a. Mit Verfügung vom 22. Mai 2023 lud das Obergericht des Kantons Aargau die Parteien für die Berufungsverhandlung auf den 9. Juni 2023 vor.  
Am 23. Mai 2023 ersuchte die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau, Staatsanwältin A.________, um Verschiebung der Verhandlung, und informierte das Obergericht, dass an einer allfälligen Verhandlung vom 9. Juni 2023 niemand von der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau zur Verhandlung erscheinen könne und werde. 
Die Verfahrensleiterin wies das Verschiebungsgesuch am 30. Mai 2023 ab und machte die Staatsanwältin auf die gesetzlich vorgesehenen Folgen eines unentschuldigten Nichterscheinens an der Berufungsverhandlung a ufmerksam. 
Die Berufungsverhandlung fand am 9. Juni 2023 in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau statt. 
 
C.b. Das Obergericht des Kantons Aargau auferlegte mit Beschluss vom 9. Juni 2023 der unentschuldigt nicht erschienenen Staatsanwältin A.________ eine Ordnungsbusse von Fr. 1'000.--.  
 
C.c. Im gleichentags ergangenen Urteil stellte das Obergericht fest, dass die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau als zurückgezogen gilt, da die für die Staatsanwaltschaft handelnde Staatsanwältin ihrer Vorladung - trotz prozesskonformer Vorladung und abgewiesenem Verschiebungsgesuch - unentschuldigt keine Folge geleistet habe. Es wies darauf hin, dass es im Falle eines Schuldspruchs aufgrund des Verschlechterungsverbots maximal bei der von der Vorinstanz ausgesprochenen Geldstrafe bleibe und auf das Absehen einer Landesverweisung nicht zurückzukommen sei.  
Es verurteilte B.________ wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind und Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 110.-- sowie einer Busse von Fr. 2'600.-- und sah von einem lebenslänglichen Tätigkeitsverbot ab. 
 
D.  
 
D.a. A.________ führt Beschwerde in Strafsachen gegen den Beschluss des Obergerichts vom 9. Juni 2023 und beantragt, dieser sei gesamthaft aufzuheben, eventuell sei dessen Nichtigkeit festzustellen, subeventualiter sei die Busse auf Fr. 100.-- festzusetzen. Dies unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Obergerichts bzw. des Kantons Aargau (Verfahren 6B_921/2023).  
 
D.b. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau (nachfolgend: Beschwerdeführerin 2) wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen gegen das obergerichtliche Urteil vom 9. Juni 2023 mit dem Antrag, dieses sei teilweise aufzuheben und das Strafverfahren sei zur Neufestsetzung der Strafe, der Ausfällung einer Landesverweisung und zum neuen Entscheid über das Tätigkeitsverbot und die obergerichtlichen Kostenfolgen an das Obergericht zurückzuweisen (Verfahren 6B_963/2023).  
 
E.  
Das Obergericht, das im Verfahren 6B_921/2023 eingeladen wurde, zur Beschwerde Stellung zu nehmen, stellt und begründet den Antrag, die Beschwerde von A.________ sei vollumfänglich abzuweisen. A.________ (nachfolgend: Beschwerdeführerin 1) verzichtet ausdrücklich auf weitere Eingaben. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht vereinigt mehrere Verfahren, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen, namentlich wenn sie sich gegen denselben Entscheid richten und wenn sie die gleichen Parteien sowie ähnliche oder gleiche Rechtsfragen betreffen (vgl. Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP [SR 273]; BGE 133 IV 215 E. 1; Urteil 6B_1058/2022 vom 29. Januar 2024 E. 1 mit Hinweisen). Vorliegend stammen die beiden Beschwerden zwar von verschiedenen Parteien und richten sich gegen unterschiedliche Entscheide, jedoch liegt beiden Verfahren der gleiche Sachverhalt zugrunde und es stellen sich die gleichen Rechtsfragen. Es rechtfertigt sich daher, die beiden Verfahren 6B_921/2023 und 6B_963/2023 zu vereinigen und die Beschwerden in einem einzigen Entscheid zu behandeln, zumal die beiden Beschwerdeschriften inhaltlich weitgehend übereinstimmen. 
 
2.  
Die Beschwerde an das Bundesgericht ist ein reformatorisches Rechtsmittel (Art. 107 Abs. 2 BGG). Ein blosser Antrag auf Rückweisung ist nicht zulässig, es sei denn, das Bundesgericht könnte ohnehin nicht reformatorisch entscheiden (BGE 137 II 313 E. 1.3; 136 V 131 E. 1.2; 134 III 379 E. 1.3; je mit Hinweisen). Da die Beschwerdebegründung zur Interpretation des Rechtsbegehrens beigezogen werden kann, genügt nach der Rechtsprechung ein Begehren ohne einen Antrag in der Sache dann, wenn sich aus der Begründung zweifelsfrei ergibt, was mit der Beschwerde angestrebt wird (BGE 136 V 131 E. 1.2; Urteile 6B_594/2022 vom 9. August 2023 E. 3; 6B_119/2023 vom 1. Mai 2023 E. 1). 
Die Beschwerdeführerin 2 stellt keinen materiellen Antrag, sondern verlangt die teilweise Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und die Rückweisung der Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz. Dies ist vorliegend ohne Weiteres zulässig, weil das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden könnte. Die Beschwerdeführerin 2 wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die vorinstanzliche Annahme, dass die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau als zurückgezogen gilt, weil diese in Kenntnis der gesetzlichen Folgen der Berufungsverhandlung unentschuldigt ferngeblieben ist. Da die Vorinstanz in ihrem Urteil die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft nicht berücksichtigt, könnte das Bundesgericht im Falle einer Gutheissung nicht (erstmals) darüber befinden. 
Auch der Hauptantrag der Beschwerdeführerin 1 lautet auf Aufhebung des vorinstanzlichen Beschlusses. Dies ist ebenfalls zulässig, da der Beschluss einzig die Auferlegung der Ordnungsbusse zum Inhalt hat, gegen die sich die Beschwerde richtet. Erweist sich die Auferlegung der Ordnungsbusse als bundesrechtswidrig, hat es mit der Aufhebung des vorinstanzlichen Beschlusses sein Bewenden. 
 
3.  
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist. Echte Noven, d.h. Tatsachen und Beweismittel, die sich erst nach dem vorinstanzlichen Entscheid ereigneten oder erst danach entstanden, sind vor Bundesgericht unzulässig (BGE 148 V 174 E. 2.2; 143 V 19 E. 1.2 mit Hinweisen). 
Beide Beschwerdeführerinnen reichen mit ihren Beschwerden den zwecks Terminabsprache für die Berufungsverhandlung erfolgten Mailverkehr zwischen der Beschwerdeführerin 1 und der Vorinstanz vom 12. bis 17. Mai 2023 ins Recht, wobei die Beschwerdeführerin 2 darauf hinweist, dass dieser, entgegen der gesetzlichen Protokollierungs- und Dokumentationspflicht, nicht in die Akten aufgenommen worden sei. Zwar wurden die Ausdrucke der Mails betreffend Terminabsprache nicht in den vom Bundesgericht beigezogenen vorinstanzlichen Akten abgeheftet, jedoch liegen sie in einem separaten Umschlag bei den Akten. Im Übrigen zeigt die Beschwerdeführerin 2 hinreichend auf, dass es sich dabei um ausnahmsweise zulässige unechte Noven handeln würde, da erst die vorinstanzlichen Entscheide zu deren Einreichung Anlass gegeben haben. Der Mailverkehr ist demnach im Folgenden zu berücksichtigen. 
Bei der ebenfalls von beiden Beschwerdeführerinnen eingereichten Hotelrechnung über den Aufenthalt der Beschwerdeführerin 1 vom 8. bis 10. Juni 2023 handelt es sich hingegen um ein unzulässiges echtes Novum. Zwar ist das Schreiben nicht datiert, jedoch werden darin die Übernachtungs- und Konsumationskosten vom 8. und 9. Juni 2023 abgerechnet, weshalb davon auszugehen ist, dass es erst nach den vorinstanzlichen Entscheiden - die Berufungsverhandlung vom 9. Juni 2023 dauerte von 08.00 Uhr bis 09.30 Uhr (Akten Vorinstanz, act. 75) - verfasst wurde. Die Rechnung - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin 1 handelt es sich nicht um einen Buchungsbeleg - ist daher im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen. 
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerinnen rügen, die Vorinstanz verletze Art. 201 Abs. 2 lit. b, Art. 202 Abs. 3, Art. 205 Abs. 4 (i.V.m. Art. 64 Abs. 1) StPO und Art. 13 BV sowie Art. 8 EMRK. Die Beschwerdeführerin 2 macht ferner geltend, die vorinstanzliche Annahme der Rückzugsfiktion verletze zudem Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO. Die Beschwerdeführerinnen argumentieren zusammengefasst, die Beschwerdeführerin 1 sei nicht ordnungsgemäss vorgeladen worden, da sie in der Vorladung nicht zum persönlichen Erscheinen verpflichtet worden sei, und bei der Festlegung des Verhandlungstermins sei nicht Rücksicht auf ihre Abkömmlichkeit bzw. jene des zuständigen Staatsanwalts genommen worden. Ferner sei sie nicht unentschuldigt der Berufungsverhandlung ferngeblieben, da die Vorinstanz das Verschiebungsgesuch zu Unrecht abgewiesen habe. Folglich seien die Voraussetzungen für die Ausfällung einer Ordnungsbusse bzw. zur Annahme der Rückzugsfiktion nicht erfüllt. Die Beschwerdeführerin 2 stellt sich ferner auf den Standpunkt, dass die Vorinstanz nicht vom Desinteresse der Staatsanwaltschaft am weiteren Gang des Verfahrens hätte ausgehen und damit die Anschlussberufung nicht hätte als zurückgezogen erachten dürfen.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Gemäss Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO gilt die Berufung oder Anschlussberufung als zurückgezogen, wenn die Partei, die sie erklärt hat, der mündlichen Berufungsverhandlung unentschuldigt fernbleibt und sich auch nicht vertreten lässt. Diese strafprozessuale Rechtsfolge gilt namentlich auch für die Staatsanwaltschaft, deren Teilnahme an der mündlichen Berufungsverhandlung zwingend ist, wenn sie Berufung oder Anschlussberufung erhoben hat (vgl. Art. 405 Abs. 3 lit. b StPO; hierzu nachfolgende E. 4.2.6; ULRICH WEDER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Lieber/ Summers/Wohlers [Hrsg.], 3. Aufl. 2020, N. 22 zu Art. 205 StPO; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, Petit commentaire, Code de procédure pénale, 2. Aufl. 2016, N. 5 zu Art. 407 StPO; STEFAN KELLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 3 zu Art. 407 StPO; MARLÈNE KISTLER VIANIN, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2. Aufl. 2019, N. 8 zu Art. 407 StPO). Es liegt keine unentschuldigte Abwesenheit vor, wenn die Partei nicht ordnungsgemäss vorgeladen wurde (Urteile 6B_1112/2017 vom 12. März 2018 E. 1.2.1; 6B_876/2013 vom 6. März 2014 E. 2.3.1; 6B_652/2013 vom 26. November 2013 E. 1.4.1; je mit Hinweisen; vgl. MARLÈNE KISTLER VIANIN, a.a.O., N. 3 zu Art. 407 StPO; STEFAN KELLER, a.a.O., N. 1 zu Art. 407 StPO; JOSITSCH/SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2023, N. 3 zu Art. 407 StPO) oder es für ihre Abwesenheit einen triftigen Grund gibt (SVEN ZIMMERLIN, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], 3. Aufl. 2020, N. 2 zu Art. 407 StPO).  
 
4.2.2. Die Ordnungsbusse ist als Disziplinarmassnahme in Art. 64 StPO geregelt. Danach kann die Verfahrensleitung Personen, die den Geschäftsgang stören, den Anstand verletzen oder verfahrensleitende Anordnungen missachten, mit Ordnungsbusse bis zu Fr. 1'000.-- bestrafen (Abs. 1). Gemäss Abs. 2 können Ordnungsbussen der Staatsanwaltschaft und der erstinstanzlichen Gerichte innert 10 Tagen bei der Beschwerdeinstanz angefochten werden. Diese entscheidet endgültig. Neben der allgemeinen Vorschrift von Art. 64 StPO ist das Aussprechen von Ordnungsbussen in der Strafprozessordnung bei einzelnen Verfahrenshandlungen noch ausdrücklich vorgesehen (vgl. JOSITSCH/SCHMID, a.a.O., N. 1 zu Art. 64 StPO; PAREIN/BICHOVSKY, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2. Aufl. 2019, N. 1 zu Art. 64 StPO; FRISCHKNECHT/REUT, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 2 zu Art. 64 StPO). So beispielsweise in Art. 205 Abs. 4 StPO. Danach kann, wer einer Vorladung von Staatsanwaltschaft, Übertretungsstrafbehörde oder Gericht unentschuldigt nicht oder zu spät Folge leistet, mit Ordnungsbusse bestraft und überdies polizeilich vorgeführt werden.  
 
4.2.3. Sowohl Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO als auch Art. 205 Abs. 4 StPO regeln die Folgen der in Art. 93 StPO allgemein umschriebenen Säumnis. Sämtliche Rechtsfolgen des unentschuldigten verspäteten Erscheinens oder Fernbleibens setzen voraus, dass in der Vorladung ausdrücklich auf sie hingewiesen wurde (vgl. Art. 201 Abs. 2 lit. f StPO; Urteil 6B_37/2012 vom 1. November 2012 E. 2; ULRICH WEDER, a.a.O., N. 14 zu Art. 205 StPO). Die Strafprozessordnung bestimmt das Verhältnis von Art. 407 Abs. 1 lit. a und Art. 205 Abs. 4 StPO nicht (vgl. JOSITSCH/SCHMID, a.a.O., N. 2 zu Art. 64 StPO). In der Lehre wird die Ansicht vertreten, dass eine Kumulation der beiden Bestimmungen insoweit ausgeschlossen ist, als im Falle der gesetzlichen Rückzugsfiktion von Art. 407 Abs. 1 StPO keine Ordnungsbusse gemäss Art. 205 Abs. 4 (i.V.m. Art. 64) StPO möglich ist (MOREILLON/PAREIN-REYMOND, a.a.O., N. 3 f. zu Art. 407 StPO; JOSITSCH/SCHMID, a.a.O., N. 2 zu Art. 64 StPO und N. 2 zu Art. 407 StPO; FRISCHKNECHT/REUT, a.a.O., N. 3 zu Art. 64 StPO; PAREIN/BICHOVSKY, a.a.O., N. 1 und Fn. 2 zu Art. 64 StPO). Dem ist bezogen auf die vorliegend zu beurteilende Konstellation grundsätzlich zu folgen. Die unentschuldigte Missachtung einer Vorladung bzw. das ordnungswidrige Verhalten führt im Falle von Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO zu einem Rechtsverlust der unentschuldigt säumigen Partei, die (Anschluss-) Berufung erklärt hat. Damit wird das Verfahren in der Regel weder verlängert noch erschwert, sondern ganz oder teilweise erledigt. Folglich rechtfertigt es sich nicht, zusätzlich (zum Rechtsverlust i.S.v. Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO) eine Ordnungsbusse nach Art. 205 Abs. 4 (i.V.m. Art. 64) StPO auszusprechen.  
 
4.2.4. Gemäss Art. 331 Abs. 4 i.V.m. Art. 405 Abs. 1 StPO setzt die Verfahrensleitung Datum, Zeit und Ort der Hauptverhandlung fest und lädt die Parteien sowie die Zeuginnen und Zeugen, Auskunftspersonen und Sachverständigen vor, die einvernommen werden sollen. Die Vorladungen ergehen schriftlich (Art. 201 Abs. 1 StPO). Sie enthalten gemäss Art. 201 Abs. 2 StPO unter anderem die Bezeichnung der vorladenden Strafbehörde und der Personen, welche die Verfahrenshandlung vornehmen werden (lit. a), die Bezeichnung der vorgeladenen Person und der Eigenschaft, in der sie an der Verfahrenshandlung teilnehmen soll (lit. b), die Aufforderung, persönlich zu erscheinen (lit. e), und den Hinweis auf die Rechtsfolgen des unentschuldigten Fernbleibens (lit. f). Vorladungen werden - mit Ausnahme der in Art. 203 StPO umschriebenen Situationen - im Gerichtsverfahren mindestens 10 Tage vor der Verfahrenshandlung zugestellt (Art. 202 Abs. 1 lit. b StPO). Bei der Festlegung des Zeitpunkts wird auf die Abkömmlichkeit der vorzuladenden Personen angemessen Rücksicht genommen (Art. 202 Abs. 3 StPO), aber auch das Beschleunigungsgebot gemäss Art. 5 StPO ist zu beachten (Urteil 1B_190/2019 vom 10. September 2019 E. 3.3; vgl. JONAS ACHERMANN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 9 zu Art. 331 StPO).  
 
4.2.5. Wer von einer Strafbehörde vorgeladen wird, hat der Vorladung Folge zu leisten (Art. 205 Abs. 1 StPO). Wer verhindert ist, einer Vorladung Folge zu leisten, hat dies der vorladenden Behörde nach Art. 205 Abs. 2 StPO unverzüglich mitzuteilen; er oder sie hat die Verhinderung zu begründen und soweit möglich zu belegen. Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist die Abwesenheit nicht nur im Falle höherer Gewalt, d.h. bei objektiver Unmöglichkeit zu erscheinen, gültig entschuldigt, sondern auch im Falle subjektiver Unmöglichkeit aufgrund der persönlichen Umstände oder eines Irrtums (BGE 127 I 213 E. 3a; Urteile 6B_652/2022 vom 1. Mai 2023 E. 2.3.3; 6B_671/2021 vom 26. Oktober 2022 E. 5.2.2; 6B_600/2022 vom 17. August 2022 E. 1.3; 6B_667/2021 vom 4. Juli 2022 E. 2.1; je mit Hinweisen). Gemäss Art. 205 Abs. 3 StPO kann eine Vorladung aus wichtigen Gründen widerrufen werden. Der Widerruf wird erst dann wirksam, wenn er der vorgeladenen Person mitgeteilt worden ist. Die Verfahrensleitung entscheidet endgültig über Verschiebungsgesuche, die vor Beginn der Hauptverhandlung eingehen (Art. 331 Abs. 5 i.V.m. Art. 405 Abs. 1 StPO).  
 
4.2.6. Soweit die Staatsanwaltschaft Berufung oder Anschlussberufung erhoben hat, ist sie gemäss Art. 405 Abs. 3 lit. b StPO von der Verfahrensleitung zur Berufungsverhandlung vorzuladen (BGE 147 IV 127 E. 2.1; Urteile 6B_1349/2020 vom 17. März 2021 E. 3.1; 6B_865/2019 vom 4. Juni 2020 E. 3.1; 6B_606/2018 vom 12. Juli 2019 E. 3.2; je mit Hinweisen). Partei im Berufungsverfahren ist die Staatsanwaltschaft (vgl. Art. 16 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 lit. c StPO; vgl. zur Rolle der Staatsanwaltschaft im Gerichtsverfahren: MOREILLON/PAREIN-REYMOND, a.a.O., N. 19 f. zu Art. 16 StPO; HENRIETTE KÜFFER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 19 ff. zu Art. 104 StPO; STEFAN CHRISTEN, Anwesenheitsrecht im schweizerischen Strafprozessrecht mit einem Exkurs zur Vorladung, 2010, S. 269 ff.), die von einem Staatsanwalt vertreten wird, dies in der Regel vom zuständigen Staatsanwalt, der bereits die Untersuchung geführt hat. Zur Anwesenheit verpflichtet ist die Behörde, nicht aber der einzelne Staatsanwalt bzw. die einzelne Staatsanwältin. Ist die zuständige Staatsanwältin verhindert, kann sie sich durch einen anderen Staatsanwalt vertreten lassen (HENRIETTE KÜFFER, a.a.O., N. 22 zu Art. 104 StPO; STEFAN CHRISTEN, a.a.O., S. 265). Damit ist die Formulierung in BGE 147 IV 127 E. 2.1 und dem Urteil 6B_1349/2020 vom 17. März 2021 E. 3.1, wonach "der zuständige Staatsanwalt persönlich zur Verhandlung zu erscheinen [hat]", insoweit zu präzisieren, als der zuständige Staatsanwalt oder eine ihn vertretende Staatsanwältin bzw. ein ihn vertretender Staatsanwalt zur Verhandlung zu erscheinen hat. Entsprechend ist in Zusammenhang mit der Staatsanwaltschaft auch Art. 201 Abs. 2 lit. b StPO zu interpretieren. Vorgeladen wird die Staatsanwaltschaft als die Anklage vertretende Behörde, nicht der einzelne Staatsanwalt. Jedoch ist die - gemäss Kenntnis der vorladenden Behörde - für die Staatsanwaltschaft auftretende Person in der Vorladung namentlich zu bezeichnen, wobei sich diese an der Verhandlung ohne Weiteres durch einen anderen Staatsanwalt vertreten lassen kann, die vorladende Behörde hierüber jedoch (idealerweise vorgängig) zu informieren hat.  
 
4.3. Vorliegend ist zu prüfen, ob die Vorinstanz Recht verletzt, indem sie vom unentschuldigten Fernbleiben der Staatsanwaltschaft ausgeht, den Rückzug der Anschlussberufung annimmt und gegenüber der Beschwerdeführerin 1 eine Ordnungsbusse ausspricht. Dabei wird die Korrespondenz zwischen Obergericht und (Ober-) Staatsanwaltschaft nur soweit wiedergegeben, als dies für die rechtliche Würdigung nötig ist. In jedem Fall - bei nicht unentschuldigtem Fernbleiben und bei rechtskonformer Annahme der Rückzugsfiktion - erweist sich die gegenüber der Beschwerdeführerin 1 verhängte Ordnungsbusse nach dem vorstehend Ausgeführten (vgl. E. 4.2.2 f.) als bundesrechtswidrig, weshalb auf die Vorbringen der Beschwerdeführerin 1 nicht näher einzugehen ist. Damit kann auch offenbleiben, ob die Vorinstanz als Kollegialbehörde zum Erlass der Ordnungsbusse überhaupt zuständig war, was die Beschwerdeführerin 1 bestreitet.  
 
4.4. Dem vorinstanzlichen Beschluss sowie den Akten ist zu entnehmen, dass die Kanzlei der Vorinstanz zwecks Absprache von möglichen Verhandlungsterminen am 10. Mai 2023 sowohl mit der amtlichen Verteidigerin als auch der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau telefonischen Kontakt aufnahm. Dabei wurde die Staatsanwaltschaft auch darum ersucht, dem Obergericht mitzuteilen, wer für sie an der Berufungsverhandlung teilnehmen werde, da der bisher für die Staatsanwaltschaft handelnde Staatsanwalt für mehrere Monate als abwesend gemeldet war. Die Beschwerdeführerin 1 informierte am 12. Mai 2023 per Mail, dass die Staatsanwaltschaft vom bisher zuständigen Staatsanwalt vertreten werde, der ab dem 1. Juli 2023 wieder für Verhandlungen zur Verfügung stehe. Für die Terminabsprache könne man sich an sie wenden. Die Kanzlei der Vorinstanz teilte der Beschwerdeführerin 1 am 15. Mai 2023 mit, dass die Verhandlung am 5. Juni 2023 (08.00 oder 14.00 Uhr), am 9. Juni 2023 (08.00 Uhr) oder am 12. Juni 2023 (08.00 oder 14.00 Uhr) stattfinden müsse, und bat sie, mitzuteilen, welcher Termin für die Staatsanwaltschaft passe und durch welchen Staatsanwalt diese vertreten werde. Tags darauf informierte die Beschwerdeführerin 1, dass diese Termine weder ihr noch den anderen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau oder der Beschwerdeführerin 2 passen würden, und bat darum, neue Termine nach der Rückkehr des zuständigen Staatsanwalts ab Juli 2023 vorzuschlagen. Hierauf antwortete der Obergerichtspräsident gleichentags mit längeren Ausführungen per E-Mail und bat die Beschwerdeführerin 1 nochmals, bekannt zu geben, welche der fünf vorgeschlagenen Termine sie wahrnehmen oder einrichten könne und wer von der Staatsanwaltschaft auftreten werde; ansonsten werde das Obergericht einen Termin festsetzen. Die Beschwerdeführerin 1 teilte am 17. Mai 2023 mit, dass für die Staatsanwaltschaft ohne Erklärung der Vorinstanz nicht nachvollziebar sei, weshalb im konkreten Fall nun, nachdem die letzte Verfügung der Vorinstanz am 5. Januar 2023 ergangen sei, eine besondere Dringlichkeit bestehe. Sie wiederholte, dass es ihr aufgrund der kurzfristigen Anfrage nicht möglich sei, an den vorgeschlagenen drei Tagen an der Verhandlung teilzunehmen, und ersuchte nochmals darum, der Staatsanwaltschaft andere Terminvorschläge zu unterbreiten.  
Mit Vorladung vom 22. Mai 2023 setzte die Vorinstanz die Berufungsverhandlung auf Freitag, 9. Juni 2023, 08.00 Uhr, an. Mit von der Beschwerdeführerin 1 unterzeichnetem Schreiben vom 23. Mai 2023 ersuchte die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau um Verschiebung der Verhandlung, da sowohl der zuständige Staatsanwalt als auch die unterzeichnete Staatsanwältin am 9. Juni 2023 ferienhalber abwesend seien, was der Vorinstanz bereits vorgängig mitgeteilt worden sei. Auch eine Vertretung durch eine andere Staatsanwältin oder einen anderen Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau sei nicht möglich. Sie informierte zudem, dass an einer allfälligen Verhandlung vom 9. Juni 2023 niemand von der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau zur Verhandlung erscheinen könne und werde. Die Verfahrensleiterin der Vorinstanz wies das Verschiebungsgesuch der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 30. Mai 2023 ab, da die von der Staatsanwaltschaft angeführten Punkte keine wichtigen Gründe gemäss Art. 205 Abs. 3 StPO darstellten, zumal es der Staatsanwaltschaft frei stehe, einen anderen Staatsanwalt oder eine andere Staatsanwältin mit der Vertretung zu betrauen. Sie wies darauf hin, dass ein Nichterscheinen als unentschuldigt gelten würde und machte auf die gesetzlich vorgesehenen Folgen aufmerksam. Am 6. Juni 2023 folgte ein Schreiben der Beschwerdeführerin 2, die erneut darum ersuchte, die Verhandlung neu anzusetzen, und festhielt, dass die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau in Kenntnis der gesetzlichen Folgen der Verhandlung fernbleiben werde. Die Berufungsverhandlung fand am 9. Juni 2023 in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau statt (Akten Vorinstanz, pag. 64 ff.). 
 
4.5.  
 
4.5.1. Die Vorinstanz verletzte kein Bundesrecht, indem sie die Berufungsverhandlung auf den 9. Juni 2023 ansetzte, das Verschiebungsgesuch ablehnte, feststellte, dass die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau unentschuldigt der Berufungsverhandlung ferngeblieben war und den Rückzug der Anschlussberufung annahm. Ausschlaggebend im zu beurteilenden Fall ist, dass vorliegend mit der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau eine Behörde betroffen ist. Berechtigt und verpflichtet ist jeweils die Staatsanwaltschaft, also die Behörde und nicht ein bestimmter Staatsanwalt. Die Personen, welche die Behörde repräsentieren, sind mithin auswechselbar (STEFAN CHRISTEN, a.a.O., S. 265; vgl. E. 4.2.6). Vorgeladen war die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau als die Anklage vertretende Behörde, wovon auch die Beschwerdeführerin 2 ausgeht. Aus Ziffer 2 der Vorladungsverfügung vom 22. Mai 2023 ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin 1 - einstweilen - als Repräsentantin der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau vorgesehen war. Damit erfüllt die Vorladung, entgegen der Kritik der Beschwerdeführerin 2, die Vorgaben von Art. 201 Abs. 2 lit. b StPO.  
 
4.5.2. Anders als die beschuldigte Person, die Privatklägerschaft, Zeuginnnen und Zeugen, Auskunftspersonen und in beschränktem Ausmass auch die Rechtsvertreter der Parteien, kann die Staatsanwaltschaft von verschiedenen Staatsanwältinnen oder Staatsanwälten und - im Kanton Aargau - auch von der Oberstaatsanwaltschaft im Berufungsverfahren vertreten werden (vgl. § 4 Abs. 5 und § 40 Abs. 2 des Einführungsgesetzes des Kantons Aargau vom 16. März 2010 zur Schweizerischen Strafprozessordnung [EG StPO/AG; SAR 251.200]). Selbstverständlich erscheint es grundsätzlich sinnvoll und angebracht, dass jene Person die Staatsanwaltschaft vertritt, die bereits die Untersuchung geführt hat und mit der Sache vertraut ist. Jedoch schliesst dies grundsätzlich nicht aus, dass die Staatsanwaltschaft durch eine andere Person vertreten wird, wenn die zuständige Person verhindert ist. Eine Ausnahme kann allenfalls für Verfahren gelten, die besonders komplex sowie umfangreich sind, und von einem Staatsanwalt während mehrerer Jahre geführt wurden, sodass eine kurzfristige Vertretung weder angemessen noch sinnvoll erscheint. Vorliegend ging es indessen nicht um einen besonders komplexen und umfangreichen Fall. Dies führt dazu, dass die Ferienabwesenheit oder Verhinderung von zwei Staatsanwälten in einer Staatsanwaltschaft mit zehn Staatsanwälten (vgl. Beschluss S. 4) keinen wichtigen Grund im Sinne von Art. 205 Abs. 3 StPO darstellt, zumal auch ein Vertreter der Beschwerdeführerin 2 an der Berufungsverhandlung hätte teilnehmen können. Demgegenüber hatte die Vorinstanz bei der Terminierung der Berufungsverhandlung das Beschleunigungsgebot zu berücksichtigen. Natürlich lässt sich mit der Beschwerdeführerin 2 einwenden, dass ein Zuwarten mit der Berufungsverhandlung bis zur Rückkehr des zuständigen Staatsanwalts anfangs Juli 2023 das Verfahren nicht extrem verlängert hätte. Nichtsdestotrotz hätte es zu einer Verlängerung geführt. Kommt hinzu, dass nicht bekannt ist, ob im Juli 2023 der Beschwerdegegner, seine amtliche Verteidigerin und die Zeugin verfügbar gewesen wären, womit, entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin 2, nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Berufungsverhandlung ab dem 1. Juli 2023 "problemlos möglich gewesen" wäre. Folglich ist nicht auszuschliessen, dass sich das Verfahren (weiter) verzögert hätte, was es insbesondere angesichts der dem Beschwerdegegner drohenden Landesverweisung und des drohenden lebenslänglichen Tätigkeitsverbots sowie des Umstands, dass an der Berufungsverhandlung die zum Tatzeitpunkt 14-jährige Zeugin einvernommen werden sollte, zu vermeiden galt.  
 
4.5.3. In Berücksichtigung, dass es sich bei der Staatsanwaltschaft um eine Behörde handelt, die grundsätzlich von verschiedenen Personen an der Berufungsverhandlung repräsentiert werden kann, verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie bei der Terminfestsetzung dem Beschleunigungsgebot den Vorzug gab und nicht auf die Verhinderung des zuständigen Staatsanwalts und der Beschwerdeführerin 1 Rücksicht nahm. Die Abweisung des Verschiebungsgesuchs erweist sich aus den gleichen Gründen als bundesrechtskonform.  
 
4.5.4. Da nicht einzig die Beschwerdeführerin 1, sondern auch eine andere Person die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau an der Verhandlung hätte repräsentieren können, wird weder das Recht der Beschwerdeführerin 1 auf Achtung ihrer Privatsphäre tangiert noch die Fürsorgepflicht der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau als Arbeitgeberin verletzt, womit auf die entsprechenden Ausführungen der Beschwerdeführerin 2 nicht einzugehen ist. Als unbegründet erweist sich die, soweit ersichtlich, erstmals vor Bundesgericht vorgetragene Kritik der Beschwerdeführerin 2, wonach es sich beim von der Vorinstanz festgesetzten Verhandlungstermin um den Freitag nach Fronleichnam gehandelt habe, der im Wohnbezirk der Beschwerdeführerin 1 ein schulfreier Brückentag sei, worauf die Vorinstanz in analoger Anwendung von Art. 90 Abs. 2 StPO i.V.m. § 26 EG StPO/AG hätte besonders Rücksicht nehmen müssen. Selbstverständlich lässt sich fragen, weshalb die Verhandlung nicht an einem der beiden anderen von der Vorinstanz vorgeschlagenen Tage angesetzt worden ist. Jedoch hätte dies im Ergebnis keinen Unterschied gemacht, da gemäss den Ausführungen der Beschwerdeführerin 1 in ihrer E-Mail vom 16. Mai 2023 auch an den beiden anderen Tagen kein Vertreter der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau oder der Beschwerdeführerin 2 an der Verhandlung hätte teilnehmen können. Beim 9. Juni 2023 handelt es sich nicht um einen Feiertag, weshalb die Vorinstanz weder kantonales Recht noch Bundesrecht verletzte, indem sie die Berufungsverhandlung auf den Freitag nach Fronleichnam ansetzte. Dass dieser Tag im Wohnbezirk der Beschwerdeführerin 1 schulfrei sei, ändert daran nichts, da nicht die Beschwerdeführerin 1 persönlich Partei des Strafverfahrens war, sondern die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau. Dass die Vorinstanz in der Begründung des Ordnungsbussenbeschlusses davon ausgeht, die Beschwerdeführerin 1 habe an besagtem Verhandlungstag Pickettdienst gehabt (Beschluss S. 4), obwohl sie stets angegeben hat, an diesem Tag frei zu haben bzw. in den Ferien zu weilen, ist zwar fragwürdig, jedoch letztlich für die Beurteilung der Beschwerde nicht relevant, weshalb auf die entsprechenden Ausführungen der Beschwerdeführerin 2 nicht einzugehen ist. Mangels Relevanz braucht auch nicht weiter thematisiert zu werden, ob gegen die Abweisung des Verschiebungsgesuchs die Beschwerde in Strafsachen zulässig gewesen wäre.  
 
4.5.5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Vorgehen der Vorinstanz kein Recht verletzt. Soweit die Beschwerdeführerin 2 nebenbei eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, erweist sich die Rüge als unbegründet. Zwar setzt sich die Vorinstanz im Urteil lediglich rudimentär mit den vorliegend relevanten Fragen auseinander, jedoch war es der Beschwerdeführerin 2 anhand des vorinstanzlichen Beschlusses und der Akten ohne Weiteres möglich, das Urteil in voller Kenntnis der Sache an das Bundesgericht weiterzuziehen (vgl. BGE 148 III 30 E. 3.1; 145 III 324 E. 6.1).  
 
4.5.6. Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau ist trotz ordnungsgemässer Vorladung der Berufungsverhandlung unentschuldigt ferngeblieben. Damit gilt die Anschlussberufung gestützt auf Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO als zurückgezogen. Soweit die Beschwerdeführerin 2 der Annahme der Rückzugsfiktion entgegenhält, die Vorinstanz habe in Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Rückzugsfiktion nach Treu und Glauben nicht davon ausgehen dürfen, die Staatsanwaltschaft habe ein Desinteresse am weiteren Gang des Verfahrens gezeigt, verkennt sie, dass diese Rechtsprechung auf die vorliegende Ausgangslage nicht anwendbar ist. Die von der Beschwerdeführerin 2 angesprochene Rechtsprechung wurde für die in Art. 355 Abs. 2 und Art. 356 Abs. 4 StPO enthaltenen Rückzugsfiktionen entwickelt und trägt damit den Besonderheiten des Strafbefehlsverfahrens Rechnung (vgl. BGE 146 IV 286 E. 2.2, 30 E. 1.1.1; 142 IV 158 E. 3.1 und E. 3.3; 140 IV 82 E. 2.3 und E. 2.5; Urteile 7B_251/2022 vom 8. Februar 2024 E. 2.3.1; 6B_600/2022 vom 17. August 2022 E. 1.3). Weshalb diese Rechtsprechung auch in Zusammenhang mit dem unentschuldigten Fernbleiben der Staatsanwaltschaft an der Berufungsverhandlung zur Anwendung gelangen sollte, zeigt die Beschwerdeführerin 2 nicht auf und ist auch nicht ersichtlich. Im Übrigen könnte vorliegend ohne Weiteres auf das Desinteresse der Staatsanwaltschaft am weiteren Gang des Strafverfahrens geschlossen werden, hat doch die Beschwerdeführerin 2 in ihrem Schreiben ausdrücklich festgehalten, dass die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau in Kenntnis der gesetzlichen Folgen der Verhandlung fernbleiben wird (Akten Vorinstanz, pag. 72). Und auch die Beschwerdeführerin 1 hat für die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau in ihrem Verschiebungsgesuch nach vorgängiger Belehrung über die Folgen eines unentschuldigten Nichterscheinens in der Vorladung ausgeführt, dass niemand von der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau zur Verhandlung erscheinen kann und wird (Akten Vorinstanz, pag. 68).  
 
4.6. Insgesamt erweist sich die Annahme des Rückzugs der Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft als rechtskonform. Damit ist die (zusätzliche) Verhängung der Ordnungsbusse gegen die Beschwerdeführerin 1 bundesrechtswidrig (vgl. E. 4.2.3 und E. 4.3), weshalb der vorinstanzliche Beschluss aufzuheben ist.  
 
5.  
 
5.1. Die Beschwerde im Verfahren 6B_921/2023 ist gutzuheissen und der vorinstanzliche Beschluss aufzuheben. Es erübrigt sich, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Aargau hat die Beschwerdeführerin 1 für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
5.2. Die Beschwerde im Verfahren 6B_963/2023 ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.  
Der unterliegenden Beschwerdeführerin 2 sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da ihm im bundesgerichtlichen Verfahren keine Auslagen entstanden sind. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Verfahren 6B_921/2023 und 6B_963/2023 werden vereinigt. 
 
2.  
Die Beschwerde im Verfahren 6B_921/2023 wird gutgeheissen und der Beschluss des Obergerichts des Kantons Aargau vom 9. Juni 2023 aufgehoben. 
 
3.  
Die Beschwerde im Verfahren 6B_963/2023 wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
4.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
5.  
Der Kanton Aargau h at der Beschwerdeführerin 1 für das bundesgerichtliche Verfahren 6B_921/2023 eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
6.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. April 2024 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres