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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_370/2023  
 
 
Urteil vom 24. Januar 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, 
nebenamtliche Bundesrichterin Reiter, 
Gerichtsschreiberin Lang. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Adriano Marti, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Staat Thurgau, vertreten durch den Regierungsrat des Kantons Thurgau, Staatskanzlei, 8510 Frauenfeld, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Verantwortlichkeit (Rechtsweg), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 8. März 2023 (VG.2021.189/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. B.________ (geb. 1934) erhob am 18. November 2021 am Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau im Zusammenhang mit einer fürsorgerischen Unterbringung Klage gegen den Staat Thurgau. Sie verlangte die Zusprechung einer Genugtuung für die angeblich widerrechtliche und unverhältnismässige fürsorgerische Unterbringung, den damit verbundenen Freiheitsentzug sowie die in diesem Zusammenhang erfolgte Medikation.  
 
A.b. Am 23. Dezember 2021 verstarb B.________. Ihre gesetzlichen Erben sind A.________ und C.________. Während Erstere an den bisherigen Rechtsbegehren festhielt, bekundete Letztere den Wunsch, sie aus dem Verfahren zu entlassen.  
 
B.  
Das Verwaltungsgericht trat auf die Klage mit Entscheid vom 8. März 2023 nicht ein. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 12. Mai 2023 gelangt A.________ (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht. Diesem beantragt sie die Aufhebung des Entscheids vom 8. März 2023 und die Rückweisung der Sache an das Verwaltungsgericht mit der Verpflichtung, auf die Klage einzutreten. Der Beschwerdeführerin sei für das bisherige Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine Prozessentschädigung in Höhe von Fr. 7'500.-- zuzusprechen. Für das Verfahren vor Bundesgericht ersuchte die Beschwerdeführerin zunächst um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung, zog dieses Gesuch jedoch mit Eingabe vom 24. Juli 2023 wieder zurück und bezahlte den ihr in der Folge auferlegten Kostenvorschuss. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, indes keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 II 66 E. 1.3). 
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG), die auf eine Klage betreffend Genugtuung wegen angeblich widerrechtlicher fürsorgerischer Unterbringung nicht eingetreten ist. Diese Angelegenheit untersteht der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG; vgl. BGE 139 III 252 E. 1.5; 133 III 462 E. 2.1). Das Streitwerterfordernis (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) ist erfüllt und die Beschwerdeführerin zur Beschwerde, die sie fristgerecht erhoben hat, berechtigt (Art. 76 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG).  
 
1.2.  
 
1.2.1. Nach Art. 75 BGG ist die Beschwerde an das Bundesgericht indes nur gegen Entscheide zulässig, die ein oberes kantonales Gericht als Rechtsmittelinstanz gefällt hat (Prinzip der "double instance" im Bereich des Zivilrechts). Ausgenommen sind gemäss Art. 75 Abs. 2 BGG die Fälle, in denen ein Bundesgesetz eine einzige kantonale Instanz vorsieht (lit. a), ein Fachgericht für handelsrechtliche Streitigkeiten als einzige kantonale Instanz entscheidet (lit. b) oder eine Klage mit einem Streitwert von mindestens 100 000 Franken mit Zustimmung aller Parteien direkt beim oberen Gericht eingereicht wurde (lit. c). Die in Art. 130 Abs. 2 BGG vorgesehene Übergangsfrist zur Anpassung des kantonalen Verfahrens an Art. 75 Abs. 2 BGG ist abgelaufen.  
 
1.2.2. Das Verwaltungsgericht hat als oberes kantonales Gericht, aber nicht als Rechtsmittelinstanz, sondern als einzige kantonale Instanz entschieden. Es stützt seine Zuständigkeit auf § 64 Abs. 1 Ziff. 4 des Gesetzes des Kantons Thurgau vom 23. Februar 1981 über die Verwaltungsrechtspflege (RB 170.1) i.V.m. § 12 Abs. 1 Ziff. 1 und § 1 des Gesetzes des Kantons Thurgau vom 14. Februar 1979 über die Verantwortlichkeit (RB 170.3).  
 
1.2.3. Die Ausnahmetatbestände gemäss Art. 75 Abs. 2 lit. b und c sind offensichtlich nicht gegeben. Eine einzige kantonale Instanz ist darüber hinaus auch in keinem Bundesgesetz vorgesehen bzw. ermächtigt das Bundesrecht die Kantone nicht, eine einzige kantonale Instanz vorzusehen (BGE 138 III 799 E. 1.1). Solcherlei ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 454 ZGB. Daran ändert nichts, dass das Verwaltungsgericht in seiner Rechtsmittelbelehrung auf die Beschwerde in Zivilsachen verwiesen hat.  
 
1.3. Insgesamt ist die Beschwerde in Zivilsachen unzulässig, da das kantonale Verwaltungsgericht erstinstanzlich und nicht auf Rechtsmittel hin entschieden hat und sich dafür auf keine Ausnahmebestimmung stützen kann. Eine Entgegennahme der Eingabe als subsidiäre Verfassungsbeschwerde fällt ausser Betracht, da Art. 75 BGG auch diesbezüglich gilt (Art. 114 BGG; BGE 143 III 140 E. 1.2; 141 III 188 E. 4.1; 137 III 238 E. 2.2).  
 
2.  
Der Kanton Thurgau ist somit verpflichtet, ein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung zu stellen, um den Anforderungen des BGG gerecht zu werden. Nach der Praxis des Bundesgerichts gehen die Akten in einem Fall wie dem vorliegenden zur weiteren Behandlung an das Verwaltungsgericht zurück. Zwar ist der Kanton und nicht das Gericht selbst verpflichtet, ein Rechtsmittel zu schaffen. Praktisch lässt sich das aber, soweit bereits das Verwaltungsgericht als Erstinstanz geurteilt hat, nicht anders handhaben, als dass das Verwaltungsgericht in anderer Besetzung die Rechtsmitteleingabe beurteilt und einen zweitinstanzlichen Entscheid fällt (BGE 139 III 252 E. 1.6; Urteil 5A_732/2020 vom 22. März 2021 E. 2 mit Hinweisen). 
 
3.  
Praxisgemäss werden keine Gerichtskosten erhoben und sind allfällige Parteikosten im Rahmen des zweitinstanzlichen kantonalen Entscheides zu liquidieren (zit. Urteil 5A_732/2020 E. 3 mit Hinweisen). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird mangels funktioneller Zuständigkeit nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Beschwerde vom 12. Mai 2023 wird im Sinn der Erwägungen an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau zur weiteren Behandlung und Entscheidung überwiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, C.________ und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Januar 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lang