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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1223/2022  
 
 
Urteil vom 22. März 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiberin Erb. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Krumm, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Vollzug der Landesverweisung (Art. 66d StGB); rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 25. August 2022 (VB.2022.00392). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, Staatsangehörige von Thailand, wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 27. Mai 2019 unter anderem wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz mit einer Freiheitsstrafe von 32 Monaten sowie einer Busse von Fr. 500.-- bestraft. Überdies wurde eine Landesverweisung für die Dauer von fünf Jahren angeordnet. Ein dagegen erhobenes Rechtsmittel zog A.________ am 1. September 2019 zurück. 
 
B.  
 
B.a. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2021 forderte das Migrationsamt des Kantons Zürich A.________ auf, die Schweiz bis am 9. Februar 2022 zu verlassen. Am 31. Januar 2022 stellte A.________ ein "Wiedererwägungsgesuch" und ersuchte darum, mit Blick auf ihre gesundheitliche Verfassung die gegen sie verfügte Ausreisefrist zu sistieren bzw. eventualiter den Vollzug der Landesverweisung aufzuschieben. Dieses Gesuch wies das Migrationsamt nach Einholung einer Einschätzung sowie eines medizinischen Consultings des Staatssekretariats für Migration (SEM) mit Verfügung vom 23. Februar 2022 ab und setzte A.________ eine neue Ausreisefrist bis am 28. März 2022.  
 
B.b. Den dagegen erhobenen Rekurs wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich mit Entscheid vom 24. Mai 2022 ab. Dagegen führte A.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und beantragte, der Rekursentscheid sei aufzuheben und ihr Aufenthalt weiterhin zu dulden; eventualiter sei die Sache an das Migrationsamt zurückzuweisen mit der Verpflichtung, den Sachverhalt rechtskonform abzuklären und einen neuen Entscheid zu fällen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Urteil vom 25. August 2022 ab.  
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer Verfassungsbeschwerde, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 25. August 2022 und der Vollzug der Landesverweisung seien aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zwecks Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 148 IV 155 E. 1.1; 147 IV 453 E. 1; je mit Hinweisen).  
 
1.2.  
 
1.2.1. Art. 72-89 BGG regeln die Beschwerde in Zivilsachen, Strafsachen und in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Die Abgrenzung zwischen diesen Beschwerden ergibt sich grundsätzlich aus dem vom angefochtenen Entscheid betroffenen Rechtsgebiet. Je nachdem, ob der angefochtene Entscheid in einer Zivilsache, einer Strafsache oder einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit erging, ist die entsprechende Beschwerde zu ergreifen (BGE 138 I 367 E. 1.1; 137 IV 269 E. 1.2).  
Entscheide über den Vollzug einer strafrechtlichen Landesverweisung bzw. deren Aufschub gemäss Art. 66d StGB sind mit Beschwerde in Strafsachen anfechtbar, sofern sie den Vollzug einer Massnahme im Sinne von Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG betreffen (BGE 147 IV 453 E. 1.4.3; Urteile 6B_1392/2022 vom 26. Januar 2023 E. 2.1; 6B_1224/2022 vom 26. Januar 2023 E. 1.1; 6B_884/2022 vom 20. Dezember 2022 E. 1.1; je mit Hinweisen). 
Vorliegend ist die Eingabe der Beschwerdeführerin als Beschwerde in Strafsachen i.S.v. Art. 78 ff. BGG entgegenzunehmen. Die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels schadet nicht (vgl. BGE 133 II 396 E. 3.1). Mit Beschwerde in Strafsachen kann auch die Verletzung von Verfassungsrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde besteht kein Raum (Art. 113 ff. BGG). 
 
1.2.2. Zur Beschwerde in Strafsachen ist gemäss Art. 81 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b).  
 
1.2.3. Nachdem das Urteil, das die Landesverweisung anordnet, rechtskräftig geworden ist, kann es nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden (formelle Rechtskraft) und kann auch nicht mehr zwischen denselben Parteien infrage gestellt werden (materielle Rechtskraft; vgl. BGE 147 IV 453 E. 1.4 mit Hinweisen). Daraus ergeben sich auch verfahrensrechtliche Konsequenzen in Bezug auf die Möglichkeiten, den Vollzug des rechtskräftigen Urteils anzufechten. Obwohl Entscheide über den Vollzug von Strafen und Massnahmen in Strafsachen grundsätzlich beschwerdefähig sind (Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG), ist die Beschwerde nicht zulässig, wenn der Vollstreckungsentscheid keine wirklich neue, im früheren Entscheid nicht vorgesehene Frage regelt, wenn sie keine neue Beeinträchtigung der Rechtslage des Beteiligten nach sich zieht, wenn das zu vollstreckende Urteil nicht in Verletzung eines unverzichtbaren und unverjährbaren Grundrechts des Beschwerdeführers ergangen ist, wenn es nicht nichtig erscheint oder wenn schliesslich die behauptete Verletzung eines Grundrechts nicht besonders schwerwiegend erscheint. Dann erweist sich die Beschwerde als unzulässig, da die beschwerdeführende Person nicht aufzeigt, über ein Rechtsschutzinteresse i.S.v. Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG zu verfügen (BGE 147 IV 453 E. 1.4.3 mit Hinweisen; Urteil 6B_1392/2022 vom 26. Januar 2023 E. 2.3 mit Hinweis).  
Ein solches Interesse kann weder a priori ausgeschlossen noch allein aufgrund des Zeitablaufs vermutet werden. Da der Beschwerdeführer gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG (BGE 147 IV 453 E. 1.4.8; 141 IV 1 E. 1.1) genau darlegen muss, worin sein Rechtsschutzinteresse besteht (vgl. Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG), obliegt es ihm, glaubhaft zu machen, dass sich die massgebenden Umstände seit dem die Massnahme anordnenden Urteil verändert haben, diese Änderungen zu einer anderen Beurteilung der Verhältnismässigkeit führen können und es sich deshalb aufdrängt, auf den Vollzug der Landesverweisung zu verzichten. In dieser Hinsicht und angesichts der Gesamtheit der zu berücksichtigenden Faktoren reicht es nicht aus, zu behaupten, dass sich ein einzelner Umstand geändert habe (BGE 147 IV 453 E. 1.4.8; Urteile 6B_1392/2022 vom 26. Januar 2023 E. 2.3; 6B_1224/2022 vom 26. Januar 2023 E. 1.3.1; 6B_884/2022 vom 20. Dezember 2022 E. 1.3.1; je mit Hinweis). 
 
1.3. Vorliegend wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die vorinstanzlichen Erwägungen zu ihrem Gesundheitszustand. Sie rügt, ihr geltend gemachter kritischer Gesundheitszustand respektive dessen Gefährdung im Falle des Vollzugs der Landesverweisung sei nicht geprüft worden. Im angefochtenen Urteil werde ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, inwiefern der Bericht des SEM, auf den sich die Vorinstanz selbst stütze, nicht nachvollziehbar sei bzw. inwiefern weitere Abklärungen hätten getroffen werden müssen. Gerade diese Argumente, die sie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht habe, hätte die Vorinstanz aber abklären oder zumindest behandeln müssen respektive hätte sie begründen müssen, weshalb diese Argumente nicht weiter geklärt werden müssten. Weiter fügt die Beschwerdeführerin an, sie habe zwar knapp aber begründet Kritik am Bericht des SEM geübt und namentlich angezweifelt bzw. in Frage gestellt, ob das genannte Spital ein öffentliches Spital sei und die sogenannte Universal Health Care die Kosten übernehme. Sei dem nicht so, dann sei eine adäquate HIV-Behandlung nicht gewährleistet. Die Vorinstanz habe es unterlassen, überhaupt erst auf diese Argumentation einzugehen; dadurch verletze sie den Anspruch auf rechtliches Gehör.  
 
1.4. Die vom Bezirksgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 27. Mai 2019 angeordnete Landesverweisung gestützt auf Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB war ab dem Urteilstag mangels Anfechtung (bzw. aufgrund Rückzugs des dagegen eingelegten Rechtsmittels) rechtskräftig (vgl. Art. 437 Abs. 2 StPO) und vollstreckbar. Die rechtskräftige Entscheidung bindet neben den Strafgerichten auch die Vollzugsbehörden. Diese sind zum Vollzug der Strafen und Massnahmen und damit auch der Landesverweisung verpflichtet (Art. 372 StGB).  
Die Beschwerdeführerin stellt sich weder auf den Standpunkt, im die Landesverweisung anordnenden Urteil sei ihr Gesundheitszustand nicht überprüft worden, noch, sie sei daran gehindert worden, ihre Rechte im Rahmen der ihr offenstehenden Rechtsmittel gegen das Urteil durchzusetzen. Ebensowenig macht sie geltend, ihr Gesundheitszustand habe sich seit der Anordnung der Landesverweisung auf irgendeine Art verändert, geschweige denn verschlechtert. Sie belässt es dabei vorzubringen, im angefochtenen Entscheid finde sich keine eigentliche Prüfung des geltend gemachten kritischen Gesundheitszustands respektive dessen Gefährdung. Inwieweit sich aber beispielsweise ihre HIV-Erkrankung, die im Strafverfahren bereits thematisiert wurde, seit der Anordnung der Landesverweisung derart verschlechtert hätte, dass diese Veränderung zu einer anderen Beurteilung der Verhältnismässigkeit führen könnte, legt sie nicht ansatzweise dar. Damit gelingt es ihr nicht - nicht einmal prima facie - glaubhaft zu machen, die massgeblichen Umstände hätten sich seit dem die Landesverweisung anordnenden Urteil derart verändert, dass es sich dadurch aufdränge, auf den Vollzug i.S.v. Art. 66d StGB zu verzichten (vgl. oben E. 1.2.3; BGE 147 IV 453 E. 1.4.8). 
 
2.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. März 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Erb