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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_959/2022  
 
 
Urteil vom 7. August 2023  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiber Burkhardt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Sinan Stäheli, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt, Rohanstrasse 5, 7000 Chur, 
2. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Selina Adank-Janett, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Gewerbsmässiger Betrug; rechtliches Gehör, Anklageprinzip, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer, vom 23. Februar 2022 (SK1 19 47). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Urteil vom 9. Juli 2019 sprach das Regionalgericht Plessur A.________ des gewerbsmässigen Betrugs schuldig und bestrafte sie mit einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten. Gegen das Urteil erhob A.________ Berufung. 
 
B.  
Das Kantonsgericht Graubünden bestätigte mit Urteil vom 23. Februar 2022 den erstinstanzlichen Schuldspruch sowie die Sanktion. 
 
C.  
A.________ gelangt mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils des Kantonsgerichts Graubünden vom 23. Februar 2022 sowie einen Freispruch vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs. Zudem sei ihr für unrechtmässig erlittene Untersuchungshaft eine Genugtuung von Fr. 3'000.-- auszurichten. Die Kosten des kantonalen und des bundesgerichtlichen Verfahrens seien dem Kanton Graubünden aufzuerlegen und dieser sei zu verpflichten, A.________ eine angemessene Prozessentschädigung zu bezahlen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Strafsache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht Graubünden zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Anklageprinzips im Sinne von Art. 6 Ziff. 3 EMRK, Art. 32 Abs. 2 BV sowie Art. 9 und Art. 325 StPO. Weiter habe die Vorinstanz ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und damit Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29 Abs. 2 BV sowie Art. 3 Abs. 2 lit. c sowie Art. 107 StPO verletzt. Schliesslich macht sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf gehörige Verteidigung im Sinne von Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK geltend. 
 
2.  
Der Beschwerdeführerin zufolge genüge die Anklageschrift dem Anklageprinzip nicht. So seien die Vorwürfe in sachlicher und zeitlicher Hinsicht nicht genügend umschrieben. 
 
2.1. Die Anklageschrift bezeichnet gemäss Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO möglichst kurz, aber genau die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung. Nach dem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie aus Art. 6 Ziff. 1 und 3 lit. a und b EMRK abgeleiteten und nunmehr in Art. 9 Abs. 1 und Art. 325 StPO festgeschriebenen Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der angeschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 144 I 234 E. 5.6.1; 143 IV 63 E. 2.2; 141 IV 132 E. 3.4.1; je mit Hinweisen).  
Die beschuldigte Person muss unter dem Gesichtspunkt der Informationsfunktion aus der Anklage ersehen können, wessen sie angeklagt ist. Das bedingt eine zureichende Umschreibung der Tat. Entscheidend ist, dass der Betroffene genau weiss, welcher konkreter Handlungen er beschuldigt und wie sein Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit er sich in seiner Verteidigung richtig vorbereiten kann. Er darf nicht Gefahr laufen, erst an der Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden (BGE 143 IV 63 E. 2.2 mit Hinweisen). Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden (Immutabilitätsprinzip), nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (Art. 350 Abs. 1 StPO). 
Die Angabe eines bestimmten Zeitraums genügt, wenn sich die zeitlichen Verhältnisse nicht exakt rekonstruieren lassen, solange für die beschuldigte Person kein Zweifel besteht, welches Verhalten ihr vorgeworfen wird. Das Gesetz verlangt nicht das präzise Datum, sondern die "Beschreibung von [...] Zeit", die üblicherweise in der Angabe eines Datums erfolgen kann. Die Zeit-Angabe ist indes nur eine der Angaben zur Umschreibung der Tatausführung. Es hängt wesentlich von Beweissituation und Gewährleistung effektiver Verteidigungsmöglichkeiten und damit von der Verfahrensfairness ab, ob ein längerer Zeit-Rahmen noch als im Sinne von Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO genügend bestimmt beurteilt werden kann. Mit anderen Worten bestimmt sich die (noch) zulässige Zeit-Angabe nach Massgabe des konkreten Anklagesachverhalts (Urteile 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 1.2.1; 6B_212/2019 vom 15. Mai 2019 E. 1.2.1; 6B_1227/2018 vom 8. Februar 2019 E. 1.2; je mit Hinweisen). Bei gehäuften und regelmässigen Delikten wird dem Anklagegrundsatz Genüge getan, wenn die Handlungen in zeitlicher und örtlicher Hinsicht lediglich approximativ umschrieben werden. Der Zeitraum ist auf eine bestimmte Dauer einzugrenzen. Nicht entscheidend ist, ob sich der Beschwerdeführer effektiv ein Alibi beschaffen kann oder sich an den Tatzeitraum erinnert (Urteile 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 1.2.1; 6B_619/2019 vom 11. März 2020 E. 2.3; 6B_997/2019 vom 8. Januar 2020 E. 2.3; je mit Hinweisen). 
 
2.2. Die Rüge der Beschwerdeführerin ist unbegründet.  
Die Anklageschrift legt ihr in örtlicher und zeitlicher Hinsicht zusammengefasst Folgendes zur Last: In der Zeitspanne zwischen Januar und April 2016 sei es in Chur, Zürich und weiteren Orten zu diversen Treffen zwischen der Beschwerdeführerin und der Geschädigten gekommen. Anlässlich dieser Treffen habe die Beschwerdeführerin von der Geschädigten Geld verlangt, indem sie dieser wahrheitswidrig vorgegeben habe, dass sie die Geschädigte diesfalls beschützen würde und dass es dieser - wenn sie der Beschwerdeführerin kein Geld gebe - schlecht gehen werde. Die Beschwerdeführerin habe der Geschädigten auch wahrheitswidrig vorgegeben, sie würde ihr als Gegenleistung helfen, ihre persönlichen Probleme zu lösen. Die Geschädigte, die aufgrund ihrer Erkrankung an Multipler Sklerose gesundheitlich schwer angeschlagen und eine labile, naive und leichtgläubige Person gewesen sei, sei deshalb davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin sie beschützen würde, ihr nichts passiere und die Beschwerdeführerin ihr helfe, ihre persönlichen Probleme zu lösen, wenn sie dieser Geld gebe. 
Die Beschwerdeführerin habe die Geschädigte auf diese Art und Weise dazu gebracht, ihr unter 60 Malen Bargeld in Höhe von insgesamt Fr. 115'410.-- auszuhändigen. Zudem habe sie die Geschädigte auf die gleiche Art dazu gebracht, ihr in Zürich Pfannen im Wert von Fr. 438.50 sowie in Chur zwei elektrische Zahnbürsten von nicht bekanntem Wert zu kaufen. 
 
2.3. Die Anklageschrift gibt das der Beschwerdeführerin vorgeworfene Verhalten sowohl in zeitlicher als auch in örtlicher Hinsicht hinreichend präzise wieder.  
Zunächst grenzte die Anklagebehörde die Tatzeit auf die Periode zwischen Januar und April 2016 ein. Dies ist angesichts der Vielzahl angeklagter Übergaben (rund 60 innert vier Monaten, was durchschnittlich 15 Übergaben pro Monat entspricht) nicht zu beanstanden. 
Weiter begnügt sich die Staatsanwaltschaft bei der Umschreibung der Tatorte mit der zugegebenermassen wenig konkreten Bezeichnung der Städte "Zürich" und "Chur", wobei die Formulierung "andere Orte" noch zusätzliche, nicht näher umschriebene Treffpunkte impliziert. Angesichts derart zahlreicher Übergaben ist es aber naheliegend, dass sich die genauen Lokalitäten sämtlicher Treffen im Nachhinein nicht mehr einzeln eruieren lassen. Der Anklagesachverhalt umschreibt diese damit so konkret, wie dies in casu möglich erscheint. Für die Beschwerdeführerin konnte angesichts der klaren Bezeichnung des Opfers (das sie ihren Ausführungen in der Berufungsverhandlung zufolge kannte, vgl. nachfolgend E. 2.4.2), der Täuschungshandlungen sowie des gesamthaft von ihr entgegengenommenen Betrags keine Zweifel darüber bestehen, welches Verhalten ihr vorgeworfen wird. 
Wie erwähnt anerkannte die Beschwerdeführerin sodann zwar in der Berufungsverhandlung, dass sie die Geschädigte gekannt habe, gestand aber lediglich zwei Treffen in Chur sowie eine Geldübergabe von Fr. 500.-- ein und stritt den Anklagevorwurf im Übrigen ab. Insofern ist nicht ersichtlich, wie eine genauere örtliche Eingrenzung des Tatvorwurfs (im Sinne der Nennung von Adressen oder sonstiger "präzisierender Realkennzeichen") für die angemessene Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte entscheidend gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin macht denn auch keine derartigen (konkreten und tatsächlichen) Einschränkungen geltend, sondern moniert weitgehend abstrakt, die Anklagebehörde hätte das Tatgeschehen genauer umschreiben müssen. Rein spekulativ erscheint derweil ihre These, dass sich die Bezeichnung "weitere Orte" auch auf Lokalitäten im Ausland beziehen könnte, womit das Territorialitätsprinzip verletzt wäre. 
Selbiges gilt für die Rüge, wonach die Anklageschrift von "diversen" Treffen spreche, ohne sich auf eine Zahl festzulegen bzw. nicht aufschlüssle, welcher Betrag anlässlich jeder der inkriminierten 60 Geldübergaben ausgehändigt worden sei. Auch diesbezüglich scheint ohne Weiteres plausibel, dass sich beides im Nachhinein nicht mehr präzise bestimmen liess und es ist weder erkennbar noch dargetan, dass sich dies konkret auf die Verteidigungsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin ausgewirkt hätte. Ebenso entbehrlich erscheint (angesichts des Gesamtbetrags von Fr. 115'410.-- sowie der Pfannen im Wert von Fr. 438.50) zur Ausübung ihrer Verteidigungsrechte eine Nennung des Kaufwerts der beiden von der Geschädigten erworbenen elektrischen Zahnbürsten. 
Die Umgrenzungs- und Informationsfunktion der Anklageschrift wird somit in einer Weise erfüllt, die es der Beschwerdeführerin ermöglicht hat, sich effektiv zu verteidigen. Die Verfahrensfairness ist nicht tangiert. Die angeklagte Straftat kann wegen eines hinreichend genau umschriebenen Sachverhalts gerichtlich beurteilt werden. Der Anklagegrundsatz sowie das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin sind nicht verletzt. 
 
2.4. Die Beschwerdeführerin rügt sodann, ihr ehemaliger Verteidiger habe in mehrerlei Hinsicht seine Sorgfaltspflicht verletzt. Zum einen habe er vor Vorinstanz im Wesentlichen auf sein Plädoyer vor erster Instanz verwiesen und keine Plädoyernotizen mehr eingereicht. Dies obwohl die Beschwerdeführerin in der Berufungsverhandlung neu eingestanden habe, dass sie die Geschädigte kenne und getroffen habe. Er habe somit zum neuen Aussageverhalten der Beschwerdeführerin keine Stellung bezogen, obwohl die Argumentation vor erster Instanz nicht mehr aktuell habe sein können.  
Die Verteidigung habe vor Vorinstanz zudem keinen rechtsgenügenden Bezug auf mit der Berufungserklärung eingereichte Beilagen (Beilagen B1 - B5) mehr genommen. Bei diesen Dokumenten handle es sich aber um Bankbelege, die aufzeigten, dass die Beschwerdeführerin an gewissen Daten - entgegen der Anklage - nicht in Chur oder in Zürich gewesen sei. 
Die Sicherstellung einer gehörigen Verteidigung liege in der Verantwortung der Vorinstanz. Da es diese unterlassen habe, eine wirksame Verteidigung sicherzustellen, habe sie Art. 6 Ziff. 3 EMRK verletzt. 
 
2.4.1. Die Bestimmungen von Art. 29 Abs. 3 BV, Art. 32 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK garantieren den Anspruch des Beschuldigten auf sachkundige, engagierte und effektive Wahrnehmung seiner Parteiinteressen. Mit den Bestimmungen von Art. 132 und 133 StPO wurde die bisherige Rechtsprechung zur Garantie auf eine wirksame Verteidigung kodifiziert (BGE 139 IV 113 E. 4.3). Liegt ein Fall notwendiger Verteidigung (Art. 130 StPO) vor, so achtet die Verfahrensleitung gemäss Art. 131 Abs. 1 StPO darauf, dass unverzüglich ein Verteidiger bestellt wird. Das Rechtsinstitut der notwendigen Verteidigung bedeutet im strafprozessualen Sinn, dass der Betroffene in Anbetracht der rechtlichen und tatsächlichen Umstände in den verschiedenen Stadien des Strafverfahrens zwingend und ohne entsprechendes Ersuchen vertreten sein muss und dass er darauf auch mit einer persönlichen Verteidigung durch ihn selbst nicht verzichten kann (BGE 143 I 164 E. 2.2; 131 I 350 E. 2.1; je mit Hinweisen). Nach der in Art. 128 StPO kodifizierten Grundregel ist die Verteidigung in den Schranken von Gesetz und Standesregeln allein den Interessen der beschuldigten Person verpflichtet. Die Verteidigung muss die Interessen der Beschuldigten in ausreichender und wirksamer Weise wahrnehmen und die Notwendigkeit prozessualer Massnahmen im Interesse der Angeschuldigten sachgerecht und kritisch abwägen. Die Beschuldigten haben Anspruch auf eine sachkundige, engagierte und effektive Wahrnehmung ihrer Parteiinteressen. Die Strafbehörden ihrerseits haben gemäss den in Art. 3 StPO festgeschriebenen Grundsätzen des Strafverfahrensrechts für ein faires Strafverfahren zu sorgen und eine genügende Verteidigung zu gewährleisten. Wird von den Behörden untätig geduldet, dass der amtliche Verteidiger seine anwaltlichen Berufs- und Standespflichten zum Nachteil der beschuldigten Person in schwerwiegender Weise vernachlässigt, kann darin eine Verletzung der von Verfassung und EMRK gewährleisteten Verteidigungsrechte liegen (BGE 138 IV 161 E. 2.4; 131 I 185 E. 3.2.3; 126 I 194 E. 3d; 120 Ia 48 E. 2b/bb; je mit Hinweisen). Die richterliche Fürsorgepflicht gebietet dem Gericht im Falle einer offenkundig ungenügenden Verteidigung, den amtlichen Verteidiger zu ersetzen, und bei einer privaten Verteidigung einzuschreiten sowie nach der Aufklärung der Angeschuldigten über ihre Verteidigungsrechte das zur Gewährleistung einer genügenden Verteidigung Erforderliche vorzukehren (BGE 131 I 350 E. 4.1 und 4.2; 124 I 185 E. 3b).  
Der Behörde kann indes nicht die Verantwortung für jegliches Versäumnis auferlegt werden; die Verteidigungsführung obliegt im Wesentlichen der beschuldigten Person und ihrem Verteidiger. Diesem steht in der Ausgestaltung der Prozessführung ein erhebliches Ermessen zu (BGE 126 I 194 E. 3d; Urteil 6B_1253/2022 vom 26. April 2023 E. 2.1; je mit Hinweisen). Als schwere Pflichtverletzung fällt nur sachlich nicht vertretbares bzw. offensichtlich fehlerhaftes Prozessverhalten der Verteidigung in Betracht, sofern die beschuldigte Person dadurch in ihren Verteidigungsrechten substanziell eingeschränkt wird. Ein solcher eklatanter Verstoss gegen allgemein anerkannte Verteidigerpflichten liegt etwa vor bei krassen Frist- und Terminversäumnissen, Fernbleiben an wichtigen Zeugeneinvernahmen, mangelnder Sorgfalt bei der Vorbereitung von Einvernahmen und anderen Prozesshandlungen oder fehlender Vorsorge für Stellvertretungen (BGE 143 I 284 E. 2.2.2 f.; 120 Ia 48 E. 2c/d; Urteil 6B_1253/2022 vom 26. April 2023 E. 2.1; je mit Hinweisen). Aus dem blossen Umstand, dass das angefochtene Urteil nicht den Erwartungen des Beschwerdeführers bzw. seines neuen Rechtsvertreters entspricht und Letzterer gegebenenfalls eine andere Verteidigungsstrategie als sein Vorgänger gewählt hätte, lässt sich für sich allein kein offensichtlich fehlerhaftes Verhalten der früheren Verteidigung ableiten, welches unter Berufung auf eine Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen könnte. Erst eine Verteidigungsstrategie, die offensichtlich nicht zum gewünschten Ergebnis führen kann und damit den Interessen des Beschuldigten klarerweise zuwiderläuft, ist als ungenügend zu bezeichnen (Urteil 6B_1253/2022 vom 26. April 2023 E. 2.1 mit Hinweisen). 
 
2.4.2. Soweit die Rügen der Beschwerdeführerin genügend substanziiert erfolgen, dringt sie damit nicht durch.  
Unbestrittenermassen verwies ihr ehemaliger Verteidiger anlässlich der Berufungsverhandlung auf sein Plädoyer vor erster Instanz. Die Vorinstanz erwägt dazu, der Verweis verfange nicht, da sich die Beschwerdeführerin noch vor der ersten Instanz auf den Standpunkt gestellt habe, dass sie die Geschädigte nicht kenne und es nicht erstellt sei, dass sie diejenige Person (mit Namen "C.________") sei, der die Geschädigte Geld gegeben haben solle. Auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Plädoyer sei demnach nicht weiter einzugehen. Aus dieser vorinstanzliche Einschätzung allein lässt sich in casu jedoch nicht auf eine grobe Pflichtverletzung des ehemaligen Verteidigers schliessen. 
So ergänzte der vormalige Verteidiger sein Plädoyer anlässlich der Berufungsverhandlungen und brachte zusammengefasst vor, es lägen die Aussagen der Geschädigten sowie der Beschwerdeführerin vor und es laufe darauf hinaus, wem das Gericht mehr glaube. Zudem nannte er Argumente dafür, dass an den Aussagen einer Belastungszeugin Zweifel angebracht seien und bekräftigte, dass die Aussagen der Beschwerdeführerin sich als glaubhaft erwiesen und diesen im Zweifel gefolgt werden müsse. Weiter wendete er sich gegen die Annahme von Arglist. Er äusserte sich insofern durchaus zur Sache, wenn auch knapp. Insofern kann nicht von vollständiger Untätigkeit und Passivität gesprochen werden. 
Die Beschwerdeführerin gestand anlässlich der Berufungsverhandlung neu ein, dass sie die Geschädigte gekannt, diese zwei Mal in Chur getroffen und von ihr Fr. 500.-- erhalten habe. Den wesentlichen Tatvorwurf (die immer noch annähernd 60 Übergaben in Zürich, Chur und andernorts, die Täuschungen, der Gesamtbetrag von Fr. 115'410.-- etc.) stellte sie aber weiterhin in Abrede. Die Ausführungen der damaligen Verteidigung, wonach es vorliegend massgeblich auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen ankomme, wobei das Gericht im Zweifel der Beschwerdeführerin zu folgen habe, erscheinen insofern auch inhaltlich weder unvertretbar noch offensichtlich fehlerhaft. Dass er nicht mehr oder anderes vorbrachte, lässt derweil kein grobes Versäumnis erkennen. Zum einen steht dem Verteidiger in der Ausgestaltung der Prozessführung ein erhebliches Ermessen zu (vgl. supra E. 2.4.1), zum andern nennt auch die Beschwerdeführerin keine Argumente oder Umstände, die von ihrem damaligen Vertreter geradezu zwingend hätten vorgebracht werden müssen. Vielmehr belässt sie es auch hier bei der allgemeinen Kritik, dieser habe es unterlassen, "sachdienliche Bemerkungen" zu ihren neuen Ausführungen zu machen resp. auf eine Argumentation verwiesen, die "nicht mehr aktuell" habe sein können. Eine grobe Pflichtverletzung ist damit weder dargetan noch ersichtlich. 
 
2.4.3. Sodann reichte der vormalige Verteidiger der Beschwerdeführerin zusammen mit der Berufungserklärung Beilagen zu den Akten. Dabei handelt es sich entgegen der Beschwerdeführerin jedoch nicht um Bankbelege, sondern um Bescheinigungen eines Arztes, die Kopie eines Kinderfotos anlässlich einer Geburtstagsfeier sowie einer Datenliste der elektronischen Patientenakten der Kinder der Beschwerdeführerin, mit der Bestätigung eines Dr. med. D.________, wonach die Eltern die Kinder zu den Terminen begleitet hätten. Besagte Dokumente sollten belegen, dass die Beschwerdeführerin zu den Zeitpunkten der Geldbezüge durch die Geschädigte nicht in Zürich oder Chur habe weilen können. Auch wenn sich der ehemalige Verteidiger der Beschwerdeführerin im Rahmen seines Plädoyers nicht mehr dazu äusserte, bezog die Vorinstanz die betreffenden Dokumente in die Beweiswürdigung ein, erwog aber, diese bewiesen nicht, dass die Geschädigte die Beträge an den betreffenden Tagen nicht hätte abheben können. Die Beschwerdeführerin fand demnach mit ihrem Argument durchaus Gehör, auch wenn sie damit nicht durchzudringen vermochte. Dem ehemaligen Verteidiger kann insofern kein offensichtlich fehlerhaftes Prozessverhalten resp. kein eklatanter Verstoss gegen seine Pflichten angelastet werden. Sollte die Beschwerdeführerin derweil mit der vorinstanzlichen Würdigung der Beilagen nicht einverstanden sein, hätte sie sich mittels Willkürrüge zur Wehr setzen müssen, was sie aber unterlässt.  
In casu sind weder eine schwere Pflichtverletzung noch eine substanzielle Einschränkung der Beschwerdeführerin in ihren Verteidigungsrechten erkennbar. Die Beschwerdeführerin erhebt die Rügen wegen Verletzung ihres Anspruchs auf ein faires Verfahren im Sinne von Art. 6 Ziff. 3 EMRK sowie ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör grundlos. 
 
2.5. Da die Beschwerdeführerin ihre Anträge auf Zusprechung einer Entschädigung sowie Neuregelung der vorinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen mit ihrem Durchdringen im Hauptantrag begründet, ist darauf nicht weiter einzugehen.  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Beschwerdeführerin wird bei diesem Ausgang des Verfahrens kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. August 2023 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Burkhardt