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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_172/2023  
 
 
Urteil vom 28. Juni 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, Bundesrichter Beusch, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Firma A.________ AG, 
 
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring, 
Beschwerdegegnerin, 
 
B.________, 
vertreten durch Treuhand C.________ AG, 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Dezember 2022 (AB.2022.00002). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ ist der Ausgleichskasse des Kantons Zürich als selbstständige Fotografin angeschlossen. Mit Verfügung vom 28. Oktober 2020 und Einspracheentscheid vom 25. November 2021 qualifizierte die Ausgleichskasse das Vertragsverhältnis zwischen B.________ und der Firma A.________ AG als unselbstständige Erwerbstätigkeit. Die entsprechenden Honorare seien als Arbeitnehmereinkommen abzurechnen. 
 
B.  
Die von der Firma A.________ AG hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 21. Dezember 2022 gut und stellte unter Aufhebung des Einspracheentscheides fest, dass die Honorarzahlungen der Beschwerdeführerin an B.________ als deren Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren seien. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Ausgleichskasse das Kantons Zürich, es sei unter Aufhebung des kantonalen Urteils ihr Einpracheentscheid vom 25. November 2021 zu bestätigten und es sei demgemäss festzustellen, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Firma A.________ AG und B.________ als unselbständige Erwerbstätigkeit zu qualifizieren sei. 
Während die Firma A.________ AG und B.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2; 130 III 136 E. 1.4). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es das Vertragsverhältnis zwischen der Beschwerdegegnerin und B.________ als selbständige Erwerbstätigkeit qualifizierte. 
 
3.  
 
3.1. Vom Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit (massgebender Lohn genannt) werden paritätische Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge erhoben (Art. 5 Abs. 1 und Art. 13 AHVG). Als massgebender Lohn gilt jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit (Art. 5 Abs. 2 AHVG). Vom Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit wird demgegenüber ein Beitrag des Selbstständigerwerbenden erhoben (Art. 8 AHVG). Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit ist jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in unselbstständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt (Art. 9 Abs. 1 AHVG).  
 
3.2. Nach der Rechtsprechung beurteilt sich die Frage, ob im Einzelfall selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit vorliegt, nicht auf Grund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien. Entscheidend sind vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend zu sein. Als unselbstständig erwerbstätig ist im Allgemeinen zu betrachten, wer von einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt. Aus diesen Grundsätzen allein lassen sich indessen noch keine einheitlichen, schematisch anwendbaren Lösungen ableiten. Die Vielfalt der im wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die beitragsrechtliche Stellung einer erwerbstätigen Person jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Weil dabei vielfach Merkmale beider Erwerbsarten zu Tage treten, muss sich der Entscheid oft danach richten, welche dieser Merkmale im konkreten Fall überwiegen (BGE 144 V 111 E. 4.2 mit diversen Hinweisen).  
 
3.3. Rechtsprechungsgemäss kommt dem Merkmal des Unternehmerrisikos im Rahmen der Prüfung der Frage, ob eine Tätigkeit selbstständiger oder unselbstständiger Natur ist, bei Fotografinnen und Fotografen - wie auch bei (freiberuflichen) Journalistinnen und Journalisten - selten eine statusentscheidende Bedeutung zu. Denn diese haben für die Ausübung ihres Berufs in der Regel weder beträchtliche Investitionen zu tätigen noch Angestelltenlöhne zu bezahlen, welche Merkmale das Unternehmerrisiko praxisgemäss charakterisieren. Aber auch das Begriffsmerkmal der arbeitsorganisatorischen Abhängigkeit wird bei diesen Tätigkeiten häufig nicht derart sein, dass daraus ohne weiteres auf unselbstständige Erwerbstätigkeit geschlossen werden könnte. Eine diesbezüglich massgebliche Bedeutung wird in derartigen Fällen daher dem Element der regelmässigen Arbeitsleistung für einen Auftraggeber beigemessen. Denn wer regelmässig für denselben Auftraggeber arbeitet, begibt sich damit insofern in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis, als bei Dahinfallen des entsprechenden Erwerbsverhältnisses eine ähnliche Situation eintritt, wie dies beim Stellenverlust eines Arbeitnehmers der Fall ist. Dies hat zur Folge, dass wer regelmässig für den nämlichen Autraggeber arbeitet, für die betreffende Tätigkeit in der Regel AHV-rechtlich die Stellung eines Unselbstständigerwerbenden zukommt (vgl. Urteil 9C_739/2019 vom 10. Juni 2020 E. 4.3 mit Hinweis auf BGE 119 V 161 E. 3b).  
 
3.4. Übt eine versicherte Person gleichzeitig mehrere Erwerbstätigkeiten aus, ist die beitragsrechtliche Qualifikation nicht auf Grund einer Gesamtbeurteilung vorzunehmen. Vielmehr ist jedes einzelne Erwerbseinkommen dahin zu prüfen, ob es aus selbstständiger oder unselbstständiger Erwerbstätigkeit stammt (BGE 144 V 111 E. 6.1; 123 V 161 E. 4a; 122 V 169 E. 3b).  
 
3.5. Die beitragsrechtliche Qualifikation ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage. Die Sachverhaltselemente, die der Schlussfolgerung zugrundeliegen, beschlagen dagegen Tatfragen, welche das Bundesgericht lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel beurteilt. Die konkrete wie auch die antizipierte Beweiswürdigung betreffen ebenfalls Tatfragen (BGE 144 V 111 E. 3 mit Hinweisen). Ob die Vorinstanz im konkreten Fall den für die Beurteilung des Beitragsstatuts massgebenden Kriterien das ihnen gebührende Gewicht beigemessen und insofern deren Bedeutung richtig erkannt hat, stellt demgegenüber eine frei überprüfbare Rechtsfrage dar (vgl. Urteil 9C_3/2021 vom 7. Mai 2021 E. 3.3).  
 
4.  
 
4.1. Gemäss den Feststellungen des kantonalen Gerichts besteht im Verhältnis zwischen der Beschwerdegegnerin und der Fotografin weder ein Weisungsrecht, noch ein Unterordnungsverhältnis oder eine Pflicht zur persönlichen Aufgabeerfüllung. Die beiden Vertagsparteien würden sich auf Augenhöhe begegnen und die Fotografin könne selber entscheiden, ob sie für die Umsetzung der Aufträge Hilfspersonen zuziehen wolle. Es bestehe kein ausgeprägtes Delkredererisiko, würde doch die Fotografin regelmässig erst auf Vorauszahlung der Endkunden hin tätig. Was die Beschwerdeführerin gegen diese Feststellungen vorbringt, vermag sie nicht als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen. Wie sie jedoch grundsätzlich zutreffend ausführt, kommt diesen Elementen bei freiberuflichen Fotografinnen rechtsprechungsgemäss in der Regel keine statusentscheidende Bedeutung zu. Zu prüfen ist vielmehr zusätzlich, ob die Fotografin von der Beschwerdegegnerin in einem Masse wirtschaftlich abhängig ist, als bei Dahinfallen des entsprechenden Erwerbsverhältnisses eine ähnliche Situation eintritt, wie dies beim Stellenverlust eines Arbeitnehmers der Fall ist (vgl. E. 3.3 hievor).  
 
4.2.  
 
4.2.1. Gemäss den grundsätzlich verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen erzielte die Fotografin im Jahr 2020 einen Gesamtumsatz von Fr. 160'633.49, wovon die Summe von Fr. 68'040.56 aus ihrer Zusammenarbeit mit der Beschwerdegegnerin resultierte. Zur Beantwortung der Frage nach einer allfälligen wirtschaftlichen Abhängigkeit schied das kantonale Gericht von dieser letzteren Summe den Betrag von Fr. 44'590.56 aus für Aufträge, welche die Fotografin selber akquiriert hatte. Daraus resultierte ein Honorarvolumen von Fr. 23'450.-, welches aus den von der Beschwerdegegnerin vermittelten Aufträgen stammt; aufgrund dieses Vergleiches mit dem Gesamtumsatz von Fr. 160'633.49 schloss die Vorinstanz, eine wirtschaftliche Abhängigkeit sei zu verneinen.  
 
4.2.2. Die beschwerdeführende Ausgleichskasse bestreitet diese Zahlen nicht, wendet sich jedoch gegen die Ausscheidung der von der Fotografin selber akquirierten Aufträge. Sie macht unter Hinweis auf das Urteil 9C_799/2011 vom 26. März 2012 E. 3.2 geltend, es solle nach Möglichkeit vermieden werden, dass verschiedene Erwerbstätigkeiten für denselben Arbeit- oder Auftraggeber unterschiedlich, teils als selbständige, teils als unselbständige Erwerbstätigkeit, qualifiziert werden.  
 
4.2.3. Das kantonale Gericht hatte die Frage zu beantworten, ob die Fotografin wirtschaftlich von der Beschwerdegegnerin abhängig ist. Zur Beantwortung dieser Frage erscheint es folgerichtig zu untersuchen, welche Aufträge der Fotografin ohne die Zusammenarbeit mit der Beschwerdegegnerin entgangen wären. Dies ist bei Aufträgen, welche die Fotografin selber akquiriert hatte, offenkundig nicht der Fall. Entsprechend ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Umsätze dieser Aufträge nicht in die Vergleichsrechnung aufgenommen hat. Diese Vergleichsrechnung dient einzig zur Beantwortung der Frage nach einer allfälligen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Fotografin; entsprechend führt sie entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht dazu, dass gewisse Aufträge von ein und denselben Arbeit- bzw. Auftraggeber sozialversicherungsrechtlich anders qualifiziert werden als andere.  
 
4.2.4. Gemäss den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen und den darauf beruhenden Berechnungen des kantonalen Gerichts wären der Fotografin ohne die Zusammenarbeit mit der Beschwerdegegnerin im Jahre 2020 bei einem Gesamtumsatz von Fr. 160'633.49 ein Honorarvolumen von Fr. 23'450.- entgangen. Jedenfalls bei einer - wie im vorliegenden Fall - deutlich über dem Medianeinkommen der schweizerischen Wohnbevölkerung liegenden Gesamthonorarvolumen (vgl. zum abnehmenden Grenznutzen zusätzlicher Einkommensteile bei höheren Einkommen BGE 133 I 206 E. 8.1) verstösst es nicht gegen Bundesrecht, eine wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Honorarvolumen entsprechend nicht ganz 15 % des Gesamtumsatzes zu verneinen.  
 
4.3. Wäre die Fotografin somit von einem Dahinfallen des Vertragsverhältnisses zwischen ihr und der Beschwerdegegnerin wirtschaftlich nicht ähnlich betroffen wie ein Arbeitnehmer bei einem Stellenverlust, so ist nach der dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung die sozialversicherungsrechtliche Qualifikation des Vertragsverhältnisses zwischen ihr und der Beschwerdegegnerin als selbständige Erwerbstätigkeit nicht zu beanstanden. Die Beschwerde der Ausgleichskasse ist abzuweisen.  
 
5.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der Beschwerdegegnerin überdies eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Die Zusprache einer Parteientschädigung an B.________, welche eine mit jener der Beschwerdegegnerin im Wesentlichen gleichlautende Vernehmlassung eingereicht hat, rechtfertigt sich nicht (vgl. auch BGE 130 III 571 E. 6; Urteil 9C_37/2019 vom 1. Juli 2019 E. 8). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, B.________, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 28. Juni 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold