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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_376/2023  
 
 
Urteil vom 22. Februar 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________ AG, 
2. B.________ AG, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mark Livschitz, 
Beschwerdeführerinnen, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Leitender Oberstaatsanwalt, An der Aa 4, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (Anstiftung zur Urkundenfälschung etc.), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, vom 15. Mai 2023 (BS 2023 17). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 6. Oktober 2022 erstatteten die A.________ AG und die B.________ AG Strafanzeige gegen C.________ und D.________ wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung bzw. Gebrauch einer falschen Urkunde.  
Gemäss Strafanzeige soll E.________, Leiter Legal und Compliance der F.________ bank, in einem Schreiben vom 7. Juli 2020 falsche Angaben zum Erwerb dreier Grundstücke in U.________ durch G.________ und zum Grund der Errichtung eines Grundpfandes auf diesen gemacht haben, namentlich indem er ein Bauvorhaben bzw. Bauprojekt von G.________ bescheinigt habe. C.________ habe, als Rechtsanwalt von G.________, E.________ zu dieser falschen Bestätigung angestiftet und das inhaltlich tatsachenwidrige Schreiben anschliessend im Strafverfahren A2 2017 168/169 als Beweismittel eingereicht. D.________, verfahrensleitende Staatsanwältin im Strafverfahren, habe ihrerseits C.________ zu dieser Tat angestiftet, indem sie diesem anlässlich eines Telefonats mitgeteilt habe, es sei relevant für die Strafuntersuchung, wie es zur Errichtung dieses Grundpfands gekommen sei. 
 
A.b. Die Justizverwaltungsabteilung des Obergerichts des Kantons Zug setzte am 8. November 2022H.________ als ausserordentlichen Staatsanwalt zur Durchführung des Strafverfahrens gegen die Beschuldigten ein.  
Am 19. Januar 2023 nahm der ausserordentliche Staatsanwalt die Strafuntersuchung gegen die Beschuldigten betreffend Anstiftung zur Urkundenfälschung bzw. Gebrauch einer falschen Urkunde nicht an die Hand. 
 
B.  
Mit Beschluss vom 15. Mai 2023 trat das Obergericht mangels Parteistellung der A.________ AG und der B.________ AG nicht auf deren Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung ein. 
 
C.  
Die A.________ AG und die B.________ AG wenden sich mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Sie beantragen, der vorinstanzliche Beschluss sei aufzuheben. Die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, durch die Oberstaatsanwaltschaft eine Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen D.________ wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung und Gebrauchs einer falschen Urkunde einholen zu lassen sowie die Strafverfolgung gegen C.________ wegen Anstiftung zur Falschbeurkundung anhand zu nehmen. Eventualiter sei die Sache zwecks Fällung eines Sachurteils an das Obergericht des Kantons Zug zurückzuweisen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen indes nur berechtigt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). 
Ungeachtet der Legitimation in der Sache kann die Privatklägerschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das geforderte rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Nicht zulässig sind dagegen Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 78 E. 1.3; je mit Hinweisen). 
Gegenstand der Beschwerde bildet ein Nichteintretensentscheid der kantonalen Beschwerdeinstanz. Zu behandeln sind deshalb einzig die von der Beschwerdeführerinnen vorgebrachten formellen Rügen gegen den Nichteintretensentscheid, zu welchen sie unbesehen der Legitimation in der Sache befugt sind. 
 
2.  
Die Beschwerdeführerinnen bringen zunächst verschiedene Gehörsrügen vor und berufen sich dabei sinngemäss auf den Teilgehalt der Prüfungs- und Begründungspflicht. Dabei verkennen sie, dass sich die aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) folgende Begründungspflicht lediglich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte erstreckt. Nicht erforderlich ist, dass sich die Behörde mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (BGE 147 IV 409 E. 5.3.4; 142 II 49 E. 9.2; 136 I 184 E. 2.2.1). Anhand des angefochtenen Beschlusses ist nachvollziehbar, weshalb die Vorinstanz den Beschwerdeführerinnen keine Parteistellung zuerkennt. Damit ist der richterlichen Begründungspflicht Genüge getan. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerinnen, welche sich im kantonalen Strafverfahren ausdrücklich als Privatklägerinnen konstituiert haben (vgl. Art. 118 Abs. 1 StPO), machen weiter geltend, die Vorinstanz sei zu Unrecht nicht auf ihre Beschwerde eingetreten. Die Verneinung ihrer Parteistellung verstosse gegen Art. 115 Abs. 1 StPO
 
3.1. Die Beschwerdelegitimation im kantonalen Verfahren ist in Art. 382 Abs. 1 StPO normiert. Gemäss dieser Bestimmung kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheids hat, ein Rechtsmittel ergreifen. Partei ist namentlich die Privatklägerschaft (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO), mithin die geschädigte Person, die gegenüber einer Strafverfolgungsbehörde spätestens bis zum Abschluss des Vorverfahrens ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 und 3 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). In seinen Rechten unmittelbar verletzt ist, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsguts ist. Bei Strafnormen, die nicht primär Individualrechtsgüter schützen, gelten nur diejenigen Personen als Geschädigte, die durch die darin umschriebenen Tatbestände in ihren Rechten beeinträchtigt werden, sofern diese Beeinträchtigung unmittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung ist. Im Allgemeinen genügt es, wenn das von der geschädigten Person angerufene Individualrechtsgut durch den verletzten Straftatbestand auch nur nachrangig oder als Nebenzweck geschützt wird, selbst wenn der Tatbestand in erster Linie dem Schutz von kollektiven Rechtsgütern dient. Werden indes durch Delikte, die primär öffentliche Interessen verletzen, private Interessen bloss mittelbar beeinträchtigt, ist der oder die Betroffene nicht geschädigte Person im Sinne des Strafprozessrechts (BGE 148 IV 170 E. 3.2; 141 IV 454 E. 2.3.1; 140 IV 155 E. 3.2; 138 IV 258 E. 2.2 f.; je mit Hinweisen).  
 
3.2. Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts (Art. 251 ff. StGB) dienen dem Schutz von Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden. Sie schützen das besondere Vertrauen, welches von den Teilnehmerinnen am Rechtsverkehr einer Urkunde als Beweismittel entgegengebracht wird. Die Urkundendelikte bezwecken in erster Linie den Schutz der Allgemeinheit. Daneben können auch private Interessen unmittelbar verletzt werden, falls die Urkundenfälschung auf die Benachteiligung einer bestimmten Person abzielt (BGE 148 IV 170 E. 3.5.1; 140 IV 155 E. 3.3.3; je mit Hinweisen). Dies ist namentlich der Fall, wenn die Urkundenfälschung auf die Verfolgung eines weitergehenden, wirtschaftlichen Zwecks abzielt und insofern als blosse Vorbereitungshandlung eines schädigenden Vermögensdelikts erscheint. Dabei schützt der Tatbestand den Einzelnen davor, durch Scheinerklärungen oder qualifiziert unrichtige Erklärungen getäuscht und dadurch zu nachteiligen rechtserheblichen Dispositionen veranlasst zu werden (BGE 148 IV 170 E. 3.5.1 mit Hinweisen).  
 
3.3. Die Vorinstanz erwägt, es sei nicht ersichtlich, inwiefern das Schreiben von E.________ vom 7. Juli 2020 die Vermögensinteressen der Beschwerdeführerinnen unmittelbar beeinträchtigen könnte. Im Schreiben werde ausgeführt, wie aus Sicht der Bank die Schuldbrieferrichtung erfolgt sei. Hingegen enthalte es keine Erklärung zum angeblichen Wert der Grundstücke, deren Inhalt sich nicht schon aus anderen Dokumenten oder den bereits erfolgten Befragungen ergeben würde. Das Schreiben spreche insbesondere und entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerinnen nicht von einem konkreten Bauprojekt, sondern nur von mutmasslichen Baukosten, die bei der Höhe der Grundpfandschuld bereits berücksichtigt worden seien, damit nicht nachträglich ein zweiter Schuldbrief errichtet werden müsse. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern diese Angaben zu einem hypothetischen Bauprojekt die Prozesschancen der Beschwerdeführerinnen in Zivil- bzw. Adhäsionsverfahren gegen G.________ oder andere Personen vermindert hätten.  
Die Beschwerdeführerinnen würden weiter geltend machen, mit dem umstrittenen Schreiben sollten ihr Recht auf Beweis und damit auch ihre Schadenersatzansprüche vereitelt werden. Allerdings legten sie nicht dar, weshalb dieses Schreiben tatsächlich eine solche Auswirkung auf ihre prozessuale Position haben solle. Wie sie selbst ausführten, existiere das Hypothekardossier bei der F.________ bank nach wie vor und könne ediert werden. Die Beschwerdeführerinnen würden durch das Schreiben in ihren prozessualen Möglichkeiten, eine entsprechende Edition zu beantragen, nicht eingeschränkt. Auch sei bisher eine Edition des Hypothekardossiers nicht mit Verweis auf das Schreiben vom 7. Juli 2020 abgelehnt worden. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, inwiefern mit dem Schreiben vom 7. Juli 2020 die prozessuale Position der Beschwerdeführerinnen derart geschwächt werden könnte, dass ihre Schadenersatzansprüche vereitelt würden. Entsprechend fehlten auch Hinweise auf einen möglichen Prozessbetrug bzw. den Versuch dazu. 
Insgesamt vermöchten die Beschwerdeführerinnen nicht darzulegen, dass das Schreiben von E.________ sie vermögensrechtlich oder auf andere Art benachteiligt hätte, weshalb der Nachweis einer Schädigung ihrer Individualinteressen durch die angebliche Urkundenfälschung misslinge. 
 
3.4. Was die Beschwerdeführerinnen gegen diese Erwägungen vorbringen, ist unbehelflich. Sie setzen sich zwar durchaus ausführlich mit der vorinstanzlichen Begründung auseinander; die vorliegend entscheidende Frage, - hierzu oben E. 3.2 in fine - behandeln sie jedoch in keiner Weise. Denn sie legen nicht bzw. jedenfalls nicht in einer den Begründungsanforderungen nach Art. 42 Abs. 2 BGG genügenden Weise dar, dass sie selbst durch das inkriminierte Schreiben vom 7. Juli 2020 getäuscht worden wären und nachteilige rechtserhebliche Disposition gestützt auf dieses getroffen hätten. Soweit sie vage Mutmassungen über einen Prozessbetrug (und damit über eine Verwendung des umstrittenen Schreibens im Dreiecksverhältnis), der sich "nicht auschliessen" lasse, äussern, reichen diese als Begründung ebenfalls nicht aus. Eine unmittelbare Betroffenheit wird aus ihren Ausführungen nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerinnen vermögen daher insgesamt nicht darzutun, dass sie Geschädigte im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO und legitimiert sind, Beschwerde gemäss Art. 393 ff. StPO gegen die Nichtanhandnahmeverfügung zu führen. Die Verneinung der Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerinnen durch die Vorinstanz hält vor Bundesrecht stand.  
 
4.  
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. 
Ausgangsgemäss tragen die Beschwerdeführerinnen die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese sind ihnen unter solidarischer Haftbarkeit und intern zu gleichen Teilen aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Februar 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger