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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5D_134/2022  
 
 
Urteil vom 31. Oktober 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiber Zingg. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Roland Egli-Heine, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Definitive Rechtsöffnung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 3. Kammer, vom 8. August 2022 (ZSU.2022.129). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit Entscheid vom 2. Juni 2022 erteilte das Bezirksgericht Rheinfelden dem Beschwerdegegner gegenüber der Beschwerdeführerin in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Region Möhlin die definitive Rechtsöffnung für Fr. 1'419.90 nebst Zins. Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wies es ab und es auferlegte ihr die Gerichtskosten und eine Parteientschädigung an den Beschwerdegegner. 
 
Am 13. Juni 2022 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau. Mit Entscheid vom 8. August 2022 wies das Obergericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wies es ab und es auferlegte ihr die Gerichtskosten und eine Parteientschädigung an den Beschwerdegegner. 
 
Am 10. September 2022 hat die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Mit Verfügung vom 13. September 2022 hat das Bundesgericht das Gesuch um aufschiebende Wirkung abgewiesen. Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen. 
 
2.  
Die Beschwerdeführerin verlangt unter anderem die Aufhebung des Entscheides des Obergerichts des Kantons Aargau vom 15. Dezember 2021 (XBE.2021.60), der eine Kindes- und Erwachsenenschutzsache betraf. Darin wurde die Beschwerdeführerin zur Bezahlung einer Parteientschädigung an den Beschwerdegegner verpflichtet, die nunmehr vollstreckt werden soll. Der Entscheid vom 15. Dezember 2021 dient im vorliegenden Rechtsöffnungsverfahren als Rechtsöffnungstitel. Im Rahmen des Rechtsöffnungsverfahrens kann der als Rechtsöffnungstitel dienende Entscheid nicht angefochten werden, womit der Aufhebungsantrag unzulässig ist (zur Frage der Nichtigkeit unten E. 5). Auf die Eröffnung eines separaten Beschwerdeverfahrens ist zu verzichten. Die Beschwerdeführerin hat den Entscheid vom 15. Dezember 2021 gemäss Track & Trace-Auszug der Schweizerischen Post am 28. Dezember 2021 entgegengenommen, womit die Beschwerdefrist (Art. 100 Abs. 1 BGG) längstens abgelaufen ist. 
 
Die Beschwerdeführerin verlangt sodann auch die Löschung der Betreibung Nr. xxx bzw. den Rückzug des Zahlungsbefehls. Auch dies ist nicht Gegenstand eines Rechtsöffnungsverfahrens und der entsprechende Antrag ist unzulässig. 
 
3.  
Die Rechtsöffnung stellt eine vermögensrechtliche Angelegenheit dar. Die Beschwerde in Zivilsachen ist somit nur zulässig, wenn der Streitwert mindestens Fr. 30'000.-- beträgt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) oder sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). Der Streitwert liegt unter Fr. 30'000.--. Allerdings macht die Beschwerdeführerin geltend, dass verschiedene Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorlägen (Tragweite des Prinzips der Justizöffentlichkeit, Unterschrift auf dem Betreibungsbegehren, Umfang der Prüfung des Rechtsöffnungsgerichts, unterschiedliche Handhabung der unentgeltlichen Rechtspflege in den Kantonen, etc.). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist jedoch nur zurückhaltend anzunehmen. Sie liegt vor, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen (BGE 146 III 237 E. 1 mit Hinweisen). Soweit die Beschwerdeführerin überhaupt genügend begründet, weshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen soll (Art. 42 Abs. 2 BGG), ist jedenfalls keine solche ersichtlich. Vielmehr geht es einzig um die Rechtsanwendung im Einzelfall. Soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend macht, ist die Berufung auf eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zudem unnötig, denn die Verletzung verfassungsmässiger Rechte kann auch im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) gerügt werden. 
 
Demgemäss ist die Beschwerde in Zivilsachen unzulässig und die Eingabe als subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu behandeln (Art. 113 ff. BGG). Mit ihr kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Verfassungsrügen müssen gemäss dem strengen Rügeprinzip von Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet werden. Dies bedeutet, dass anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und detailliert darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 133 II 396 E. 3.1; 142 III 364 E. 2.4). 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf das Prinzip der Justizöffentlichkeit (vgl. oben E. 3). Sie legt jedoch nicht dar, auf welches Verfahren sie sich bezieht und sie erhebt keine konkreten Rügen. Sie wirft einzig die Frage auf, ob sie selber die Öffentlichkeit, z.B. mit Journalisten, hätte einbeziehen sollen, um dadurch die Kontrollfunktion über die Rechtspflege sicherzustellen. Dies stellt jedoch keine Rechts- bzw. Verfassungsfrage dar. Es ist ihr überlassen, wen sie über den sie selber betreffenden Prozess informieren will. 
 
5.  
Bereits vor Obergericht hat sich die Beschwerdeführerin gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 15. Dezember 2021 (XBE.2021.60) gewandt. Gemäss den obergerichtlichen Erwägungen brachte sie im Rechtsöffnungsverfahren vor, im genannten obergerichtlichen Verfahren (XBE.2021.60) angekündigt zu haben, dass sie Berufung gegen das in einem Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner am 4. Oktober 2021 durch das Bezirksgericht Bülach erlassene Urteil erheben werde, das Obergericht des Kantons Aargau in der Folge aber entschieden habe, ohne die Berufungsankündigung im Zürcher Verfahren zu berücksichtigen, weshalb der Entscheid nichtig sei. Das Obergericht hat dazu erwogen, selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner im Kanton Zürich für das obergerichtliche Massnahmeverfahren XBE.2021.60 hätte relevant sein können, was im besagten Entscheid ohnehin in Abrede gestellt wurde, so würde das fehlende Abwarten des Zürcher Verfahrens nicht zur Nichtigkeit des aargauischen Entscheids führen, da kein besonders schwerwiegender Mangel vorliege. 
 
Vor Bundesgericht wirft die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Prüfungsumfang des Rechtsöffnungsgerichts auf (vgl. oben E. 3). Sie legt jedoch nicht dar, inwieweit das Obergericht bei der Bestimmung dessen, was im Rahmen eines Rechtsöffnungsverfahrens überprüft werden kann, gegen verfassungsmässige Rechte verstossen haben soll. Im Übrigen hält sie daran fest, dass der Entscheid im Verfahren XBE.2021.60 rechtswidrig und deshalb nichtig sei. Sie könne nicht nachvollziehen, was mit der obergerichtlichen Aussage gemeint sein soll, dass "fehlerhafte Entscheide in der Regel nur anfechtbar sind". Das Obergericht hat ihr den Unterschied zwischen blosser Anfechtbarkeit und Nichtigkeit erläutert und damit dargestellt, dass nicht jede Rechtswidrigkeit zur Nichtigkeit führt. Es stellt keine genügende Auseinandersetzung mit den obergerichtlichen Erwägungen dar, wenn die Beschwerdeführerin dies als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Schliesslich legt sie nicht dar, weshalb das Obergericht gegen verfassungsmässige Rechte verstossen haben soll, indem es den Entscheid vom 15. Dezember 2021 im Verfahren XBE.2021.60 nicht als nichtig erachtet hat. 
 
6.  
Die Beschwerdeführerin hat vor Obergericht sinngemäss geltend gemacht, dass der im Zahlungsbefehl angegebene Grund der Forderung nicht mit dem Lebensvorgang übereinstimme, der dem zu vollstreckenden Entscheid zugrunde liege. Das Obergericht hat dazu erwogen, sie begründe dies nicht weiter, und es sei nicht ersichtlich, inwiefern dies der Fall sein soll. Als Forderungsgrund sei im Zahlungsbefehl die Parteientschädigung gemäss Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz, vom 15. Dezember 2021 angegeben, auf den sich auch der Beschwerdegegner als Rechtsöffnungstitel zur Vollstreckung der Parteientschädigung berufe. Die diesbezügliche Identität sei gegeben. 
 
Vor Bundesgericht macht die Beschwerdeführerin geltend, sie habe dies in ihrer Stellungnahme vom 2. April 2022 sehr wohl begründet, nämlich dahingehend, dass die Unterschrift des Beschwerdegegners auf dem Betreibungsbegehren unglaubwürdig sei. Sie wirft dem Rechtsvertreter des Beschwerdegegners vor, ohne Wissen des Gläubigers die Betreibung eingeleitet zu haben. Der Rechtsvertreter dürfe trotz Vollmacht nicht anstelle seines Mandanten das Betreibungsbegehren unterzeichnen. 
 
Die angeblich mangelhafte Unterschrift hat mit der vom Obergericht behandelten Identität nichts zu tun. Dass die Unterschrift vor Obergericht überhaupt Thema gewesen wäre, legt die Beschwerdeführerin nicht dar. Ihre Stellungnahme vom 2. April 2022 stammt aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Die Beschwerdeführerin kann nach dem Grundsatz der materiellen Erschöpfung des Instanzenzugs vor Bundesgericht nicht auf Vorbringen zurückkommen, an denen sie vor der Vorinstanz nicht festgehalten hat. 
 
7.  
Die Beschwerdeführerin kritisiert, dass das Obergericht nicht wie von ihr verlangt Strafanzeige wegen Nötigung gegen den Beschwerdegegner und seinen Anwalt eingereicht habe. Mit den entsprechenden Erwägungen des Obergerichts setzt sie sich nicht auseinander. Soweit sie vom Bundesgericht die Verurteilung des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters wegen Nötigung (Art. 181 StGB) verlangt, ist darauf nicht einzutreten. Dies ist nicht Gegenstand eines Rechtsöffnungsverfahrens. 
 
8.  
Hinsichtlich der unentgeltlichen Rechtspflege hat das Obergericht erwogen, die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin seien sowohl im erst- als auch im zweitinstanzlichen Verfahren aussichtslos gewesen, weshalb die entsprechenden Gesuche abzuweisen seien. 
 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, es liege keine Aussichtslosigkeit vor, da die unentgeltliche Rechtspflege im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner und seinen Anwalt durch das Obergericht des Kantons Zürich gewährt worden sei. Es gehe immer nur um "ein einziges" Verfahren, nämlich das zürcherische Strafverfahren. Sie vermutet, in den Kantonen werde die unentgeltliche Rechtspflege unterschiedlich gehandhabt. 
 
Die Frage der Prozessaussichten bzw. der Aussichtslosigkeit stellt sich für jedes Verfahren gesondert. Dies gilt unabhängig davon, ob sie in verschiedenen Kantonen oder vor verschiedenen Gerichten und Instanzen stattfinden oder nicht. Entgegen dem, wovon die Beschwerdeführerin ausgeht, geht es vorliegend nicht um ein einziges Verfahren, auch wenn das zürcherische Strafverfahren im vorliegenden Rechtsöffnungsverfahren am Rande thematisiert worden ist. Aus der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Strafverfahren kann sie für das Rechtsöffnungsverfahren nichts zu ihren Gunsten ableiten. Sie legt auch nicht konkret dar, weshalb die für die Prozessaussichten bzw. die Aussichtslosigkeit relevanten Kriterien in den beiden Verfahren übereinstimmen sollen. Soweit sie überhaupt genügende Rügen erhebt, sind sie demnach unbegründet. 
 
Im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Rechtspflege beruft sich die Beschwerdeführerin sodann auf die Staatshaftung des Kantons Aargau. Dabei ist weder ein Zusammenhang mit der Frage nach ihrem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ersichtlich noch sind Staatshaftungsansprüche Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. 
 
9.  
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. 
 
10.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, war die Beschwerde von vornherein aussichtslos. Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 3. Kammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 31. Oktober 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg