Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_188/2022  
 
 
Urteil vom 2. November 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hofmann, 
Gerichtsschreiber Clément. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Leiser, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
2. B.________, 
3. C.________, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Schändung, sexuelle Nötigung; willkürliche Beweiswürdigung, Grundsatz in dubio pro reo, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, 
vom 23. Mai 2022 (SST.2021.150). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Bezirksgericht Zurzach sprach A.________ am 21. April 2021 frei von den Vorwürfen der sexuellen Nötigung, der Schändung, der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern, der einfachen Körperverletzung und der mehrfachen sexuellen Belästigung, angeblich begangen zum Nachteil von B.________ und C.________. Weiter sprach es ihn frei der mehrfachen, teilweise versuchten Schändung, Vergewaltigung, sexuellen Nötigung, sexuellen Belästigung und Tätlichkeiten, angeblich begangen zum Nachteil von D.________. In Bezug auf verjährte Übertretungen stellte es das Verfahren ein. 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Aargau stellte mit Urteil vom 23. Mai 2022 fest, dass die Freisprüche betreffend D.________ sowie die Verfahrenseinstellung betreffend die verjährten Übertretungen in Rechtskraft erwachsen sind. Es sprach ihn frei vom Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung zum Nachteil von B.________ und C.________. Hingegen verurteilte es ihn wegen sexueller Nötigung, Schändung und mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und rechnete die Untersuchungshaft an die Strafe an. Es verwies ihn für 10 Jahre des Landes, unter Eintragung im Schengener Informationssystem (SIS). Weiter urteilte es über die Genugtuungsforderungen und die Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt einen vollumfänglichen Freispruch unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Die Sache sei zur Festsetzung der Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
Die kantonalen Akten, nicht jedoch Vernehmlassungen wurden eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer wurde von der letzten kantonalen Instanz strafrechtlich verurteilt und führt frist- und formgerecht Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht (Art. 42, Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 1, Art. 90 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 BGG). Auf seine Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz stelle den Sachverhalt hinsichtlich verschiedener Anklagepunkte willkürlich und unter Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" fest.  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). Erforderlich ist zudem, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 141 IV 305 E. 1.2; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 39 E. 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1; je mit Hinweisen).  
 
2.3. Die Beschwerde an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung stellt weitestgehend unzulässige appellatorische Kritik dar. Der Beschwerdeführer begnügt sich damit, seine eigene Sicht der Dinge darzulegen und zu präsentieren, wie die Beweise aus seiner Sicht zu würdigen sind. Die Rügen erweisen sich aus nachfolgenden Gründen unbegründet, soweit überhaupt darauf einzutreten ist.  
 
2.3.1. Dies gilt, soweit der Beschwerdeführer in Bezug auf den Vorwurf der sexuellen Nötigung geltend macht, die vorinstanzliche Feststellung, dass er im Jahr 2018 das damals 14-jährige Opfer gegen ihren Willen anal penetriert habe, sei willkürlich. Sein Verweis auf die Beweiswürdigung durch die erste Instanz eignet sich nicht, um Willkür zu belegen. Denn solche liegt nicht bereits vor, wenn die obere kantonale Instanz den Sachverhalt anders als die Erstinstanz oder einzelne Sachverhaltselemente willkürlich würdigt, sondern wenn die Beweiswürdigung auch im Ergebnis schlechterdings unhaltbar ist. Ebenso wenig eignen sich seine Hypothesen zum Tatgeschehen und den möglichen Folgen, denn Willkür wäre anhand des angefochtenen Entscheids substanziert aufzuzeigen, was der Beschwerdeführer weitestgehend unterlässt. Dies gilt für seine nicht fallbezogenen Annahmen, dass anale Praktiken viel Kraft erforderten, mit Schmerzen verbunden seien, das Opfer sich dabei nicht hätte schlafend stellen können, es beim Tatgeschehen hätte schreien müssen, es ziemlich stark blutende Verletzungen mit länger dauernden Schmerzen und anschliessenden Vernarbungen hätte erleiden müssen. In gleichem Masse unzureichend erweist sich seine Begründung, sofern er weiter ausführt, es sei fraglich, wie ein Erwachsener ohne Gleitmittel und ohne allzu grosse Gewalt in den Anus einer 13-Jährigen eindringen könne, als Erwachsener könne man aus biologischen Gründen "nicht so nebenbei" in den After einer 13-Jährigen eindringen. Auch aus einem Vergleich zu einem anderen Fall einer Kanzleikollegin seines Rechtsvertreters vermag der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten abzuleiten.  
Soweit der Beschwerdeführer einzelne Widersprüche in den Aussagen des Opfers ausmacht, um daraus in eigener freier Beweiswürdigung auf die Unglaubhaftigkeit der Aussagen zu schliessen, lässt sich daraus keine Willkür hinsichtlich des Beweisergebnisses insgesamt ableiten. Mit dieser Vorgehensweise setzt er nicht an den vorinstanzlichen Erwägungen an. 
 
2.3.2. In Bezug auf den Vorwurf mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind legt der Beschwerdeführer seine eigene Sachverhaltsversion dar. Es treffe nicht zu, dass er sich viermal in das Bett des Opfers gelegt und sein erigiertes Glied an dessen Körper gerieben bzw. dass er sein Glied am Gesicht des auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafenden Opfers gerieben habe. Diesbezüglich behauptet er indessen ohne jegliche Auseinandersetzung mit der vorinstanzlichen Beweiswürdigung, er habe das Zimmer seiner Stieftochter betreten, um das Licht zu löschen oder den Wecker abzustellen, dies auf Aufforderung seiner damaligen Ehefrau und Mutter des Kindes. Weiter bestreitet er, den Penis am Gesicht des Kindes gerieben zu haben und führt aus, die Aussage des Kindes sei nicht glaubhaft. Diese Ausführungen eignen sich nicht, um Willkür in einer den Anforderungen von Art. 42 Abs. 1 und Art. 97 Abs. 1 BGG genügenden Art und Weise zu begründen. Dass nebst den kindlichen Aussagen keine "Belege" für das Tatgeschehen vorhanden sind, hinderte die Vorinstanz nicht, diesen Aussagen Beweiswert zuzumessen und ihnen Glauben zu schenken. Auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten einzelnen Widersprüche und seine eigenen Aussagen eignen sich nicht, um das Beweisergebnis als Ganzes umzustossen.  
 
2.3.3. Ebenso wenig genügt die Beschwerde hinsichtlich des Vorwurfs der Schändung den Begründungsanforderungen, welche für Kritik am vorinstanzlichen Sachverhalt gelten. Mit seiner Hypothese, es sei nicht möglich, die vorinstanzlich festgestellten sexuellen Handlungen an einem schlafenden Kind zu begehen, stellt er eigene Vermutungen zu einem aus seiner Sicht plausiblen Sachverhaltsablauf auf, ohne Willkür aufzuzeigen. Dies gilt auch, soweit der Beschwerdeführer die Aussagen des Kindes als unglaubhaft taxiert, weil dieses sich seiner Mutter nicht anvertraut hatte bzw. er oder die Mutter andere Aussagen als das Opfer zu den Schliessverhältnissen im Haus und zum Grund der Übernachtungen des Freundes im Zimmer des Opfers gemacht haben.  
 
2.3.4. Soweit der Grundsatz "in dubio pro reo" im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung gerügt wird, kommt diesem keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; je mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer beanstandet die zugesprochene Zivilforderung nur für den Fall des Freispruchs. Da sich seine Beschwerde in diesem Punkt als unbegründet erweist, ist auf diese Rüge nicht einzugehen.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Landesverweisung, ohne allerdings für den Fall des Schuldspruchs entsprechende Anträge gestellt zu haben. Diesbezüglich moniert er lediglich in wenigen Sätzen in appellatorischer Weise die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen zur Qualität des Kontaktes zu seinem Sohn, ohne daraus etwas hinsichtlich der hierzu erfolgten rechtlichen Würdigung abzuleiten. Mit diesem Vorgehen genügt er den Begründungsanforderungen nach Art. 42 Abs. 2 BGG nicht. Darauf ist nicht einzutreten.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. November 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Clément