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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_616/2020  
 
 
Urteil vom 7. August 2020  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterinnen Aubry Girardin, Hänni, 
Gerichtsschreiber Kocher. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
B.A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Gemeinde C.________/GR, 
Steuerverwaltung des Kantons Graubünde n. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Graubünden und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2016, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4. Kammer, 
vom 31. März 2020 (A 19 13). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. B.A.________ ist Vater eines Kindes und A.A.________ Mutter zweier Kinder. Im Oktober 2016 gingen die beiden die Ehe ein. Die Ehegatten leben in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe, verfügen aber nach wie vor über je einen eigenen steuerrechtlichen Wohnsitz (D.________/SG bzw. C.________/GR). Da sie ihren jeweiligen Unterhalt aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten und damit die Gemeinschaftlichkeit der Mittel fehlt, wurden sie für die Steuerperiode 2016 von den Kantonen St. Gallen und Graubünden für die Staats- und Gemeindesteuern je separat, aber zum Gesamtsteuersatz und dem Verheiratetentarif veranlagt. Für A.A.________ ergab sich dabei für die Staatssteuer des Kantons Graubünden ein Steuerbetrag von Fr. 11'833.-- und für die Gemeindesteuer der Gemeinde C.________/GR (inkl. Liegenschaftssteuer, Kirchensteuer und Feuerwehrpflichtersatz) ein solcher von Fr. 12'609.--. Die hier interessierende direkte Bundessteuer veranlagte der Kanton Graubünden für beide Ehegatten, wobei er die Faktorenaddition anwendete und den Elterntarif heranzog. Daraus ergab sich eine direkte Bundessteuer von Fr. 16'012.40.  
 
1.2. Die Eheleute (nachfolgend: die Steuerpflichtigen) erhoben bei der Steuerverwaltung des Kantons Graubünden Einsprache, was erfolglos blieb (Einspracheentscheid vom 26. Februar 2019). In der Folge gelangten sie an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, wobei sie hauptsächlich eine Verletzung des allgemeinen Gebots der Rechtsgleichheit rügten, da die Heirat in ihrem Fall, verglichen nicht nur mit Konkubinatspaaren, sondern auch mit zwei Alleinstehenden, je mit Kindern, zu einer erheblichen Mehrbelastung führe.  
Mit Entscheid A 19 13 vom 31. März 2020 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. Seinen Berechnungen legte es die Annahme zugrunde, dass beide Ehegatten im Kanton Graubünden persönlich zugehörig seien. In der Folge erkannte es, die Differenz gegenüber einer Besteuerung als Alleinstehende belaufe sich für die Zwecke der Staats- und Gemeindesteuern auf 1,42 Prozent, mithin weit unterhalb der vom Bundesgericht als zulässig erachteten Zehn-Prozent-Schwelle. Was hingegen die direkte Bundessteuer angehe, bestehe tatsächlich eine Belastungsdifferenz von 91,3 Prozent. 
Die Differenz von 91,3 Prozent sei sachlich nicht gerechtfertigt, weshalb ein Anwendungsfall der "Heiratsstrafe" vorliege. Die Mehrbelastung beruhe freilich auf Bundesrecht, das seinerseits für alle rechtsanwendenden Behörden massgebend sei (Art. 190 BV). Das Verwaltungsgericht könne daher einzig eine Verletzung des allgemeinen Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV) und des Prinzips der Verhältnismässigkeit der Besteuerung (Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, Art. 127 Abs. 2 BV) feststellen. 
 
1.3. Mit Eingabe vom 20. Juli 2020 erheben die Eheleute beim Bundesgericht "Einsprache". Sie wiederholen, dass die Steuerbelastung als Ehepaar unter den konkreten Umständen um 91,3 Prozent über dem Steuerbetrag liege, der sich ergäbe, wenn die Ehegatten als Alleinstehende besteuert würden und die Faktoren nicht addiert würden. Diese Rechtslage benachteilige insbesondere den Mittelstand, da der Höchstsatz der direkten Bundessteuer bei 11,5 Prozent liege. Es sei ihnen bewusst, dass Bundesgesetze auch für das Bundesgericht massgeblich seien. Entsprechend könnten sie, die Eheleute, sich auf dem Rechtsweg gegen die Mehrbelastung auch gar nicht zur Wehr setzen. Es bleibe ihnen einzig, sich scheiden zu lassen, um dadurch der "Heiratsstrafe" zu entgehen. Die fehlende Verfassungsgerichtsbarkeit auf Ebene von Bundesgesetzen stehe den grundrechtlich garantierten Freiheitsrechten entgegen. Das Bundesgericht werde eingeladen, die "gängige Praxis zu überdenken und im Einzelfall gegen eine massive Ungleichbehandlung einzuschreiten".  
 
1.4. Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR 173.110]) hat von Instruktionsmassnahmen, insbesondere von einem Schriftenwechsel (Art. 102 Abs. 1 BGG), abgesehen.  
 
2.   
 
2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 146 DBG [SR 642.11]).  
 
2.2. Das Bundesgericht wendet das Bundesgesetzesrecht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 146 I 11 E. 3.1.3 S. 14) und prüft es mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 145 I 239 E. 2 S. 241).  
 
2.3. Im Unterschied zum Bundesgesetzesrecht geht das Bundesgericht der Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (einschliesslich der Grundrechte) und des rein kantonalen und kommunalen Rechts nur nach, falls und soweit eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 145 V 304 E. 1.1 S. 305 f.).  
 
2.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 145 V 326 E. 1 S. 328).  
 
3.  
 
3.1. Die Aufgaben des Bundesgerichts ergeben sich aus Art. 189 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101). Dem Bundesgericht ist namentlich aufgetragen, Streitigkeiten wegen Verletzung von Bundesrecht zu beurteilen (Art. 189 Abs. 1 lit. a BV). Im Anschluss daran konkretisiert Art. 82 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) die Zuständigkeiten des Bundesgerichts im hier interessierenden öffentlich-rechtlichen Bereich. Diese erstrecken sich auf die Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts (Rechtsanwendungskontrolle; lit. a), gegen  kantonale oder kommunale, nicht aber eidgenössische Erlasse (Rechtsetzungskontrolle; lit. b) und betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und   -abstimmungen (Stimmrechtskontrolle; lit. c).  
 
3.2. Das Bundesgericht kann Bundeserlasse grundsätzlich inzident auf ihre Verfassungskonformität überprüfen. Bundesgesetze und Völkerrecht sind aber für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend (Art. 190 BV), auch wenn sie verfassungswidrig sind; es herrscht ein Anwendungsgebot (Urteil 9C_737/2019 vom 22. Juni 2020 E. 4.4, zur Publikation vorgesehen; 144 I 340 E. 3.2 S. 345 f.) Das Bundesgericht kann lediglich den Bundesgesetzgeber einladen, die fragliche Bestimmung zu ändern (sog. "Appellentscheid"; BGE 144 II 147 E. 7.2 S. 165).  
 
3.3. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG; vorne E. 2.4) ergibt sich im konkreten Fall gegenüber einer Besteuerung als Alleinstehende eine Mehrbelastung von 91,3 Prozent, deren Ursache einzig in der Tatsache der Eheschliessung liegt. Die Vorinstanz spricht von einem Anwendungsfall der "Heiratsstrafe" (vorne E. 1.2). Die Steuerpflichtigen machen nicht geltend, die Vorinstanz habe die einschlägigen Bestimmungen (insbesondere Art. 36 DBG) bundesrechtswidrig ausgelegt oder angewandt. Sie beantragen zwar, das Bundesgericht habe im "Einzelfall" - womit wohl ihr eigener Fall gemeint ist - "gegen die massive Ungleichbehandlung einzuschreiten" (vorne E. 1.3). Der angefochtene Entscheid ist aber insoweit nicht zu beanstanden, als er auf bundesrechtskonformer Auslegung und Anwendung der einschlägigen Normen beruht. Die Beschwerde ist insofern abzuweisen.  
 
3.4. Die Steuerpflichtigen ersuchen das Bundesgericht, die "gängige Praxis zu überdenken". Was die Steuerpflichtigen als "gängige Praxis" bezeichnen, ist nichts Anderes als die Befolgung der verfassungsrechtlichen Ordnung, die sich ihrerseits in der Massgeblichkeit der Bundesgesetze niederschlägt (Art. 190 BV). Das skizzierte Anwendungsgebot ist der Disposition des Bundesgerichts entzogen, weshalb es ihm auch benommen ist, Art. 190 BV in eigenständiger Kompetenz zurückzudrängen und über die Vereinbarkeit von Art. 36 DBG mit Art. 8 Abs. 1 und/oder Art. 127 Abs. 2 BV zu befinden. Sodann ist der Gesetzestext (Art. 9 und 36 DBG) klar, so dass eine verfassungskonforme Auslegung (vg. BGE 140 I 305 E. 6.2 S. 311; 137 III 217 E. 2.4.1) S. 221 ff. nicht in Betracht fällt (Urteil 2A.651/2004 vom 19. November 2004 E. 3).  
 
3.5. Die Beschwerde ist damit abzuweisen.  
 
4.   
Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Mit Blick auf die besonderen Umstände kann von einer Kostenverlegung abgesehen werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Dem Kanton Graubünden, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt der Präsident:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 4. Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. August 2020 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher