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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_224/2022  
 
 
Urteil vom 11. September 2022  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Stadelmann, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
nebenamtlicher Bundesrichter Kradolfer, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Advokatin Anouck Zehntner, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Basel-Landschaft, 
Hauptstrasse 109, 4102 Binningen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 3. Februar 2022 (720 21 178 / 26). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1970 geborene A.________ meldete sich im Januar 2017 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, dies unter Hinweis auf einen IgG4-Subklassenmangel, einen Antikörpermangel (genetischer Defekt), ein Asthma bronchiale, Bronchiektasen, ein andauernd erhöhtes CRP, eine starke chronische Müdigkeit, eine Small Fiber-Neuropathie mit sehr starken Schmerzen in den Füssen und Beinen, eine Depression und eine Angststörung. Nach Abklärung der medizinischen und erwerblichen Verhältnisse sowie Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach ihr die IV-Stelle Basel-Landschaft vom 1. Juli bis 30. November 2017 eine halbe und vom 1. Dezember 2017 bis 31. Dezember 2019 eine Viertelsrente zu; für die Zeit ab 1. Januar 2020 verneinte sie einen Rentenanspruch aufgrund eines ermittelten Invaliditätsgrades von 30 % (Verfügung vom 7. Mai 2021). 
 
B.  
Beschwerdeweise liess die Versicherte sinngemäss beantragen, die Verfügung sei dahingehend abzuändern, dass ihr ab 1. Juli 2017 eine ganze Invalidenrente auszurichten sei. Eventualiter sei ein Gerichtsgutachten einzuholen und nach dessen Vorliegen ein reformatorischer Entscheid über die Leistungsansprüche zu fällen. Mit Urteil vom 3. Februar 2022 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft die Beschwerde ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und das Rechtsbegehren stellen, das Urteil vom 3. Februar 2022 sei aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, ihr ab 1. Juli 2017 eine ganze Rente auszurichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der IV-Stelle verfügte abgestufte und befristete Rente bestätigte. 
 
3.  
 
3.1. Aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ist einzig zu prüfen, ob das kantonale Gericht dem polydisziplinären Gutachten der medexperts ag, St. Gallen (nachfolgend: medexperts), vom 25. November 2019 (vgl. auch ergänzende Stellungnahme der medexperts vom 20. Januar 2021) zu Recht Beweiskraft beimass und für die Beurteilung des Gesundheitszustandes sowie der Arbeitsfähigkeit der Versicherten darauf abstellte.  
 
3.2. Im angefochtenen Urteil wird die Rechtsprechung zur Beweiskraft medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 251 E. 3a) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
3.3. Nach dem medexperts-Gutachten vom 25. November 2019 bestehen bei der Versicherten folgende Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit: eine histologisch gesicherte Small Fiber-Polyneuropathie, differentialdiagnostisch im Rahmen eines Sjögren-Syndroms, bei persistierender Schmerzsymptomatik der Füsse beidseits bis in die Unterschenkel ziehend, ohne Hinweise auf sensomotorische Ausfälle der unteren Extremitäten, eine rezidivierende depressive Störung, leichtgradig (ICD-10 F33.0), und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41). Daneben wurden weitere Diagnosen ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit genannt, so eine arterielle Hypertonie, eine Adipositas Grad I, eine Endometriose, eine Kontrastmittelallergie, ein Favismus, eine Hyperurikämie, eine minimal eingeschränkte Nierenfunktion, ein rezidivierendes Zervikalsyndrom linksbetont, ein Morton-Neurom am rechten Fuss, ein isolierter IgG4-Subklassenmangel, ein leichtgradiges Asthma bronchiale, eine REM-assoziierte leichtgradige obstruktive Schlafapnoe und eine spezifisch isolierte Phobie (ICD-10 F40.2). Die Gutachter attestierten der Versicherten in der bisherigen und in einer angepassten Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 70 %; rückblickend setzten sie die Arbeitsunfähigkeit fest auf 50 % vom 15. Juli 2016 bis 31. März 2017, 30 % vom 1. bis 30. April 2017, 60 % vom 1. Mai bis 31. August 2017 und auf 40 % vom 1. September 2017 bis 24. September 2019 (Zeitpunkt der psychiatrischen Begutachtung).  
 
3.4. Was in der Beschwerde gegen den Beweiswert des medexperts-Gutachtens vom 25. November 2019 vorgebracht wird, ist unbehelflich.  
 
3.4.1. Wie bereits im kantonalen Verfahren macht die Beschwerdeführerin geltend, das Gutachten sei insofern nicht umfassend, als "aufgrund der im Raum stehenden Diagnose eines Sjögren-Syndroms" eine rheumatologische Begutachtung notwendig gewesen wäre. Dieses Vorbringen wurde von der Vorinstanz zutreffenderweise entkräftet mit dem Hinweis, selbst Dr. med. B.________, FMH Rheumatologie und Allgemeine Innere Medizin, habe nach Untersuchung der Versicherten in seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2020 keinen weiteren Abklärungsbedarf in rheumatologischer Hinsicht gesehen, sondern festgehalten, die Frage nach der Existenz eines primären Sjögren-Syndroms müsse offenbleiben (es lägen nicht alle vier verlangten Diagnosepunkte vor, auch der augenärztliche Befund habe nur eine unspezifische Sicca-Symptomatik gezeigt und typische Antikörper würden fehlen). Bei dieser Sachlage vermag auch nicht einzuleuchten, inwiefern darüber hinaus "zur Beurteilung der Gesamtsituation" eine rheumatologische Beurteilung erforderlich gewesen wäre, wie die Beschwerdeführerin letztinstanzlich vorbringen lässt.  
 
3.4.2. Einen weiteren Mangel des medexperts-Gutachtens erblickt die Beschwerdeführerin darin, dass trotz der Diagnose eines IgG4-Subklassenmangels keine immunologische Begutachtung durchgeführt worden sei, denn eine gute Einstellung der Immunsubstitution bedeute entgegen dem angefochtenen Urteil nicht, dass sie an keinerlei dadurch bewirkten Einschränkungen leide (wobei sie in diesem Zusammenhang die Fatigue-Symptomatik erwähnt). Auch dieser Einwand verfängt nicht. Im angefochtenen Urteil wurde diesbezüglich unter Berufung auf den Bericht des Spitals C.________, Ambulante Innere Medizin, vom 5. Oktober 2016 nicht offensichtlich unrichtig und damit für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass die Immunschwäche in der Vergangenheit zwar immer wieder zu rezidivierenden Bronchitiden und Pneumonien geführt habe, es aber unter der wöchentlichen Substitution eines Immunglobulins zu einer Stabilisierung des Gesundheitszustandes gekommen sei. In ihrer Stellungnahme vom 20. Januar 2021 hielten die medexperts-Gutachter denn auch fest, dass es sich beim isolierten IgG4-Mangel um eine Labordiagnose handle, welche bei der Versicherten ohne grosse klinische Bedeutung sei; die (im Bericht des Spitals C.________ vom 21. August 2020 gemachte) Aussage, eine Chronic Fatigue könne trotz erfolgreicher Substitution mit Immunglobulinen fortbestehen, könne nicht auf ihre Evidenz nachvollzogen werden.  
 
3.4.3. Die Beschwerdeführerin stellt sich sodann auf den Standpunkt, dass im Rahmen der neurologischen Begutachtung eine erneute elektrophysikalische Abklärung hätte durchgeführt werden müssen. Diesem Einwand ist zu entgegnen, dass die Wahl der Untersuchungsmethode im Ermessen des Sachverständigen liegt (Urteil 8C_341/2018 vom 13. August 2018 E. 6.1.2) und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der neurologische Gutachter nicht lege artis vorgegangen ist.  
 
3.4.4. Bemängelt wird weiter zu Unrecht, dass im Rahmen der medexperts-Begutachtung die nach der Rechtsprechung gemäss Urteil 9C_106/2019 vom 6. August 2019 E. 2.3.3 entscheidende Frage, ob der Fatigue-Symptomatik eine organische Ursache zugrunde liege, nicht beantwortet worden sei. Aus dem medexperts-Gutachten vom 25. November 2019 ergibt sich klar, dass bei der Beschwerdeführerin keine Anhaltspunkte für einen entsprechenden somatischen Gesundheitsschaden als Ursache bestehen und insbesondere im von ihr erwähnten isolierten IgG4-Mangel kein solcher erblickt werden kann. Dass zur Frage der rechtlichen Relevanz der festgestellten Beeinträchtigung ein strukturiertes Beweisverfahren durchgeführt wurde (vgl. auch SVR 2018 IV Nr. 31 S. 99, 8C_350/2017 E. 5.3; BGE 139 V 346 E. 2 und 3.4), ist damit nicht zu beanstanden.  
 
3.4.5. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung wird im medexperts-Gutachten vom 25. November 2019 schliesslich nachvollziehbar dargelegt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der neurologischen und der psychiatrischen Beeinträchtigungen (von je 20 %) in ihrer Leistungsfähigkeit insgesamt um 30 % eingeschränkt ist, wobei es sich hierbei um eine Schätzung handelt, die naturgemäss einen gewissen Ermessensspielraum aufweist. Unbegründet ist auch der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, es werde nicht ausgeführt, inwiefern es zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse gekommen sei. Diese ergibt sich offensichtlich daraus, dass sich die rezidivierende depressive Störung bei der Versicherten im Zeitpunkt der psychiatrischen Begutachtung (24. September 2019) nicht mehr als solche mittleren, sondern lediglich noch als solche leichten Grades (ICD-10 F33.0) manifestierte. So ging der psychiatrische Gutachter für die Vergangenheit gestützt auf die bei den Akten liegenden, auf einer mittelgradigen Depression basierenden Schätzungen, die er um die von ihm aufgezeigten Inkonsistenzen bereinigte, von einer zwischen 30 und 60 % schwankenden Arbeitsunfähigkeit aus, während er für die Zeit nach der Begutachtung eine solche von 20 % ermittelte.  
 
3.5. Nach dem Gesagten genügt das medexperts-Gutachten vom 25. November 2019 den Anforderungen an die Beweiskraft. Die Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts ist weder offensichtlich unrichtig noch beruht sie auf einer Rechtsverletzung. Sie bleibt - wie auch die Feststellungen betreffend die Arbeitsfähigkeit - für das Bundesgericht somit verbindlich. Weiterungen zur vor- und letztinstanzlich unbestritten gebliebenen Invaliditätsbemessung erübrigen sich. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
4.  
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 11. September 2022 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Stadelmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann