Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_141/2022  
 
 
Urteil vom 2. November 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiber Schurtenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegner, 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Büro für amtliche Mandate, 
Güterstrasse 33, Postfach, 8001 Zürich, 
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8036 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Wechsel amtliche Verteidigung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 22. Juli 2022 (UP220017). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. 
 
B.  
Mit Schreiben vom 2. März 2022 stellte A.________ ein Gesuch um Wechsel seiner amtlichen Verteidigung, welches die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Verfügung vom 15. März 2022 abwies. Die dagegen erhobene Beschwerde vom 25. März 2022 wies das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, mit Beschluss vom 22. Juli 2022 ab. 
 
C.  
Dagegen erhob A.________ mit Eingabe vom 20. August 2022 beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und seinen Antrag auf einen Wechsel der amtlichen Verteidigung gutzuheissen. 
Mit Schreiben vom 13. September 2022 hat die Vorinstanz auf eine Vernehmlassung verzichtet. Mit Eingabe vom 26. September 2022 hat die Oberstaatsanwaltschaft eine Vernehmlassung eingereicht und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Mit Schreiben vom 30. September 2022 hat Rechtsanwalt B.________ auf seine bisherigen Stellungnahmen verwiesen und auf eine weitergehende Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über den Wechsel der amtlichen Verteidigung. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG offen. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Er kann deshalb nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 und 93 BGG angefochten werden. Danach ist die Beschwerde insbesondere zulässig, wenn der angefochtene selbstständig eröffnete Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Nach der Rechtsprechung trifft dies im Fall der Ablehnung eines Gesuchs um Wechsel der amtlichen Verteidigung insbesondere dann zu, wenn diese ihre Pflichten erheblich vernachlässigt oder zwischen ihr und der beschuldigten Person keine Vertrauensbasis mehr besteht (Urteil 1B_115/2021 vom 3. Mai 2021 E. 1.1 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer legt konkret dar, weshalb seiner Auffassung nach das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem amtlichen Verteidiger erheblich gestört ist. Damit ist die Sachurteilsvoraussetzung gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erfüllt. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. 
 
2.  
Wird die beschuldigte Person amtlich verteidigt, überträgt die Verfahrensleitung die amtliche Verteidigung gemäss Art. 134 Abs. 2 StPO einer anderen Person, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und ihrer amtlichen Verteidigung erheblich gestört oder eine wirksame Verteidigung aus anderen Gründen nicht mehr gewährleistet ist. Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass eine engagierte und effiziente Verteidigung nicht nur bei objektiver Pflichtverletzung der Verteidigung, sondern bereits bei erheblich gestörtem Vertrauensverhältnis beeinträchtigt sein kann. Dahinter steht die Idee, dass eine amtliche Verteidigung in jenen Fällen auszuwechseln ist, in denen auch eine privat verteidigte beschuldigte Person einen Wechsel der Verteidigung vornehmen würde. Wird die subjektive Sichtweise der beschuldigten Person in den Vordergrund gestellt, bedeutet dies aber nicht, dass allein deren Empfinden für einen Wechsel der Rechtsvertretung ausreicht. Vielmehr muss die Störung des Vertrauensverhältnisses mit konkreten Hinweisen belegt und objektiviert werden (BGE 138 IV 161 E. 2.4 mit Hinweisen). 
 
3.  
Der Beschwerdeführer bringt unter anderem vor, sein Verteidiger kooperiere entgegen seiner eigenen Interessen mit den Behörden. Sinngemäss lautet der Vorwurf dahingehend, dem Beschwerdegegner seien seine guten Beziehungen zu den Behörden, die er aufgrund seiner ehemaligen Stellung als Polizeikommandant habe, wichtiger als die Wahrung der Interessen seines Klienten. 
 
3.1. Die Vorinstanz weist zwar zu Recht darauf hin, dass aus der Empfehlung des Beschwerdegegners an den Beschwerdeführer, den Vorschlag der Staatsanwaltschaft bezüglich der Durchführung eines abgekürzten Verfahrens zu prüfen, nicht auf eine ungenügende Verteidigung geschlossen werden kann. Der amtliche Verteidiger ist nicht blosses unkritisches "Sprachrohr" seiner Mandantschaft, sondern es liegt in seinem pflichtgemässen Ermessen, zu entscheiden, welche Prozessvorkehren und juristischen Standpunkte (im Zweifelsfall) als sachgerecht und geboten erachtet werden (statt vieler Urteil 1B_479/2022 vom 21. März 2023 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
3.2. Vorliegend hat sich der Beschwerdegegner indessen nicht darauf beschränkt, dem Beschwerdeführer zu einer bestimmten Prozessstrategie zu raten. Vielmehr ergibt sich aus dem angefochtenen Entscheid, dass der Beschwerdegegner in seiner Stellungnahme an die Oberstaatsanwaltschaft zum Antrag des Beschwerdeführers auf Wechsel der amtlichen Verteidigung ausgeführt hat, er könne sich vorstellen, dass "seine Empfehlung, den Vorschlag der Staatsanwaltschaft bezüglich der Durchführung eines abgekürzten Verfahrens zu prüfen, das Mandatsverhältnis nachteilig beeinflusst habe". Weiter ergibt sich aus den Vorakten, dass der Beschwerdegegner in ebendieser Stellungnahme ausgeführt hat, "dem Klienten [sei] aus anwaltlicher Sicht ein abgekürztes Verfahren anzuraten" gewesen.  
Im Zusammenhang mit einem vom Beschwerdeführer eingereichten (handschriftlichen) Haftentlassungsgesuch und dem angeblich eigenmächtigen Rückzug dieses Gesuchs durch den Beschwerdegegner hält die Vorinstanz sodann fest, letzterer habe gegenüber der Staatsanwaltschaft erklärt, "er dulde in Sachen Haftentlassungsgesuche keine 'Alleingänge' des Beschwerdeführers". Aus den Vorakten ist darüber hinaus ersichtlich, dass der Beschwerdegegner im Zusammenhang mit diesem Haftentlassungsgesuch gegenüber der Staatsanwaltschaft zusätzlich ausführte, er habe seinem Mandanten anlässlich seines letzten Besuchs (im Gefängnis) mitgeteilt, dass "ein Haftentlassungsgesuch erst sinnvoll ist, nachdem sämtliche Beweise erhoben wurden - insbesondere nach Auswertung der IT-Mittel". 
 
3.3. Die aufgeführten Aussagen des Beschwerdegegners sind problematisch. Nicht nur legt er gegenüber der Staatsanwaltschaft den Inhalt von (privilegierten) Klientengesprächen und die (seines Erachtens) optimale Verteidigungsstrategie offen, sondern er gibt zugleich auch zu verstehen, dass er das Vorgehen des Beschwerdeführers (Verzicht auf ein abgekürztes Verfahren, Haftentlassungsgesuch) für wenig erfolgversprechend hält. Ein derartiges Verhalten liegt offenkundig nicht im Interesse des Mandanten und ist ohne Weiteres geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen diesem und dem amtlichen Verteidiger negativ zu beeinträchtigen (vgl. Urteil 6B_76/2020 und 6B_122/2020 vom 10. März 2020 E. 4.2).  
 
3.4. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz liegen bereits mit dem dargelegten Verhalten des Beschwerdeführers hinreichend konkrete und objektivierbare Hinweise dafür vor, dass das Vertrauensverhältnis im Sinne von Art. 134 Abs. 2 StPO erheblich gestört ist. Auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers braucht daher nicht eingegangen zu werden.  
 
4.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache zur Übertragung der amtlichen Verteidigung an eine andere Person an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer ist praxisgemäss keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 22. Juli 2022 wird aufgehoben und die Sache zum neuen Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. November 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger