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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_318/2023  
 
 
Urteil vom 2. August 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hänni, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichter Hartmann, 
Gerichtsschreiber Hongler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jacques Marti, 
 
gegen  
 
Abteilung Migration des Kantons Glarus, 
Postgasse 29, 8750 Glarus, 
Departement Sicherheit und Justiz des 
Kantons Glarus, 
Postgasse 29, 8750 Glarus. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts 
des Kantons Glarus, I. Kammer, vom 27. April 2023 
(VG.2022.00067). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.A.________ (geb. 1989), Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, heiratete am 18. August 2017 die Schweizerin B.A.________. Am 11. November 2017 reiste A.A.________ im Familiennachzugsverfahren in die Schweiz ein, woraufhin ihm der Kanton Glarus eine bis am 10. November 2018 gültige Aufenthaltsbewilligung erteilte. Diese wurde in der Folge dreimal - zuletzt bis zum 10. November 2021 - verlängert. Am 18. Dezember 2020 meldete die Wohngemeinde (Glarus Nord) der Abteilung Migration des Kantons Glarus die Trennung der Eheleute und den Wegzug von B.A.________ per 1. Dezember 2020 nach U.________ (SG). 
 
B.  
Mit Verfügung vom 16. Juli 2021 widerrief die Abteilung Migration des Kantons Glarus die Aufenthaltsbewilligung von A.A.________ und wies ihn an, innert 60 Tagen ab Rechtskraft der Verfügung die Schweiz zu verlassen. Dagegen erhobene Rechtsmittel blieben erfolglos (Entscheid des Departements Sicherheit und Justiz des Kantons Glarus vom 3. Oktober 2022; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 27. April 2023). 
 
C.  
Mit "Bundesgerichtsbeschwerde" beantragt A.A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 27. April 2023 aufzuheben und seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern; eventualiter sei das Urteil aufzuheben und (die Sache) zur Neubeurteilung an die Abteilung Migration des Kantons Glarus zurückzuweisen. 
Die Abteilungspräsidentin hat der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG) betreffend eine ausländerrechtliche Bewilligung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, sofern das Bundesrecht oder das Völkerrecht einen Anspruch auf eine solche einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Es genügt für das Eintreten, dass ein entsprechender Anspruch in vertretbarer Weise geltend gemacht werden kann (BGE 139 I 330 E. 1.1). 
Der Beschwerdeführer beruft sich gestützt auf seine gescheiterte Ehe in (gerade noch) vertretbarer Weise auf eine Verletzung von Art. 50 Abs. 1 AIG. Da er als Adressat des angefochtenen Entscheids gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Erhebung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert ist und die Beschwerde frist- und formgerecht eingereicht wurde (vgl. Art. 42 und 100 Abs. 1 BGG), ist auf das Rechtsmittel als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG); es prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die vorgebrachten Argumente, falls weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2; 136 II 304 E. 2.5).  
 
2.2. Das Bundesgericht ist an den Sachverhalt gebunden, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser erweise sich in einem entscheidwesentlichen Punkt als offensichtlich falsch oder unvollständig oder er sei in Verletzung von Art. 95 BGG festgestellt worden (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6; 133 II 249 E. 1.4.3).  
 
3.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG (SR 142.20) : die Vorinstanz habe das dreijährige Bestehen der Ehegemeinschaft und damit die Anwendung von Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG zu Unrecht verneint, indem sie die Ehedauer vor der Einreise nicht berücksichtigt habe. 
 
3.1. Ausländische Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 42 Abs. 1 AIG). Gemäss Art. 50 Abs. 1 AIG besteht nach Auflösung der Ehe der Anspruch des Ehegatten auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den Artikeln 42 und 43 weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und die Integrationskriterien nach Artikel 58a erfüllt sind (lit. a) oder wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (lit. b). Für die Frist von Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG ist abzuklären, ob die eheliche Gemeinschaft rückblickend drei Jahre Bestand gehabt hat (BGE 136 II 113 E. 3.2; Urteil 2C_888/2022 vom 10. März 2023 E. 3.1). Eine (relevante) Ehegemeinschaft liegt vor, solange die eheliche Beziehung tatsächlich gelebt wird und ein gegenseitiger Ehewille besteht. Dabei ist im Wesentlichen auf die Dauer der nach aussen wahrnehmbaren ehelichen Wohngemeinschaft abzustellen (BGE 138 II 229 E. 2; 137 II 345 E. 3.1.2; Urteil 2C_888/2022 vom 10. März 2023 E. 3.1). Die zeitliche Grenze von drei Jahren gilt im Übrigen absolut: Selbst wenn sie nur um wenige Wochen oder Tage verpasst wird, besteht praxisgemäss kein Anspruch mehr auf Verlängerung der Bewilligung (BGE 137 II 345 E. 3.1.3; Urteil 2C_888/2022 vom 10. März 2023 E. 3.1).  
 
3.2. Die Feststellung der Vorinstanz, dass die Eheleute ihre eheliche Gemeinschaft seit spätestens Oktober 2020 aufgegeben haben, und dass auch spätestens ab diesem Zeitpunkt kein gegenseitiger Ehewille mehr bestanden habe, bestreitet der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht. Der Beschwerdeführer bringt lediglich vor, die Vorinstanz habe die Dauer der Ehe in Bosnien und Herzegowina zu Unrecht unberücksichtigt gelassen.  
Diesem Standpunkt ist indessen nicht zu folgen: Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach für die Berechnung der Ehedauer nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG nur auf die in der Schweiz gelebte Ehegemeinschaft abzustellen ist, korrekt wiedergegeben (BGE 140 II 345 E. 4.1; 140 II 289 E. 3.5.1; 136 II 113 E. 3.3; Urteil 2C_888/2022 vom 10. März 2023 E. 3.1); entsprechend ist die Ehedauer im Ausland bei der Berechnung der Dreijahresfrist von Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG nicht zu berücksichtigen. Damit hat die (relevante) Ehegemeinschaft in der Schweiz weniger als drei Jahre gedauert (November 2017 bis längstens Oktober 2020). Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG kann daher vorliegend nicht zur Anwendung gelangen. Die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt, indem sie einen darauf gestützten Anspruch verneinte. 
 
4.  
Weiter rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG. Er macht geltend, in seinem Fall liege wegen seiner erfolgreichen Integration (sichere Arbeitsstelle und grosser Freundeskreis) ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vor. 
 
4.1. Neben Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG (Ehedauer und erfolgreiche Integration) sieht das Gesetz als nachehelichen ausländerrechtlichen Härtefall einen Rechtsanspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vor, wenn "wichtige persönliche Gründe" einen "weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen" (Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG). Dabei geht es darum, Härtefälle bei der Bewilligungsverlängerung nach der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft zu vermeiden (BGE 138 II 393 E. 3.1; 137 II 345 E. 3.2.1; BGE 136 II 1 E. 5.3; Urteil 2C_47/2023 vom 31. März 2023 E. 3.3). Der nacheheliche Härtefall knüpft an den abgeleiteten Anwesenheitsanspruch nach Art. 42 Abs. 1 bzw. Art. 43 Abs. 1 AIG an; bei der Beurteilung der "wichtigen persönlichen Gründe" sind in der Folge aber sämtliche Umstände des Einzelfalles mitzuberücksichtigen (Urteil 2C_10/2023 vom 31. Mai 2023 E. 3.2).  
 
4.2. Der Beschwerdeführer arbeitet als Rollmaschinenführer in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Auch die Vorinstanz anerkennt, dass er sich in der Schweiz hat beruflich integrieren können. Er hat während seines Aufenthalts weder Sozialhilfe bezogen noch Schulden gemacht, und ist strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Nachdem die Vorinstanz seine sprachliche Integration als eher bescheiden einstuft und eine vertiefte soziale Integration verneint (was der Beschwerdeführer auch vor Bundesgericht nicht substanziiert widerlegt), entspricht seine Integration vor diesem Hintergrund höchstens den üblichen Erwartungen. Indessen begründet auch eine gelungene Integration rechtsprechungsgemäss noch keinen Anspruch im Rahmen von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG (Urteile 2C_10/2023 vom 31. Mai 2023 E. 3.2.3; 2C_862/2021 vom 16. März 2022 E. 5; 2C_685/2021 vom 4. Oktober 2021 E. 4.4).  
Die Vorinstanz verletzte somit kein Bundesrecht, wenn sie gestützt auf die konkreten Umstände eine geradezu härtefallbegründende Integration verneinte. Andere Gründe, welche einen Aufenthaltsanspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG begründen würden, macht der Beschwerdeführer nicht geltend, und solche sind auch nicht ersichtlich. Schliesslich erweist sich der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung angesichts der erst relativ kurzen Aufenthaltsdauer von fünf Jahren (davon über ein Jahr im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens) und der fehlenden Hinweise auf eine erschwerte Wiedereingliederung in seinem Herkunftsland, in dem er bis zur Einreise in die Schweiz lebte und über Freunde und Familienangehörige verfügt, auch als verhältnismässig (Art. 96 AIG). 
 
5.  
Die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt, indem sie dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 50 Abs. 1 AIG keinen Aufenthaltsanspruch zuerkannt hat. Es besteht auch kein Anlass, das Verfahren im Sinne des (nicht weiter substanziierten) Eventualantrags an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Dies führt zur kostenpflichtigen Abweisung der Beschwerde (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus, I. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. August 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: J. Hänni 
 
Der Gerichtsschreiber: D. Hongler