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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_773/2021  
 
 
Urteil vom 5. Oktober 2022  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Stadler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, 
Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dominic Ley, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Unia Arbeitslosenkasse, Rechtsdienst, 
Weltpoststrasse 20, Postfach 272, 3000 Bern 16. 
 
Gegenstand 
Unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe (Art. 148a Abs. 1 StGB), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 27. Mai 2021 (SK 20 437). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Urteil vom 13. Juli 2020 sprach das Regionalgericht Oberland A.________ schuldig des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder Sozialhilfe gemäss Art. 148a Abs. 2 StGB in der Zeit vom 14. Juli 2017 bis Januar 2018 und der Widerhandlung gegen das Arbeitslosenversicherungsgesetz zu verschiedenen Zeiten und verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 24 Tagessätzen zu Fr. 80.--, einer Verbindungsbusse von Fr. 480.-- sowie einer Übertretungsbusse von Fr. 1'000.--. Hingegen stellte es das gegen sie geführte Strafverfahren wegen unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe in der Zeit von Oktober 2016 bis 13. Juli 2017 und wegen Widerhandlungen gegen das Arbeitslosenversicherungsgesetz im Februar 2013 zufolge Verjährung ein. 
 
B.  
Auf die von der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern auf die Einstellung des Strafverfahrens im Anklagepunkt des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe in der Zeit von Oktober 2016 bis 13. Juli 2017, den Schuldspruch betreffend den unrechtmässigen Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder Sozialhilfe gemäss Art. 148a Abs. 2 StGB in der Zeit vom 14. Juli 2017 bis Januar 2018 und die Strafzumessung beschränkte Berufung hin sprach das Obergericht des Kantons Bern A.________ mit Urteil vom 27. Mai 2021 schuldig des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe gemäss Art. 148a Abs. 2 StGB in der Zeit von Oktober 2016 bis Januar 2018 und verurteilte sie für die Widerhandlung gegen das Arbeitslosenversicherungsgesetz zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu Fr. 60.-- sowie für die Übertretung gemäss Art. 148a Abs. 2 StGB zu einer Busse von Fr. 2'000.--. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen verlangt die Generalstaatsanwaltschaft, das Urteil des Obergerichts sei bezüglich des Schuldspruchs wegen unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe, der Bemessung der Strafe und des Kosten- und Entschädigungspunkts aufzuheben. A.________ sei zusätzlich zum Schuldspruch wegen Widerhandlung gegen das Arbeitslosenversicherungsgesetz schuldig zu erklären des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe nach Art. 148a Abs. 1 StGB, begangen in der Zeit von Oktober 2016 bis Januar 2018 in Unterseen. Gestützt darauf sei A.________ zu verurteilen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 60.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren und sie sei zu verpflichten, dem Kanton Bern die an Rechtsanwältin Stefanie Wider ausgerichtete amtliche Entschädigung zurückzuzahlen und dieser die Differenz der amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar zu erstatten, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Eventualiter sei das Urteil im angefochtenen Umfang aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen. 
Die Beschwerdegegnerin beantragt, es sei die Beschwerde abzuweisen. Zusätzlich stellte sie am 22. August 2022 ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Beiordnung von Rechtsanwältin Jessica Meer resp. deren Nachfolger Rechtsanwalt Dominic Ley ab 1. September 2022. Die Vorinstanz verzichtete auf Vernehmlassung. Mit Schreiben vom 9. September 2022 liess die Beschwerdegegnerin durch Rechtsanwalt Ley mitteilen, dass sie das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zurückziehe. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 12 Abs. 2 StGB. Die Vorinstanz sei zu Unrecht bloss von eventualvorsätzlichem Handeln ausgegangen. Die Vorinstanz habe zutreffend festgestellt, die Beschwerdegegnerin habe gewusst, dass sie sämtliche Einkünfte gegenüber der Arbeitslosenkasse angeben müsse. Sie (die Vorinstanz) habe weiter festgehalten, die Beschwerdegegnerin habe aus Erfahrung gewusst, dass die Angabe von Einkünften Auswirkungen auf die Höhe der ausbezahlten Leistungen habe und dass sich dies auch aus den mehrfachen Hinweisen der Arbeitslosenkasse auf die Pflicht zur Angabe jeglichen Einkommens sowie aus den monatlichen Meldeformularen ergeben habe. Ausserdem sei erstellt, dass die Beschwerdegegnerin trotz alldem Einkünfte im Umfang von Fr. 26'904.75 verschwiegen habe. Deshalb habe sie nicht bloss als mögliche Folge damit rechnen müssen, dass ihr aufgrund der fehlenden Angaben zu hohe Taggelder ausgerichtet würden. Sie habe im Gegenteil genau gewusst, dass dies eine notwendige Folge ihrer unterlassenen Angaben sein würde und habe so den tatbestandsmässigen Erfolg in ihren direkten Vorsatz aufgenommen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass sie die Angaben der Zwischenverdienste gerade mit dem eigentlichen Ziel unterlassen habe, eine Reduktion der Taggelder zu verhindern und so unrechtmässige Leistungen der Arbeitslosenkasse beziehen zu können. Dies stelle einen direkten Vorsatz dar. 
 
1.1. Die Vorinstanz erachtet die Bestimmung von Art. 148a StGB als verletzt. Sie erwägt, die Beschwerdegegnerin habe ihre mehr oder weniger regelmässigen Tätigkeiten bei diversen Arbeitgebern in Kenntnis ihrer Meldepflicht nicht angegeben. Auf den monatlich von ihr ausgefüllten Formularen der Arbeitslosenversicherung sei angegeben gewesen, sie müsse "unbedingt jede Arbeit" melden. Überdies hätten die Formulare gezielt nach einer Erwerbstätigkeit gefragt ("Haben Sie bei einem oder mehreren Arbeitgebern gearbeitet?"). Schon aufgrund dessen, dass die Frage nach allfälligen Arbeiten im Rahmen dieser Meldeformulare gestellt worden sei, habe die Beschwerdegegnerin damit rechnen müssen, dass dies Einfluss auf die Leistungen der Arbeitslosenversicherung haben könnte. Zudem habe sie seit 2003 - mit Unterbrüchen - Leistungen der Arbeitslosenversicherung bezogen. Sie sei daher nicht unerfahren gewesen. Bis ins Jahr 2012 seien denn auch keine Unregelmässigkeiten bei der Meldepflicht bekannt. Auch im angeklagten Zeitraum habe sie Zwischenverdienste teilweise korrekt angegeben, was einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Höhe der ausbezahlten Leistungen gehabt habe. Sie habe eine Informationsveranstaltung bei der Infotar besucht, habe regelmässige Termine beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (nachfolgend: RAV) gehabt und habe auch beim Ausfüllen der Steuererklärung Unterstützung von ihrer Nachbarin erhalten. Sie hätte damit die Möglichkeit gehabt, allfällige Unklarheiten durch Nachfragen zu klären. Die Beschwerdegegnerin habe aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen und der in den Formularen gestellten Fragen um die Angabe jeglichen Einkommens während des Bezugs von Arbeitslosengeldern wissen müssen. Sie habe damit rechnen und in Kauf nehmen müssen, dass aufgrund der fehlenden Angaben zu hohe Taggelder ausgerichtet werden könnten. Damit habe sie eventualvorsätzlich gehandelt.  
 
1.2.  
 
1.2.1. Nach Art. 148a StGB macht sich des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe strafbar, wer jemanden durch unwahre oder unvollständige Angaben, durch Verschweigen von Tatsachen oder in anderer Weise irreführt oder in einem Irrtum bestärkt, sodass er oder ein anderer Leistungen einer Sozialversicherung oder Sozialhilfe bezieht, die ihm oder dem anderen nicht zustehen (Abs. 1). In leichten Fällen ist die Strafe Busse (Abs. 2).  
 
1.2.2. Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 2 StGB).  
Beim direkten Vorsatz ersten Grades will oder nimmt der Täter den Erfolg in Kauf und sieht diesen als sicher voraus (BGE 129 IV 230 E. 5.2). Direkter Vorsatz (zweiten Grades) ist auch gegeben, wenn der Täter den deliktischen Erfolg als notwendige Folge oder als Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks in seinen Entschluss miteinbezogen hat, selbst wenn dieser ihm gleichgültig oder sogar unerwünscht sein mag. Der Erfolg braucht nicht das direkt vom Täter erstrebte Ziel zu sein. Es genügt, dass er mitgewollt ist (BGE 119 IV 193 E. 2b/cc mit Hinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs beziehungsweise die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 134 IV 26 E. 3.2.2; 133 IV 9 E. 4.1; je mit Hinweisen). Nicht erforderlich ist, dass er den Erfolg "billigt" (BGE 133 IV 9 E. 4.1; 1 E. 4.1; je mit Hinweisen). Der Eventualvorsatz unterscheidet sich vom direkten Vorsatz zweiten Grades einzig durch das Wissen des Täters, indem er im ersten Fall den Eintritt des deliktischen Erfolges bloss für möglich hält, im zweiten dagegen als sicher voraussieht, während das Willenselement bei beiden Vorsatzformen in gleicher Weise erfüllt sein muss (BGE 98 IV 65 E. 4; 96 IV 99; Urteil 6S.537/2006, 6S.568/2006 vom 20. März 2007 E. 4.2.2). 
Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sog. innere Tatsachen und ist damit Tatfrage. Als solche prüft sie das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür (Art. 9 BV; Art. 97 Abs. 1 BGG). Rechtsfrage ist hingegen, ob gestützt auf die festgestellten Tatsachen bewusste Fahrlässigkeit, Eventualvorsatz oder direkter Vorsatz gegeben ist (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1; 141 IV 369 E. 6.3; 137 IV 1 E. 4.2.3; je mit Hinweisen). Da sich der Sinngehalt des (Eventual-) Vorsatzes nur im Lichte der tatsächlichen Umstände erschliessen lässt, besteht eine gewisse Überschneidung von Tat- und Rechtsfragen. Das Bundesgericht kann daher in einem gewissen Ausmass die richtige Bewertung dieser Umstände im Hinblick auf den Rechtsbegriff des Eventualvorsatzes überprüfen (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1; 133 IV 9 E. 4.1; je mit Hinweisen). Es tut dies jedoch mit einer gewissen Zurückhaltung (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1; 134 IV 189 E. 1.3). 
 
1.3. Die Begründung der Vorinstanz, weshalb die Beschwerdegegnerin lediglich eventualvorsätzlich gehandelt haben soll, überzeugt nicht. Die Vorinstanz stellte fest, dass die Beschwerdegegnerin um die Pflicht wusste, jegliche Einkommensquellen gegenüber der Arbeitslosenversicherung offenzulegen. Wie aus den Feststellungen der Vorinstanz hinreichend hervorgeht, wusste die Beschwerdegegnerin ebenso, dass die Angabe von Einkünften Auswirkungen auf die Höhe der ausbezahlten Leistungen hat. In Anbetracht dieses Wissens, namentlich aus der jahrelangen Erfahrung der Beschwerdegegnerin beim Bezug von Arbeitslosengeldern und den eindeutigen Hinweisen auf den Formularen, musste sie sicher voraussehen, dass die Nichtdeklaration von Einkünften zu überhöhten Auszahlungen durch die Arbeitslosenkasse führen wird. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, nahm die Beschwerdegegnerin damit den tatbestandsmässigen Erfolg auch in ihren Willen und folglich in ihren direkten Vorsatz auf. Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen.  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin moniert, die Vorinstanz habe Art. 148a StGB verletzt, indem sie auf einen leichten Fall nach Abs. 2 dieser Bestimmung statt auf deren Abs. 1 erkannt habe. Die Vorinstanz verkenne, dass der vorliegende Deliktsbetrag von Fr. 22'198.65 erheblich sei. Die Beschwerdegegnerin habe über einen Zeitraum von 16 Monaten allmonatlich Formulare ausgefüllt und dabei Zwischenverdienste von monatlich zwischen Fr. 1'064.-- und Fr. 2'112.90 brutto, insgesamt Fr. 26'904.75, verschwiegen. Dies bei einem versicherten Verdienst von monatlich Fr. 3'249.-- brutto. Der erstellte Deliktsbetrag übersteige damit die von der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz (nachfolgend: SSK) empfohlene Grenze um ein Vielfaches. Der Deliktsbetrag sei ausserdem rund doppelt so hoch wie der gemäss Lehrmeinung von FIOLKA/VETTERLI (Die Landesverweisung nach Art. 66a StGB als strafrechtliche Sanktion, plädoyer 5/2016, S. 94) festgelegte Grenzwert von Fr. 10'000.-- und rund vier Mal so hoch wie der Deliktsbetrag im von der Vorinstanz zitierten Urteil des Obergerichts des Kantons Bern SK 20 254 vom 19. Januar 2021. Die Beschwerdegegnerin habe während 16 Monaten zwischen einem und zwei Dritteln ihres versicherten Verdienstes zusätzlich erzielt und habe sich damit über einen längeren Zeitraum einen ihrer Situation unangemessenen Lebensstandard leisten können. Es handle sich damit gerade nicht um einen Fall, in dem ein relativ hoher Deliktsbetrag durch einen kurzen Deliktszeitraum relativiert würde. Ausserdem sei zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin zwar keine weiteren Verschleierungshandlungen vorgenommen habe, allerdings habe sie im massgeblichen Zeitraum regelmässig Termine beim RAV wahrgenommen und sei in einem ständigen Austausch mit ihrer Ansprechperson gestanden. Dieser gegenüber habe sie somit wiederholt während weit über einem Jahr wesentliche Tatsachen verschwiegen. Vor diesem Hintergrund sei die kriminelle Energie der Beschwerdegegnerin entgegen der Darstellung der Vorinstanz als nicht unerheblich zu bezeichnen. 
 
2.1. Die Vorinstanz erwägt, der Deliktsbetrag von Fr. 22'198.65 liege zwar deutlich über der Empfehlung der SSK. Vor dem Hintergrund der in der Lehre vertretenen Meinungen spreche er für sich alleine jedoch weder für noch gegen die Qualifikation als leichter Fall. Es müssten vielmehr die gesamten Umstände berücksichtigt werden. Der Deliktszeitraum habe 16 Monate betragen. Dieser sei zwar nicht kurz, dennoch gelte es zu berücksichtigen, dass im Bereich der Sozialhilfe bzw. Sozialversicherung relativ schnell hohe Beträge zusammenkämen. Zudem habe die Beschwerdegegnerin für die Monate August bis Oktober 2017 immerhin eine Tätigkeit angegeben. Die Beschwerdegegnerin habe lediglich eventualvorsätzlich gehandelt. Sie habe bloss die Meldung unterlassen, jedoch keine weiteren Verschleierungshandlungen vorgenommen. Sie habe auch keine Schwarzarbeit geleistet. Die gegenüber der Arbeitslosenversicherung verschwiegenen Einkünfte habe sie ordnungsgemäss über die Ausgleichskasse abgerechnet, in den Steuererklärungen deklariert und korrekt versteuert. Ferner habe die Beschwerdegegnerin die zu viel bezogenen Beträge bereits im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zurückbezahlt gehabt. Durch ihr Verhalten habe sie - wenn überhaupt - höchstens geringe kriminelle Energie gezeigt, weshalb ein leichter Fall i.S.v. Art. 148 Abs. 2 StGB vorliege.  
 
2.2. In "leichten Fällen" stellt der Tatbestand des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe eine Übertretung dar (Art. 148a Abs. 2 i.V.m. Art. 103 StGB; vgl. E. 1.2.1 hiervor). Wann ein leichter Fall gegeben ist, definiert das Gesetz nicht. Ein Abgrenzungskriterium stellt der Deliktsbetrag dar, der aber nur im Sinne einer Erheblichkeitsschwelle bedeutsam sein kann (Urteile 6B_797/2021 vom 20. Juli 2022 E. 2.2; 6B_1246/2020 vom 16. Juli 2021 E. 4.3; 6B_1030/2020 vom 30. November 2020 E. 1.1.3; 6B_1161/2019 vom 13. Oktober 2020 E. 1.2). In seiner Rechtsprechung hat das Bundesgericht erwähnt, dass der von der SSK in deren Empfehlungen betreffend die Ausschaffung verurteilter Ausländerinnen und Ausländer (Art. 66a-66d StGB) vom 24. November 2016 genannte Grenzbetrag von Fr. 3'000.-- in der Literatur verschiedentlich (so etwa von FIOLKA/VETTERLI, a.a.O., S. 94) als zu tief kritisiert wurde. Es hat auch darauf hingewiesen, dass im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, Art. 148a Abs. 2 StPO müsse in Anbetracht der mangelnden Präzision des Gesetzestexts und seiner Funktion als "Gegengewicht" zur Strenge der automatischen Landesverweisung weit ausgelegt werden. Die Frage, ab welchem Betrag die Erheblichkeitsschwelle zu einem nicht mehr leichten Fall erreicht wird, hat das Bundesgericht bis anhin allerdings offengelassen (zuletzt und zum Ganzen: Urteil 6B_797/2021 vom 20. Juli 2022 E. 2.2 mit weiteren Hinweisen auch auf die Literatur). Immerhin hat es festgehalten, dass neben dem Betrag der unrechtmässig bezogenen Sozialleistung, d.h. dem Ausmass des verschuldeten Erfolgs, auch weitere Elemente zu beachten sind, die das Verschulden des Täters "herabsetzen" können (vgl. Art. 47 StGB; Urteile 6B_797/2021 vom 20. Juli 2022 E. 2.2; 6B_1246/2020 vom 16. Juli 2021 E. 4.3; 6B_1161/2019 vom 13. Oktober 2020 E. 1.2 mit Hinweis). Dies kann etwa die (kurze) Zeit des unrechtmässigen Leistungsbezugs sein. Abgesehen von Fällen mit einem geringen Betrag kann ein leichter Fall auch dann gegeben sein, wenn das Verhalten des Täters nur eine geringe kriminelle Energie offenbart oder seine Beweggründe und Ziele nachvollziehbar sind (Urteile 6B_797/2021 vom 20. Juli 2022 E. 2.2; 6B_1246/2020 vom 16. Juli 2021 E. 4.3; 6B_1030/2020 vom 30. November 2020 E. 1.1.3 mit Hinweisen). Die Frage, ob ein leichter Fall im Sinne von Art. 148a Abs. 2 StGB vorliegt, ist somit im Hinblick auf das Verschulden des Täters zu beurteilen. Gemäss Art. 47 Abs. 1 und 2 StGB sind hierfür die gesamten Tatumstände (sog. Tatkomponenten) zu berücksichtigen, namentlich die Art und Weise der Herbeiführung des verschuldeten Erfolgs und die Verwerflichkeit des Handelns (Urteile 6B_797/2021 vom 20. Juli 2022 E. 2.2; 6B_1246/2020 vom 16. Juli 2021 E. 4.3; je mit Hinweisen).  
 
2.3. Der vorliegende Fall weist zahlreiche Parallelen zum Urteil 6B_1030/2020 vom 30. November 2020 auf, bei dem das Bundesgericht die vorinstanzliche Beurteilung schützte, wonach es sich nicht mehr um einen leichten Fall i.S.v. Art. 148a Abs. 2 StGB handle (E. 1.2). Hier wie dort überschreitet der gesamte Deliktsbetrag die Erheblichkeitsschwelle eines leichten Falles weit (Fr. 22'198.65 bzw. Fr. 23'000.--). Beide Sachverhalte zeichnen sich zudem durch eine längere deliktische Tätigkeit aus. Im zitierten Urteil 6B_1030/2020 qualifizierte das Bundesgericht das Verschweigen von Tatsachen, die zur Festlegung des Anspruchs auf Sozialhilfe dienten, während acht Monaten als nicht unerheblich lange. Vorliegend beläuft sich die Deliktsdauer auf 16 Monate - dem Doppelten. Insofern kann hier (erst recht) nicht mehr von einer kurzen Zeitspanne gesprochen werden. Die im Deliktszeitraum nicht deklarierten Zwischenverdienste mögen im Einzelnen nicht sehr hoch sein (zwischen Fr. 1'064.-- und Fr. 2'112.90). Indes ist, wie übrigens auch die Vorinstanz mit Hinweis auf die Botschaft zu Recht erwägt, von einer Gesamtbetrachtung der Handlungen auszugehen (vgl. Botschaft vom 26. Juni 2013 zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes [Umsetzung von Art. 121 Abs. 3-6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer], BBl 2013 5975, 6039). Insoweit greift die Argumentation der Beschwerdegegnerin, die vorliegend monatlich ausbezahlten Beträge seien deutlich geringer als eine mögliche Grenze von Fr. 10'000.-- bzw. die jeweils verschwiegenen Zwischenverdienste würden nicht einmal die von der SSK gesetzte Grenze von Fr. 3'000.-- überschreiten, zu kurz. Dabei lässt sie ohnehin unerwähnt, dass sie durch die Nichtdeklaration dieser Einkünfte während 16 aufeinanderfolgenden Monaten durchschnittlich um ca. Fr. 1'387.-- zu hohe Taggelder zugesprochen und damit mehr als ein Drittel ihres versicherten Verdienstes (in der Höhe von Fr. 3'249.--; kant. Akten, pag. 47) zusätzlich erhalten hatte. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, konnte sich die Beschwerdegegnerin damit über einen längeren Zeitraum einen ihrer Situation nicht angemessenen Lebensstandard leisten. Kommt hinzu, dass die Beschwerdegegnerin nicht bloss eine Tätigkeit, sondern solche bei mehreren Arbeitgebern verschwieg (vorinstanzliche E. 9 und E. 18.2). Analog zum zitierten Urteil 6B_1030/2020 nahm die Beschwerdegegnerin regelmässig Termine beim RAV wahr (E. 1.1 hiervor). Sie stand mithin in ständigem Austausch mit ihrer Ansprechperson und verschwieg offenkundig auch dieser während längerer Zeit ihre Tätigkeiten, was für eine nicht unerhebliche kriminelle Energie spricht. Verschuldensmindernd wirkt sich hingegen aus, dass die Beschwerdegegnerin die bei der Arbeitslosenversicherung nicht angegebenen Einkünfte bei der Arbeitslosenkasse abgerechnet und sie in den Steuererklärungen deklariert hat. Entgegen der Vorinstanz handelte die Beschwerdegegnerin - wie in E. 1.3 hiervor aufgezeigt - allerdings nicht bloss eventualvorsätzlich, sondern mit direktem Vorsatz. Deshalb wird ihr Verschulden unter diesem Gesichtspunkt nicht gemindert. Dass sie die zu Unrecht bezogenen Gelder nach Eröffnung des Strafverfahrens zurückbezahlt hat, kann im Rahmen der Beurteilung der Täterkomponenten (tätige Reue) berücksichtigt werden, hat jedoch bei der Frage, ob ein leichter Fall vorliegt, aussen vor zu bleiben, da hier ausschliesslich die Tatkomponenten in die Beurteilung einfliessen (vgl. E. 2.2 hiervor; siehe auch MORITZ VISCHER, Art. 148a StGB [Unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe] - Eine Analyse der ersten Urteile, forumpoenale 3/2022, S. 216). Insgesamt kann nicht mehr von einer bloss geringen kriminellen Energie gesprochen werden. Daher verstösst es gegen Bundesrecht, wenn die Vorinstanz von einem leichten Fall nach Art. 148a Abs. 2 StGB ausgeht.  
 
3.  
Da die Vorinstanz das Verhalten der Beschwerdegegnerin lediglich als leichten Fall i.S.v. Art. 148a Abs. 2 StGB wertete, sprach sie für diesen Verstoss eine Übertretungsbusse aus. Eine solche ist indes ausgeschlossen, wenn die Beschwerdegegnerin - wie vorliegend - nach Art. 148a Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen ist, was die Beschwerdeführerin denn auch rügt. Folglich wird die Vorinstanz eine neue Strafzumessung vorzunehmen haben. 
 
4.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 27. Mai 2021 ist aufzuheben und die Sache ist zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an dieses zurückzuweisen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdegegnerin im Umfang ihres Unterliegens kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Kanton Bern trägt keine Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). Soweit die Beschwerdegegnerin überhaupt obsiegt, ist ihr kein Aufwand entstanden, weshalb es sich nicht rechtfertigt, ihr eine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 27. Mai 2021 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an dieses zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Unia Arbeitslosenkasse und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Oktober 2022 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Stadler