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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_454/2022  
 
 
Urteil vom 29. Dezember 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, 
nebenamtlicher Bundesrichter Fellmann, 
Gerichtsschreiberin Dambeck. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Corinne Todesco, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft See/Oberland, 
Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster, 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich. 
 
Gegenstand 
Ermächtigung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 16. Juni 2022 (TB220016-O/U/HON). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ ist Notar des Notariats U.________. Dieses wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Uster vom 16. Mai 2018 zum Erbenvertreter in den Nachlässen des C.C.________ und der D.C.________ bestellt. 
Mit Aufsichtsbeschwerde vom 18. Juli 2019 gelangte A.________ an das Bezirksgericht Uster und beanstandete die Amtsführung von B.________. Das Bezirksgericht Uster wies die Beschwerde mit Urteil vom 21. Oktober 2019 ab. Entsprechende Rechtsmittel an das Obergericht des Kantons Zürich (Urteil vom 8. Januar 2020) und an das Bundesgericht (Urteil 5A_130/2020 vom 28. September 2020) blieben erfolglos. 
Am 4. Juni 2021 gelangte A.________ erneut mit einer Aufsichtsbeschwerde an das Bezirksgericht Uster. Mit Urteil vom 22. Dezember 2021 hiess das Bezirksgericht Uster die Aufsichtsbeschwerde teilweise gut und erteilte dem Notariat U.________ verschiedene Weisungen im Hinblick auf die Amtsführung. 
 
B.  
Am 18. Oktober 2021 erstattete A.________ gegen B.________ Strafanzeige wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung im Sinne von Art. 158 StGB sowie jeder weiteren Straftat, die gemäss der Strafverfolgungsbehörde begangen worden sein könnte. 
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland überwies die Akten mit Verfügung vom 19. Januar 2022 via die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich dem Obergericht des Kantons Zürich, verbunden mit dem Antrag, keine Ermächtigung zur Strafuntersuchung zu erteilen. 
Mit Beschluss vom 16. Juni 2022 verweigerte das Obergericht des Kantons Zürich die Ermächtigung zur Strafverfolgung (Eröffnung bzw. Nichtanhandnahme einer Untersuchung). 
 
C.  
Gegen den Beschluss des Obergerichts vom 16. Juni 2022 gelangt A.________ (Beschwerdeführerin) mit Beschwerde vom 22. August 2022 an das Bundesgericht. Sie beantragt, den Beschluss vom 16. Juni 2022 aufzuheben und der Staatsanwaltschaft See/Oberland die Ermächtigung zur Eröffnung eines Strafverfahrens gegen B.________ (Beschwerdegegner) zu erteilen. 
Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf eine Stellungnahme. Der Beschwerdegegner beantragt mit Eingabe vom 26. September 2022 die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hat auf eine weitere Stellungnahme verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (BGE 147 I 268 E. 1).  
 
1.2. Der kantonal letztinstanzliche Entscheid erging durch ein oberes Gericht und betrifft die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung, die das kantonale Recht gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. § 148 des Gesetzes des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG/ZH; LS 211.1) für eine Strafverfolgung von Beamten im Sinne von Art. 110 Abs. 3 StGB verlangt. Der angefochtene Entscheid schliesst das Verfahren ab: Mit der Verweigerung der Ermächtigung fehlt es an einer Prozessvoraussetzung für die Durchführung des Strafverfahrens (vgl. Urteile 1C_104/2022 vom 20. Dezember 2022 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 149 IV 183; 1C_329/2020 vom 1. Dezember 2020 E. 1.1). Der Beschwerdegegner zählt als Notar nicht zu den obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden des Kantons Zürich (vgl. BGE 137 IV 269 E. 1.3.2; Urteile 1C_422/2019 vom 1. September 2020 E. 1.2; 1C_502/2014 vom 28. Januar 2015 E. 1; 1C_908/2013 vom 5. März 2014 E. 1.2). Gegen den angefochtenen Entscheid steht daher die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. e, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG).  
 
1.3. Die Beschwerdeführerin ist Erbin in den Nachlässen, für die der Beschwerdegegner bzw. das entsprechende Notariat als Erbenvertreter eingesetzt ist. Gemeinsam mit ihren Miterben ist sie Trägerin zur gesamten Hand des Vermögens, das der Beschwerdegegner durch ungetreue Geschäftsbesorgung im Sinne von Art. 158 StGB geschädigt haben soll. Als unmittelbar in ihren Rechten verletzte Person käme der Beschwerdeführerin in einem Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner die Stellung als Geschädigte im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO zu (vgl. BGE 148 IV 170 E. 3.3.1; 141 IV 380 E. 2.3.3). Ihre Legitimation zur Beschwerde an das Bundesgericht ist gegeben (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG; vgl. Urteile 1C_429/2020 vom 4. März 2021 E. 1.2.1; 1C_3/2017 vom 14. März 2017 E. 1.2.2; 1C_344/2012 vom 31. Oktober 2012 E. 2.3).  
 
1.4. Auf die im Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde (vgl. Art. 42 Abs. 2, Art. 100 Abs. 1 BGG) ist einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). Unter Vorbehalt der hier nicht einschlägigen Art. 95 lit. c-e BGG kann bezüglich des kantonalen Rechts im Wesentlichen beanstandet werden, der angefochtene Entscheid verstosse gegen das übergeordnete (Bundes-) Recht (vgl. BGE 142 II 369 E. 2.1; 138 I 143 E. 2; Urteil 1C_45/2022 vom 9. Oktober 2023 E. 2.1).  
 
2.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 148 II 392 E. 1.4.1 mit Hinweis). Erhöhte Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 149 I 248 E. 3.1; 133 II 249 E. 1.4.2 mit Hinweisen). In der Beschwerde ist diesbezüglich klar und detailliert unter Bezugnahme auf und in Auseinandersetzung mit den entscheidenden Erwägungen des angefochtenen Urteils darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt die angerufenen Rechte verletzt (BGE 146 IV 297 E. 1.2; 145 I 121 E. 2.1; 143 I 377 E. 1.2; je mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hielt im angefochtenen Beschluss fest, die Beschwerdeführerin werfe dem Beschwerdegegner verschiedene Versäumnisse im Rahmen der ihm übertragenen Erbenvertretung vor. Sie mache geltend, der Beschwerdegegner habe mit wiederholten Pflichtverletzungen eine Reihe von wirtschaftlichen Schäden verursacht, insbesondere durch die Vernachlässigung des Liegenschaftsunterhalts, die Unterschätzung des dadurch entstehenden Brandrisikos, sein zur Kündigung von Versicherungsverträgen führendes Verhalten und die Nichtvermietung einer Liegenschaft. Weiter erwog die Vorinstanz, der Beschwerdegegner habe als Erbenvertreter prima facie eine selbstständige und verantwortliche Stellung sowie im Interesse eines anderen zu handeln. Bei der hier betroffenen Erbschaft handle es sich prima facie um einen nicht unerheblichen Vermögenskomplex, für den der Beschwerdegegner zu sorgen habe. Er komme grundsätzlich als Täter im Sinne von Art. 158 StGB in Frage.  
Die Vorinstanz zog alsdann die Urteile in den Aufsichtsverfahren gegen den Beschwerdegegner heran. Das Obergericht des Kantons Zürich habe in seinem Urteil vom 8. Januar 2020 demnach zwar gewisse Pflichtverletzungen festgestellt, das Einschreiten der Aufsichtsbehörde aber nicht für erforderlich erachtet. Diese Einschätzung habe das Bundesgericht in seinem Urteil vom 28. September 2020 in der Folge nicht als willkürlich beurteilt. Sodann stellte die Vorinstanz fest, dass das Bezirksgericht Uster mit Urteil vom 22. Dezember 2021 nach einer weiteren Aufsichtsbeschwerde der Beschwerdeführerin auf verschiedene Verletzungen der Informationspflicht schloss, die nunmehr aufsichtsrechtlich relevant seien. In Bezug auf die Schadensmeldungen wegen Einbrüchen hätte das Bezirksgericht Uster keine schlechterdings unhaltbare, aber jedenfalls eine zögerliche Mandatsführung des Beschwerdegegners konstatiert. Aufsichtsrechtlich relevante Verfehlungen bezüglich des Vorgehens des Gesuchsgegners zur Vermietung der einen Liegenschaft seien nach dem Bezirksgericht Uster zwar keine erkennbar, bezüglich der Gartenarbeiten sei der nicht erfolgte Abtransport des Schnittmaterials hingegen mittlerweile problematisch. Beigepflichtet hat das Bezirksgericht Uster nach der Vorinstanz ferner dem Vorwurf der Beschwerdeführerin, wonach der Beschwerdegegner die Rückforderung der Verrechnungssteuer versäumt und für eine andere Liegenschaft bloss ungenügende Sicherungsmassnahmen getroffen habe. Daher erteilte das Bezirksgericht Uster dem Notariat mit Urteil vom 22. Dezember 2021 verschiedene Weisungen für die künftige Führung des Mandats. 
Schliesslich erwog die Vorinstanz, bei den von den Aufsichtsbehörden festgestellten Pflichtverletzungen sei von fahrlässigen Versäumnissen auszugehen. Aus den Akten ergäben sich keine Hinweise, dass der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin bewusst habe schädigen wollen bzw. die Pflichtverletzungen absichtlich verschuldet oder in Kauf genommen habe. Ein Motiv oder Vorteile seien seitens des Beschwerdegegners nicht erkennbar, andernfalls hätte dieser von der Aufsichtsbehörde abgesetzt werden müssen. Es mangle am notwendigen subjektiven Tatbestandselement des Vorsatzes, weshalb sich ein Anfangsverdacht auf ein strafbares Verhalten nicht herleiten lasse. Daher sei die Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht zu erteilen. 
 
3.2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz nehme in Bezug auf die Mandatsführung durch den Beschwerdegegner zwar in mehrfacher Hinsicht eine Erfüllung des objektiven Tatbestands von Art. 158 StGB an. Bezüglich des subjektiven Tatbestands gehe sie aber bloss von fahrlässigen Versäumnissen aus, was unter mehreren Gesichtswinkeln rechtswidrig sei. Einerseits lägen auch nach der Vorinstanz mehrere Pflichtverletzungen vor, die den objektiven Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung erfüllten. Dies lasse darauf schliessen, dass in subjektiver Hinsicht nicht nur Fahrlässigkeit vorliegen könne. Andererseits habe der Beschwerdegegner seine den festgestellten Pflichtverletzungen zugrunde liegende Untätigkeit insbesondere mit mangelnder Zeit begründet. Indem er trotz seiner Kenntnis über den Eintritt erster Schäden keine Unterstützung beigezogen habe, habe er weitere Pflichtverletzungen und die damit einhergehenden Schäden jedenfalls in Kauf genommen. Ferner macht die Beschwerdeführerin geltend, ein strafbares Verhalten könne nicht schon deshalb ausgeschlossen werden, weil die Aufsichtsbehörde auf eine Absetzung des Beschwerdegegners verzichtet habe.  
 
3.3. Der Beschwerdegegner entgegnet der Beschwerdeführerin, das Bezirksgericht Uster und das Obergericht des Kantons Zürich hätten ihm mit Urteilen vom 22. Dezember 2021 bzw. 19. Mai 2022 aufsichtsrechtliche Weisungen erteilt. Weiter legt er dar, dass er verschiedene der von der Beschwerdeführerin beanstandeten Versäumnisse zwischenzeitlich behoben habe.  
 
4.  
 
4.1. Nach Art. 7 Abs. 1 StPO sind die Strafbehörden verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit ein Verfahren einzuleiten und durchzuführen, wenn ihnen Straftaten oder auf Straftaten hinweisende Verdachtsgründe bekannt werden. Gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO können die Kantone vorsehen, dass die Strafverfolgung der Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen von der Ermächtigung einer nicht richterlichen Behörde abhängt. Diese Bestimmung bietet den Kantonen die Möglichkeit, die Strafverfolgung sämtlicher Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden von einer Ermächtigung abhängig zu machen (vgl. BGE 149 IV 183 E. 2.1; 137 IV 269 E. 2.1 mit Hinweisen).  
 
4.2. Mit § 148 GOG/ZH hat der Kanton Zürich von der Möglichkeit gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO Gebrauch gemacht. Nach § 148 GOG/ZH entscheidet das Obergericht über die Ermächtigung zur Strafverfolgung von Beamten gemäss Art. 110 Abs. 3 StGB wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen. Der Beschwerdegegner ist Notar des Kantons Zürich. Dieser kennt das Amtsnotariat, wobei die Notare und ihre Mitarbeitenden dem kantonalen Personalrecht unterstellt sind (vgl. § 1 und §§ 10 f. sowie § 18 des Notariatsgesetzes des Kantons Zürich vom 9. Juni 1985 [NotG/ZH; LS 242]). Der Beschwerdegegner gilt damit grundsätzlich als Beamter im Sinne von § 148 GOG/ZH i.V.m. Art. 110 Abs. 3 StGB, sodass für die Einleitung eines Strafverfahrens das Ermächtigungserfordernis gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO greift (vgl. Urteil 1C_502/2014 vom 28. Januar 2015 E. 2.2).  
 
4.2.1. Hier zu beachten bleibt indes die Besonderheit, dass der Beschwerdegegner die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen im Rahmen seiner Tätigkeit als Erbenvertreter im Sinne von Art. 602 Abs. 3 ZGB begangen haben soll. Der Erbenvertreter bekleidet nach der Lehre und Rechtsprechung, ähnlich wie der Willensvollstrecker und der Erbschaftsverwalter, ein privatrechtliches und nicht ein staatliches Amt (vgl. Urteile 5A_813/2014 vom 24. November 2014 E. 3; 5P.107/2004 vom 26. April 2004 E. 2.3; je mit Hinweisen). Daran ändert nichts, dass im Kanton Zürich grundsätzlich die Notarin oder der Notar mit der Vertretung der Erbengemeinschaft beauftragt wird (vgl. § 138 Abs. 1 i.V.m. § 137 lit. h GOG/ZH), zumal auch andere geeignete Personen mit dieser Aufgabe betraut werden können (vgl. § 138 Abs. 2 GOG/ZH).  
 
4.2.2. Dass es sich bei der Erbenvertretung gemäss Art. 602 Abs. 3 ZGB um ein privatrechtliches Amt handelt, zieht die Frage nach sich, ob die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Beschwerdegegner in zulässiger Weise vom Erfordernis einer Ermächtigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO abhängig gemacht wird. Denn das Ermächtigungserfordernis dient insbesondere dem Zweck, Behördenmitglieder und Beamte vor mutwilliger Strafverfolgung zu schützen und damit das reibungslose Funktionieren staatlicher Organe sicherzustellen (vgl. BGE 149 IV 183 E. 2.2 und E. 3.4.4 f.; 137 IV 269 E. 2.3). Inwieweit das Ermächtigungserfordernis für ein Strafverfahren wegen Verfehlungen, die ein Notar im (privatrechtlichen) Amt als Erbenvertreter begangen haben soll, dem guten Funktionieren staatlicher Aufgabenerfüllung dient, ist daher zumindest fraglich. Indes macht die Beschwerdeführerin diesbezüglich keine Rechtsverletzung geltend; eine solche ist auch nicht geradezu offensichtlich, so dass das Bundesgericht keinen Anlass hat, hier darauf im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen näher einzugehen (vgl. oben E. 2.2). Mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens braucht die Frage an dieser Stelle zudem nicht weiter vertieft zu werden.  
 
4.3. Für die Erteilung der Ermächtigung zur Strafverfolgung gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO ist ein Mindestmass an Hinweisen auf strafrechtlich relevantes Verhalten zu verlangen. Dabei muss ein Verhalten, das strafrechtliche Konsequenzen zu zeitigen vermag, in minimaler Weise glaubhaft erscheinen und es müssen genügende Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung vorliegen. Der Entscheid über die Erteilung der Ermächtigung zur Strafuntersuchung ist jenem über die Anhandnahme eines Strafverfahrens bzw. über die Einstellung eines eröffneten Strafverfahrens vorangestellt. Die Ermächtigung muss daher zwangsläufig bereits bei einer geringeren Wahrscheinlichkeit erteilt werden, als sie für die Fortsetzung eines schon eröffneten Strafverfahrens bzw. den Verzicht auf dessen Einstellung erforderlich ist. Da zudem eine Nichtanhandnahme nur bei klarer Straflosigkeit verfügt werden darf, gilt dies erst recht für die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung (vgl. BGE 149 IV 183 E. 2.3 mit Hinweisen).  
 
4.3.1. Die Vorinstanz hat eine selbstständige und verantwortliche Stellung des Beschwerdegegners im Sinne von Art. 158 StGB prima facie bejaht. Ebenso ging sie gestützt auf die Urteile des Obergerichts vom 8. Januar 2020 und des Bezirksgerichts Uster vom 22. Dezember 2021 prima facie von Pflichtverletzungen seitens des Beschwerdegegners aus. Hingegen nahm die Vorinstanz an, bei den festgestellten Pflichtverletzungen sei von fahrlässigen Versäumnissen auszugehen, die der hohen Arbeitslast des Beschwerdegegners geschuldet zu sein schienen, zumal ihn die Aufsichtsbehörde andernfalls hätte absetzen müssen.  
 
4.3.2. Diese Begründung der Vorinstanz greift zu kurz. Dabei fällt vorab ins Gewicht, dass den Aufsichtsbehörden über die Erbenvertreter bloss eine beschränkte Überprüfungsbefugnis zusteht (vgl. Urteile 5A_813/2014 vom 24. November 2014 E. 4; 5A_806/2009 vom 26. April 2010 E. 3.1 f.; 5P.107/2004 vom 26. April 2004 E. 2.3). Insbesondere nicht Gegenstand der Aufsichtstätigkeit bildet die Beantwortung materieller Rechtsfragen (vgl. Thomas Weibel, in: Praxiskommentar Erbrecht, 5. Aufl. 2023, N. 78 zu Art. 602 ZGB; Stephan Wolf, in: Berner Kommentar, Die Teilung der Erbschaft, Art. 602-619 ZGB, 2014, N. 169 zu Art. 602 ZGB; Yannick Minnig, in: Basler Kommentar ZGB II, 7. Aufl. 2023, N. 66 zu Art. 602 ZGB). Entsprechend hatte sich weder das Obergericht im Urteil vom 8. Januar 2020 noch das Bezirksgericht Uster im Entscheid vom 22. Dezember 2021 näher mit der Frage zu befassen, ob und inwieweit den Beschwerdegegner in Bezug auf die festgestellten Pflichtverletzungen (zivilrechtlich) in subjektiver Hinsicht ein Verschulden trifft. Erst recht bildete eine mögliche Strafbarkeit des Beschwerdegegners nicht Gegenstand der Aufsichtsverfahren. Gestützt auf die Urteile in den beiden Aufsichtsverfahren gegen den Beschwerdegegner lässt sich dessen Strafbarkeit wegen mangelnder Erfüllung des subjektiven Tatbestands daher nicht klar ausschliessen, was die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung jedoch voraussetzen würde.  
 
4.3.3. Ebensowenig lässt sich die Ermächtigung zur Strafverfolgung mit der Begründung verweigern, beim Gesuchsgegner seien weder ein Motiv für die Schädigung der Beschwerdeführerin und deren Miterbinnen, noch eigene Vorteile erkennbar. Zwar trifft nach Massgabe des angefochtenen Beschlusses zu, dass der Beschwerdegegner weder Vorteile aus den ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen erzielen noch Gründe für eine Schädigung der Erbengemeinschaft haben dürfte. Für eine Strafbarkeit nach Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist eine spezifische Motivlage jedoch nicht erforderlich; Eventualvorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB reicht aus (vgl. BGE 142 IV 346 E. 3.2; 120 IV 190 E. 2b). Eventualvorsatz liegt vor, wenn die Täterin oder der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt oder, im Falle eines Unterlassungsdelikts im Sinne von Art. 11 StGB, dennoch pflichtwidrig untätig bleibt, weil sie oder er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt und sich mit ihm abfindet, auch wenn er ihr oder ihm unerwünscht sein mag (vgl. BGE 149 IV 248 E. 6.3; 147 IV 439 E. 7.3.1; Urteil 6B_910/2019 vom 15. Juni 2020 E. 2.2; je mit Hinweisen). Mit Blick auf die dem Beschwerdegegner vorgeworfenen Pflichtverletzungen - nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdegegner unter anderem den Nachlass verspätet inventarisiert, eine Liegenschaft nicht vermietet und die Rückforderung der Verrechnungssteuer versäumt - kann jedenfalls prima facie nicht klar ausgeschlossen werden, dass er eine Schädigung des ihm zur Verwaltung anvertrauten Vermögens im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB in Kauf genommen hat. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass einige dieser Pflichtverletzungen erst im Rahmen des zweiten Aufsichtsverfahrens gegen den Beschwerdegegner festgestellt wurden.  
 
4.4. Nach Massgabe des vorinstanzlichen Beschlusses kann bei dieser Ausgangslage prima facie nicht auf eine offensichtliche Straflosigkeit des Beschwerdegegners geschlossen werden. Somit widerspricht die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b StPO.  
 
5.  
Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde gutzuheissen und die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Beschwerdegegner ist zu erteilen (Art. 107 Abs. 2 BGG). Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen. Zur allfälligen Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen des kantonalen Verfahrens ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG). 
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (vgl. Art. 66 Abs. 1 und Abs. 4 BGG). Der Beschwerdeführerin ist zulasten des Kantons Zürich eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen (vgl. Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 16. Juni 2022 aufgehoben. Die Ermächtigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Beschwerdegegner wird erteilt. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und Parteientschädigungen des vorangegangenen Verfahrens an das Obergericht des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. Dezember 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dambeck