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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2P.267/2004 /leb 
 
Urteil vom 4. Januar 2005 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, 
Gerichtsschreiber Küng. 
 
Parteien 
A. und B.X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch 
Fürsprecher Kurt Gaensli, 
 
gegen 
 
Einwohnergemeinde Y.________, vertreten durch 
die Sozialkommission Y.________, 
Regierungsstatthalteramt Z.________, 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichter, Speichergasse 12, 3011 Bern. 
 
Gegenstand 
Art. 9 und 12 BV (Sozialhilfe), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 20. September 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 27. April 2004 bewilligte die Sozialkommission Y.________ Sozialhilfeleistungen für A.________ (geb. 1965) und B.________ (geb. 1968) X.________ und ihre drei Kinder (geb. 1992/ 94/99). Sie übernahm dabei unter anderem auch Strassenverkehrssteuern und die Kosten für die Autoversicherung sowie spezielle Erwerbsunkosten (Benzin, Mobiltelefon, Internet), da A.X.________ als Versicherungsmakler auf ein Auto angewiesen sei. Die Übernahme der Leasingraten für ein Auto, welches die Sozialhilfeempfänger inzwischen mit einem Bankkredit gekauft hatten, wurde dagegen abgelehnt. Schliesslich wurde A.X.________ verpflichtet, eine Abtretungserklärung für ihm aus dem Konkurs eines Hotelbesitzers zustehende Ansprüche zu unterzeichnen. 
 
Gegen diese Verfügung wandten sich A. und B.X.________ an den Regierungsstatthalter von Z.________ der sie in Bezug auf die Abtretungserklärung neu formulierte und im Übrigen die Beschwerde abwies. 
 
Die von A. und B.X.________ gegen diesen Entscheid gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern am 20. September 2004 ab. 
B. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 21. Oktober 2004 beantragen A. und B.X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben; eventuell sei festzustellen, dass die Kreditraten von Fr. 244.40 pro Monat in den Notbedarf aufzunehmen seien. 
 
Die Sozialkommission Y.________ beantragt, die Beschwerde abzuweisen. 
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. 
 
Das Regierungsstatthalteramt Z.________ hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Grundrechts auf Hilfe in Notlagen (Art. 12 BV) und des Gleichbehandlungsgebotes (Art. 9 BV). Diese erblickten sie darin, dass die monatliche Kreditrate von Fr. 244.40 für das Auto bei der Bestimmung des Existenzminimums nicht berücksichtigt worden sei. 
1.2 Soweit die Beschwerdeführer mehr verlangen als die Aufhebung des angefochtenen Entscheides, ist darauf nicht einzutreten (BGE 127 II 1 E. 2c). 
2. 
2.1 Nach Art. 12 BV hat, wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind. Dieses Grundrecht garantiert nicht ein Mindesteinkommen; verfassungsrechtlich geboten ist nur, was für ein menschenwürdiges Dasein unabdingbar ist und vor einer unwürdigen Bettelexistenz zu bewahren vermag. Der Anspruch umfasst nur ein Minimum, d.h. einzig die in einer Notlage im Sinne einer Überbrückungshilfe unerlässlichen Mittel (in Form von Nahrung, Kleidung, Obdach und medizinischer Grundversorgung), um überleben zu können (BGE 130 I 71 E. 4.1). 
2.2 Zu der so umschriebenen Überlebenshilfe zählten ein Auto und damit auch ein Kredit zu dessen Finanzierung offensichtlich nicht. Die kantonalen Behörden haben daher Art. 12 BV nicht verletzt, wenn sie es ablehnten, die Raten und Zinsen für den von den Beschwerdeführern zum Kauf des Autos aufgenommenen Kleinkredit in die Berechnung der Sozialhilfeleistungen einzubeziehen. 
3. 
3.1 Gemäss Art. 30 Abs. 4 des bernischen Gesetzes vom 11. Juni 2001 über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz, SHG/BE) sowie Art. 10 Abs. 1 der bernischen Verordnung vom 24. Oktober 2001 über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfeverordnung, SHV/BE) wird für das Tilgen von Schulden in der Regel keine wirtschaftliche Hilfe gewährt. Dass dieser Grundsatz auch für die Schuldzinsen gilt, erscheint klar und wird von den Beschwerdeführern zu Recht nicht bestritten. 
 
3.2 Nach Art. 10 Abs. 2 SHG/BE können Schulden bei der Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe ausnahmsweise berücksichtigt und getilgt werden, wenn dadurch eine bestehende oder drohende Notlage behoben oder vermieden werden kann. 
Das Verwaltungsgericht hat gestützt auf Ziff. A.4 der Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) - die nach Art. 8 Abs. 1 SHV/BE für die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe im Rahmen der Bestimmungen des Sozialhilfegesetzes verbindlich sind - erkannt, die Zinsen gehörten wie die Schuldentilgung zum ordentlichen Schuldendienst. Die Sozialhilfe decke indessen nur den konkreten und aktuellen Bedarf, grundsätzlich aber nicht vergangene Notsituationen. Da der Schuldendienst jedoch aus einer vergangenen Notsituation resultiere, wäre er höchstens dann durch die Sozialhilfe zu decken, wenn dies notwendig wäre, um eine für das berufliche Fortkommen unentbehrliche Anschaffung zu sichern. Da die Beschwerdeführer das in Frage stehende Auto nun gekauft hätten, stehe es ihnen aktuell zur Verfügung. Die Zahlungen für den Schuldendienst seien daher - gleich wie Tilgungen anderer Schulden - nicht erforderlich, um eine aktuelle Notlage zu überwinden. 
 
Diese Auslegung und Anwendung des kantonalen Sozialhilferechts erscheint nicht willkürlich. Nachdem der Beschwerdeführer gemäss der unbestrittenen Darstellung im angefochtenen Entscheid für die Berufsausübung auf ein Auto angewiesen ist, stellt dieses einen unpfändbaren Vermögenswert dar (Art. 92 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG). Angesichts des sehr geringen Arbeitspensums des Beschwerdeführers von lediglich 20% hat die Sozialkommission Y.________ grosszügige Erwerbsunkosten und sogar die Kosten für eine Rechtsschutzversicherung bei der Berechnung der Sozialhilfeleistungen berücksichtigt. Mit Blick auf den ihr in diesem Bereich zustehenden Beurteilungsspielraum können damit ohne Willkür alle Kosten für die berufsbedingte Autobenützung als inbegriffen gelten. Im Übrigen besteht kein Anspruch auf die Übernahme von Kosten für die Rückzahlung von Krediten. 
3.3 Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes rügen, legen sie nicht dar, inwiefern die Sozialkommission Y.________ in weiteren, gleich gelagerten Fällen anders als im vorliegenden Fall entschieden haben soll. Dass in einem Praxisbeispiel auf einer SKOS-Internetseite eine andere Lösung getroffen wurde, genügt nicht, um eine verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung darzutun. 
4. 
Die Beschwerde erweist sich aus diesen Gründen als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
Da sich die Begehren der Beschwerdeführer als von vornherein aussichtslos erwiesen, kann ihnen die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nicht gewährt werden (Art. 152 OG). Sie haben deshalb die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Den bescheidenen finanziellen Verhältnissen der Beschwerdeführer wird jedoch bei der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung getragen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 200.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt, unter Solidarhaftung. 
4. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Einwohnergemeinde Y.________, dem Regierungsstatthalteramt Z.________ und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 4. Januar 2005 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: