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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_264/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 24. Oktober 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Kneubühler, 
Gerichtsschreiberin Pedretti. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.C.________, 
2. B.C.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. D.________, p.A. Krankenkasse F.________ AG, 
2. E.________, p.A. Krankenkasse F.________ AG, 
Beschwerdegegner, 
beide vertreten durch Fürsprecher Patrick Lafranchi, 
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, 
Maulbeerstrasse 10, Postfach 6250, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Rechtsverweigerung/Sistierung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 30. Mai 2017 (BK 17 84/85). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte des Kantons Bern führt gestützt auf zwei Strafanzeigen der Krankenkasse F.________ AG gegen A. und B. C.________ eine Strafuntersuchung wegen Urkundenfälschung, Betrugs und arglistiger Vermögensschädigung. Ihnen wird vorgeworfen, dass sich A. C.________ von ihrem Arztkollegen B. C.________ habe vertreten lassen und dieser trotz Kassenausschluss ärztliche Leistungen erbracht habe, welche im Namen von A. C.________ fakturiert worden seien, mit dem Ziel, den verfügten Ausschluss zu umgehen. 
 
B.   
Am 24. August 2015 erstattete A. C.________ Strafanzeige gegen die beiden Mitarbeiter der Krankenkasse F.________ AG, D.________ und E.________, woraufhin die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung wegen falscher Anschuldigung eröffnete und diese mit Verfügung vom 9. bzw. 23. Dezember 2015 sistierte (Verfahren W 15 207/208). Eine dagegen beim Obergericht des Kantons Bern erhobene Beschwerde blieb erfolglos. 
Zwischen dem 29. September 2016 und dem 8. Februar 2017 reichten A. und B. C.________ erneut mehrere Strafanzeigen gegen die genannten Mitarbeiter der Krankenkasse F.________ AG ein. Daraufhin verfügte die Staatsanwaltschaft die Vereinigung dieser Anzeigen mit dem bereits hängigen Verfahren W 15 207/208 und hielt fest, dass dieses sistiert bleibe. Diesen Entscheid fochten A. und B. C.________ beim Obergericht an, das ihre Beschwerde mit Beschluss vom 30. Mai 2017 abwies, soweit darauf einzutreten sei. 
 
C.   
Dagegen gelangen A. und B. C.________ mit als Beschwerde bezeichneter Eingabe vom 30. Juni 2017 an das Bundesgericht und beantragen, der obergerichtliche Beschluss sei nichtig und die Sistierung hinfällig zu erklären. Ihre gegen die Mitarbeiter der Krankenkasse F.________ AG erhobenen Strafanzeigen seien rasch zu behandeln und das gegen sie gerichtete Strafverfahren sei zu sistieren. 
D.________ und E.________ (Beschwerdegegner) schliessen auf Nichteintreten, eventualiter auf Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft verzichten auf eine Vernehmlassung. Die Beschwerdeführer halten in der Replik sinngemäss an ihren Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Sistierungsentscheid in einer strafrechtlichen Angelegenheit. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 ff. offen. Der vorinstanzliche Beschluss schliesst das Strafverfahren nicht ab; es handelt sich um einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 BGG zulässig ist. Das Bundesgericht verzichtet allerdings auf das Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils, soweit die Beschwerdeführer - wie hier - rügen, ihre Sache werde durch den Sistierungsentscheid nicht innert angemessener Frist behandelt, was eine Rechtsverweigerung darstelle (BGE 138 III 190 E. 6 S. 191 f.; 134 IV 43 E. 2 S. 44 ff.; Urteil 1B_233/2017 vom 9. August 2017 E. 1). Insofern liegt ein anfechtbarer Entscheid vor (Urteil 1B_21/2015 vom 1. Juli 2015 E. 1). Da die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen zu keinen Bemerkungen Anlass geben, ist entgegen der Auffassung der Beschwerdegegner grundsätzlich auf das Rechtsmittel einzutreten.  
 
1.2. Die Beschwerde ist nur im Rahmen des Streitgegenstands zulässig (vgl. BGE 133 II 181 E. 3.3 S. 189). Dieser beschränkt sich vorliegend auf die Frage, ob das Obergericht den Entscheid der Staatsanwaltschaft, wonach das Verfahren W 15 207/208 nach der Vereinigung sistiert bleibe, zu Recht bestätigt hat. Daran vorbeigehende Ausführungen, Rügen und Sachanträge der Beschwerdeführer in ihrer Rechtsschrift und der Replik finden keine Beachtung. Dasselbe gilt für zusätzliche, die Beschwerdebegründung ergänzende Ausführungen in der Replik, zu denen nicht erst die Vernehmlassung der Beschwerdegegner Anlass gab (BGE 135 I 19 E. 2.2 S. 21). Soweit die Beschwerdeführer zudem beantragen, der vorinstanzliche Beschluss sei nichtig zu erklären, begründen sie ihr Rechtsbegehren nicht. Auf die Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die Beschwerdeführer müssen sich wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzen. Rein appellatorische Kritik ohne Bezug zum angefochtenen Entscheid genügt nicht. Zwar wendet das Bundesgericht das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Das setzt aber voraus, dass auf die Beschwerde überhaupt eingetreten werden kann, diese also wenigstens die Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG erfüllt. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 ff.; Urteil 4A_271/2016 vom 16. Januar 2017 E. 4.3, nicht publiziert in BGE 143 III 106).  
 
2.2. Die Rechtsschrift an das Bundesgericht enthält genauso wie die Replik weitschweifige und teilweise nur schwer verständliche Ausführungen, mit denen die Beschwerdeführer die gegen sie erhobenen Deliktsvorwürfe zu widerlegen versuchen. Sie bringen dabei im Wesentlichen vor, die Strafanzeigen der Krankenkasse F.________ AG versetze die Behörden in trügerischer und wahrheitswidriger Weise in den Glauben, der verfügte Kassenausschluss schliesse jegliche Versicherungsleistung aus bzw. untersage die Erbringung sämtlicher medizinischer Dienstleistungen. Damit werde eine selbstständige Erwerbstätigkeit unstatthaft mit einer zulässigen unselbstständigen Tätigkeit als Arzt in einem Anstellungsverhältnis unter der Kontrolle und Verantwortung einer anderen Ärztin vermengt.  
Die Beschwerdeführer setzten sich dabei jedoch nicht in rechtsgenüglicher Weise mit den rechtlichen Erwägungen im angefochtenen Beschluss auseinander, die das Obergericht dazu bewogen haben, den Sistierungsentscheid der Staatsanwaltschaft zu bestätigen. Vielmehr beschränken sie sich darauf, der vorinstanzlichen Begründung in appellatorischer Weise ihre eigene Sicht der Dinge gegenüberzustellen. Dies trifft insbesondere auf das Vorbringen zu, der Sistierungsentscheid bewirke eine Verfahrensverzögerung, die ihnen angesichts der schwerwiegenden Auswirkungen des gegen sie gerichteten Strafverfahrens auf ihr berufliches Fortkommen, ihre Ehre, ihren guten Ruf und ihre finanziellen Verhältnisse, die ihnen ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen sollten, nicht zugemutet werden könne. Sie übersehen dabei, dass die Abklärung der gegen sie erhobenen Deliktsvorwürfe sowie deren Hintergründe und Umstände Gegenstand der nicht sistierten Strafuntersuchung bilden und somit eine in ihrem Sinne vorrangige Behandlung erfahren. Ihnen steht es insoweit offen, sämtliche im vorliegenden Rechtsmittelverfahren vorgetragenen Argumente in dieses Strafverfahren einzubringen. 
Soweit die Beschwerdeführer ferner in pauschaler Weise eine Verletzung des Beschleunigungsgebots rügen, vermögen sie weder aufzuzeigen, inwiefern das bisherige Verfahren bereits übermässig lange dauern soll noch dass die gegenteilige Begründung der Vorinstanz rechtsfehlerhaft ist. Da sie überdies einräumen, dass die gegen die Mitarbeiter der Krankenkasse F.________ AG eingeleitete Strafuntersuchung mit der gegen sie gerichteten zusammenhängt, das Ergebnis dieses Strafverfahrens sich mithin tatsächlich auf jenes des Ersteren auswirken kann (vgl. Urteil 1B_21/2015 vom 1. Juli 2015 E. 2.1 f.), ist der vorinstanzliche Entscheid weder zu beanstanden noch kann der Staatsanwaltschaft ein Ermessensmissbrauch vorgeworfen werden. Daran ändert auch der in der Replik erhobene Einwand der Beschwerdeführer nichts, wonach ihren Strafanzeigen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde lägen. Sie zeigen dabei nicht in genügend substanziierter Weise auf, inwiefern die neuen Strafanzeigen für den Fortgang des von der Krankenkasse F.________ AG angestrengten Verfahrens massgebend sein sollen. 
 
2.3. Mit Blick auf den Vorwurf der Rechtsverweigerung üben die Beschwerdeführer in ihrer Rechtsschrift ganz allgemein Kritik an den vorinstanzlichen Erwägungen und an den beteiligten Behörden. Soweit sie der Staatsanwaltschaft bzw. der Polizei in allgemeiner Weise zur Last legen, sie hätte bisher nichts unternommen, um die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu untersuchen und den Sachverhalt vollständig und richtig festzustellen, sondern sich damit begnügt, die Anschuldigungen der Krankenkasse F.________ AG unreflektiert zu übernehmen, kann ihnen nicht gefolgt werden. Diese Einwände vermögen den Begründungsanforderungen nicht zu genügen (vgl. E. 2.1 hiervor). Überdies beanstanden die Beschwerdeführer, ihre Strafanzeige vom 29. September 2016 sei nicht behandelt worden. Dabei verkennen sie, dass die Staatsanwaltschaft auf diese Anzeige nachweislich reagiert hat, indem sie sie mit dem bereits hängigen Verfahren W 15 207/208 vereinigte und dessen Sistierung aufrecht erhielt. Der Vorinstanz ist daher darin beizupflichten, dass diesbezüglich kein Verstoss gegen den Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist auszumachen ist. Soweit die Beschwerdeführer im Weiteren beiläufig vorbringen, die Staatsanwaltschaft habe sie bisher noch nie angehört und ihnen die Einsicht in die Akten verweigert, vermögen sie weder ihrer Substanziierungspflicht nachzukommen (vgl. E. 2.1 hiervor), noch legen sie hinreichend präzise dar, inwiefern darin eine Rechtsverweigerung zu erblicken wäre. Dies ist auch nicht ersichtlich.  
 
3.   
Die Beschwerdeführer vermögen auch mit ihren formellen Rügen nicht durchzudringen: 
 
3.1. Unbegründet ist zunächst der sinngemäss vorgebrachte Einwand, die Entscheidbegründung der Vorinstanz halte nicht vor dem Anspruch auf rechtliches Gehör stand. Dem angefochtenen Entscheid kann klar entnommen werden, weshalb das Obergericht die Sistierung der Strafuntersuchung als gerechtfertigt erachtete (vgl. E. 4 des vorinstanzlichen Beschlusses). Daraus gehen die Motive für die Abweisung der Beschwerde mit genügender Klarheit hervor, so dass die Beschwerdeführer in der Lage waren, das obergerichtliche Urteil sachgerecht anzufechten. Überdies übersehen sie, dass die Vorinstanz nicht gehalten ist, sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinanderzusetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich zu widerlegen (BGE 141 III 28 E. 3.2.4 S. 41). Dies trifft insbesondere auf das Vorbringen zu, die vorliegende Streitigkeit hätte von der im Rahmenvertrag zwischen dem Ärztepersonal und den Versicherern vorgesehenen paritätischen Kommission beurteilt werden müssen. Das Obergericht durfte sich vielmehr auf die wesentlichen Einwände beschränken. Soweit die Beschwerdeführer ferner unsubstanziiert beanstanden, die Staatsanwaltschaft habe die Sistierung der Strafuntersuchung unzureichend begründet, scheitert ihr Vorbringen bereits daran, dass es dem auch für Private geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV; BGE 137 V 394 E. 7.1 S. 403 mit Hinweisen) widerspricht, wenn verfahrensrechtliche Einwendungen, die in einem früheren Verfahrensstadium hätten geltend gemacht werden können, erst später vorgebracht werden (vgl. BGE 143 V 66 E. 4.3 S. 69; 140 I 271 E. 8.4.3 S. 275).  
 
3.2. Bezüglich ihrer zahlreichen Sachverhaltsrügen belassen es die Beschwerdeführer dabei, die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen als falsch oder unvollständig zu bezeichnen, ohne dabei in rechtsgenüglicher Weise darzulegen, inwiefern diese offensichtlich unrichtig sein sollen (Art. 97 Abs. 1 BGG). Dies ist denn auch nicht ersichtlich. Soweit sie bemängeln, die Vorinstanz übernehme in E. 4.2 des angefochtenen Entscheids die von der Krankenkasse F.________ AG in den Strafanzeigen gemachten Ausführungen, ohne diese auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, verkennen sie, dass das Obergericht darin lediglich die den Beschwerdeführern vorgeworfenen Delikte in indirekter Rede wiedergibt. Als unbehelflich erweist sich ferner der Einwand, die Vorinstanz irre sich, wenn sie ausführe, die Strafanzeigen der Beschwerdeführer dienten dazu aufzuzeigen, ob bzw. wer wie viele Leistungen erbracht habe. Dieses Vorbringen findet keine Stütze im angefochtenen Entscheid.  
 
4.   
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftung kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Zudem haben sie den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 4 BGG). Ausgehend von der Honorar- und Kostennote der Beschwerdegegner und unter Berücksichtigung des für die Behandlung der Rechtsmitteleingabe gebotenen Aufwandes erscheint ein Betrag von Fr. 1'500.-- als angemessen. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Generalstaatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Oktober 2017 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Die Gerichtsschreiberin: Pedretti