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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_419/2010 
 
Urteil vom 9. Juli 2010 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichter Marazzi, von Werdt, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Müller, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Z.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lorenz Altenbach, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Nachbarrecht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Zivilkammer, vom 26. April 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ ist Eigentümerin des Grundstücks A.________-GBB-1, das an einem Hang unterhalb des Grundstücks A.________-GB-2 von Z.________ liegt. 
 
Auf dem Grundstück Z.________ befindet sich eine vor ungefähr 100 Jahren gefasste Quelle. Die Fassung besteht aus einem kurzen im Schutt ausgegrabenen Stollen, der talseitig mit einem gemauerten Wändchen und einem darüber angebrachten Metalltürchen abgeschlossen ist. Die kleine Mauer staut das Quellwasser. Sie weist zwei Öffnungen auf. An der unteren "Originalöffnung" A ist die Fassungsleitung (Brunnenleitung) angeschlossen, welche den Dorfbrunnen speist. Diese Leitung ist an einer Stelle undicht; aus einer Flickstelle spritzt ein dünner Wasserstrahl ins Freie. Im Jahr 1978 wurde eine obere Öffnung B angebracht, an welche eine Überlaufleitung (Leitung Y.________) angeschlossen ist, welche den bis dahin freien Überlauf in die unergiebige, zeitweise trockene Quelle Y.________ (Vater von X.________) leitete. Momentan ist die obere Leitung ausser Betrieb; sie ist in der Quelle Y.________, d.h. ausserhalb des Grundstücks Z.________, durch einen Zapfen verschlossen. Eine dritte Öffnung in der Mauer, welche in der Vergangenheit zu freiem Austritt von Quellwasser führte, wurde zugemacht. 
 
B. 
Mit Klage vom 13. Juni 2005 verlangte X.________, Z.________ sei zu verpflichten, die geeigneten Massnahmen (wie Abdichtung der Brunnstube und der Ableitungen sowie Vergrösserung der Kapazität der Leitungen) zu ergreifen, welche ein Eindringen des Wassers der gefassten Quelle auf ihr Grundstück dauerhaft verhinderten. 
 
Das Amtsgericht Dorneck-Thierstein gab bei Dr. S.________ eine Expertise in Auftrag, führte einen Augenschein durch und versuchte mehrmals, eine Einigung unter den Parteien herbeizuführen. 
 
Mit Urteil vom 7. April 2008 bejahte das Amtsgericht übermässige Einwirkungen im Sinn von Art. 684 ZGB und verpflichtete Z.________, das in der Quellfassung auf seinem Grundstück anfallende Wasser durch eine oder mehrere dichte Leitungen von hinreichender Kapazität so abzuleiten, dass kein Quellwasser auf die Parzelle von X.________ läuft. 
In seinem Urteil vom 26. April 2010 kam das Obergericht des Kantons Solothurn zum gegenteiligen Schluss, dass keine übermässige Einwirkung im Sinn von Art. 684 ZGB vorliege, und wies die Klage demzufolge ab. 
 
C. 
Gegen das obergerichtliche Urteil hat X.________ am 31. Mai 2010 eine Beschwerde in Zivilsachen sowie eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und Verpflichtung des Beschwerdegegners, das in der Quellfassung auf seinem Grundstück anfallende Wasser durch eine oder mehrere dichte Leitungen von hinreichender Kapazität so abzuleiten, dass kein Quellwasser auf ihre Parzelle fliesse, eventualiter um Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückweisung der Sache an das Obergericht. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist eine kantonal letztinstanzliche vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit mit einem Streitwert unter Fr. 30'000.-- (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerin macht geltend, es stelle sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb die Beschwerde in Zivilsachen dennoch gegeben sei (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). Die Frage laute, ob der Grundeigentümer nach Art. 689 Abs. 1 ZGB e contrario überhaupt nicht verpflichtet sei, Wasser vom oberhalb liegenden Grundstück aus einer gefassten Quelle aufzunehmen oder ob er hierzu nur bei einer übermässigen Einwirkung nicht verpflichtet sei. Bei Art. 689 Abs. 1 ZGB handle es sich um eine lex specialis, die von ihrem Wesen her die Grundsatznorm von Art. 684 ZGB derogiere. Folglich sei der Unterlieger bei gefassten Quellen e contrario Art. 689 Abs. 1 ZGB zu gar keiner Wasserabnahme verpflichtet. Weil das Bundesgericht dies aber noch nie explizit festgehalten habe, handle es sich dabei um eine Grundsatzfrage. 
 
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG liegt vor, wenn ein allgemeines Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit Rechtssicherheit herzustellen (BGE 133 III 645 E. 2.4 S. 649). Ein erhöhtes Interesse besteht dann, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die entsprechende Frage je dem Bundesgericht unterbreitet werden kann, infolge der Streitwertgrenze äusserst gering ist (BGE 134 III 267 E. 1.2.3 S. 271). Keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt demgegenüber vor, wenn es lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht (BGE 133 III 493 E. 1.2 S. 495 f.; 134 III 115 E. 1.2 S. 117). 
 
Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin hat sich das Bundesgericht in seiner publizierten Rechtsprechung längst zur aufgeworfenen Frage geäussert. In BGE 127 III 241 E. 5a S. 242 hat es festgehalten, dass die allgemeine Regel von Art. 684 ZGB zur Anwendung gelangt, soweit nicht die Spezialregelung von Art. 689 ZGB greift. Aus dem Wortlaut von Art. 689 Abs. 1 ZGB ergibt sich klar, dass diese Norm nur auf natürlicherweise abfliessendes Wasser anwendbar ist, weshalb nach übereinstimmender Lehre (MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 6 zu Art. 689/690 ZGB; HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 689/690 ZGB) und zutreffender Darstellung im angefochtenen Urteil eine gefasste Quelle nicht unter die Spezialnorm von Art. 689 ZGB fällt. Demnach ist die vorliegend zu beurteilende Situation, wie beide kantonalen Instanzen richtig erfasst haben, nach Art. 684 ZGB zu beurteilen, fällt doch auch das Eindringen flüssiger Stoffe, namentlich von Wasser, in den Anwendungsbereich dieser Norm (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 159 zu Art. 684 ZGB; REY, Basler Kommentar, N. 24 zu Art. 684 ZGB). Gemäss dieser Bestimmung hat sich jedermann bei der Ausübung seines Eigentums aller übermässigen Einwirkungen auf das Eigentum des Nachbarn zu enthalten. Bei dem unbestimmten Rechtsbegriff der übermässigen Einwirkung geht es definitionsgemäss nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern um eine auf die konkrete Situation zugeschnittene Rechtsanwendung im Einzelfall. 
 
Liegt nach dem Gesagten keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, erweist sich die Beschwerde in Zivilsachen mangels genügenden Streitwertes als unzulässig. Wo diese nicht gegeben ist, kann subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben werden, was die Beschwerdeführerin vorliegend tut. 
 
2. 
Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Hierfür gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG). Das bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen prüft (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254), während es auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261). Wird die Verletzung des Willkürverbots gerügt, reicht es sodann nicht aus, die Rechtslage aus Sicht des Beschwerdeführers zu schildern und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen; vielmehr ist im Einzelnen und anhand belegter Rügen darzulegen, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246). 
 
An die kantonalen Sachverhaltsfeststellungen ist das Bundesgericht gebunden (Art. 118 Abs. 1 BGG). Es kann diese nur berichtigen oder ergänzen, soweit sie auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 116 BGG, d.h. auf einer Verletzung von verfassungsmässigen Rechten beruht, wozu namentlich das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und das Willkürverbot (Art. 9 BV) gehören. Für die betreffenden Rügen gelten die vorgenannten strengen Begründungsanforderungen, und es ist insbesondere auch darzutun, inwiefern sich die vorgenannten Mängel auf das Ergebnis des angefochtenen Entscheides ausgewirkt haben (BGE 135 I 19 E. 2.2.2 S. 22). 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin rügt in verschiedener Hinsicht eine Verletzung des Willkürverbotes und des rechtlichen Gehörs. 
 
3.1 Das Obergericht hat erwogen, dass die Brunnstube gemäss dem Gerichtsexperten dicht sei. Bei der Fassungsleitung A spritze aus einer Flickstelle ein dünner Wasserstrahl, was aber das Grundstück der Beschwerdeführerin nicht übermässig beeinträchtige. Dies gestehe sie indirekt selbst ein, indem sie nach ihren eigenen Aussagen habe konstatieren müssen, dass seit 2005 keine Sumpfbildung mehr festzustellen sei. Der Gerichtsexperte habe zudem festgehalten, dass bei grossen Schüttungen mancherorts im Bereich des Waldrandes Wasser diffus aus dem Gehängeschutt auf das Wiesland austrete und aufgrund der Geländemorphologie seit jeher in diesem Gebiet Wasser zum Vorschein getreten sei. Eine Verbesserung dieses natürlichen Zustandes sei durch die Fassung und Ableitung des Quellwassers erreicht worden. Sofern die Leitung B wieder in Betrieb genommen würde, könnte der Zustand dauerhaft weitgehend oder vollständig behoben werden. Aus welchem Grund die Leitung B ausser Betrieb genommen wurde, sei den Akten nicht klar zu entnehmen, jedenfalls aber sei die Behauptung des Beschwerdegegners, nicht er, sondern Y.________ habe die Überlaufleitung zugemacht, seitens der Beschwerdeführerin unbestritten geblieben. Auch der Färbversuch an der Hauptverhandlung habe die Übermässigkeit der Einwirkung auf das Grundstück der Klägerin nicht beweisen können, habe doch das gefärbte Quellwasser lediglich das Wasser im Schacht, nicht aber das Wasser auf dem Wiesland gefärbt. Das Amt für Landwirtschaft komme in seiner Stellungnahme ebenfalls zum Schluss, dass kein Wasser auf das unterliegende Grundstück fliesse. Auch wenn es sich bei diesem Schreiben um eine Parteibehauptung handle, sei doch festzustellen, dass die darin gemachte Feststellung durch die Beschwerdeführerin nicht widerlegt worden sei, sondern diese an der Hauptverhandlung vielmehr bestätigend ausgeführt habe, seit 2005 sei keine Sumpfbildung mehr festzustellen. Vor diesem Hintergrund sei dieser der Beweis der übermässigen Beeinträchtigung nicht gelungen. 
 
3.2 Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Beschwerdeführerin mit der zentralen Erwägung des Obergerichts, seit dem Jahr 2005 habe sie selbst keine Sumpfbildung mehr feststellen können, nicht auseinander setzt. Sie macht zwar in ihrer Beschwerde mehrmals geltend, dass Wasser auf ihr Land fliesse. Sie tut dies aber in rein appellatorischer Weise, indem sie nirgends Willkür im Zusammenhang mit ihrer Aussage, es sei seit mehreren Jahren keine Sumpfbildung mehr feststellbar, behauptet und noch viel weniger aufzeigt, inwiefern die betreffende Feststellung des Obergerichtes aktenwidrig und damit qualifiziert unrichtig wäre. Sodann bestreitet sie nicht, dass sich beim Färbversuch nur das Wasser im Schacht färbte, aber keine Färbung auf ihrem Grundstück auftrat; mithin steht willkürfrei fest, dass in normalen Zeiten aus der Quelle kein Wasser auf das Land der Beschwerdeführerin fliesst. 
 
3.3 Ist demnach aber von der willkürfreien und somit für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellung auszugehen, dass es seit mehreren Jahren zu keiner Sumpfbildung mehr kommt, sondern einfach bei heftigen Regenfällen das sich in der Brunnstube sammelnde Wasser über das Mäuerchen treten kann, so ist vor dem Hintergrund der gutachterlichen Feststellungen, im fraglichen Bereich sei von jeher Wasser zum Vorschein getreten und bei einer Überbauung der unterliegenden Parzelle würde in der Baugrube ohnehin in ca. 1,5 m Tiefe aus der Lehmschicht an der Basis der Gehängeschuttdecke Wasser austreten, weshalb so oder anders eine Sickerleitung erstellt werden müsste, nicht ersichtlich, inwiefern die Verneinung einer übermässigen Einwirkung durch das Obergericht schlechterdings unhaltbar und damit willkürlich sein soll, umso weniger als bei der Frage der Übermässigkeit die Lage und Beschaffenheit der Grundstücke mitzuberücksichtigen ist (Art. 684 Abs. 2 ZGB). 
 
3.4 Hat es mangels tauglicher Rügen bei den vorgenannten Sachverhaltsfeststellungen zu bleiben, fehlt es den weiteren als angeblich willkürlich kritisierten Punkten (Urheberschaft für das Verschliessen der Überlaufleitung B; weitere Wasseraustritte in der Leitung A; Menge des Überlaufwassers aus der Brunnstube) an Relevanz für das Ergebnis des oberinstanzlichen Entscheides, die Einwirkung sei nicht übermässig im Sinn von Art. 684 ZGB. Ohnehin wären die Rügen auch nicht genügend substanziiert, verweist doch die Beschwerdeführerin weitgehend in globaler und damit in unzulässig appellatorischer Weise auf die kantonalen Urteile, die Verfahrensakten und die eingereichten Fotos. 
 
3.5 Mangelt es den in E. 3.4 angesprochenen Sachverhaltsrügen an Relevanz für das Ergebnis des angefochtenen Entscheides, so gilt dasselbe für die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen angeblich fehlender oder mangelnder Berücksichtigung in den Akten liegender Beweismittel. 
 
Was den Vorwurf anbelangt, das Obergericht habe keinen eigenen Augenschein durchgeführt, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, an welcher Stelle sie einen solchen vor zweiter Instanz verlangt hätte, weshalb die Rüge bereits an der fehlenden Substanziierung scheitert. 
 
4. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Beschwerde in Zivilsachen nicht gegeben sind und mangels tauglicher bzw. substanziierter Rügen auch auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht eingetreten werden kann. Demnach ist der Beschwerdeführerin eine reduzierte Gerichtsgebühr aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenseite ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde in Zivilsachen und auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 9. Juli 2010 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Hohl Möckli