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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_494/2021  
 
 
Urteil vom 29. Juni 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, präsidierendes Mitglied, Bundesrichter Chaix, 
Nebenamtlicher Bundesrichter Weber, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Eva Wille, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Allgemeine Abteilung, 
Beckenstube 5, 8200 Schaffhausen. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Erstellung eines DNA-Profils, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 6. August 2021 (51/2020/43). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ und weitere Personen wegen des Verdachts der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. 
 
B.  
Am 29. April 2020 führte die Kantonspolizei in einer Liegenschaft eine Hausdurchsuchung durch und stellte im Keller eine Hanfindooranlage mit 848 Hanfpflanzen fest. 
In seiner Einvernahme vom 20. Juli 2020 sagte A.________ aus, er habe Anfang 2020 den Stromverteiler im Keller installiert. Dabei sei er davon ausgegangen, dort würde in der Folge lediglich CBD-Hanf, also solcher ohne berauschende Wirkung, gezüchtet. Dass dann THC-Hanf, also solcher mit berauschender Wirkung, gezüchtet worden sei, habe er nicht gewusst. 
 
C.  
Mit Verfügung vom 21. Juli 2020 wies die Staatsanwaltschaft die Kantonspolizei an, A.________ erkennungsdienstlich zu behandeln und insbesondere eine Wangenschleimhautabstrich-Probe (WSA-Probe) zu entnehmen, diese analysieren und das DNA-Profil in das Informationssystem CODIS aufnehmen zu lassen. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen am 6. August 2021 ab. 
 
D.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und von einer WSA-Probe abzusehen. Ebenso sei davon abzusehen, ein zu erstellendes DNA-Profil von A.________ in das Informationssystem CODIS aufzunehmen. Zudem sei festzustellen, dass das Obergericht das Beschleunigungsgebot verletzt habe. 
 
E.  
Die Staatsanwaltschaft beantragt unter Hinweis auf ihre Verfügung vom 21. Juli 2020 und den obergerichtlichen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen. A.________ hat dazu keine Stellung genommen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Mit der Anordnung der Analyse des abgenommenen WSA und der Bearbeitung des DNA-Profils im Informationssystem CODIS kommt dem angefochtenen Entscheid eine über das jetzige Strafverfahren hinausgehende, eigenständige Bedeutung zu. Er ist deshalb als Endentscheid nach Art. 90 BGG zu betrachten (BGE 128 II 259 E. 1.4; Urteil 1B_409/2021 vom 3. Januar 2022 E. 1.1 mit Hinweisen). Die Beschwerde ist daher auch insoweit zulässig. Auf die Beschwerde ist - unter Vorbehalt der folgenden Erwägungen - einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Staatsanwaltschaft begründe die Anordnung eines DNA-Profils in ihrer Verfügung vom 21. Juli 2020 mit einem willkürlichen, nicht den Tatsachen entsprechenden "Kurzsachverhalt".  
 
2.2. Anfechtungsobjekt ist hier nicht die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 21. Juli 2020, sondern der vorinstanzliche Entscheid vom 6. August 2021. Dieser ist aufgrund des Devolutiveffekts an die Stelle der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 21. Juli 2020 getreten (vgl. BGE 139 II 404 E. 2.5; Urteil 1B_5/2019 vom 27. Mai 2019 E. 1.2; je mit Hinweisen). Dass die Vorinstanz die Anordnung eines DNA-Profils willkürlich begründe, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Auf die Beschwerde kann daher im vorliegenden Punkt nicht eingetreten werden.  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, es fehle am hinreichenden Tatverdacht.  
 
3.2. Die Abnahme eines WSA und die Erstellung eines DNA-Profils stellen eine Zwangsmassnahme dar. Gemäss Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO setzt eine solche Massnahme einen hinreichenden Tatverdacht voraus.  
Nach der Rechtsprechung ist bei der Überprüfung des hinreichenden Tatverdachts keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweise vorzunehmen. Zu prüfen ist lediglich, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen, die Justizbehörden somit das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Dabei genügt der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte (BGE 141 IV 87 E. 1.3.1; Urteil 1B_427/2021 vom 21. Januar 2022 E. 4.2; je mit Hinweisen). 
 
3.3. Der Beschwerdeführer gibt zu, den Stromverteiler im Keller installiert zu haben.  
Den Beschwerdeführer belastet zusätzlich Folgendes: Nach den Aussagen von B.________ betrieb dieser die Hanfindooranlage im Keller. Auf die Frage an den Beschwerdeführer, in welchem Verhältnis er zu B.________ stehe, antwortete der Beschwerdeführer, er wisse nicht viel über ihn. Er sei kein Freund von B.________ und habe mit ihm nicht sehr viel Kontakt. Die Mobiltelefonauswertung von B.________ ergab jedoch, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom Aufbau der Hanfindooranlage bis zur Hausdurchsuchung vom 29. April 2020 sehr oft mit B.________ in telefonischem Kontakt stand. Dies stellt ein Indiz dafür dar, dass der Beschwerdeführer wusste, welche Art Hanf im Keller gezüchtet wurde. 
Zudem sagte der Beschwerdeführer aus, er verbringe sehr viel Zeit mit seinem Cousin C.________; er sei "immer" mit diesem zusammen. Nach Angaben der beiden Mieter der Liegenschaft, in deren Keller die Hanfindooranlage festgestellt wurde, war C.________ Mitbetreiber dieser Anlage. Auch dies deutet darauf hin, dass der Beschwerdeführer wusste, welche Art Hanf im Keller gezüchtet wurde. 
Nachdem die beiden Mieter der Liegenschaft, in deren Keller die Hanfindooranlage festgestellt wurde, im Zusammenhang mit einem Kokaintransport von ca. 30 kg verhaftet und in das Gefängnis Schaffhausen verbracht worden waren, begab sich der Beschwerdeführer überdies mit C.________ in die unmittelbare Nähe des Gefängnisses. Dort erhielt C.________ nach dessen Aussagen einen Anruf von B.________. Diese Nähe des Beschwerdeführers zu Personen, die mutmasslich mit Drogen zu tun hatten, spricht ebenfalls dafür, dass der Beschwerdeführer nicht davon ausging, im Keller werde lediglich harmloser CBD-Hanf gezüchtet. 
Der Beschwerdeführer wurde ausserdem im Jahr 2017 bereits einmal wegen Betäubungsmitteldelikten angezeigt. 
Es bestehen demnach konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer nicht ahnungslos war, sondern wusste, dass im Keller THC-Hanf gezüchtet wurde. Wenn die Vorinstanz den hinreichenden Tatverdacht bejaht, verletzt das daher kein Bundesrecht. Die Beschwerde ist im vorliegenden Punkt unbegründet. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Die Vorinstanz stelle auf eine Telefonauswertung ab, die in den Akten, die ihm im Zeitpunkt der Abfassung der Beschwerde an die Vorinstanz zur Verfügung gestanden seien, nicht enthalten gewesen sei.  
 
4.2. Wie dargelegt, stützt sich die Vorinstanz auf die Auswertung des Mobiltelefons von B.________. Dabei verweist sie auf Frage 86 der Einvernahme des Beschwerdeführers vom 20. Juli 2020 (angefochtener Entscheid E. 3.1.2 S. 4). In dieser Frage nimmt die einvernehmende Polizeibeamtin Bezug auf die Erkenntnisse der Auswertung des Mobiltelefons von B.________. Die Polizeibeamtin hält dem Beschwerdeführer vor, aufgrund dieser Auswertung ergebe sich, dass er im Zeitraum vom Aufbau der Hanfindooranlage bis zur Hausdurchsuchung sehr oft mit B.________ in telefonischem Kontakt gestanden sei. Der Beschwerdeführer und seine Anwältin kannten das Protokoll der Einvernahme vom 20. Juli 2020. Stützt sich die Vorinstanz demnach insoweit auf keine Akten, welche dem Beschwerdeführer bzw. seiner Anwältin unbekannt waren, liegt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.  
 
5.  
 
5.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Entnahme einer DNA-Probe sei unverhältnismässig, da sie zum Beweis der ihm vorgeworfenen Tat ungeeignet sei. Eine allfällig gefundene DNA-Spur im Keller der Liegenschaft besage nichts. Alle mutmasslich Beteiligten und der Beschwerdeführer hätten bestätigt, dass er im Keller der Liegenschaft den Stromverteiler installiert habe. Dass dort DNA-Spuren von ihm vorhanden seien, sei deshalb klar.  
 
5.2. Die Abnahme eines WSA und die Erstellung eines DNA-Profils müssen verhältnismässig sein (Art. 197 Abs. 1 lit. c und d StPO; Art. 36 Abs. 3 BV). Die Verhältnismässigkeit setzt unter anderem die Geeignetheit der Massnahme voraus (BGE 147 I 372 E. 4.2 mit Hinweis).  
 
5.3. Der Beschwerdeführer hat unstreitig den Stromverteiler im Keller installiert. Mit der Auffindung von DNA-Spuren von ihm ist dort deshalb zu rechnen. Wesentlich ist jedoch, wo solche Spuren allenfalls vorhanden sind. Hätte der Beschwerdeführer DNA-Spuren nicht nur am Stromverteiler und den Kabeln dafür hinterlassen, sondern insbesondere auch an den Töpfen der Hanfpflanzen und an weiteren Gegenständen, die für die Aufzucht der Pflanzen notwendig waren, spräche dies dafür, dass er am Betrieb der Hanfindooranlage beteiligt war und wusste, dass dort THC-Hanf gezüchtet wurde. Der WSA und die Erstellung des DNA-Profils sind für die Klärung des gegenüber dem Beschwerdeführer erhobenen Tatvorwurfs demnach geeignet. Dass diese Massnahmen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit sonst wie verletzen würden, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist nicht erkennbar.  
 
6.  
 
6.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe bis zu ihrem Entscheid ein Jahr gebraucht. Damit habe sie das Beschleunigungsgebot nach Art. 5 Abs. 1 StPO verletzt.  
 
6.2. Gemäss Art. 5 Abs. 1 StPO nehmen die Strafbehörden die Strafverfahren unverzüglich an die Hand und bringen sie ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss. Diese Konkretisierung des in Art. 29 Abs. 1 BV verankerten Grundsatzes auf Beurteilung innert angemessener Frist ist nicht nur für die Strafverfolgungsbehörden verbindlich, sondern auch für die Gerichte (Urteil 1B_103/2017 vom 27. April 2017 E. 3.2 mit Hinweis).  
Für die Beurteilung, ob eine Verletzung des Beschleunigungsgebots vorliegt, sind die Umstände des Einzelfalles massgeblich (BGE 143 IV 373 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Von Bedeutung sind insbesondere der Umfang und die Komplexität der Sache (BGE 135 I 265 E. 4.4 S. 277 mit Hinweis). 
 
6.3. Gegen die staatsanwaltschaftliche Verfügung vom 21. Juli 2020 erhob der Beschwerdeführer am 26. Juli 2020 Beschwerde. Diese ging bei der Vorinstanz am 29. Juli 2020 ein. Am Tag darauf gab die Vorinstanz der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme, welche die Staatsanwaltschaft am 3. August 2020 wahrnahm. Am 4. August 2020 setzte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer Frist bis zum 17. August 2020 an zur Einreichung einer allfälligen Replik. Auf eine solche verzichtete er. Am 6. August 2021 fällte die Vorinstanz den angefochtenen Entscheid.  
Die Vorinstanz brauchte somit nach Abschluss des Schriftenwechsels bis zu ihrem Entscheid knapp ein Jahr. Der von ihr zu behandelnde Fall war vergleichsweise einfach. Es stellten sich weder schwierige Rechts- noch Sachverhaltsfragen. Die Akten waren zudem wenig umfangreich. Die vorinstanzlichen Erwägungen zur Sache beschränken sich denn auch auf lediglich knapp vier Seiten. In Anbetracht dessen erging der angefochtene Entscheid nicht innert angemessener Frist. Die Vorinstanz hat das Beschleunigungsgebot verletzt. 
Diese Verletzung ist hier im Dispositiv festzustellen. Überdies wird ihr durch eine für den Beschwerdeführer vorteilhafte Kostenregelung Rechnung getragen (unten E. 7; vgl. BGE 138 II 513 E. 6.5 mit Hinweisen). 
 
7.  
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde ist demnach festzustellen, dass die Vorinstanz das Beschleunigungsgebot verletzt hat. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Dem Beschwerdeführer werden, obschon er überwiegend unterliegt, keine Gerichtskosten auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Auch der Kanton trägt keine Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dieser hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird festgestellt, dass die Vorinstanz das Beschleunigungsgebot verletzt hat. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Schaffhausen hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. Juni 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster