Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_843/2023  
 
 
Urteil vom 20. November 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, Hofmann, 
Gerichtsschreiberin Rohrer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Ineichen, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Abteilung 1 Luzern, 
Postfach 1662, 6011 Kriens. 
 
Gegenstand 
Anordnung Sicherheitshaft, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 28. September 2023 
(2N 23 137 / 2U 23 37). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ wurde mit Strafbefehl vom 25. September 2019 wegen einfacher Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 150 Tagen, bei einer Probezeit von vier Jahren, verurteilt. Der bedingte Vollzug erfolgte unter Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung, wonach er sich einer therapeutischen Behandlung zu unterziehen habe. Da A.________ den beiden Auflagen nicht nachkam, wurde der bedingte Vollzug mit Entscheid der Staatsanwaltschaft vom 14. Oktober 2021 widerrufen und die Freiheitsstrafe vollzogen. 
 
B.  
Aufgrund des Ersuchens des Vollzugs- und Bewährungsdienstes (VBD) an die Staatsanwaltschaft beantragte diese beim Bezirksgericht des Kantons Luzern gestützt auf Art. 65 Abs. 1 StGB die Anordnung einer nachträglichen stationären Massnahme nach Art. 59 StGB sowie von Sicherheitshaft. Das angerufene Gericht kam diesen Begehren mit Beschluss vom 29. August 2023 nach, ordnete eine nachträgliche stationäre Massnahme an und versetzte A.________ für die Dauer von 3 Monaten bis zum 29. November 2023 in Sicherheitshaft. 
Die gegen die Anordnung der Sicherheitshaft eingereichte Beschwerde von A.________ wies das Kantonsgericht des Kantons Luzern mit Beschluss vom 28. September 2023 ab. Weiter befand es über die Kosten- und Nebenfolgen. 
 
C.  
A.________ gelangt mit Beschwerde vom 30. Oktober 2023 an das Bundesgericht. Er beantragt, der Beschluss des Kantonsgerichts des Kantons Luzern vom 28. September 2023 sei aufzuheben und er sei umgehend aus der Haft zu entlassen. Eventualiter seien eine Schriftensperre und/oder eine Meldepflicht als Ersatzmassnahme anzuordnen. A.________ sei eine angemessene Entschädigung und Genugtuung zuzusprechen. Weiter sei ihm für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung zu gewähren. 
Am 6. November 2023 (Datum Poststempel) reichte A.________ zudem eine persönlich verfasste Eingabe beim Bundesgericht ein. 
Die Staatsanwaltschaft und das Kantonsgericht beantragen in ihren Vernehmlassungen, die Beschwerde sei abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Anordnung von Sicherheitshaft im selbstständigen gerichtlichen Nachverfahren betreffend die nachträgliche Anordnung einer stationären Massnahme (Art. 364b Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 222 ff. StPO sowie Art. 65 Abs. 1 i.V.m. Art. 56 und 59 StGB). Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG offen. Der Beschwerdeführer nahm vor der Vorinstanz am Verfahren teil und befindet sich nach wie vor in Haft. Er ist deshalb gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Da hinsichtlich der am 30. Oktober 2023 eingereichten Beschwerde in Strafsachen auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf diese Eingabe grundsätzlich einzutreten.  
 
1.2. Auf das nicht weiter begründete Haftentschädigungs- und Genugtuungsbegehren des Beschwerdeführers (vgl. Rechtsbegehren Ziff. 4) ist hingegen - ungeachtet des Ausgangs des Haftbeschwerdeverfahrens in der Sache - nicht einzutreten. Über solche Begehren ist nicht im Haftprüfungsverfahren zu entscheiden, sondern im gesetzlich dafür vorgesehenen separaten Haftentschädigungsverfahren (vgl. Art. 222 und Art. 429-431 StPO; BGE 140 I 246 E. 2.5.1; Urteile 1B_516/2021 vom 6. Oktober 2021 E. 1.3; 1B_111/2020 vom 31. März 2020 E. 1, nicht publ. in: BGE 146 I 115).  
 
1.3. Die persönlich vom Beschwerdeführer am 6. November 2023 (Datum Poststempel) verfasste Eingabe ist sodann verspätet (Art. 100 Abs. 1 BGG) und im vorliegenden Verfahren daher unbeachtlich.  
 
2.  
Die Anordnung und Fortsetzung von Sicherheitshaft während des massnahmenrechtlichen selbstständigen gerichtlichen Nachverfahrens nach Art. 363 ff. StPO sind in Art. 364a und 364b StPO geregelt. 
 
2.1. Nach Art. 364a Abs. 1 StPO kann die Behörde, die für die Einleitung des Verfahrens auf Erlass eines selbstständigen nachträglichen Entscheids des Gerichts zuständig ist, die verurteilte Person festnehmen lassen, wenn ernsthaft zu erwarten ist, dass gegen die Person der Vollzug einer freiheitsentziehenden Sanktion angeordnet wird (lit. a) und die Person sich deren Vollzug entzieht (lit. b Ziff. 1) oder erneut ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen begeht (lit. b Ziff. 2). Laut Art. 364a Abs. 2 StPO richtet sich das Verfahren sinngemäss nach den Artikeln 222-228 StPO.  
Gemäss Art. 364b Abs. 1 StPO kann die Verfahrensleitung des Nachverfahrens die verurteilte Person unter den Voraussetzungen von Art. 364a StPO festnehmen lassen. Sie führt in sinngemässer Anwendung von Art. 224 StPO ein Haftverfahren durch und beantragt dem Zwangsmassnahmengericht beziehungsweise der Verfahrensleitung des Berufungsgerichts die Anordnung der Sicherheitshaft. Das Verfahren richtet sich sinngemäss nach den Artikeln 225 und 226 StPO (Art. 364b Abs. 2 StPO). Bei vorbestehender Sicherheitshaft richtet sich das Verfahren sinngemäss nach Art. 227 StPO (Art. 364b Abs. 3 StPO). Im Übrigen gelten die Artikel 222 und 230-233 StPO sinngemäss (Art. 364b Abs. 4 StPO). 
 
2.2. Der Beschwerdeführer wurde mit Strafbefehl vom 25. September 2019 wegen einfacher Körperverletzung rechtskräftig verurteilt. Ein dringender Tatverdacht von untersuchten Vergehen oder Verbrechen (im Sinne von Art. 221 Abs. 1 Ingress StPO) ist daher bei Sicherheitshaft im massnahmenrechtlichen gerichtlichen Nachverfahren nicht mehr zu prüfen (BGE 137 IV 333 E. 2.3.1; Urteile 7B_434/2023 vom 29. August 2023 E. 3.2; 1B_41/2019 vom 19. Februar 2019 E. 2.4). Auch Art. 364a Abs. 1 StPO sieht einen solchen allgemeinen kumulativen Haftgrund nicht vor (Urteil 7B_434/2023 vom 29. August 2023 E. 3.2).  
 
3.  
Die Vorinstanz hat sowohl die ernsthafte Befürchtung der Anordnung einer freiheitsentziehenden Sanktion als auch das Bestehen von Wiederholungs- und Fluchtgefahr bejaht. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, es fehle an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, dass letztlich eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet werde. Zudem wendet er sich gegen die vorinstanzliche Annahme von Flucht- und Wiederholungsgefahr und rügt darüber hinaus die fehlende Verhältnismässigkeit der Haftanordnung. Die Vorinstanz gehe von einem falschen Sachverhalt aus und verletze Bundesrecht. 
 
4.  
Zu prüfen ist damit in einem ersten Schritt, ob im hängigen Nachverfahren die Anordnung einer freiheitsentziehenden Sanktion ernsthaft droht, was vom Beschwerdeführer bestritten wird. 
 
4.1. Die Vorinstanz erwägt in diesem Zusammenhang, im Strafbefehl vom 25. September 2019 sei festgehalten worden, beim Beschwerdeführer bestehe seit längerer Zeit ein aggressives und psychisch auffälliges Verhalten, weshalb unter anderem eine therapeutische Behandlung angeordnet worden sei, deren Bestandteil Psychotherapie, stützende Gespräche und falls indiziert Medikation gewesen wären. Unter Verweis auf das forensisch-psychiatrische Kurzgutachten vom 10. April 2023 hält sie fest, dass die gemäss Gutachterin zum Zeitpunkt der Tatbegehung und des ursprünglichen Urteils bereits vorgelegene schwere psychische Störung des Beschwerdeführers und dessen Gefährlichkeit damals offensichtlich nicht erkannt worden seien. Folglich sei die Voraussetzung erfüllt, wonach neue Tatsachen oder Beweismittel ergeben haben, dass eine Massnahme begründet sein könnte. Weiter führt die Vorinstanz aus, der Beschwerdeführer habe das dem Strafbefehl vom 25. September 2019 zugrunde liegende Delikt mit 24 Jahren verübt. Das für sein damaliges Alter gezeigte hochaggressive Gewaltpotenzial sei sehr besorgniserregend. Das aktuelle forensisch-psychiatrische Kurzgutachten vom 10. April 2023, welches umfassend und schlüssig sei, halte fest, dass einige Jahre vor dem ersten Klinikaufenthalt 2019 und der Diagnosestellung einer Schizophrenie bereits eine Beeinträchtigung der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers durch eine sich entwickelnde Psychose vorgelegen haben dürfte. Die Gutachterin empfehle eine stationäre Therapie im Sinne von Art. 59 StGB im Rahmen eines (forensisch-) psychiatrischen Settings. Zur Begründung weise sie auf ein hohes Rückfallrisiko für Gewaltdelikte beim Beschwerdeführer hin, das direkt auf die schwere paranoide Schizophrenie mit kontinuierlichem Verlauf zurückzuführen sei. Solange keine adäquate Behandlung des Beschwerdeführers mit einer deutlichen Distanzierung von den wahnhaften Denkinhalten und einer Verbesserung der Realitätsüberprüfung erreicht sei, werde sich daran in absehbarer Zeit nichts ändern. Zudem bestehe ein beträchtliches Risiko für eine Selbstgefährdung. Auch der mit der damaligen ambulanten Behandlung des Beschwerdeführers betraute Psychologe habe die bei jenem diagnostizierte paranoide Schizophrenie festgestellt. Damit bestehe - so die Vorinstanz - aus strafprozessualer Sicht insgesamt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die im gerichtlichen Nachverfahren durch die erste Instanz angeordnete stationäre Massnahme (Art. 59 StGB) im Rahmen einer allfälligen zweitinstanzlichen Überprüfung bestätigt werden könnte.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer bringt dagegen zusammengefasst vor, es sei äusserst unwahrscheinlich, dass letztlich eine stationäre Massnahme angeordnet werde. Bereits am 15. April 2023 habe er seine Freiheitsstrafe von 150 Tagen vollständig verbüsst, nachdem sein Gesuch um bedingte Entlassung abgelehnt worden sei. Mit Blick auf die ursprünglich ausgesprochene Freiheitsstrafe von lediglich 150 Tagen sei sowohl die nachträgliche Anordnung einer mehrjährigen Sanktion wie auch eine Sicherheitshaft klarerweise unverhältnismässig. Im Zeitpunkt der Verurteilung sei zudem nicht einmal eine ambulante Massnahme ausgesprochen worden, obschon bereits damals Hinweise auf eine psychische Auffälligkeit vorgelegen hätten. So spreche bereits der Strafbefehl vom 25. September 2019 von einem psychisch auffälligen Verhalten. Damit fehle es an neuen Tatsachen und Beweismitteln im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, welche die Voraussetzungen der stationären Massnahme zu begründen vermöchten. Ebenso müsse vorliegend ein Kausalzusammenhang im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK, welcher eine inhaltliche Verknüpfung zwischen Verurteilung und Freiheitsentzug voraussetze, verneint werden. Die von der Staatsanwaltschaft beantragte stationäre Massnahme sei vom ursprünglichen Zweck der Verurteilung für eine einfache Körperverletzung nicht gedeckt, da im damaligen Strafbefehl gänzlich von der Anordnung von Massnahmen abgesehen und lediglich eine 150-tägige bedingte Freiheitsstrafe ausgesprochen worden sei. Das forensisch-psychiatrische Kurzgutachten vom 10. April 2023, auf welches sich die Vorinstanz zur nachträglichen Anordnung einer therapeutischen Massnahme stütze, erweise sich zudem als nicht schlüssig und sei weder sorgfältig noch wissenschaftlich erstellt worden. Damit stelle es keine rechtsgenügende Entscheidgrundlage im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB dar.  
 
4.3.  
 
4.3.1. In vorliegendem Fall geht es um die nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme (Art. 59 StGB) nach Art. 65 Abs. 1 StGB. Gemäss dieser Bestimmung kann das Gericht eine solche Massnahme nachträglich anordnen, wenn bei einem Verurteilten vor oder während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe die entsprechenden Massnahmevoraussetzungen gegeben sind. Die Neuanordnung einer stationären therapeutischen Massnahme im Nachgang an eine Strafe stellt einen Eingriff in die Rechtskraft des Urteils in der Hauptsache dar. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist daher zu prüfen, ob der nachträgliche Wechsel von der Strafe zu einer Massnahme EMRK-konform ist (BGE 145 IV 383 E. 2.1; 142 IV 307 E. 2.1 und 2.3; Urteil 6B_597/2012 vom 28. Mai 2013 E. 4.7).  
 
4.3.2. Das Bundesgericht hat die nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 65 Abs. 1 StGB als zulässig erachtet, wenn sich nach der Rechtskraft des Urteils neue Tatsachen oder Beweismittel ergeben haben, welche die Voraussetzungen einer Massnahme begründen können (BGE 148 IV 89 E. 4.4; 145 IV 383 E. 2.1; 142 IV 309 E. 2.3). Es hat dabei festgehalten, dass nur Umstände berücksichtigt werden dürfen, die vor der Urteilsfällung vorlagen, dem Gericht aber noch nicht bekannt waren. Tatsachen und Beweismittel, die nach dem Urteil eingetreten bzw. entstanden sind, können vom Gericht und gegebenenfalls vom gerichtlichen Sachverständigen nur berücksichtigt werden, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine stationäre therapeutische Massnahme gegenwärtig erfüllt sind und ob sie zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits erfüllt waren. Dagegen kann das Gericht - um anzunehmen, dass die Voraussetzungen einer stationären therapeutischen Massnahme bereits im Zeitpunkt des Urteils erfüllt gewesen waren - sich nicht auf eine Tatsache stützen, die damals nicht gegeben war und die nachträglich eingetreten ist (BGE 145 IV 383 E. 2.3). Tatsachen oder Beweismittel, die dem urteilenden Gericht bereits zur Beurteilung vorlagen und deshalb Gegenstand der richterlichen Überlegungen waren, können nicht erneut eingebracht werden (BGE 145 IV 383 E. 2.1; 142 IV 307 E. 2.3).  
 
4.3.3. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Urteil W.A. gegen die Schweiz indessen nun klargestellt, dass ein Zurückkommen auf einen rechtskräftigen Entscheid zu Ungunsten einer Person konventionsrechtlich nur zulässig sei, wenn die neuen Tatsachen und Beweismittel die abgeurteilten Taten oder die Schuldfrage beeinflussen würden (vgl. Urteil des EGMR W.A. gegen die Schweiz vom 2. November 2021, Nr. 38958/16, § 42-45 und § 71). Neue Tatsachen und Beweismittel, welche lediglich die nachträgliche Anordnung einer Sanktion begründen, reichen gemäss dieser jüngsten Rechtsprechung des EGMR nicht aus. Der genannte Entscheid betraf zwar die nachträgliche Anordnung einer Verwahrung nach Art. 65 Abs. 2 StGB und nicht - wie vorliegend - die nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 65 Abs. 1 StGB. Inwiefern letztgenannte Konstellation anders beurteilt werden sollte, ist jedoch nicht ersichtlich. Angesichts dessen, dass die von der Vorinstanz angeführten neuen Tatsachen bzw. Beweismittel lediglich die Voraussetzungen für das Verhängen einer Massnahme (und nicht etwa die Art der Straftat oder das Ausmass der Schuld des Beschwerdeführers) betreffen, können sie keine nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme zulasten des Beschwerdeführers rechtfertigen. Ein solches Vorgehen erscheint nach den obigen Ausführungen mit Blick auf die Rechtsprechung des EGMR konventionswidrig, weshalb nicht gesagt werden kann, dass dem Beschwerdeführer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Anordnung einer freiheitsentziehenden Sanktion droht.  
 
4.4. Unabhängig davon ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer vom 19. Juni 2019 bis am 11. September 2019, mithin im Zeitraum unmittelbar vor Erlass des Strafbefehls, in der Luzerner Psychiatrie stationär behandelt wurde. Dabei wurde im Abschlussbericht der Luzerner Psychiatrie vom 12. September 2019 festgehalten, die Hospitalisation des Beschwerdeführers sei aufgrund der Verschlimmerung einer vermuteten psychotischen Störung mit Fremdaggression gegen den Onkel und den Vater erfolgt. Es bestehe der Verdacht auf eine paranoide Schizophrenie (F20.0). Der Beschwerdeführer habe sehr unruhig und psychomotorisch angetrieben, affektiv verflacht und kaum spürbar gewirkt. Er habe auch am Ende der Behandlung kaum Krankheitseinsicht gezeigt. Nach einer medikamentösen Behandlung habe sich der Zustand des Beschwerdeführers stabilisiert. Am 11. September 2019 sei bei fehlender Fremdgefährdung und deutlicher Zustandsbesserung der Austritt in die häuslichen Verhältnisse erfolgt (Akten des VBD, Reg. 2, act. 2.2) Die Staatsanwaltschaft hätte damit zweifelsohne Grund gehabt, den Gesundheitszustand und eine allfällige Massnahmebedürftigkeit des Beschwerdeführers gutachterlich abklären zu lassen. Im Strafbefehl vom 25. September 2019 wurde laut den Ausführungen der Vorinstanz denn auch festgehalten, beim Beschwerdeführer bestehe seit längerer Zeit ein aggressives und psychisch auffälliges Verhalten. Trotz deutlicher Anhaltspunkte auf eine psychische Störung und trotz des aggressiven Gebarens liess die Staatsanwaltschaft den Beschwerdeführer damals nicht abklären. Sie setzte sich damit über beim Beschwerdeführer klar erkennbare Anzeichen massnahmebegründender Tatsachen hinweg. Insoweit muss ihr ein unsorgfältiges Vorgehen bzw. eine Nachlässigkeit vorgeworfen werden, was die Zulässigkeit der nachträglichen Anordnung einer stationären Massnahme mehrere Jahre nach der Tat sowie nach vollständigem Vollzug der Freiheitsstrafe von 150 Tagen ohnehin ernstlich in Frage stellt.  
 
4.5. Zuletzt ist überdies zweifelhaft, ob eine Anwendung von Art. 65 Abs. 1 StGB bei einer bedingt ausgefällten und später widerrufenen Freiheitsstrafe überhaupt in Frage kommt. In der Lehre wird dies jedenfalls bestritten (vgl. MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, N. 31 zu Art. 65 StGB). Das Bundesgericht hat sich hierzu - soweit ersichtlich - noch nicht geäussert.  
 
4.6. Die Anordnung einer nachträglichen Massnahme nach Art. 65 Abs. 1 StGB erscheint vor dem Hintergrund des Ausgeführten mit dem Beschwerdeführer insgesamt als nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Voraussetzungen für die Sicherheitshaft sind damit nicht gegeben und der Beschwerdeführer ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers braucht bei diesem Ausgang des Verfahrens nicht weiter eingegangen zu werden.  
 
5.  
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als begründet und ist gutzuheissen. Der angefochtene Beschluss der Vorinstanz ist aufzuheben und die Staatsanwaltschaft ist anzuweisen, den Beschwerdeführer unverzüglich aus der Haft zu entlassen. 
Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Entschädigung ist praxisgemäss seinem Rechtsvertreter auszurichten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird damit gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Kantonsgerichts des Kantons Luzern vom 28. September 2023 wird aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft wird angewiesen, den Beschwerdeführer unverzüglich aus der Haft zu entlassen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Luzern hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Reto Ineichen, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist gegenstandslos. 
 
5.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Abteilung 1 Luzern und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. November 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Rohrer