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«AZA» 
U 327/98 Hm 
 
 
II. Kammer 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiberin Keel 
 
 
Urteil vom 14. Januar 2000 
 
in Sachen 
B.________, 1943, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt K.________, 
 
gegen 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Beschwerdegegnerin, 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
 
 
A.- Der 1943 geborene B.________ arbeitete ab 4. November 1968 als Maschinenschlosser bei der Firma X.________ und war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 3. Juni 1990 erlitt er im damaligen Jugoslawien bei einem Autounfall eine Rippenfraktur 5 und 7 rechts lateral, eine Rückenprellung der oberen Brustwirbelsäule (BWS), eine Prellung der Handwurzel rechts und eine Bandläsion im PIP Dig IV rechts (Arztzeugnis von Dr. med. G.________ vom 20. Juni 1990). Seither ist er, abgesehen von einem Arbeitsversuch in der Werkzeugausgabe für drei Stunden täglich in den Monaten September und Oktober 1991, nicht mehr erwerbstätig. 
Wegen Anfang Juli 1990 auftretenden Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Schmerzen bei Bewegungen der Halswirbelsäule (HWS) war B.________ vom 7. bis 10. Juli 1990 in der Chirurgischen Klinik des Kantonsspitals Y.________ hospitalisiert. In der Untersuchung vom 30. August 1990 diagnostizierte Kreisarzt Dr. med. N.________, Chirurgie FMH, eine Läsion der HWS mit fraglicher Instabilität C4/C5 und Verdacht auf zeitweilige Funktionsverminderung der HWS sowie auf zeitweilige radiculäre Schmerzen im linken Arm und Status nach Handwurzelkontusion rechts. Nach weiteren (handchirurgischen und neurologischen) Untersuchungen hielt sich B.________ vom 7. November 1990 bis 11. Januar 1991 in der Rehabilitationsklinik E.________ auf, wo sich seine Beschwerden (Cervicalsyndrom, Bewegungseinschränkung im PIP IV rechts) besserten (Austrittsbericht vom 11. Januar 1991). Ein am 25. Januar 1991 in der Klinik H.________ durchgeführtes MRI ergab multisegmentale Spinalstenosen und multiple degenerierte Bandscheiben zwischen C3 und C6 sowie Foraminalstenosen C3 bis C5 beidseits. Wegen einer länger dauernden depressiven Reaktion begab sich B.________ am 7. Mai 1991 in psychiatrische Behandlung zu Dr. med. O.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH. In seinem Bericht vom 10. Juni 1991 hielt Dr. med. D.________ von der Neurologischen Abteilung der Klinik S.________ fest, dass der Versicherte bei Status nach indirektem HWS-Trauma unter einem massiven cervico-cephalen Syndrom sowie einem psychovegetativen Syndrom leide, wobei er, da die funktionelle Untersuchung der HWS bei massivster Abwehrspannung der Muskulatur nicht möglich gewesen sei, eine solche in Kurznarkose empfehle. Nach weiteren kreisärztlichen Untersuchungen (vom 13. Februar und 31. Juli 1991) erfolgte vom 19. bis 23. August 1991 im Kantonsspital Y.________ eine stationäre Abklärung, in deren Verlauf eine psychoreaktive Überlagerung des massiven cervico-cephalen Syndroms festgestellt wurde, während weder die Schmerzen noch die effektive HWS-Beweglichkeit objektiviert werden konnten, weil der Versicherte eine Untersuchung in Narkose ablehnte. Nach verschiedenen Aufenthalten in der Psychiatrischen Klinik I.________ in den Monaten November 1991 bis Januar 1992 war B.________ schliesslich vom 18. Mai bis 21. August 1992 in der Psychiatrischen Poliklinik des Kantonsspitals Y.________ hospitalisiert, in deren Bericht vom 27. August 1992 von einem schweren Somatisierungssyndrom vor dem Hintergrund einer erschwerten, vielfach neurotisch-traumatisierten Lebensentwicklung bei einer Persönlichkeit mit ängstlichen hypochondrischen, teils auch hysterischen Zügen die Rede ist. Anschliessend nahm B.________ die im Februar 1992 abgebrochene ambulante Psychotherapie bei Dr. med. O.________ wieder auf. 
Nach einer weiteren kreisärztlichen Untersuchung (vom 9. Oktober 1992) wurde der Versicherte am 18. August 1993 letztmals durch die Ärzte der SUVA, Dr. med. M.________, Spezialarzt FMH für Oto-rhino-laryngologie, Hals- und Gesichtschirurgie, und Dr. med. T.________, Spezialarzt FMH für Chirurgie, beurteilt. In seinem Bericht vom 30. September 1993 hielt Dr. med. T.________ als Diagnose fest: cervico-cephales Syndrom bei "St. n. wahrscheinlich indirektem HWS-Trauma (3.6.90)" bei "multisegmentaler Spinalstenose, Foraminalstenose C3-C6 beidseits und Bandscheibendegeneration C3-C6 [alle unfallfremd]", "St. n. Thoraxkontusion und Rippenfrakturen rechts (3.6.90)", "St. n. ulnarer Seitenbandläsion PIP IV rechts (3.6.90)", "St. n. Basisfraktur Metacarpale V rechts (15.8.91)", "funktionelle Herzbeschwerden mit Sinustachykardie bei vegetativer Dystonie" und ein "Somatisierungs-Syndrom bei ängstlich-hypochondrischer Persönlichkeit mit z.T. hysterischen Zügen". Gleichzeitig wies er darauf hin, dass eine Objektivierung der von B.________geklagten Schwindelbeschwerden in der neurootologischen Untersuchung nicht möglich gewesen sei (Bericht von Dr. med. M.________ vom 19. August 1993) und das Ausmass der Restbeschwerden im Sinne eines cervico-cephalen Syndroms nicht beurteilt werden könne, weil B.________ eine funktionelle Untersuchung der HWS in Narkose weiterhin ablehne. 
Mit Schreiben vom 10. November 1993 teilte die SUVA B.________ mit, dass die Heilkostenleistungen (mit Ausnahme lockerer hausärztlicher Kontrollen sowie der Abgabe von nicht-steroidalen Antirheumatica) sistiert und die Taggelder per 31. Dezember 1993 eingestellt würden (Arbeitsunfähigkeit: 100 % bis 30. November 1993, 50 % bis 31. Dezember 1993). Mit Verfügung vom 7. Februar 1994 sprach sie B.________ für die somatischen Unfallfolgen ab 1. Januar 1994 eine Invalidenrente von 50 % und eine Integritätsentschädigung von 10 % zu. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 15. Dezember 1995 fest. 
 
B.- Die von B.________ hiegegen erhobene Beschwerde mit dem sinngemässen Antrag auf Zusprechung einer Invalidenrente entsprechend einer 75%-igen Erwerbsunfähigkeit sowie einer Integritätsentschädigung von 50 % und auf Übernahme der Kosten der weiteren Heilbehandlung, insbesondere der Psychotherapie, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. Oktober 1998 ab. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt B.________ die Zusprechung einer Invalidenrente entsprechend einer 75%-igen Erwerbsunfähigkeit, die Übernahme der Kosten der Heilbehandlung, insbesondere der Psychotherapie, und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zwecks Ermittlung der Integritätseinbusse. 
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, lässt sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen. Die als Mitinteressierte zum Verfahren beigeladene PROVITA Gesundheitsversicherung beantragt, die SUVA sei zu verpflichten, die Kosten der Heilbehandlung, insbesondere der Psychotherapie, zu übernehmen, soweit diese auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Auf Grund der medizinischen Akten steht fest, dass sich beim Beschwerdeführer im Anschluss an den Unfall vom 3. Juni 1990 neben den mit einer Invalidenrente von 50 % und einer Integritätsentschädigung von 10 % abgegoltenen somatischen Unfallfolgen auch psychogene Störungen eingestellt haben. Streitig und zu prüfen ist vorliegend einzig, ob zwischen dem Unfall und den weiteren Beschwerden ein die Leistungspflicht des Unfallversicherers (Heilbehandlung, Rente, Integritätsentschädigung) begründender adäquater Kausalzusammenhang besteht. 
 
2.- Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers zunächst vorausgesetzten natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 122 V 416 Erw. 2a, 121 V 49 Erw. 3a; vgl. auch BGE 123 V 103 Erw. 3d, 139 Erw. 3c, 123 III 112 Erw. 3a) zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Hinweise auf die unfallbezogenen Kriterien, nach welchen sich praxisgemäss (BGE 115 V 138 Erw. 6) beurteilt, ob es sich bei einer psychischen Fehlentwicklung um eine adäquate Unfallfolge handelt, für welche der Unfallversicherer einzustehen hat. Darauf kann verwiesen werden. 
Zu ergänzen ist, dass nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung der Adäquanz von psychischen Unfallfolgeschäden zunächst abzuklären ist, ob der Versicherte beim Unfall ein Schleudertrauma der HWS, eine dem Schleudertrauma äquivalente Verletzung (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2) oder ein Schädel-Hirntrauma erlitten hat. Ist dies der Fall, sind bei Unfällen aus dem mittleren Bereich die in BGE 117 V 366 Erw. 6a und 382 Erw. 4b umschriebenen Kriterien anzuwenden. Andernfalls erfolgt die Adäquanzbeurteilung in den dem mittleren Bereich zuzuordnenden Fällen nach den Kriterien gemäss BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa (siehe zur Begründung der teilweise unterschiedlichen Kriterien: BGE 117 V 366 Erw. 6a, letzter Absatz). 
Ergeben die Abklärungen, dass der Versicherte ein Schleudertrauma der HWS, eine diesem äquivalente Verletzung oder ein Schädel-Hirntrauma erlitten hat, ist zusätzlich zu beurteilen, ob die zum typischen Beschwerdebild einer solchen Verletzung gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise vorliegen, im Vergleich zur psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten. Ist dies zu bejahen, sind für die Adäquanzbeurteilung bei Fällen aus dem mittleren Bereich die in BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa für Unfälle mit psychischen Folgeschäden festgelegten Kriterien (und nicht jene für Fälle mit Schleudertrauma der HWS, äquivalenter Verletzung oder Schädel-Hirntrauma gemäss BGE 117 V 366 Erw. 6a und 382 Erw. 4b) massgebend (BGE 123 V 99 Erw. 2a). 
 
3.- Vorliegend steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer beim Unfall vom 3. Juni 1990 ein (indirektes) Schleudertrauma der HWS erlitten hat. Ebenso ist auf Grund der medizinischen Akten erstellt, dass das in den ersten Monaten nach dem Unfall durch die Schleuderverletzung geprägte Beschwerdebild in der Folge in eine psychische Überlagerung umgeschlagen hat, welche schliesslich eindeutige Dominanz aufwies. Unter diesen Umständen ist die Adäquanz des Kausalzusammenhanges, wie das kantonale Gericht zutreffend erkannt hat, nicht anhand der Kriterien, wie sie für Schleudertraumen der HWS entwickelt wurden, sondern unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Fehlentwicklung zu prüfen (vgl. Erw. 2 hievor). 
 
4.- Die Vorinstanz hat den Unfall vom 3. Juni 1990 dem mittleren Bereich zugeordnet und dabei weder einen Grenzfall zu den leichten, noch einen solchen zu den schweren Unfällen angenommen, was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht nicht beanstandet wird. Zur Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs ist daher erforderlich, dass ein einzelnes der nach der Rechtsprechung massgebenden unfallbezogenen Kriterien in besonders ausgeprägter Weise erfüllt ist oder dass diese Kriterien in gehäufter Weise gegeben sind (BGE 115 V 141 Erw. 6c/bb). 
Der vom Beschwerdeführer erlittene Unfall war nicht von dramatischen Umständen begleitet. Angesichts des Unfallherganges - nach den Angaben des Beschwerdeführers rammte das von seinem Bruder mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h gesteuerte Auto ein von der Seite mit ca. 10 km/h kommendes Fahrzeug, dessen Lenker den Tod fand - ist ihm indessen eine gewisse Eindrücklichkeit nicht abzusprechen. Die erlittenen Verletzungen (im Wesentlichen Prellungen, Rippenfrakturen) waren nicht schwer und insbesondere nicht geeignet, eine psychische Fehlentwicklung auszulösen. Die ärztliche Behandlung der körperlichen Beschwerden war mit dem Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik E.________ vom 7. November 1990 bis 11. Januar 1991 im Wesentlichen abgeschlossen und dauerte damit nicht ungewöhnlich lange. Von einer ärztlichen Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert hätte, kann ebenso wenig gesprochen werden wie von einem schwierigen Heilungsverlauf mit erheblichen Komplikationen. Von einer gewissen Bedeutung sind sodann Grad und Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit, ist doch der Beschwerdeführer seit dem Unfall aus somatischen Gründen dauernd zu 50 % arbeitsunfähig. Nicht erfüllt ist demgegenüber das Kriterium der körperlichen Dauerschmerzen; denn das vom Versicherten geklagte cervico-cephale Syndrom konnte von den beteiligten Ärzten keiner somatischen Grundlage zugeordnet werden und ist als mit dem psychischen Beschwerdebild im Zusammenhang stehend zu interpretieren, weshalb es hier unberücksichtigt bleiben muss (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa). Eine gesamthafte Würdigung ergibt, dass dem Unfallereignis vom 3. Juni 1990 für die Entstehung der psychischen Gesundheitsschädigung und der damit verbundenen Beeinträchtigung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit keine massgebende Bedeutung zukommt. Die vorinstanzlich bestätigte Ablehnung des Leistungsanspruchs für die psychischen Beschwerden des Versicherten erweist sich somit als rechtens. 
 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche- 
rungsgericht des Kantons Zürich, dem Bundesamt für 
Sozialversicherung und der PROVITA Gesundheitsver- 
sicherung zugestellt. 
 
Luzern, 14. Januar 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
 
 
 
 
Die Gerichtsschreiberin: