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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_824/2021  
 
 
Urteil vom 18. August 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Huber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Marti, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungs- 
gerichts des Kantons Bern vom 17. November 2021 
(200 20 936 IV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1971 geborene A.________ meldete sich am 30. Juni 2016 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern holte das vom Krankentaggeldversicherer in Auftrag gegebene bidisziplinäre Gutachten vom 14. Februar 2017 ein. Gegen einen ersten leistungsablehnenden Vorbescheid erhob A.________ Einwand, woraufhin ihn die IV-Stelle durch die Aerztliches Begutachtungsinstitut GmbH (ABI) polydisziplinär begutachten liess (Expertise vom 6. November 2017). Gegen den neuen, ebenfalls eine Leistungsablehnung ankündigenden, Vorbescheid vom 13. Dezember 2017 erhob A.________ wiederum Einwand. Nach Beizug diverser medizinischer Unterlagen kündigte die IV-Stelle mit Vorbescheid vom 7. August 2019 erneut die Verneinung des Leistungsanspruchs an. Nach abermaligem Einwand des A.________ veranlasste die IV-Stelle eine neue polydisziplinäre Begutachtung durch die Neuroinstitut St. Gallen GmbH, IME - Interdisziplinäre Medizinische Expertisen (Expertise vom 2. Juli 2020), und teilte ihm mit weiterem Vorbescheid vom 23. Juli 2020 mit, dass sie das Leistungsbegehren abweisen werde. Nach erhobenem Einwand und eingeholten Stellungnahmen der IME-Gutachter vom 28. September und 6. Oktober 2020 verneinte die Verwaltung einen Rentenanspruch mit Verfügung vom 17. November 2020. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 17. November 2021 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und der Invaliditätsgrad sei auf mindestens 50 % festzusetzen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz, insbesondere zur vollständigen Abklärung des medizinischen Sachverhalts durch eine neutrale kompetente Fachperson, zurückzuweisen. 
 
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch. 
Erwägungen: 
 
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4). 
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz die von der IV-Stelle am 17. November 2020 verfügte Rentenablehnung zu Recht bestätigt hat. 
 
3.  
Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). 
 
Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1; 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar (BGE 148 V 174 E. 4.1). 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz stellte nach eingehender Würdigung der medizinischen Aktenlage fest, gestützt auf das beweiskräftige polydisziplinäre IME-Gutachten vom 2. Juli 2020 (inkl. Stellungnahmen vom 28. September und 6. Oktober 2020) sei der Beschwerdeführer sowohl in der angestammten als auch in einer adaptierten Tätigkeit vollschichtig arbeitsfähig mit einer Leistungsminderung von 20 %. In erwerblicher Hinsicht bestätigte das kantonale Gericht den von der IV-Stelle ermittelten rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 20 %.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, diverse medizinische Indizien, die am Ergebnis der polydisziplinären Expertise klare Zweifel hegen würden, habe die Vorinstanz nicht genügend gewürdigt. Es dränge sich eine abweichende Beurteilung und ein Invaliditätsgrad von mindestens 50 % auf.  
 
5.  
 
5.1. Im Nachgang zum polydisziplinären IME-Gutachten vom 2. Juli 2020 verfasste der behandelnde Arzt Dr. med. B.________, Wirbelsäulenchirurgie, am 10. September 2020 einen Bericht zu der von ihm am 1. September 2020 vorgenommenen Facettengelenksinfiltration. Er konstatierte, dass die Arthrose der unteren beiden Bewegungssegmente ein Schmerzgenerator sei, der auch in den letzten Jahren eine gewisse Rolle gespielt habe. Ob das jedoch das Hauptproblem des Beschwerdeführers sei, wage er eher zu bezweifeln. Nachdem sich bereits der orthopädische IME-Gutachter im Rahmen seiner Teilexpertise vom 16. Juni 2020 mit den vom Beschwerdeführer geklagten Einschränkungen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule befasst hatte, nahmen die IME-Experten zusätzlich noch Stellung zum genannten Bericht des Dr. med. B.________. Sie hielten am 6. Oktober 2020 fest, dass dessen Ausführungen nichts an ihrer Arbeitsfähigkeitsschätzung vom 2. Juli 2020 zu ändern vermöchten. Im Lichte des Gesagten ist es weder offensichtlich unrichtig noch sonstwie bundesrechtswidrig (vgl. E. 1 oben), wenn die Vorinstanz zum Schluss kam, der Bericht des Dr. med. B.________ vom 10. September 2020 enthalte kein Indiz, das im Rahmen der gutachterlichen Beurteilung nicht berücksichtigt oder gewürdigt worden wäre.  
 
5.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, die behandelnden Ärzte hätten eine Small-Fibre-Neuropathie diagnostiziert, wohingegen die IME-Gutachter von einer leichten Small-Fibre-Neuropathie ausgegangen seien. Dass dieser Umstand einen Widerspruch und damit Zweifel an der polydisziplinären Expertise begründen soll, wie der Beschwerdeführer geltend macht, ist nicht ersichtlich. Denn auch das Spital C.________ nahm am 16. Mai 2018 an, dass die Hautbiopsie lediglich eine leichte Verminderung der intraepidermalen Nervenfasern als Ausdruck einer möglichen Small-Fiber-Neuropathie gezeigt habe.  
 
5.3. Die Vorinstanz befasste sich im Weiteren bereits mit dem Bericht des Dr. med. D.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, vom 13. September 2020. Sie erkannte, dass der Hausarzt keine eigene medizinische Einschätzung verfasst habe, sondern allein die Auffassung des Beschwerdeführers wiedergebe. Dieser legt nicht dar, inwiefern diese Feststellung offensichtlich unrichtig sein soll. Auch vermag er mit der Rüge, die IME-Gutachter seien, obwohl sie die gleiche Diagnose wie Dr. med. D.________ gestellt hätten, zu einer anderen Arbeitsfähigkeitsschätzung als der Hausarzt gelangt, keine Widersprüchlichkeit und somit Zweifel an der IME-Expertise aufzuzeigen. Dazu ist festzuhalten, dass einerseits der Unterschied zwischen Behandlungs- und Begutachtungsauftrag zu beachten ist (vgl. BGE 124 I 170 E. 4). Anderseits kann die ärztliche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit, abhängig von der Gutachterperson und von den Umständen der Begutachtung, eine grosse Varianz aufweisen. Die ärztliche Beurteilung trägt von der Natur der Sache her unausweichlich Ermessenszüge (BGE 137 V 210 E. 3.4.2.3; Urteil 8C_174/2022 vom 8. Juli 2022 E. 4.3), die es zu respektieren gilt. Mit der Angabe eines Artikels in einer Zeitschrift und dem Einwand, der Gutachter geniesse demgemäss einen einseitigen Ruf, gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, nachvollziehbar darzulegen, dass das IME-Gutachten im vorliegenden Fall nicht lege artis zustande gekommen sein soll.  
 
5.4. Das kantonale Gericht beachtete insbesondere auch die Stellungnahmen des Spitals D.________ vom 4. September und 15. Dezember 2020 sowie den Bericht betreffend die arbeitsmarktliche Massnahme vom 22. September 2017. Dabei kam es zur Erkenntnis, diese Unterlagen vermöchten die Einschätzung der IME-Gutachter nicht in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, dieser Feststellung seine eigene abweichende Würdigung der Akten entgegenzustellen, was nicht genügt (vgl. E. 1).  
 
5.5. Auch die übrige Kritik des Beschwerdeführers ist nicht zielführend. Insbesondere genügt der blosse Verweis auf Vorbringen in anderen Rechtsschriften nicht. Die Rüge und ihre qualifizierte Begründung müssen in der Beschwerdeschrift selber enthalten sein (Urteil 8C_793/2021 vom 30. März 2022 E. 1.2 mit Hinweisen).  
 
6.  
Zusammenfassend sprach die Vorinstanz dem IME-Gutachten bundesrechtskonform Beweiswert (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a) zu. Darüber hinaus lassen die Einwendungen des Beschwerdeführers weder die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen als offensichtlich unrichtig, als Ergebnis willkürlicher Beweiswürdigung oder als rechtsfehlerhaft nach Art. 95 BGG erscheinen, noch deuten sie sonst wie auf eine Bundesrechtsverletzung hin. Weiterungen zur letztinstanzlich nicht bestrittenen Invaliditätsbemessung erübrigen sich. Bei diesem Ergebnis ist von einer Rückweisung an das kantonale Gericht zu weiteren Abklärungen (vgl. lit. C oben) abzusehen. Die Beschwerde ist unbegründet. 
 
7.  
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. August 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Huber