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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
4A_394/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 1. Dezember 2014  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Hohl, Niquille, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Krapf, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Ausschlagung einer Erbschaft, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 22. Mai 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (Kläger und Beschwerdeführer) machte am 10. April 2007 beim Bezirksgericht Zürich ein Verfahren hängig, in dem er von B.________ (Beklagter und Beschwerdegegner) im Wesentlichen Fr. 71'000.-- nebst Zins verlangte. Die Forderung umfasst zwei (bestrittene) Darlehensforderungen über Fr. 50'000.-- und Fr. 21'000.--, die der am 6. Dezember 2005 verstorbene Vater des Beklagten erhalten und quittiert haben soll und die dem Kläger vom Gläubiger am 8. November 2006 abgetreten wurden. Mit Verfügung vom 8. Januar 2007 hatte die Einzelrichterin in Erbschaftssachen des Bezirkes Zürich betreffend den Nachlass der Mutter des Beklagten dessen Ausschlagungserklärung und diejenige seines Bruders zu Protokoll genommen. Mit einer weiteren Verfügung gleichen Datums wurde die Ausschlagungsfrist bezüglich des Nachlasses des Vaters des Beklagten wiederhergestellt, die Ausschlagungserklärung des Beklagten vom 28. November 2006 und diejenige seines Bruders vom 4. Dezember 2006 zu Protokoll genommen und festgestellt, der Nachlass des Vaters sei durch alle nächsten gesetzlichen Erben und Erbeserben ausgeschlagen worden. Zwischen den Parteien ist unter anderem umstritten, ob der Beklagte die Erbschaft gültig ausgeschlagen hat. 
 
B.  
Am 19. Dezember 2011 hiess das Bezirksgericht die Klage im Umfang von Fr. 21'000.-- nebst Zins gut und wies die Klage im Mehrumfang ab. Es ging davon aus, der Beklagte habe sich in die Erbschaft seines Vaters eingemischt und somit das Recht zur Ausschlagung verwirkt. Gegen dieses Urteil erhoben beide Parteien Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich, das die Klage in Gutheissung der Berufung des Beklagten kostenfällig abwies. Es hielt fest, nach dem Tode des Erblassers am 6. Dezember 2005 hätten keine Hinweise auf mögliche Schulden des Erblassers bestanden. Die Einzelrichterin habe mit unangefochten gebliebener Verfügung vom 8. Januar 2007 die Ausschlagungsfrist wiederhergestellt und die Ausschlagungserklärung des Beklagten zu Protokoll genommen. Massgebend sei bei dieser Sachlage, ob sich der Beklagte in einem Zeitpunkt nach Kenntnisnahme der gegenüber dem Erblasser geltend gemachten Schulden und dem Zeitpunkt der Protokollierung in die Erbschaft eingemischt habe. Hierzu gebe es keine Hinweise und keine Behauptungen des Klägers. Was im Zeitraum seit dem Tode des Erblassers und der Wiederherstellung der Ausschlagungsfrist geschehen sei, sei ohne Belang. Aus diesem Grund verneinte das Obergericht die Passivlegitimation und wies die Klage ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Kläger dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an dieses zurückzuweisen. Sein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung für das Verfahren vor Bundesgericht hiess dieses mit Verfügung vom 20. Oktober 2014 gut. Der Beschwerdegegner hat sich nicht vernehmen lassen, während das Obergericht auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Vorinstanz ging davon aus, für die Frage, ob der Beschwerdegegner das Recht, die Erbschaft auszuschlagen, verwirkt habe, sei ohne Belang, was im Zeitraum seit dem Tode des Erblassers und der Wiederherstellung der Ausschlagungsfrist geschehen sei. Der Beschwerdeführer rügt diese Annahme als bundesrechtswidrig. Angesichts dieser Rüge erweist sich der blosse Rückweisungsantrag als hinreichend, da das Bundesgericht, sollte es die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers als begründet erachten, materiell nicht selbst entscheiden könnte, sondern die Sache an die Vorinstanz zur Sachverhaltsergänzung zurückweisen müsste (BGE 133 III 489 E. 3.1 mit Hinweisen). Es fehlen sowohl die Feststellungen zu den vor der Wiederherstellung der Ausschlagungsfrist erfolgten Handlungen des Beschwerdegegners, die nach Auffassung des Beschwerdeführers eine Einmischung in die Angelegenheiten der Erbschaft darstellen sollen, als auch Feststellungen zum bestrittenen Bestand der Forderungen. 
 
2.  
Die gesetzlichen und die eingesetzten Erben haben die Befugnis, die Erbschaft, die ihnen zugefallen ist, auszuschlagen (Art. 566 Abs. 1 ZGB). Nach Art. 570 ZGB ist die Ausschlagung bei der zuständigen Behörde mündlich oder schriftlich zu erklären (Abs. 1). Sie muss unbedingt und vorbehaltlos geschehen (Abs. 2), und die Behörde hat über die Ausschlagungen ein Protokoll zu führen (Abs. 3). Die Protokollierung schafft lediglich den Beweis für die Abgabe und den Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung und hat keinerlei Rechtskraftwirkung zwischen den Erben und den Gläubigern des Erblassers; diesen bleibt es unbenommen, gegen den ausschlagenden Erben vorzugehen indem sie auf dem ordentlichen Prozessweg die infolge Verwirkung ungültige Ausschlagung beseitigen (Urteil des Bundesgerichts 5A_44/2013 vom 25. April 2013 E. 3 mit Hinweisen, nicht publiziert in: BGE 139 III 225). 
 
2.1. Die Frist zur Ausschlagung beträgt drei Monate und beginnt für die gesetzlichen Erben grundsätzlich mit dem Zeitpunkte, da ihnen der Tod des Erblassers bekannt geworden ist (Art. 567 ZGB). Aus wichtigen Gründen kann ihnen die zuständige Behörde zur Ausschlagung der Erbschaft eine Fristverlängerung gewähren oder eine neue Frist ansetzen (Art. 576 ZGB). Hat ein Erbe die Ausschlagungsbefugnis durch Einmischung in die Angelegenheiten der Erbschaft verwirkt, ist eine Neuansetzung der Ausschlagungsfrist oder deren Verlängerung ausgeschlossen (BGE 114 II 220 E. 2 S. 222; vgl. auch BGE 104 II 249 E. 5 S. 254; TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, 2. Aufl. 1964, N. 6 zu Art. 576 ZGB; ESCHER/ESCHER, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1960, N. 3 zu Art. 576 ZGB; SCHWANDER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 4. Aufl. 2011, N. 3 zu Art. 576; PIOTET, Erbrecht, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. IV/2, 1981, S. 589 § 76 III.D; NICOLAS ROUILLER, in: Commentaire du droit des successions, Eigenmann/Rouiller [Hrsg.], 2012, N. 18 f. zu Art. 576 ZGB; MATTHIAS HÄUPTLI, in: Praxiskommentar Erbrecht, Abt/Weibel [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 3 zu Art. 576 ZGB). Es ist aber nicht an der Erstreckungsbehörde, rechtskräftig über die Frage der Einmischung zu entscheiden ( PIOTET, a.a.O., S. 589 § 76 III.D; ESCHER/ESCHER, a.a.O., N. 3 zu Art. 576 ZGB). Dem Gläubiger, der in das Fristverlängerungsverfahren in der Regel nicht einbezogen wird ( HÄUPTLI, a.a.O., N. 6 zu Art. 576; ROUILLER, a.a.O., N. 7 zu Art. 576 Fn. 14), bleibt es daher vorbehalten, trotz der Erstreckung oder der Restitution die Verwirkung nötigenfalls im Prozess geltend zu machen ( ESCHER/ESCHER, a.a.O., N. 3 zu Art. 576 ZGB).  
 
2.2. Vor diesem Hintergrund beanstandet der Beschwerdeführer den angefochtenen Entscheid zu Recht. Es ist sehr wohl von Belang, was im Zeitraum zwischen dem Tode des Erblassers und der Wiederherstellung der Ausschlagungsfrist beziehungsweise vor Kenntnisnahme der gegenüber dem Erblasser geltend gemachten Schulden durch den Beschwerdegegner geschehen ist. Hat sich der Beschwerdegegner in diesem Zeitraum in die Angelegenheiten der Erbschaft eingemischt, kann trotz der unangefochtenen Fristerstreckung keine gültige Ausschlagung erfolgen. Die Frage, ob sich der Beschwerdegegner darauf berufen könnte, eine allfällige konkludente Annahme nach Art. 571 Abs. 2 ZGB sei für ihn wegen eines wesentlichen Irrtums (hier die Unkenntnis der gegenüber dem Erblasser geltend gemachten Schulden) unverbindlich im Sinne von Art. 23 OR (vgl. BGE 104 II 249 E. 5 S. 254; SCHWANDER, a.a.O., N. 3 zu Art. 576; TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 6 zu Art. 576 ZGB; ESCHER/ESCHER, a.a.O., N. 3 zu Art. 576 ZGB; PIOTET, a.a.O., S. 589 § 76 III.D; ROUILLER, a.a.O., N. 26 ff.; HÄUPTLI, a.a.O., N. 3 zu Art. 576 ZGB), braucht nicht weiter behandelt zu werden. Es ist nicht festgestellt, dass der Beschwerdegegner geltend gemacht hätte, er habe Einmischungshandlungen nur aufgrund eines Willensmangels begangen (BGE 104 II 249 E. 5 S. 254). Auch die Frage, ob eine Anfechtung wegen Willensmängeln vor dem ordentlichen Gericht zu erfolgen hätte ( HÄUPTLI, a.a.O., N. 3 zu Art. 576 ZGB mit Hinweis) oder im Fristerstreckungsverfahren ( ROUILLER, a.a.O., N. 26 ff. zu Art. 576 ZGB) kann damit offen bleiben (vgl. auch ESCHER/ESCHER, a.a.O., N. 3 zu Art. 576 ZGB; PIOTET, a.a.O., S. 589 § 76 III.D). Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Frage der Einmischung umfassend beurteilen kann. Auf die Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe auch für den von der Vorinstanz als massgebend angenommenen Zeitraum eine Einmischung behauptet, braucht somit nicht näher eingegangen zu werden.  
 
2.3. Der Beschwerdeführer zeigt ferner durch Aktenhinweis auf, dass er die Rechtzeitigkeit des Gesuchs, eine neue Ausschlagungsfrist anzusetzen, im kantonalen Verfahren bestritten hat. Sollte die Vorinstanz die Ausschlagungsbefugnis nicht als zufolge Einmischung verwirkt betrachten, hat sie sich mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen oder darzutun, aus welchen Gründen sich ein Eingehen darauf erübrigt. Sonst kann ihr Entscheid insoweit nicht sachgerecht angefochten werden (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188; 133 III 439 E. 3.3 S. 445). Auch die diesbezügliche Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) ist begründet.  
 
3.  
Damit erweist sich die Beschwerde als begründet. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdegegner kosten- und entschädigungspflichtig. Damit kommt dem Gesuch um unentgeltliche Prozessführung nur bei Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung Bedeutung zu. In diesem Fall ist das Honorar des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers aus der Gerichtskasse auszurichten. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Der Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 4'500.-- zu entschädigen. Im Falle der Uneinbringlichkeit wird dieser Betrag Rechtsanwalt Dr. Markus Krapf aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. Dezember 2014 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Der Gerichtsschreiber: Luczak