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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_185/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 2. Juli 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,  
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Advokatin Monica Armesto, 
Spalenberg 20, 4051 Basel, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft 
vom 5. Dezember 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 28. Februar 2006 lehnte die IV-Stelle Basel-Landschaft das Gesuch des 1956 geborenen A.________, selbstständiger Taxifahrer von Beruf, um Zusprechung von Leistungen der Invalidenversicherung ab. Die vom Versicherten hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 1. Februar 2008 ab. 
Am 23. April 2010 meldete sich A.________ unter Hinweis auf Blasen-, Prostata- und Rückenbeschwerden erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle holte bei den Ärzten, die bereits am 14. Januar 2006 (Psychiater Dr. med. B.________) und am 5. Juni 2007 (Urologe Dr. med. C.________) Expertisen über den Versicherten erstattet hatten, Verlaufsgutachten ein. Dr. med. C.________ nahm am 8. November 2010 Stellung, Dr. med. B.________ verfasste seine psychiatrische Expertise am 16. Mai 2011. Gestützt auf die ärztlichen Angaben gelangte die IV-Stelle zum Schluss, dem Versicherten sei aus urologischer Sicht die Ausübung der bisherigen Tätigkeit als Taxifahrer nicht mehr zumutbar. Hingegen könnte er jede angepasste Arbeit mit kurzen Distanzen zu einer Toilette vollzeitig ausüben. In psychischer Hinsicht sei die Arbeitsfähigkeit in jeder Tätigkeit aufgrund einer Depression zur Hälfte eingeschränkt. Aus dem Einkommensvergleich resultiere indessen keine Erwerbseinbusse. Dementsprechend lehnte die IV-Stelle das Invalidenrentengesuch mit Verfügung vom 18. Oktober 2011 erneut ab. In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft die Sache mit Entscheid vom 8. März 2012 zu weiteren Abklärungen und neuer Entscheidung über den Rentenanspruch an die Verwaltung zurück. Gestützt auf eine Expertise des Instituts D.________, vom 11. Februar 2013 lehnte die IV-Stelle das Gesuch um Zusprechung einer Invalidenrente mit Verfügung vom 24. Juni 2013 wiederum ab. 
 
B.   
In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Kantonsgericht Basel-Landschaft die Verfügung der IV-Stelle vom 24. Juni 2013 auf und stellte fest, dass A.________ ab 1. November 2010 Anspruch auf eine halbe Invalidenrente habe (Entscheid vom 5. Dezember 2013). 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. Ferner ersucht sie um die Gewährung der aufschiebenden Wirkung, welchem Gesuch die Instruktionsrichterin mit Verfügung vom 27. Mai 2014 stattgegeben hat. 
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
In medizinischer Hinsicht steht aufgrund des vorinstanzlichen Entscheides fest und ist im Übrigen unbestritten, dass sich beim Beschwerdeführer entsprechend den Erkenntnissen der Gutachter des Instituts D.________ vom 11. Februar 2013 seit der ersten Rentenablehnung gemäss Einspracheentscheid der IV-Stelle vom 7. Mai 2007 eine Verschlechterung in den tatsächlichen Verhältnissen ergeben hat, weshalb die Verwaltung zu Recht auf die Neuanmeldung vom 23. April 2010 eingetreten ist (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV). In einer leidensangepassten Erwerbstätigkeit mit der Möglichkeit, jeweils innert kurzer Zeit eine Toilette aufzusuchen, ist der Versicherte hälftig arbeitsunfähig. Strittig und zu prüfen sind die erwerblichen Auswirkungen dieser Beeinträchtigung. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, wie der für die Invaliditätsbemessung erforderliche Einkommensvergleich durchzuführen ist. 
 
2.1. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode bei erwerbstätigen Versicherten (Art. 16 ATSG) sowie nach dem ausserordentlichen Bemessungsverfahren bei Selbstständigerwerbenden (vgl. Art. 5 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 ATSG; BGE 128 V 29 E. 1 S. 30 f.) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. Das Kantonsgericht hält fest, dass bezüglich des hypothetischen Einkommens ohne Invalidität (Valideneinkommen) keine rechtskräftig festgelegten Zahlen vorlägen. Die im Entscheid vom 1. Februar 2008 herangezogenen Beträge seien nicht als verbindliche Festsetzung des Valideneinkommens zu verstehen. Die Angaben im Gutachten des Instituts D.________ vom 11. Februar 2013 zeigten, dass der Beschwerdeführer seit über 20 Jahren an Miktionsproblemen leidet. Die seit Jahren bestehenden urologischen Beschwerden hätten die Lebensqualität im Laufe der Zeit zunehmend beeinträchtigt. Damit bestätige sich in aller Deutlichkeit, dass das im Entscheid vom 1. Februar 2008 zugrunde gelegte Valideneinkommen als selbstständiger Taxifahrer auf der Basis der Geschäftsabschlüsse der Jahre 1999 bis 2002 in der Höhe von Fr. 21'757.- nicht dem hypothetischen Valideneinkommen entsprochen hat. Diese Betrachtungsweise decke sich mit den medizinischen Akten, welche den Schluss nahelegten, dass der Versicherte bereits in der Zeit ab 1999 aus gesundheitlichen Gründen in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt war und sich dieser Umstand schon damals leistungsmindernd ausgewirkt hat. Ferner ermöglichten die von der Verwaltung herangezogenen Geschäftsabschlüsse der Jahre 1999 bis 2002 keine zuverlässige Ermittlung des mutmasslichen Valideneinkommens. Das festgelegte Valideneinkommen in Höhe von Fr. 21'757.- korrespondiere nicht mit dem Durchschnitt der Einträge im individuellen Konto von 1999 bis 2002 im Betrag von Fr. 20'341.-. Eine auch nur annährend nachvollziehbare Festlegung der massgebenden Vergleichseinkommen sei auch laut Abklärungsbericht der IV-Stelle vom 11. Juli 2011 ausgeschlossen. Einem Einkommensvergleich sei die Grundlage entzogen; es sei auf eine Schätzung auszuweichen, die auf dem Betätigungsvergleich basiere. Dieser wiederum lehne sich an die ärztlicherseits attestierte Arbeitsunfähigkeit von 50 % an. Damit resultiere gestützt auf das Gutachten des Instituts D.________ vom 11. Februar 2013 und nach Ablauf der gesetzlichen Wartezeit ab November 2010 bei einem Invaliditätsgrad von 50 % ein Anspruch auf eine halbe Invalidenrente.  
 
2.3. Die IV-Stelle rügt zur Hauptsache, die Vorinstanz habe den Grundsatz der res iudicata verletzt. Der Entscheid des Kantonsgerichts vom 1. Februar 2008 beziffere das hypothetische Valideneinkommen auf Fr. 21'757.- und das Invalideneinkommen aufgrund der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik auf Fr. 56'743.-; daraus habe sich kein Invaliditätsgrad ergeben. Dieser Entscheid habe auch das Valideneinkommen betroffen und sei in Rechtskraft erwachsen. Auch bei negativen Entscheiden nähmen die Erwägungen an der Rechtskraft teil. Leistungsbemessungsfaktoren, die einen abgeschlossenen Sachverhalt betreffen, wären nur dann einer Überprüfung zugänglich, wenn es sich um einen neuen Versicherungsfall handelte, so bei der Ablösung der bisherigen Rente durch eine neue Hauptrente oder wenn zum ursprünglichen Gesundheitsschaden eine davon völlig verschiedene Gesundheitsstörung hinzugetreten wäre. Die IV-Stelle beruft sich für ihren Standpunkt auf BGE 136 V 369. Eventualiter, für den Fall, dass dieser Begründung nicht gefolgt werde, rügt die IV-Stelle eine Verletzung von Art. 28 Abs. 2 IVG sowie Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG. Das Valideneinkommen könne zuverlässig geschätzt werden, weshalb die ordentliche Einkommensvergleichsmethode anzuwenden sei. Massgebend sei der Betrag, den die IV-Stelle im Abklärungsbericht vom 3. Juni 2005 gestützt auf die Geschäftsabschlüsse für 1999 bis 2002 angenommen habe.  
 
3.  
 
3.1. BGE 136 V 369 E. 3 S. 373 bezieht sich auf die Rechtskraft von Entscheiden über Dauerleistungen und stellt fest, diese erstrecke sich auch auf die Voraussetzungen der Leistungsberechtigung, welche zeitlich abgeschlossene Sachverhalte betreffen. Im beurteilten Fall ging es um die Erfüllung der versicherungsmässigen Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 2 IVG, eine Voraussetzung der Leistungsberechtigung, welche einen abgeschlossenen Sachverhalt betraf und worüber rechtskräftig entschieden worden war. Darauf konnte die Vorinstanz nicht mehr zurückkommen. In BGE 136 V 369 findet sich hingegen keine Aussage des Inhalts, dass im Falle einer Revision (Art. 17 ATSG) oder Neuanmeldung nach vorangegangener Rentenverweigerung (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV) die früheren Rentenberechnungselemente wie Arbeitsunfähigkeitsgrad oder hypothetische Validen- und Invalideneinkommen zufolge Rechtskraft nicht mehr überprüft werden könnten. Wie der Beschwerdegegner zutreffend bemerkt, wäre eine Revision nach Art. 17 ATSG ausgeschlossen, wenn einmal der Umfang des Leistungsanspruchs gerichtlich bestimmt wurde. Die neue Überprüfung des Valideneinkommens im vorinstanzlichen Entscheid verletzt somit kein Bundesrecht.  
 
3.2. Mit Bezug auf die Invaliditätsbemessung erklärte die Vorinstanz grundsätzlich das ausserordentliche Bemessungsverfahren gemäss BGE 128 V 29 mit Betätigungsvergleich und anschliessender Gewichtung im Hinblick auf die erwerblichen Auswirkungen der dabei festgestellten leidensbedingten Behinderung als anwendbar, weil sich das hypothetische Valideneinkommen angesichts der schon früher beim Versicherten ausgewiesenen Behinderung nicht hinreichend zuverlässig ermitteln lasse. Dass das Kantonsgericht dabei die vom Institut D.________ attestierte Arbeitsunfähigkeit von 50 % sowohl als Taxifahrer als auch in einer anderen Tätigkeit zugrunde legte und in Anlehnung an den Prozentvergleich (BGE 114 V 310 E. 3a S. 312 f., 107 V 17 E. 2c S. 22, 104 V 135 E. 2a und b S. 137) den Invaliditätsgrad entsprechend auf ebenfalls 50 % schätzte, ist entgegen den Einwendungen der IV-Stelle bundesrechtskonform. Von einem bundesrechtswidrigen oder einem Treu und Glauben verletzenden Entscheid kann nicht die Rede sein, weil das Kantonsgericht gestützt auf Art. 87 Abs. 3 und 2 IVV analog zu einer Rentenrevision nach Art. 17 ATSG die für die Rentenberechnung massgebenden Elemente, worunter auch das Valideneinkommen, im Hinblick auf eine Verschlechterung frei prüfen konnte.  
 
4.   
Mit dem Entscheid in der Hauptsache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Überdies hat diese dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 2. Juli 2014 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer