Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_230/2022  
 
 
Urteil vom 25. Oktober 2023  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiberin Meier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Fäh, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell I.Rh., Unteres Ziel 20, 9050 Appenzell, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrfache Begünstigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh., Abteilung Zivil- und Strafgericht, 
vom 1. Juni 2021 (K 5-2020). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 17. September 2010 verunfallte der 17-jährige Mechatroniker-Lehrling B.________ in seinem Lehrbetrieb, der C.________ AG, beim Beladen eines Warenaufzugs des Fabrikats F.________ tödlich. Am selben Tag eröffnete A.________ als Staatsanwalt und Verfahrensleiter eine Untersuchung. In der Folge führte er ein Strafverfahren gegen D.________ (Geschäftsführer und VR-Präsident der C.________ AG), E.________ (Werkstattchef, Sicherheitsbeauftragter und Lehrmeister von B.________) und G.________ (Verantwortlicher der Herstellerfirma des Warenaufzugs) wegen fahrlässiger Tötung (nachfolgend: Basisverfahren). Am 3. Juli 2017 überwies A.________ die Basisverfahren gegen D.________ und E.________ an das Bezirksgericht Appenzell I.Rh., je nach Einsprache gegen den Strafbefehl vom 1. April 2017. Gegen G.________ erhob A.________ am 6. Juli 2017 Anklage. Letztlich verjährten alle drei Basisverfahren, weshalb das Bezirksgericht Appenzell I.Rh. mit Beschluss vom 10. Oktober 2017 die drei Strafverfahren einstellte.  
 
A.b. Am 7. November 2019 erhob der ausserordentliche Staatsanwalt Anklage gegen A.________ wegen mehrfacher Begünstigung im Sinne von Art. 305 Abs. 1 StGB. Ihm wird vorgeworfen, mehrfach über mehrere Monate untätig gewesen zu sein und die Basisverfahren nicht rechtzeitig abgeschlossen zu haben.  
 
B.  
Das Bezirksgericht Appenzell I.Rh. sprach A.________ mit Urteil vom 11. August 2020 vom Vorwurf der mehrfachen Begünstigung im Sinne von Art. 305 Abs. 1 StGB frei. Gegen dieses Urteil erhob die Staatsanwaltschaft Berufung. 
 
C.  
Mit Urteil vom 1. Juni 2021 hiess das Kantonsgericht des Kantons Appenzell I.Rh. die Berufung gut. Es verurteilte A.________ wegen mehrfacher Begünstigung im Sinne von Art. 305 Abs. 1 StGB und bestrafte ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren. 
 
D.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Appenzell I.Rh. vom 1. Juni 2021 sei aufzuheben. Er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. 
Der ausserordentliche Staatsanwalt beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Kantonsgericht des Kantons Appenzell I.Rh. liess sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. In der Beschwerdebegründung ist gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG in gedrängter Form unter Bezugnahme auf den angefochtenen Entscheid darzulegen, inwiefern dieser Recht verletzt. Um diesem Erfordernis zu genügen, muss die beschwerdeführende Partei mit ihrer Kritik bei den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 146 IV 297 E. 1.2; 140 III 115 E. 2, 86 E. 2 mit Hinweisen).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer vermag keine Willkür in der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung darzutun (vgl. oben E. 1.1); diese ist für das Bundesgericht verbindlich (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG). Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt, den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz seine eigene Sicht der Dinge gegenüberzustellen, ohne dabei darzulegen, inwiefern der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt auch im Ergebnis geradezu willkürlich sein soll, verfällt er in unzulässige appellatorische Kritik. Auf diese Vorbringen ist mangels rechtsgenüglicher Begründung nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; 144 V 50 E. 4.2; je mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK, Art. 14 Abs. 3 lit. g IPBPR, Art. 31 Abs. 2 BV, Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 113 Abs. 1, Art. 140, Art. 158 Abs. 1 lit. b, Art. 262 Abs. 2 sowie Art. 265 Abs. 2 lit. a StPO. Die Vorinstanz lasse die Organisationsanalyse der Staatsanwaltschaft Appenzell-Innerrhoden und Abklärung der Verfahrensabwicklung eines verjährten Falles von H.________ als Belastungsbeweis zu und leite belastende Tatsachen aus diesem ab. In dem von H.________ geführten Verfahren habe der "nemo-tenetur"-Grundsatz nicht gegolten, weshalb die Aussagen des Beschwerdeführers nicht zu dessen Ungunsten in die Beweiswürdigung des vorliegenden Verfahrens einfliessen dürften.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Nach dem in Art. 14 Ziff. 3 lit. g IPBPR verankerten und aus Art. 32 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleiteten Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare" ist im Strafverfahren niemand gehalten, zu seiner Belastung beizutragen, und ist die beschuldigte Person aufgrund ihres Aussageverweigerungsrechts berechtigt zu schweigen, ohne dass ihr daraus Nachteile erwachsen dürfen (vgl. Art. 113 Abs. 1 und Art. 158 Abs. 1 lit. b StPO; BGE 142 IV 207 E. 8.3; 138 IV 47 E. 2.6.1; je mit weiteren Hinweisen).  
 
2.2.2. Gemäss Art. 139 Abs. 1 StPO setzen die Strafbehörden zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind. Zwangsmittel, Gewaltanwendung, Drohungen, Versprechungen, Täuschungen und Mittel, welche die Denkfähigkeit oder die Willensfreiheit einer Person beeinträchtigen können, sind bei der Beweiserhebung untersagt (Art. 140 Abs. 1 StPO). Solche Methoden sind auch dann unzulässig, wenn die betroffene Person ihrer Anwendung zustimmt (Art. 140 Abs. 2 StPO). Beweise, die in Verletzung von Art. 140 StPO erhoben wurden, sind in keinem Falle verwertbar. Dasselbe gilt, wenn die Strafprozessordnung einen Beweis als unverwertbar bezeichnet (Art. 141 Abs. 1 StPO).  
 
2.3. Die Vorinstanz erachtet die Natur des Berichts von H.________ als nicht relevant und lässt diese offen. Sie erwägt, der Beschwerdeführer berufe sich auf diesen Bericht, weshalb es auch zulässig sein müsse, dass das Gericht unter Beachtung der allgemeinen Beweiswürdigungsregeln punktuell darauf abstütze.  
 
2.4. Die Argumentation des Beschwerdeführers verfängt nicht. Es wird weder vorgebracht noch ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Organisationsanalyse der Staatsanwaltschaft Appenzell-Innerrhoden und Abklärung der Verfahrensabwicklung eines verjährten Falles von H.________ einer Mitwirkungspflicht unterlag. Ebenso wenig wird geltend gemacht oder ist erkennbar, dass die Mitwirkung des Beschwerdeführers aufgrund einer in Art. 140 Abs. 1 StPO verbotenen Beweiserhebungsmethode erfolgte oder ihm für den Fall des Nichtmitwirkens Strafen drohten. Folglich unterliegt der Bericht von H.________ keinem Beweisverwertungsverbot und ist dessen Verwertbarkeit nicht eingeschränkt.  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Schuldspruch der mehrfachen Begünstigung. Der objektive Tatbestand sei nicht erfüllt. Das Bezirksgericht in den Basisverfahren habe die Kausalkette unterbrochen. Zudem könne eine gute Arbeitsplanung kaum der Massstab für (nicht) strafrechtlich relevantes Begünstigungsverhalten darstellen. Weiter fehle es am subjektiven Tatbestand. Indem sich die Vorinstanz nicht mit seinen Argumenten auseinandersetze, verletze sie überdies seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.  
 
3.2. Die Vorinstanz erachtet sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand der Begünstigung im Sinne von Art. 305 Abs. 1 StGB als mehrfach erfüllt. Der Beschwerdeführer sei leitender Staatsanwalt sowie Verfahrensleiter gewesen und habe die Pflicht zum Handeln gehabt, die Strafverfahren innert nützlicher Frist zum Abschluss zu bringen und die Verjährung abzuwenden. Die Vorinstanz qualifiziert das gerügte Verhalten als Unterlassen und sieht die dafür notwendige Tatmacht beim Beschwerdeführer als gegeben. Die Unterlassungen des Beschwerdeführers bei der Verfahrensführung seien kausal für den Erfolgseintritt gewesen. Aufgrund der schleppenden Verfahrensführung sei die immer grösser werdende Gefahr der Verjährung mit fortschreitender Verfahrensdauer offensichtlich gewesen. Der Beschwerdeführer habe nachweislich um diese reelle Gefahr gewusst. Als er auch im Jahre 2016, nach den ein Jahr zuvor erfolgten deutlichen Appellen, die Verfahren nicht abgeschlossen habe, habe er nicht mehr (pflichtwidrig unvorsichtig) darauf vertrauen dürfen, dass die Verjährung nicht eintrete. Die Vorinstanz schliesst aufgrund der konkreten Umstände vom Wissen des Beschwerdeführers auf seinen Willen und legt sein Nichthandeln als Inkaufnahme des Verjährungseintrittes und nicht mehr als blosse Fahrlässigkeit aus. Dem Beschwerdeführer sei es nach objektiven und subjektiven Gesichtspunkten möglich gewesen, das Verfahren rechtzeitig abzuschliessen.  
 
3.3.  
 
3.3.1. Nach Art. 305 Abs. 1 StGB wird wegen Begünstigung bestraft, wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer der in den Artikeln 59- 61, 63 und 64 StGB vorgesehenen Massnahmen entzieht.  
Die Begünstigung dient dem Schutz der ungehinderten Strafrechtspflege (BGE 141 IV 459 E. 4.2; Urteile 6B_928/2017 vom 20. Dezember 2017 E. 2.1.2; 6B_444/2014 vom 7. Januar 2015 E. 2.3; je mit Hinweisen). Die Tathandlung des Entziehens setzt voraus, dass der Täter eine Amtshandlung im Strafverfahren mindestens für eine gewisse Zeit verhindert hat. Eine blosse Beistandshandlung, welche die Strafverfolgung nur vorübergehend oder geringfügig behindert bzw. stört, genügt jedoch nicht (vgl. BGE 141 IV 459 E. 4.2; 129 IV 138 E. 2.1; je mit Hinweisen). Es muss mindestens die Erschwerung der Ermittlung oder Verfolgung tatsächlich erfolgt sein (Urteil 6B_928/2017 vom 20. Dezember 2017 E. 2.1.2 mit Hinweisen). Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz, wobei Eventualvorsatz genügt (vgl. Art. 305 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 und 2 StGB). Verlangt ist, dass der Täter sich des bevorstehenden oder laufenden Verfahrens bzw. Vollzugs bewusst ist und dass er den Willen hat, den Begünstigten zu unterstützen (Urteil 6B_928/2017 vom 20. Dezember 2017 E. 2.1.2 mit Hinweis). 
 
3.3.2. Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden (Art. 11 Abs. 1 StGB). Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtsstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund des Gesetzes (Art. 11 Abs. 2 lit. a StGB). Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte (Art. 11 Abs. 3 StGB). Ein sog. unechtes Unterlassungsdelikt im Sinne von Art. 11 StGB liegt vor, wenn im Gesetz wenigstens die Herbeiführung des Erfolgs durch Tun ausdrücklich mit Strafe bedroht wird, der Beschuldigte durch sein Tun den Erfolg tatsächlich hätte abwenden können und infolge seiner Garantenstellung dazu auch verpflichtet war, so dass die Unterlassung der Erfolgsherbeiführung durch aktives Tun als gleichwertig erscheint (BGE 141 IV 249 E. 1.1 mit Hinweisen). Die Abgrenzung zwischen Handlung und Unterlassung im strafrechtlichen Sinne ist im Zweifel nach dem Subsidiaritätsprinzip vorzunehmen. Demnach ist immer zunächst zu prüfen, ob ein aktives Tun vorliegt, das tatbestandsmässig, rechtswidrig und schuldhaft ist. Dabei sind nur solche Handlungen zu berücksichtigen, welche das Risiko, das in den tatbestandsmässigen Erfolg umschlug, herbeiführten oder steigerten, mithin nicht auch solche Handlungen, welche dieses Risiko bloss nicht verhindert haben. Mangelnde Sorgfalt ist ein Tatbestandsmerkmal der Fahrlässigkeit und nicht ein Unterlassen im Sinne des unechten Unterlassungsdelikts (Urteile 6B_47/2021 vom 22. März 2023 E. 4.3; 6B_1332/2016 vom 27. Juli 2017 E. 5.3; je mit Hinweisen).  
Der Tatbestand der Begünstigung kann durch Unterlassen erfüllt werden, wenn der Begünstigende eine Garantenpflicht hat. Dafür genügt nicht jede, sondern nur eine qualifizierte Rechtspflicht (BGE 148 IV 39 E. 2.3.2; 141 IV 459 E. 4.2; 120 IV 98 E. 2c; je mit Hinweisen). Eine Garantenpflicht hat etwa derjenige, welcher kraft seiner besonderen Rechtsstellung ein bestimmtes Gut vor den ihm drohenden Gefahren schützen muss oder der zuvor durch sein Tun die Gefahr geschaffen hat (BGE 120 IV 98 E. 2c mit Hinweisen). So kann den Tatbestand der Begünstigung durch Unterlassen etwa der Jagdaufseher erfüllen, der ein ihm zur Kenntnis gelangtes Jagdvergehen pflichtwidrig nicht anzeigt (vgl. BGE 74 IV 164), oder der Chef der Kriminalpolizei, der pflichtwidrig dafür sorgt, dass eine Anzeige wegen Diebstahls bzw. Betrugs nicht weitergeleitet wird (vgl. BGE 109 IV 46). Diese Personen haben kraft ihrer Funktion an der Strafverfolgung mitzuwirken (BGE 141 IV 459 E. 4.2; 120 IV 98 E. 2c; je mit Hinweisen). 
 
3.3.3. Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht (Art. 12 Abs. 1 StGB). Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 2 StGB). Nach ständiger Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter mit der Tatbestandsverwirklichung rechnet, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt und sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1; 137 IV 1 E. 4.2.3; 133 IV 222 E. 5.3; je mit Hinweisen).  
Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann im Einzelfall schwierig sein. Sowohl der eventualvorsätzlich als auch der bewusst fahrlässig handelnde Täter wissen um die Möglichkeit des Erfolgseintritts bzw. um das Risiko der Tatbestandsverwirklichung. Hinsichtlich der Wissensseite stimmen somit beide Erscheinungsformen des subjektiven Tatbestands überein. Unterschiede bestehen jedoch beim Willensmoment. Der bewusst fahrlässig handelnde Täter vertraut (aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit) darauf, dass der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten, das Risiko der Tatbestandserfüllung sich mithin nicht verwirklichen werde. Demgegenüber nimmt der eventualvorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des als möglich erkannten Erfolgs ernst, rechnet mit ihm und findet sich mit ihm ab. Wer den Erfolg dergestalt in Kauf nimmt, "will" ihn im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB. Nicht erforderlich ist, dass er den Erfolg "billigt". Ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung in diesem Sinne in Kauf genommen hat, muss der Richter - bei Fehlen eines Geständnisses des Beschuldigten - aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu gehören die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, die Beweggründe des Täters und die Art der Tathandlung. Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen. Der Richter darf vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem Täter der Eintritt des Erfolgs als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1; 133 IV 9 E. 4.1; je mit Hinweisen). 
Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft eine innere Tatsache und ist damit Tatfrage. Als solche prüft sie das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 141 IV 369 E. 6.3). Rechtsfrage ist hingegen, ob gestützt auf die festgestellten Tatsachen Fahrlässigkeit, Eventualvorsatz oder direkter Vorsatz gegeben ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 mit Hinweisen). Das Bundesgericht überprüft die richtige Bewertung der tatsächlichen Umstände im Hinblick auf den Rechtsbegriff des Eventualvorsatzes nach ständiger Praxis mit einer gewissen Zurückhaltung (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1 mit Hinweisen). 
 
3.3.4. Zur Garantie eines gerechten Verfahrens nach Art. 29 Abs. 1 BV gehören der ausdrückliche Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist und das Verbot der Rechtsverzögerung (vgl. auch Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Sie gelten in allgemeiner Weise für sämtliche Sachbereiche und alle Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsbehörden. Art. 5 StPO konkretisiert das Beschleunigungsgebot für den Bereich des Strafrechts; danach nehmen die Strafbehörden die Strafverfahren unverzüglich an die Hand und bringen sie ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss (Abs. 1).  
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird der Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist missachtet, wenn die Sache über Gebühr verschleppt wird. Die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer entzieht sich starren Regeln. Es ist in jedem Einzelfall zu prü fen, ob sich die Dauer unter den konkreten Umständen als angemessen erweist (vgl. auch Urteile des EGMR Sergey Timofeyev gegen Russland vom 2. September 2010, Nr. 12111/04, § 87; Uhl gegen Deutschland vom 10. Februar 2005, Nr. 64387/01, § 27; Gast und Popp gegen Deutschland vom 25. Februar 2000, Nr. 29357/95, § 70; je mit Hinweisen), in der Regel in einer Gesamtbetrachtung (vgl. auch Urteil des EGMR Uhl gegen Deutschland, a.a.O., § 33 mit Hinweisen). Der Streitgegenstand und die damit verbundene Interessenlage können raschere Entscheide erfordern oder längere Behandlungsperioden erlauben. Zu berücksichtigen sind der Umfang und die Komplexität der aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen, das Verhalten der beschuldigten Person und dasjenige der Behörden (z.B. unnötige Massnahmen oder Liegenlassen des Falls) sowie die Zumutbarkeit für die beschuldigte Person (BGE 143 IV 373 E. 1.3.1; Urteil 1B_184/2021 vom 10. November 2021 E. 2.1; je mit Hinweisen).  
Eine Rechtsverzögerung kann insbesondere vorliegen, wenn die Behörde im Verfahren über mehrere Monate hinweg untätig gewesen ist, mithin das Verfahren respektive der Verfahrensabschnitt innert wesentlich kürzerer Zeit hätte abgeschlossen werden können. Dass das Verfahren zwischen gewissen Prozessabschnitten zeitweise ruht oder dass einzelne Verfahrenshandlungen auch früher hätten erfolgen können, begründet für sich alleine hingegen noch keine Bundesrechtswidrigkeit (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3 mit Hinweisen). Im Rahmen der gesetzlichen Regelung muss den Strafbehörden bei der zeitlichen Priorisierung und Verfahrensbeschleunigung sodann ein erheblicher Ermessensspielraum zustehen (Urteile 1B_118/2022 vom 17. Juni 2022 E. 2.3; 1B_527/2021 vom 16. Dezember 2021 E. 3.1; 1B_66/2020 vom 2. Dezember 2020 E. 3.1; je mit Hinweisen). Ob im Einzelfall eine Verfahrensverzögerung bzw. eine formelle Rechtsverweigerung vorliegt, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (BGE 135 I 6 E. 2.1; Urteil 1B_184/2021 vom 10. November 2021 E. 2.1; je mit Hinweisen). 
 
3.3.5. Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen, so tritt die Verjährung nicht mehr ein (Art. 97 Abs. 3 StGB; so auch bereits in der Fassung vor dem 1. Januar 2014). Der Lauf der Verjährung endet mit der Fällung und nicht erst mit der Eröffnung des erstinstanzlichen Urteils (BGE 142 IV 276 E. 5.2; Urteil 6B_1386/2019 vom 19. August 2020 E. 7; je mit Hinweisen).  
 
3.3.6. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. Art. 29 Abs. 2 BV) verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (BGE 146 II 335 E. 5.1; 143 III 65 E. 5.2 mit Hinweisen). Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 143 III 65 E. 5.2 mit Hinweisen).  
 
3.4.  
 
3.4.1. Das Vorbringen der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unberechtigt. Inwiefern die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen sei soll, legt der Beschwerdeführer weder dar noch ist dies ersichtlich, zumal er sich über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache weiterziehen konnte (vgl. oben E. 3.3.6).  
 
3.4.2. Fest steht, der Beschwerdeführer war leitender Staatsanwalt im Kanton Appenzell I.Rh. sowie Verfahrensleiter in den Basisverfahren. Der die Verjährungsfrist auslösende Vorfall ereignete sich am 17. September 2010 (vgl. Art. 98 StGB in der bis 30. November 2010 geltenden Fassung). Der Beschwerdeführer hatte im Rahmen seiner Funktion vom ersten Tag an davon Kenntnis und eröffnete gleichentags eine Strafuntersuchung (die Basisverfahren). Die Basisverfahren wurden am 3. bzw. 6. Juli 2017, mithin rund zweieinhalb Monate vor dem Verjährungseintritt (vgl. Art. 117 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB in der bis 30. November 2010 geltenden Fassung), beim Bezirksgericht rechtshängig (vgl. Art. 328 Abs. 1 StPO). Sie dauerten bis zur Einstellung (zufolge Verjährung) mit Beschluss vom 10. Oktober 2017.  
 
3.4.3. Ob der objektive Tatbestand erfüllt ist, kann mit Blick auf den subjektiven Tatbestand offenbleiben:  
Erstellt ist, dass der Beschwerdeführer um die Gefahr der Verjährung wusste und diese mit fortschreitender Verfahrensdauer immer grösser wurde. Das Wissen darum, dass die Verjährung erst mit dem Ergehen eines erstinstanzlichen Urteils nicht mehr eintritt (vgl. Art. 97 Abs. 3 StGB; so bereits in der Fassung vor dem 1. Januar 2014), ist dem Beschwerdeführer aufgrund seiner juristischen Kenntnis (langjährige Erfahrung als Staats- und Rechtsanwalt, insbesondere als Strafverteidiger) anzurechnen. Zudem geht dieses Wissen aus seinem Schreiben vom 22. September 2015 an den Rechtsvertreter der Opferfamilie unter Bezugnahme auf Art. 97 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 97 Abs. 3 StGB (in der Fassung vor dem 1. Januar 2014) und sinngemäss aus seinem Schreiben vom 3. Juli 2017 an das Bezirksgericht in den Basisverfahren hervor. Jedoch ist - selbst wenn dem Beschwerdeführer eine zurechenbare Pflichtverletzung vorzuwerfen wäre - ins Feld zu führen, dass er über die Pendenzen Rechenschaft ablegte und die Falllast sehr hoch war. Per 31. August 2016 verzeichnete die Staatsanwaltschaft 192 pendente Fälle, darunter solche, die bis ins Jahr 2005 zurückreichten. Ausserdem wurde der Beschwerdeführer zu einer deutlichen Pendenzenreduktion (auf unter 100 Fälle) bis Ende 2016 angehalten. Seine gesetzten Prioritäten können ihm im Rahmen des Tatbestands der Begünstigung nicht (undifferenziert) vorgeworfen werden. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer die Anstellung eines ausserordentlichen Staatsanwaltes vorschlug. Sodann konzentrierte er sich gemäss dem Bericht H.________ ab Januar 2017 auf die Basisverfahren. Er versuchte in zwei Basisverfahren zumindest, diese mittels Strafbefehl am 1. April 2017 abzuschliessen. Durch seine Vorkehrungen manifestierte er ein ernsthaftes Vertrauen, die Verfahren rechtzeitig zum Abschluss zu bringen. Im Übrigen wurde eine Absicht, die beschuldigten Personen von der Strafverfolgung entziehen zu wollen, nicht festgestellt. Insgesamt spricht das Verhalten des Beschwerdeführers für bewusste Fahrlässigkeit. 
 
3.4.4. Zusammengefasst ist der Schuldspruch wegen mehrfacher Begünstigung im Sinne von Art. 305 Abs. 1 StGB bundesrechtswidrig und der Beschwerdeführer von diesem Vorwurf freizusprechen.  
 
4.  
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen und im Übrigen abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so entscheidet es in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück (Art. 107 Abs. 2 Satz 1 BGG). Im vorliegenden Fall ist die Angelegenheit spruchreif und kann sofort sowie endgültig zum Abschluss gebracht werden. Es kann daher ein reformatorischer Entscheid ergehen. Eine Rückweisung an die Vorinstanz zur neuen Beurteilung erfolgt nur noch im Hinblick auf die Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Kanton Appenzell I.Rh. hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Appenzell I.Rh. vom 1. Juni 2021 wird aufgehoben und der Beschwerdeführer vom Vorwurf der mehrfachen Begünstigung im Sinne von Art. 305 Abs. 1 StGB freigesprochen. Im Übrigen wird die Sache zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Appenzell I.Rh. hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Appenzell I.Rh., Abteilung Zivil- und Strafgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. Oktober 2023 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Meier