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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_875/2022  
 
 
Urteil vom 14. Juni 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Sandro Tobler, 
Beschwerdegegner 
 
Betreibungsamt des Bezirks Münchwilen, Murgtalstrasse 20, 9542 Münchwilen TG. 
 
Gegenstand 
Pfändungsankündigung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau als kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. Oktober 2022 (BS.2022.9). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 7. März 2022 stellte das Betreibungsamt Bezirk Münchwilen A.________ in der Betreibung Nr. xxx eine Pfändungsankündigung zu. Darin wurde ein zu bezahlender Forderungsbetrag von Fr. 2'498.875.55 ausgewiesen (Forderung des Gläubigers B.________ in Höhe von Fr. 3'142'276.06 gemäss Verlustschein vom 29. September 2021 abzüglich EUR 596'244.83 aus Zwangsversteigerung in Frankreich). 
 
B.  
Mit Eingabe vom 18. März 2022 reichte A.________ gegen die Pfändungsankündigung Beschwerde ein, welche das Bezirksgericht Münchwilen als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungssachen am 11. Juli 2022 abwies. Der Beschwerde-Weiterzug an das Obergericht des Kantons Thurgau als kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs blieb erfolglos (Entscheid vom 11. Oktober 2022). 
 
C.  
Mit Eingabe vom 12. November 2022 ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt, der obergerichtliche Entscheid und die Pfändungsankündigung seien aufzuheben. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den vorinstanzlichen Entscheid ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Der im kantonalen Verfahren unterlegene Beschwerdeführer ist als Betreibungsschuldner vom angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung. Insoweit ist er zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundes- sowie Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalts zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Allein der Ausgang des vorinstanzlichen Verfahrens ist kein im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG hinreichender Anlass für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können (BGE 134 V 223 E. 2.2.1).  
 
2.  
Anlass zur Beschwerde gibt eine Pfändungsankündigung. Dabei steht vor Bundesgericht einzig noch die Beachtlichkeit des über den Beschwerdeführer in Frankreich eröffneten Sauvegarde-Verfahrens zur Diskussion. Der Beschwerdeführer hat sich unter Hinweis auf dieses Verfahren auf den Standpunkt gestellt, dass Spezialexekutionen gegen ihn (auch) in der Schweiz nicht möglich seien. 
 
2.1. Aus der vorinstanzlichen Begründung ist folgendes hervorzuheben: Der Umstand, dass über den Beschwerdeführer am 21. Juni 2021 in Frankreich ein Sauvegarde-Verfahren eröffnet worden sei, sei unerheblich. Die Verordnung (EG) Nr. 848 des Rates vom 20. Mai 2015 über das Insolvenzverfahren (EuInsVO) finde auf die Schweiz als Nicht-EU-Staat keine Anwendung. Ebenso wenig seien Art. 206 SchKG und Art. 166 ff. IPRG einschlägig, da diese das Konkursrecht beträfen und nicht die Betreibung auf Pfändung, welcher der Beschwerdeführer unterliege. Es bestehe somit weder eine geltende Bestimmung noch ein Vertragswerk, welches die im Vollstreckungsverfahren in Frankreich angeordnete "Sauvegarde" im Vollstreckungsverfahren der Schweiz für beachtlich erkläre. Vielmehr seien im Einklang mit dem Territorialitätsprinzip für das Vollstreckungsverfahren in der Betreibung Nr. xxx ausschliesslich die Behörden in der Schweiz zuständig und für die Vollstreckung in Frankreich die französischen Vollstreckungsbehörden. Den Behörden in Frankreich sei es somit nicht möglich, in der Betreibung Nr. xxx mitzuwirken bzw. deren Vollstreckung auf dem Gebiet der Schweiz durch die zur Diskussion stehende "Sauvegarde" zu beeinflussen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die "Sauvegarde" in Frankreich würde die Fortsetzung der gegen ihn gerichteten Betreibung in der Schweiz gestützt auf den Verlustschein verunmöglichen, erweise sich die Beschwerde als unbegründet.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Vorinstanz hätte prüfen müssen, ob zwischen der Schweiz und Frankreich ein Staatsvertrag bestehe, der die direkte Anerkennung der Wirkungen des französischen Sauvegarde-Verfahrens in der Schweiz vorsehe. Tatsächlich falle das Sauvegarde-Verfahren in den sachlichen Anwendungsbereich des französisch-schweizerischen Vertrags vom 15. Juni 1869 über den Gerichtsstand und die Vollziehung von Urteilen in Zivilsachen. Verneinendenfalls hätte die Vorinstanz nach Auffassung des Beschwerdeführers von sich aus nach den Art. 166 ff. IPRG prüfen müssen, ob das Sauvegarde-Verfahren in der Schweiz anerkannt werden könne. Wenn die Vorinstanz ausführe, dass die Art. 166 ff. IPRG nicht einschlägig seien, habe sie sich mit dem Wesen des Sauvegarde-Verfahrens offenkundig nicht befasst.  
 
2.3. Zu den vorinstanzlichen Erwägungen und zu den dagegen erhobenen Rügen ist festzuhalten, was folgt:  
 
2.3.1. Soweit sich der Beschwerdeführer auf eine dem IPRG vorgehende staatsvertragliche Regelung beruft (Art. 1 Abs. 2 IPRG), übersieht er, dass der von ihm angerufene französisch-schweizerische Vertrag vom 15. Juni 1869 über den Gerichtsstand und die Vollziehung von Urteilen in Zivilsachen (AS 1992 200) bereits am 1. Januar 1992 aus Anlass des Inkrafttretens des LugÜ im beiderseitigen Einverständnis vorbehaltlos aufgehoben worden ist (BGE 124 III 134 E. 2b S. 141; 119 II 69 E. 3a, 77 E. 2a). Damit entfielen auch die konkursrechtlichen Bestimmungen von dessen Art. 6-9 (BERTI/MABILLARD, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2021, N. 11 zu Art. 166 IPRG). Zwar trifft sodann zu, dass das im vorliegenden Fall vom Tribunal judiciaire de Bordeaux am 21. Juni 2021 eröffnete Sauvegarde-Verfahren zu den Verfahren gehört, die für Frankreich in Anhang A der EuInsVO aufgeführt sind und damit in deren sachlichen Anwendungsbereich fallen (vgl. GEIMER/GARBER, in: Europäisches Zivilverfahrensrecht, Geimer/Schütze [Hrsg.], 4. Aufl. 2020, N. 29 zu Art. 1 EuInsVO). Da die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, findet die EuInsVO jedoch keine Anwendung auf grenzüberschreitende Insolvenzverfahren mit Bezug zur Schweiz. Unstrittig ist auch das LugÜ nicht einschlägig, da Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren nach Art. 1 Abs. 2 IPRG vom Anwendungsbereich dieses Übereinkommens ausgeschlossen sind. Zu prüfen ist damit einzig die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung der Bestimmungen des 11. Kapitels des IPRG (vgl. auch BAUER/HARI/WÜTHRICH, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021, N. 24 zu Art. 317 SchKG).  
 
2.3.2. Dem Beschwerdeführer ist insoweit beizupflichten, dass neben dem Konkurs (bzw. einer liquidation judiciaire des französischen Rechts) weitere Insolvenzverfahren existieren, die im Gegensatz zum Konkurs nicht unbedingt zur Liquidation des schuldnerischen Vermögens führen und deren Ziele die Sanierung und die Wiederherstellung der Solvenz des Schuldners sind (BOPP, Sanierung im internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, 2004, S. 2). Gemäss Art. 175 IPRG wird eine von der zuständigen ausländischen Behörde ausgesprochene Genehmigung eines Nachlassvertrages oder eines ähnlichen Verfahrens in der Schweiz anerkannt, wobei einige für den internationalen Konkurs geltende Bestimmungen (Art. 166-170 IPRG und Art. 174a-174c IPRG) sinngemäss gelten. Trotz des Ausdrucks "genehmigt" kann ein ausländisches Nachlassverfahren anerkannt werden, sobald es von der zuständigen Behörde eröffnet wurde, d.h. bereits im Stadium der Sistierung der Betreibungen, sodass ein Entscheid, der einer Nachlassstundung entspricht, anerkennungsfähig ist (BGE 137 III 138 E. 2.1; Urteil 5P.189/1996 vom 19. September 1996 E. 3b, publ. in: SJ 1997 S. 101; KREN KOSTKIEWICZ, Schweizerisches Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2018, Rz. 3096).  
 
2.3.3. Indes zeitigt die Eröffnung eines ausländischen Konkurs- oder Sanierungsverfahrens ohne vorgängige Anerkennung keinerlei Wirkungen in der Schweiz (BGE 137 III 138 E. 2.2; Urteile 5A_734/2011 vom 16. Februar 2012 E. 4.2, in: SJ 2012 I S. 516; 5A_86/2011 vom 17. Oktober 2011 E. 2.2.2; 5A_490/2009 vom 13. November 2009 E. 2). Die Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets (Art. 166 IPRG) oder eines ausländischen Nachlassvertrags und ähnlichen Verfahrens (Art. 175 IPRG) in der Schweiz setzt überdies einen entsprechenden Antrag voraus (Art. 166 Abs. 1 IPRG); eine Anerkennung von Amtes wegen fällt unverändert ausser Betracht (Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht [11. Kapitel: Konkurs und Nachlassvertrag] vom 24. Mai 2017, BBl 2017 S. 4136; LORANDI, Die Revision des internationalen Insolvenzrechts [Art. 166 ff. IPRG], in: Festschrift für Jolanta Kren Kostkiewicz, 2018, S. 188). Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss geltend macht, dass im Verfahren der betreibungsrechtlichen Beschwerde (Art. 17 ff. SchKG) vorfrageweise über die Anerkennung des ausländischen Sanierungsverfahrens hätte entschieden werden müssen, ist ihm nicht zu folgen. Eine vorfrageweise Anerkennung ausländischer Konkursdekrete sowie ausländischer Nachlassverträge und ähnlicher Verfahren ist nicht möglich (BGE 147 III 365 E. 3.2.1; 137 III 570 E. 2; 134 III 366 E. 5.1.2; BERNASCONI, La reconnaissance des faillites et des concordats étrangers dans la pratique judiciaire tessinoise, in: JdT 2014 II S. 40 und S. 48; SPÜHLER/RODRIGUEZ, Internationales Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2022, § 9 Rz. 332). Damit gibt die vorinstanzliche Bestätigung der Gültigkeit der Pfändungsankündigung im Ergebnis keinen Anlass zur Kritik.  
 
3.  
Aus den dargelegten Gründen ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Thurgau als kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. Juni 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss