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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_902/2023  
 
 
Urteil vom 8. November 2023  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern, 
2. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jonas Stüssi, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Veruntreuung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 16. März 2023 (4M 22 75). 
 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:  
 
1.  
Das Kantonsgericht Luzern stellte mit Urteil vom 16. März 2023 fest, dass das Urteil des Kriminalgerichts Luzern vom 11. April 2022 in verschiedenen Punkten in Rechtskraft erwachsen ist (Schuldspruch wegen mehrfacher Nichtabgabe entzogener Ausweise und Kontrollschilder, Freispruch vom Vorwurf des Ungehorsams im Betreibungsverfahren [betreffend die Vorladung für den 14. Mai 2019], Einstellung des Verfahrens wegen Ungehorsams im Betreibungsverfahren [betreffend die Vorladung für den 22. März 2019], Verzicht auf die Erhebung einer Ersatzforderung des Staates, Nichteintreten auf die Zivilforderung der Beschwerdegegnerin 2). Das Kantonsgericht sprach den Beschwerdeführer vom Vorwurf des Ungehorsams im Betreibungsverfahren (betreffend die Vorladung für den 12. April 2019) frei und sprach ihn schuldig wegen Veruntreuung. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe bei einer Probezeit von 2 Jahren und regelte die Kosten- und die Entschädigungsfolgen. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt der Beschwerdeführer, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und ihn vom Schuldspruch der Veruntreuung freizusprechen. Die Kosten des Verfahrens seien zu Lasten des Staates, allenfalls zu Lasten der Beschwerdegegnerin 2 zu verlegen. 
 
2.  
Als Veruntreuung wird dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, die im Hinblick auf einen geplanten Wohnungsverkauf gemäss Reservationsvertrag geleistete Anzahlung der Beschwerdegegnerin 2 (voraussichtliche Käuferin) von Fr. 70'000.-- abzüglich einer Umtriebsentschädigung von Fr. 7'000.-- (bei Nichtzustandekommen des Vertrags) für eigene Zwecke unrechtmässig verwendet bzw. verbraucht zu haben. Der Beschwerdeführer habe das ihm anvertraute Geld fortlaufend ausgegeben, ohne in der Lage oder gewillt gewesen zu sein, die Anzahlung zurückzubezahlen bzw. Ersatz für die abredewidrige Verwendung des Geldes zu leisten (vgl. angefochtener Entscheid, S. 9 ff.). 
Der Beschwerdeführer bestreitet, nicht zur Rückzahlung im Stande gewesen zu sein. Es sei verfehlt, eine Veruntreuung nur deshalb anzunehmen, weil er Geld vom Konto abgehoben habe, auf das die Anzahlung geleistet worden sei. Eine "Kontenpflicht" bestehe nicht. Es reiche, wenn der Betrag sonstwie verfügbar gehalten werde, was der Fall gewesen sei, da er von einem Verwandten eine grössere Summe an Bargeld für alle Eventualitäten zur Verfügung gestellt bekommen habe. Dass die Vorinstanz dies als nicht glaubhaft abgetan habe, sei willkürlich. Aus dem Kontoauszug (Seite 6) betreffend die Periode vom 25. Mai bis 17. Juni 2016 ergebe sich, dass er am 1. Juni 2016 Fr. 5'000.-- und am 8. Juni 2016 Fr. 10'000.-- auf sein Konto einbezahlt habe. Die Vorinstanz habe die Einreichung dieses Belegs als verspätet abgewiesen, immerhin aber erklärt, in dessen Besitz zu sein. Der fragliche Kontoauszug hätte in die gerichtliche Beurteilung mit einbezogen werden müssen, da seine Einzahlungen auf das Konto belegten, dass er zum fraglichen Zeitpunkt über eine stets genügende Barreserve verfügt habe, um die erhaltene Anzahlung zurückzuzahlen. 
 
3.  
Mit seiner Kritik wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung bzw. Sachverhaltsfeststellung. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 147 IV 73 E. 4.1.2). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1). Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Entscheid geradezu unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1). Für die Willkürrüge gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Es genügt nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 148 V 366 E. 3.3; 137 II 353 E. 5.1 mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 148 IV 205 E. 2.6; 146 IV 88 E. 1.3.1). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel kommt im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot hinausgehende Bedeutung zu (BGE 148 IV 409 E. 2.2; 146 IV 88 E. 1.3.1). 
 
4.  
 
4.1. Die Kritik in der Beschwerde geht an der Sache vorbei und ist unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen überhaupt zu genügen vermag. In einer ersten Begründung beurteilt die Vorinstanz das Bestehen von Barschaften, welche der Beschwerdeführer bei sich zuhause aufbewahrt haben will, als nicht glaubhaft. Die Gründe hierfür hat sie im angefochtenen Urteil im Einzelnen dargelegt. In einer zweiten Begründung unterstellt sie die vom Beschwerdeführer behauptete Tatsache - über Geldreserven in bar verfügt zu haben - als wahr und gelangt nach einer eingehenden Würdigung insbesondere der eigenen Aussagen des Beschwerdeführers an der Berufungsverhandlung zum Schluss, er habe über die behaupteten Vermögenswerte nicht frei verfügen können oder wollen, sondern diese zum Teil direkt für den Nachlass verwendet und im übrigen Umfang für Forderungen gegen den Nachlass bzw. für allfällige Zahlungen an die Bank (C.________) bereitgehalten. Somit bleibe es - selbst wenn vom Bestehen der geltend gemachten Barschaften auszugehen wäre - dabei, dass der Beschwerdeführer weder in der Lage noch dazu gewillt gewesen sei, der Beschwerdegegnerin 2 die Anzahlung im Umfang von Fr. 63'000.-- bei Bedingungseintritt (Nichtzustandekommen des Vertrags) zurückzuerstatten (angefochtener Entscheid S. 13).  
 
 
4.2. Aus der vorinstanzlichen Doppelbegründung, insbesondere der Wahrunterstellung der vom Beschwerdeführer behaupteten Tatsache, über namhafte Barreserven verfügt zu haben, ergibt sich die Obsoleszenz des verlangten Beizugs von Seite 6 des referenzierten Kontoauszugs. Entsprechend hatte die Vorinstanz keinen Anlass zu weiteren Beweisvorkehren und erweist sich die diesbezügliche Kritik als unbehilflich. Mit der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil (unter Einschluss der antizipierten Beweiswürdigung betreffend die Abweisung von Beweisanträgen) befasst sich der Beschwerdeführer vor Bundesgericht im Übrigen nicht substanziiert. Er beschränkt sich vielmehr darauf, die Annahme der Vorinstanz, wonach das Bargeld gebunden bzw. für bestimmte Zwecke vorgesehen gewesen sei, pauschal als willkürlich zu bezeichnen, ohne anhand der Erwägungen im angefochtenen Urteil eine schlechthin unhaltbare Würdigung insbesondere seiner eigenen Aussagen anlässlich der Berufungsverhandlung aufzuzeigen. Damit erschöpft sich sein Willkürvorwurf im Ergebnis in einer appellatorischen und damit unzulässigen Kritik am angefochtenen Urteil. Ebenso wenig erschliesst sich eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo". Dass seitens der Strafbehörden und namentlich der Vorinstanz dieser Grundsatz "mit Füssen getreten" und "nur in Betracht gezogen wurde", "was seine Schuld beweisen soll", ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Kritik des Beschwerdeführers beschränkt sich auch insoweit auf blosse Behauptungen und seine eigene Sicht der Dinge. Damit kann eine Verfassungsverletzung nicht belegt werden.  
 
4.3. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, "er könne nicht beurteilen, ob es rechtens sei, dass sich der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin 2 die Kontoauszüge seiner Konten ab 2016 über das Betreibungsamt beschafft habe", ist auf seine Beschwerde schon deshalb nicht einzutreten, weil er damit keine formelle Rüge erhebt. Abgesehen davon hat die Vorinstanz diesen Gesichtspunkt im angefochtenen Urteil unter dem Titel der Verwertbarkeit behandelt, ohne dass sich der Beschwerdeführer dazu äussern würde. Gleiches gilt, soweit er den Vorwurf einer einseitigen Sachverhaltsfeststellung erhebt, weil seine Beweise zu Unrecht nicht zugelassen worden sein sollen, diejenigen der Beschwerdegegnerin 2 aber schon. Die Vorinstanz hat sich mit diesem Vorwurf befasst und ihn verworfen. Mit ihren Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander, weshalb sich aus der Beschwerde nicht ergibt, inwiefern die vorinstanzlichen Erwägungen gegen Bundesrecht verstossen könnten. Anzumerken bleibt, dass die (begründete) Abweisung von Beweisanträgen für sich alleine noch keine einseitige Sachverhaltsermittlung darstellt.  
 
4.4. Den Antrag betreffend Kostenverlegung stellt der Beschwerdeführer einzig im Hinblick auf den beantragten Freispruch. Da es bei der Verurteilung bleibt, ist darauf nicht weiter einzugehen.  
 
5.  
Die Beschwerde ist damit im Verfahren nach Art. 109 BGG als unbegründet abzuweisen, soweit sie überhaupt die Begründungsanforderungen erfüllt und darauf eingetreten werden kann. Ausgangsgemäss sind die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin 2 ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihr im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. November 2023 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill