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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_821/2010 
 
Urteil vom 18. Januar 2011 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtier, Mathys, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch Fürsprecher Gregor Marcolli, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, An der Aa 4, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Kosten, Entschädigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Justizkommission, Strafrechtliche Kammer, vom 19. August 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Aufgrund mehrerer Strafanzeigen, so unter anderem von Aa.________ und Ab.________ sowie Ba.________ und Bb.________, führte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug gegen X.________ nebst weiteren Strafuntersuchungen eine solche betreffend Betrug und Misswirtschaft (2A 2004 32456). 
 
B. 
Die Staatsanwaltschaft stellte am 29. September 2009 die Strafuntersuchung gestützt auf das Opportunitätsprinzip ein, auferlegte X.________ die Verfahrenskosten und verfügte, dass die Verfahrenseinstellung auch den Anzeigeerstattern zu eröffnen sei. 
 
Eine Beschwerde von X.________ wies die Justizkommission des Kantons Zug am 29. August 2010 ab, soweit sie darauf eintrat. 
 
C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, die Verfahrenskosten seien den Privatklägern, eventuell dem Staat aufzuerlegen, er sei angemessen zu entschädigen und von einer Eröffnung der Einstellungsverfügung an die Anzeigeerstatter sei abzusehen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Die Vorinstanz und die Staatsanwaltschaft begehren Abweisung der Beschwerde, die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf ihre Vernehmlassung. X.________ hat repliziert. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe seinen Antrag und seine Rüge nicht behandelt, wonach es unzulässig sei, die Einstellungsverfügung den Anzeigeerstattern zu eröffnen. Sie sei darauf nicht eingetreten, weil er in einem anderen Verfahren gleichlautende Rügen vorgebracht habe. Entscheidend seien jedoch allein die Anträge. Damit habe sie den bundesrechtlichen Begriff der materiellen Rechtskraft qualifiziert falsch aufgefasst und als Folge davon formelle Rechtsverweigerung begangen. 
 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die materielle Rechtskraft, das heisst die Verbindlichkeit eines Urteils für spätere Prozesse, eine Frage des Bundesrechts, sofern der zu beurteilende Anspruch auf Bundesrecht beruht (BGE 125 III 241 E. 1). 
 
Der geltend gemachte Anspruch des Beschwerdeführers, dass die Einstellungsverfügung den Anzeigeerstattern nicht hätte eröffnet werden dürfen, ist in der Strafprozessordnung des Kantons Zug geregelt. Die Frage der materiellen Rechtskraft beschlägt hier somit kantonales Recht, weshalb der Vorwurf unbegründet ist, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt. Soweit der Beschwerdeführer im gleichen Zusammenhang beanstandet, die Vorinstanz habe § 34 Abs. 4 StPO/ZG falsch angewandt, ist darauf nicht einzutreten. Er legt nicht dar, inwiefern sie die Bestimmung willkürlich ausgelegt haben sollte. 
 
2. 
Bei der Kostenauflage im Verfahren, das die Ehegatten A.________ gegen ihn angestrengt hatten, bestreitet der Beschwerdeführer, es treffe ihn zivilrechtlich ein Vorwurf. Die Eigentümer hätten die Offerte zur Vertragsauflösung (gewerbliche Vermietung der Überbauung) letztlich freiwillig angenommen. 
 
2.1 Die Vorinstanz führt dazu unter anderem aus, die Ehegatten A.________ hätten am 22. Oktober 1999 zwei Häuser der Überbauung gekauft und gleichzeitig mit der C.________ AG des Beschwerdeführers gewerbliche Mietverträge für die Dauer von mindestens 9 Jahren mit einer Jahresmiete von 5% des Kaufpreises abgeschlossen. Anfangs 2003 habe die C.________ Sarl des Beschwerdeführers die Hauseigentümer unterrichtet, dass 2002 im Vermietungsgeschäft der C.________ AG grosse Verluste entstanden seien, und ihnen eine "Mietvertragsanpassung" mit für diese deutlich schlechteren Konditionen empfohlen. Angesichts der Verluste der C.________ AG drohe zudem, dass die Eigentümer der MWSt-Rückerstattung von 19,6% des Kaufpreises verlustig gehen könnten. 
 
Überdies kam die Vorinstanz zum Schluss, dass der Beschwerdeführer bereits 2003 geplant habe, die C.________ AG mittelfristig stillzulegen (angefochtener Entscheid S. 6 f. Ziff. 4.1). 
 
2.2 Die Vorinstanz lastet dem Beschwerdeführer zu Recht an, er habe den Grundsatz "pacta sunt servanda" verletzt. Seine Argumentation, die Eigentümer hätten die Offerte zur (Miet-)Vertragsauflösung letztlich freiwillig angenommen, geht an der Sache vorbei. Entscheidend ist nämlich, dass für die Ehegatten A.________ nebst der langjährigen Vermietung der Häuser die MWSt-Rückerstattung ein wesentliches Element war, die Kauf- und Mietverträge mit den Firmen des Beschwerdeführers abzuschliessen. Hätten sie auf der Vertragserfüllung durch die C.________ AG beharrt, hätten sie 19,6% der Kaufpreise verloren. Um einen solchen Verlust zu vermeiden, waren sie gezwungen, einen für sie ungünstigeren Mietvertrag abzuschliessen. 
 
Angesichts der sog. "Mietvertragsanpassung" durch den Beschwerdeführer und dessen Plan, die C.________ AG mittelfristig stillzulegen, beurteilte die Vorinstanz sein Verhalten zu Recht als adäquat kausal für die Einleitung der strafrechtlichen Untersuchung. 
 
Der Beschwerdeführer beanstandet mehrere Feststellungen der Vorinstanz zur C.________ Sarl als willkürlich (sie sei zahlungsunfähig, bloss mit Fr. 8000.-- Eigenkapital ausgestattet und nicht in der Lage gewesen, die MWSt-Rückerstattung zu verhindern). Die Rügen sind unbehelflich, weil sie am wesentlichen Sachverhalt für den Entscheid nichts ändern. 
 
3. 
Die Vorinstanz überband dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens, das die Ehegatten B.________ gegen ihn eingeleitet hatten. Obwohl zur Hauptsache die offensichtlich mangelnde Liquidität und die unzureichende Planung zu den Bauverzögerungen geführt hätten, habe er sich auf höhere Gewalt berufen. Dieses verwerfliche Verhalten (Verstoss gegen das Gebot des Handelns nach Treu und Glauben) sei eine adäquate Ursache für die Einleitung des Strafverfahrens gewesen. 
 
Der Beschwerdeführer erachtet in diesem Zusammenhang die vorinstanzliche Feststellung als willkürlich, den Eigentümern sei überhaupt keine Konventionalstrafe gezahlt worden. Die Rüge geht an der Sache vorbei. Er macht nämlich nicht geltend, er habe den Ehegatten B.________ vor deren Strafanzeige vom 22. Mai 2006 Konventionalstrafe gezahlt bzw. verrechnungsweise geleistet. 
 
Der Beschwerdeführer argumentiert, im Rahmen einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung einen vorteilhafteren Standpunkt einzunehmen als das letztendlich resultierende Prozessergebnis, stelle keine Verletzung von Art. 2 ZGB dar. Das trifft zwar grundsätzlich zu. Doch blendet der Beschwerdeführer damit aus, dass er vergleichbar wie im oben beurteilten Verfahren (E. 2) nicht einmal 4 Monate nach Abschluss des langjährigen Mietvertrages den Ehegatten B.________ einen bedeutend schlechteren neuen Mietvertrag unterbreiten liess, ansonsten die Rückerstattung der 19,6% MWSt des Kaufpreises nicht gesichert sei (kantonale Akten, act. 20/5/2/1 und 20/5/2/14). Unter diesen Umständen hat die Vorinstanz zu Recht eine Verletzung von Art. 2 ZGB bejaht und erkannt, dass das Verhalten des Beschwerdeführers eine adäquate Ursache für die Einleitung des Strafverfahrens war. Dass der Beschwerdeführer zu einem späteren Zeitpunkt mit den Ehegatten B.________ einen Vergleich abschloss, ändert nichts an der Tatsache, dass im Anschluss an die Strafanzeige für die Untersuchungsbehörde genügend Anhaltspunkte vorlagen, tätig zu werden. Auf diese späteren Umstände ist nicht einzutreten. 
 
4. 
Der Beschwerdeführer stellt sich gegen die Kostenauflage betreffend die Untersuchungen wegen Misswirtschaft der C.________ AG. Entgegen der willkürlichen Feststellung der Vorinstanz sei er nämlich nicht Verwaltungsrat, sondern bloss Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen. Als solcher träfen ihn die Pflichten der Art. 699 und 725 OR nicht. Um die Willkür zu begründen verweist der Beschwerdeführer auf das öffentliche Handelsregister betreffend die C.________ AG, soweit sich der Auszug nicht ohnehin bei den Akten befinde (Beschwerdeschrift S. 35 Ziff. 5a). 
 
Insbesondere bei Willkürbeschwerden ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichts, in (öffentlichen) Registern und kantonalen Akten nach bestimmten Belegen zu suchen. Vielmehr liegt es am Beschwerdeführer, die genaue Aktenstelle zu bezeichnen bzw. den Beleg mit der Beschwerde einzureichen, woraus sich die Willkür ergeben soll. Weil der Beschwerdeführer dieser Begründungspflicht nicht nachgekommen ist, bleibt es bei der vorinstanzlichen Feststellung, er sei bis Januar 2004 Verwaltungsrat der C.________ AG gewesen. 
 
Angesichts der Aufforderungen in den (verspäteten) Berichten der Revisionsstelle und der Anzeigen der Ehegatten A.________ und B.________ erachtete die Vorinstanz das Verhalten des Beschwerdeführers zu Recht als eine adäquate Ursache für die Untersuchungen wegen Misswirtschaft. Dass sie seine Behauptung, wegen Rangrücktrittserklärungen sei eine Benachrichtigung des Richters nicht notwendig gewesen, willkürlich nicht berücksichtigt hätte, macht er nicht geltend. 
 
5. 
Die Beschwerde ist kostenpflichtig abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, Strafrechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 18. Januar 2011 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Borner