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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_80/2013 
 
Urteil vom 18. März 2013 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Herrmann, 
Gerichtsschreiber Zingg. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Erbengemeinschaft der X.________ sel., nämlich: 
1. A.________, 
2. B.________, 
3. C.________, 
4. D.________, 
5. E.________, 
6. F.________, 
7. G.________, 
alle vertreten durch Rechtsanwalt Reto Allemann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
1. H.________, 
2. I.________, 
beide vertreten durch Fürsprecher Dominik Gasser, 
Beschwerdegegner, 
 
Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West, 
 
Gegenstand 
Grundstückpfändung (Verwaltung der Grundstücke und Einziehen der Mietzinserträge), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 14. Januar 2013. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Erben von X._______ sel. (Beschwerdeführer 1 bis 7) betreiben H.________ (Beschwerdegegner) für Forderungen aus einem Darlehensvertrag von insgesamt Fr. 570'202.15. 
 
Im Pfändungsverfahren pfändete das Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, requisitorisch für das Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West, unter anderem die Grundstücke M.________ GBBl-Nr. 1227, 3719, 3720-1 bis 3720-4, 3720-26 bis 3720-32 und 3720-94 bis 3720-102. Die Grundstücke befinden sich alle im Alleineigentum der Ehefrau des Beschwerdegegners, I.________ (Beschwerdegegnerin). Die Beschwerdegegnerin meldete für sämtliche Grundstücke einen Drittanspruch an. Bei den beiden Grundstücken M.________ GBBl-Nr. 1227 und 3719 ist zugunsten der N.________ AG ein Mietvertrag bis 20. April 2029 im Grundbuch vorgemerkt. Wegen der hohen Hypothekarbelastung auf diesen beiden Grundstücken hatte das Betreibungsamt Bern-Mittelland zunächst auf deren Pfändung verzichtet, nach Eingang eines Kostenvorschusses diese dann aber doch vorgenommen (Requisitions-Pfändungsvollzugs-Urkunden vom 2. April 2012 und 8. Mai 2012). Mit Schreiben vom 19. März 2012 wies das Betreibungsamt Bern-Mittelland hinsichtlich der Grundstücke 3720-1 bis 3720-4, 3720-26 bis 3720-32 und 3720-94 bis 3720-102 (Einstellhallenplätze) den Schuldner, die Dritteigentümerin und die O.________ AG darauf hin, dass die Mietzinsen rechtsgültig nur noch an das Betreibungsamt bezahlt werden können. In den genannten Requisitions-Pfändungsvollzugs-Urkunden vermerkte das requirierte Amt dann nur noch, der Schuldner, die Grundstückseigentümerin und die Verwaltung der Parkplätze seien über das Pfändungsverfahren informiert und aufgefordert worden, die Mietverträge zuzustellen. Diese seien bisher nicht eingetroffen. Da sich die Grundstücke im Besitze eines Dritten befänden, verzichte das Betreibungsamt Bern-Mittelland auf die Übernahme der Verwaltung und Bewirtschaftung der Grundstücke. Offenbar gestützt darauf verzichtete es in der Folge darauf, seine Anweisung bezüglich Zahlung der Mietzinse weiterzuverfolgen. Am 15. Mai 2012 stellte das Betreibungsamt Oberland die Abschrift der Pfändungsurkunde den Parteien zu und setzte Frist zur Klage nach Art. 107 f. SchKG. Das entsprechende Verfahren ist derzeit hängig. 
 
B. 
Bereits am 27. Januar 2012 und 3. April 2012 hatten die Beschwerdeführer vom Betreibungsamt Oberland verlangt, die Mieterträge der jeweiligen Grundstücke der Pfändung zuzuführen. Am 5. Oktober 2012 erkundigten sich die Beschwerdeführer beim Betreibungsamt Oberland erneut nach der Sicherstellung der Mieterträge der gepfändeten Grundstücke. 
 
Am 12. Oktober 2012 teilte das Betreibungsamt Oberland den Beschwerdeführern mit, wie bereits in der Pfändungsurkunde festgehalten, könne eine betreibungsrechtliche Verwaltung der Grundstücke in M.________ nicht in Betracht gezogen werden, da sie sich im Besitz einer Drittansprecherin befänden. 
 
C. 
Am 23. Oktober 2012 beantragten die Beschwerdeführer beim Betreibungsamt Oberland, das Betreibungsamt habe der N.________ AG mitzuteilen, dass aufgrund der erfolgten Pfändung die Mietzinse mit rechtsgültiger Wirkung nur noch an das Betreibungsamt geleistet werden können. Das Betreibungsamt habe die Mietzinse mit sofortiger Wirkung einzuziehen und es habe die Verwaltung der Mietzinse und der laufenden Verbindlichkeiten zu besorgen. Sie machten insbesondere geltend, am 30. Juni 2012 Kenntnis davon erhalten zu haben, dass bezüglich der gepfändeten Grundstücke zugunsten der N.________ AG ein Generalmietvertrag bestehe und dabei Mietzinseinnahmen von jährlich mindestens Fr. 631'800.-- entstünden. 
 
Das Betreibungsamt nahm die Eingabe als Beschwerde entgegen und leitete sie dem Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen weiter. 
 
Mit Entscheid vom 14. Januar 2013 hiess das Obergericht die Beschwerde teilweise gut. Es wies das Betreibungsamt Oberland bzw. das requisitorisch tätige Betreibungsamt Bern-Mittelland an, der Eigentümerin und Drittansprecherin anzuzeigen, dass die Nettoerträge der Grundstücke M.________ GBBl-Nr. 1227, 3719, 3720-1 bis 3720-4, 3720-26 bis 3720-32 und 3720-94 bis 3720-102 dem Betreibungsamt abzuliefern sind. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. 
 
D. 
Am 28. Januar 2013 haben die Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und das Betreibungsamt Oberland bzw. Bern-Mittelland anzuweisen, der N.________ AG mit sofortiger Wirkung mitzuteilen, dass die Mieterträge der fraglichen Grundstücke mit rechtsgültiger Wirkung nur noch an das Betreibungsamt abgeliefert werden können. Das Betreibungsamt Oberland bzw. Bern-Mittelland seien anzuweisen, mit sofortiger Wirkung die erforderliche Verwaltung und Bewirtschaftung zu besorgen und die Nettomieterträge einzuziehen. 
 
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. Das Obergericht hat unaufgefordert auf Stellungnahme verzichtet. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gegen den Entscheid des Obergerichts, das als Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen geurteilt hat, ist die Beschwerde in Zivilsachen unabhängig vom Streitwert zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c, Art. 75 BGG). Sie ist fristgerecht erfolgt (Art. 100 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 45 Abs. 1 BGG). 
 
2. 
2.1 Umstritten ist, ob das Betreibungsamt die Verwaltung der gepfändeten Grundstücke übernehmen muss und ob der Mieterin mitgeteilt werden soll, dass sie den Mietzins mit befreiender Wirkung nur noch an das Betreibungsamt leisten kann. Das Obergericht hat erwogen, das Betreibungsamt dürfe vorliegend die Verwaltung der Grundstücke nicht übernehmen, da diese einer Drittansprecherin gehörten, allerdings habe die Eigentümerin die Netto-Mietzinserträge dem Betreibungsamt abzuliefern. 
 
2.2 Die fraglichen Grundstücke stehen im Alleineigentum der Beschwerdegegnerin, sind aber gestützt auf Art. 10 Abs. 1 Ziff. 2 der Verordnung des Bundesgerichts über die Zwangsverwertung von Grundstücken vom 23. April 1920 (VZG; SR 281.42) i.V.m. Art. 193 ZGB dennoch gepfändet worden. Nach Art. 10 Abs. 1 Ziff. 2 VZG dürfen Grundstücke, die im Grundbuch auf einen anderen Namen als denjenigen des Schuldners eingetragen sind, gepfändet werden, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass das Grundstück kraft ehelichen Güterrechts für die Schulden des betriebenen Schuldners haftet. 
 
Gemäss Art. 102 Abs. 1 SchKG erfasst die Pfändung eines Grundstücks unter Vorbehalt der den Grundpfandgläubigern zustehenden Rechte auch dessen Früchte und sonstige Erträgnisse. Darunter fallen insbesondere die laufenden Mietzinse (Art. 14 VZG; vgl. BGE 125 III 248 E. 2c S. 249 f.). Das Betreibungsamt hat den Mietern von der Pfändung Kenntnis zu geben (Art. 102 Abs. 2 SchKG). Mit dieser Kenntnisgabe ist den Mietern zugleich anzuzeigen, dass sie inskünftig die Mietzinse rechtsgültig nur noch an das Betreibungsamt zahlen können (Art. 15 Abs. 1 lit. b VZG). Gemäss Art. 102 Abs. 3 SchKG sorgt das Betreibungsamt für Verwaltung und Bewirtschaftung des Grundstücks. Art. 16 Abs. 1 VZG präzisiert, dass das Betreibungsamt von Amtes wegen, solange die Pfändung besteht, für die Verwaltung und Bewirtschaftung sorgt, es sei denn, dass sich das Grundstück im Besitz eines Drittansprechers befindet. 
 
2.3 Die Beschwerdegegnerin ist im Grundbuch eingetragene Alleineigentümerin der fraglichen Grundstücke. Diese befinden sich deshalb im Besitz einer Drittansprecherin im Sinne von Art. 16 Abs. 1 VZG (vgl. Art. 108 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG; SYLVAIN MARCHAND, Poursuite pour dettes et faillite - Du palais de justice à la salle des ventes, 2008, S. 221). Die Beschwerdeführer machen geltend, Art. 16 Abs. 1 VZG verbiete dem Betreibungsamt in solchen Fällen nicht, die Verwaltung zu übernehmen. Vielmehr schliesse die Norm bloss aus, dass das Betreibungsamt die Verwaltung von Amtes wegen übernehmen müsse. Die Übernahme der Verwaltung stehe somit im Ermessen des Betreibungsamts. 
 
Die Ansicht der Beschwerdeführer trifft nicht zu. Zunächst bedeutet die Wendung "von Amtes wegen" bloss, dass die Zwangsverwaltung durch das Betreibungsamt weder verlangt noch verfügt werden muss, sondern von selber eintritt (vgl. Urteil 5A_147/2009 vom 8. April 2009 E. 2.2). Sodann enthalten der französische und der italienische Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 VZG die Wendung "von Amtes wegen" nicht. Diese Fassungen lassen demnach keinen Zweifel aufkommen, dass bei Besitz eines Drittansprechers eine Verwaltung durch das Betreibungsamt nicht in Betracht kommt. Eine solche Massnahme erschiene als unverhältnismässig, solange das Widerspruchsverfahren nicht abgeschlossen ist (BGE 30 I 843 S. 846; 39 I 293 S. 294; MARCHAND, a.a.O., S. 221). Die Beschwerde ist insoweit unbegründet. 
 
2.4 Die Beschwerdeführer verlangen des Weiteren, dass die Mieterin im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. b VZG anzuweisen sei, die Mietzinse an das Betreibungsamt zu zahlen. 
Der Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 lit. b VZG sieht die Pflicht zur Anzeige an die Mieter allgemein vor und enthält insbesondere keine Ausnahme für Grundstücke, die auf einen Dritten im Grundbuch eingetragen sind. Allerdings muss die Bestimmung im Kontext mit den Vorschriften über die Verwaltung gelesen werden. Das Einziehen der Mietzinse stellt selber eine Verwaltungshandlung hinsichtlich des gepfändeten Grundstücks dar (Art. 17 VZG). Die eingezogenen Bruttomietzinsen dienen sodann unter anderem wiederum der Verwaltung des fraglichen Grundstücks, z.B. wenn daraus Reparaturen, der allgemeine Unterhalt oder Abgaben entrichtet werden (Art. 17 VZG). In diesem Sinne sieht auch Art. 22 Abs. 1 VZG vor, dass die eingegangenen Erträgnisse in erster Linie zur Bestreitung der Verwaltungsauslagen und -kosten zu verwenden sind, sodann zur Ausrichtung allfälliger Beiträge an den Unterhalt des Schuldners und seiner Familie (Art. 103 Abs. 2 SchKG), und bloss der Überschuss an die Gläubiger zu verteilen ist. Daraus ergibt sich, dass das Einziehen der Mietzinse und die Übernahme der Verwaltung durch das Betreibungsamt eng zusammenhängen. Wie gesagt, kommt vorliegend die Übernahme der Verwaltung durch das Betreibungsamt nicht in Betracht. Es ist deshalb auch keine Anzeige zu erlassen, dass die Mieterin mit befreiender Wirkung nur noch an das Betreibungsamt leisten kann. Gegenteilig zu entscheiden, würde bedeuten, der im Grundbuch eingetragenen Drittansprecherin die Mittel für die Verwaltung der Grundstücke zu entziehen und ihr damit im Ergebnis faktisch die Möglichkeit zur Verwaltung zu nehmen. Dies wäre mit Art. 16 Abs. 1 VZG nicht vereinbar. Ebenfalls ausgeschlossen ist, dass das Betreibungsamt die Bruttomietzinsen einzieht und es der Eigentümerin die für die Verwaltung nötigen Mittel überlässt. Dieses Vorgehen würde darauf hinauslaufen, dass das Betreibungsamt durch die Zuweisung der Mittel die Verwaltung faktisch selber steuert. Auch dies ist mit Art. 16 Abs. 1 VZG nicht zu vereinbaren. Die Beschwerde ist demnach auch in diesem Punkt abzuweisen. 
 
3. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Den Beschwerdegegnern ist kein zu entschädigender Aufwand entstanden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Oberland Dienststelle Oberland West, dem Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 18. März 2013 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg