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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_247/2023  
 
 
Verfügung vom 24. Juli 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Gerichtsschreiber Mattle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. PARAT, Partei für Rationale Politik, Allgemeine Menschenrechte und Teilhabe, 
handelnd durch Stefan Thöni, 
2. Stefan Thöni, 
Beschwerdeführende, 
 
gegen  
 
Gemeinderat Cham, 
Mandelhof, Postfach, 6330 Cham, 
 
Bundeskanzlei, 
Bundeshaus West, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Eidgenössische Volksabstimmung vom 18. Juni 2023 über das Bundesgesetz vom 30. September 2022 über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 10. Mai 2023 des Regierungsrats des Kantons Zug betreffend Plakatierung in der Gemeinde Cham. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Am 30. September 2022 beschloss die Bundesversammlung das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KlG; BBl 2022 2403). Nachdem gegen das Gesetz das Referendum ergriffen wurde, wurde die eidgenössische Volksabstimmung über das KIG auf den 18. Juni 2023 angesetzt. Die Partei für Rationale Politik, Allgemeine Menschenrechte und Teilhabe (PARAT) ersuchte bei der Gemeinde Cham um die Bewilligung für die Plakatierung zur Volksabstimmung über das KIG an zehn verschiedenen Standorten in der Gemeinde. Mit Verfügung vom 4. Mai 2023 erteilte die Gemeinde Cham der Gesuchstellerin die Bewilligung zur Plakatierung an verschiedenen Standorten. Für drei der ersuchten Standorte erteilte sie die Bewilligung nicht, nämlich für den Standort "Hirsgarten" und zwei Standorte im "Vilette-Park". Stattdessen schlug die Gemeinde drei Alternativstandorte für die Plakatierung vor. 
 
2.  
Am 5. Mai 2023 erhoben die Partei für Rationale Politik, Allgemeine Menschenrechte und Teilhabe (PARAT) und ihr Präsident Stefan Thöni gemeinsam Abstimmungsbeschwerde an den Regierungsrat des Kantons Zug. Sie beantragten, es sei die Plakatierung vom 7. Mai 2023 bis zum 25. Juli 2023 am Standort "Hirsgarten" und an den beiden Standorten "Vilette" zu bewilligen. Eventualiter sei die Volksabstimmung vom 18. Juni 2023 über das KIG abzubrechen bzw. das Ergebnis aufzuheben. Der Regierungsrat wies die Beschwerde am 10. Mai 2023 unter Hinweis auf Art. 79 Abs. 2bis des Bundesgesetzes über die politischen Rechte vom 17. Dezember 1976 (BPR; SR 161.1) ab. Nach dieser Bestimmung weist die Kantonsregierung Abstimmungs- oder Wahlbeschwerden (im Sinne von Art. 77 Abs. 1 lit. b und c BPR) ohne nähere Prüfung ab, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten weder nach ihrer Art noch nach ihrem Umfang dazu geeignet waren, das Hauptresultat der Abstimmung oder Wahl wesentlich zu beeinflussen. 
 
3.  
Gegen den Beschluss des Regierungsrats vom 10. Mai 2023 haben Stefan Thöni und die Partei für Rationale Politik, Allgemeine Menschenrechte und Teilhabe (PARAT) am 16. Mai 2023 gemeinsam Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und die Plakatierung vom 7. Mai 2023 bis zum 25. Juli 2023 am Standort "Hirsgarten" und an den beiden Standorten "Vilette" zu bewilligen (Hauptantrag). Eventualiter sei der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Eventualantrag). Subeventualiter sei die Volksabstimmung vom 18. Juni 2023 über das KIG abzubrechen bzw. das Ergebnis aufzuheben (Subeventualantrag). 
Die Gemeinde Cham beantragt Beschwerdeabweisung. Die Direktion des Innern des Kantons Zug für den Regierungsrat beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten (Hauptantrag und Eventualantrag) bzw. die Beschwerde sei abzuweisen (Subeventualantrag). Die vom Bundesgericht zur Stellungnahme eingeladene Bundeskanzlei hat unter anderem Folgendes erwogen: 
 
"Im Falle von Unregelmässigkeiten bei Wahlen und Abstimmungen ist nach Artikel 77 Absatz 1 Buchstaben b und c BPR zunächst bei der Kantonsregierung Beschwerde zu führen. Ihre Zuständigkeit gründet auf dem Umstand, dass die Kantone beim Vollzug der eidgenössischen Urnengänge eine tragende Rolle spielen (vgl. Art. 10 Abs. 2 BPR). Als oberste kantonale Vollzugsbehörde übt die Kantonsregierung eine Aufsichtsfunktion aus und verfügt über die notwendigen Mittel, um allfällige Unregelmässigkeiten zu korrigieren. Artikel 79 Absatz 2 BPR sieht ausdrücklich vor, dass die Kantonsregierung auf Beschwerde hin oder von Amtes wegen die notwendigen Verfügungen zur Behebung der Mängel trifft, wenn sie Unregelmässigkeiten feststellt. Das Vorliegen einer Beschwerde ist folglich keine Voraussetzung, um festgestellte Unregelmässigkeiten zu beheben... Allfällige Interventionen sollen, wenn möglich, noch vor Schluss des Wahl- oder Abstimmungsverfahrens erfolgen, damit die ordnungsgemässe Durchführung des Urnengangs sichergestellt werden kann. In der Lehre werden der Wahl- und Abstimmungsbeschwerde aus den genannten Gründen daher auch aufsichtsrechtliche Züge attestiert... 
Wenn die Kantonsregierung im Vorfeld einer Volksabstimmung oder einer Wahl eine Unregelmässigkeit feststellt, so ist sie nach Artikel 79 Absatz 2 BPR folglich zur Behebung der Mängel verpflichtet. Aus Sicht der Bundeskanzlei spielt die Schwere eines Mangels zu diesem Zeitpunkt eine untergeordnete Rolle, zumal der Einfluss auf den Ausgang der Abstimmung noch nicht abgeschätzt werden kann. Die Verantwortung der Kantone für den korrekten Ablauf der Wahlen und Abstimmungen soll durch die Bestimmung in Artikel 79 Absatz 2bis BPR nicht geschmälert werden..." 
 
4.  
Der angefochtene Beschluss des Regierungsrats betrifft einen Entscheid der Gemeinde Cham im Vorfeld einer eidgenössischen Volksabstimmung. Damit handelt es sich bei der erhobenen Beschwerde um eine Beschwerde in Stimmrechtssachen nach Art. 82 lit. c BGG. Diese unterliegt dem Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses. Fällt ein solches während der Hängigkeit des bundesgerichtlichen Verfahrens dahin, so wird die Beschwerde grundsätzlich als gegenstandslos geworden abgeschrieben (Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 72 des Bundesgesetzes über den Bundeszivilprozess vom 4. Dezember 1947 [BZP; SR 273]; BGE 142 I 135 E. 1.3.1; Verfügung 1C_627/2020 vom 23. März 2021 E. 2). 
 
4.1. Die Ausführungen der Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht, wonach die Beschwerdeführenden schon bei Einreichung der Beschwerde an das Bundesgericht am 16. Mai 2023 kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr gehabt hätten, überzeugen nicht, zumal gegen Vorbereitungshandlungen von Abstimmungen gerichtete Beschwerden als gegen die Abstimmung gerichtet verstanden werden, wenn der Urnengang in der Zwischenzeit stattgefunden hat (vgl. BGE 145 I 282 E. 2.2.3) und die Beschwerdeführenden für diesen Fall ausdrücklich die Aufhebung des Resultats der Abstimmung beantragt haben.  
 
4.2. Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdeführenden nach der Durchführung der eidgenössischen Volksabstimmung am 18. Juni 2023 über das KIG noch ein aktuelles Rechtsschutzinteresse haben. Dieses ist jedenfalls dahingefallen, soweit die Beschwerdeführenden konkrete Massnahmen im Hinblick auf die Abstimmung oder den Abbruch der Abstimmung verlangt haben. Die Beschwerdeführerin 1, handelnd durch den Beschwerdeführer 2, erklärte in der Abstimmungsbeschwerde an den Regierungsrat, sie unterstütze das KIG. Wie auf der Homepage der Beschwerdeführerin 1 ersichtlich ist, fasste diese zur Abstimmung die Ja-Parole (vgl. https://parat.swiss/parolen/ <besucht am 11. Juli 2023>). Gemäss vorläufigem amtlichem Endergebnis wurde das KIG von den Stimmberechtigten bei einer Stimmbeteiligung von 42,54 % mit 1'380'949 Ja-Stimmen (59,07 %) zu 957'064 Nein-Stimmen (40,93 %) angenommen. Nachdem die Abstimmung im Sinne der Beschwerdeführenden ausgegangen ist, ist das aktuelle Interesse an der Behandlung der Beschwerde dahingefallen, auch soweit sie die Aufhebung des Abstimmungsresultats bzw. die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz beantragt haben.  
 
4.3. Zwar tritt das Bundesgericht ausnahmsweise trotz fehlenden aktuellen Interesses auf eine Beschwerde ein, wenn sich die mit der Beschwerde aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten, ohne dass im Einzelfall rechtzeitig eine höchstrichterliche Prüfung möglich wäre (BGE 147 I 478 E. 2.2; Verfügung 1C_627/2020 vom 23. März 2021 E. 2; je mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind vorliegend indessen nicht erfüllt, zumal das Bundesgericht die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen in einem ähnlich gelagerten Fall jedenfalls dann überprüfen könnte, wenn eine Volksabstimmung nicht im Sinne der Beschwerdeführerschaft ausginge (vgl. Verfügung 1C_127/2017 vom 1. Juni 2017 E. 3). Dies gilt auch für den Fall, in dem das Resultat einer nicht im Sinne der Beschwerdeführerschaft ausgegangenen Abstimmung deutlich ist, zumal das Bundesgericht praxisgemäss auch in solchen Fällen prüft, ob die beanstandeten behördlichen Akte im Vorfeld einer Volksabstimmung mit den politischen Rechten der Beschwerdeführerschaft vereinbar sind (vgl. BGE 145 I 1, 282; Urteil 1C_247/2018 vom 12. März 2019, in: ZBl 121/2020 S. 223). Ausserdem steht es den Beschwerdeführenden offen, ein künftiges Gesuch um Plakatierung an den von ihr gewünschten Orten bei der Gemeinde Cham so frühzeitig einzureichen, dass ein allfälliges Rechtsmittelverfahren - auch vor Bundesgericht - vor dem Abstimmungstermin abgeschlossen werden könnte.  
 
5.  
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Verfahren nach Art. 32 Abs. 2 BGG als gegenstandslos geworden abzuschreiben. Es rechtfertigt sich, auf eine Kostenauflage zu verzichten (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet (vgl. Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach verfügt der Präsident:  
 
1.  
Das Verfahren wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
 
4.  
Diese Verfügung wird den Beschwerdeführenden, dem Gemeinderat Cham, der Bundeskanzlei und dem Regierungsrat des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Juli 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Mattle