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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_261/2022  
 
 
Urteil vom 6. November 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, 
Gerichtsschreiber Stadler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. B.A.________, 
2. C.A.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Yannick Gloor, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt, 
Rohanstrasse 5, 7000 Chur, 
2. D.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Hess, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Fahrlässige Körperverletzung; Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer, vom 19. Januar 2022 
(SK1 20 3). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.A.________ fuhr am 12. September 2016 mit seiner Ehefrau C.A.________ auf dem Beifahrersitz auf seinem Motorrad auf der U.________passstrasse in Richtung U.________. In der letzten Wendekehre vor dem Schiessstand U.________ versuchte er - korrekt fahrend - das Motorrad abzubremsen, die Bremsen sprachen jedoch ohne sein Verschuden nicht an. In der Folge fuhr das Fahrzeug unkontrolliert ca. 25 Meter den Abhang hinunter und kam in einem Bachbett zum Stillstand. B.A.________ zog sich dabei schwere Verletzungen (namentlich eine Paraplegie unter BWK 6) zu, welche als lebensgefährlich eingestuft wurden. C.A.________ erlitt diverse Frakturen, welche nicht als lebensgefährlich eingestuft wurden. 
Die Staatsanwaltschaft Graubünden wirft D.________ im Wesentlichen vor, als verantwortlicher Garagist die Servicearbeiten am Motorrad von B.A.________ nicht ordnungsgemäss ausgeführt zu haben, indem er die Bremsflüssigkeit nicht alle zwei Jahre ausgewechselt habe, insbesondere nachdem B.A.________ ihn im Frühling 2016 beauftragt habe, das Motorrad zu revidieren. Aufgrund der ungenügenden Arbeiten von D.________ sei die vordere Bremsflüssigkeit in einem schlechten Zustand gewesen und habe einen tiefen Nasssiedepunkt aufgewiesen. Diese Mängel in der Bremsanlage hätten schliesslich zum erwähnten Unfall geführt, weil eine starke Beanspruchung derselben in diesem Zustand den Totalausfall der vorderen und hinteren Bremse zur Folge gehabt habe. 
 
B.  
Mit Urteil des Regionalgerichts Viamala vom 10. September 2019 wurde D.________ vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil von C.A.________ und der schweren fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil von B.A.________ freigesprochen. Die Zivilklagen von B.A.________ und C.A.________ wurden auf den Zivilweg verwiesen. 
Auf Berufung von B.A.________ und C.A.________ hin bestätigte das Kantonsgericht Graubünden am 19. Januar 2022 den vollumfänglichen Freispruch von D.________. Die Zivilklage von B.A.________ und C.A.________ verwies es ebenso auf den Zivilweg. 
 
C.  
B.A.________ und C.A.________ gelangen mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht und beantragen, das kantonsgerichtliche Urteil vom 19. Januar 2022 sei vollumfänglich aufzuheben und D.________ sei wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 StGB zum Nachteil der Beschwerdeführerin 2 und der schweren fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil des Beschwerdeführers 1 gemäss Art. 125 Abs. 2 StGB schuldig zu sprechen sowie angemessen zu bestrafen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, mit der Anordnung, "den rechtserheblichen Sachverhalt festzustellen". 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerdeberechtigung richtet sich nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 5 BGG. Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Als Zivilansprüche gelten solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. In erster Linie handelt es sich um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art. 41 ff. OR (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist, das heisst Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsguts ist (Art. 115 Abs. 1 StPO; BGE 143 IV 77 E. 2.2 mit Hinweisen). Aufgrund der im Raum stehenden strafrechtlichen Vorwürfe ist offensichtlich, dass sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung der von den Beschwerdeführern adhäsionsweise geltend gemachten und von der Vorinstanz auf den Zivilweg verwiesenen Zivilansprüche, namentlich Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche, auswirken kann. Auf die Beschwerde ist daher - unter Vorbehalt der nachfolgenden Ausführungen - einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführer üben Sachverhaltskritik. Sie machen zusammengefasst geltend, der Beschwerdegegner 2 habe mit Entgegennahme des Motorrads die vertragliche Pflicht übernommen, dass dieses in technisch einwandfreiem Zustand an den Beschwerdeführer 1 zurückgegeben werde. Der Beschwerdegegner 2 habe seine Sorgfaltspflicht verletzt, indem er es unterlassen habe, den Beschwerdeführer 1 auf fällige Inspektionen aufmerksam zu machen.  
 
2.2. Vorab ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer 1 und die Beschwerdeführerin 2 anklagegemäss am 12. September 2016 auf der U.________passstrasse verunfallten und dabei die in der Anklage aufgeführten Verletzungen erlitten. Weiter ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer 1 sein Motorrad einige Monate vor dem Unfall, im Frühling 2016, in die Garage des Beschwerdegegners 2 brachte und ihm sagte, er solle das Motorrad "zwäg machen", damit er fahren könne.  
Die Vorinstanz stellte sodann - aus Sicht der Beschwerdeführer zu Recht - fest, in Würdigung sämtlicher Beweise bei objektiver Gesamtbetrachtung bestehe kein Zweifel daran, dass der Unfall auf ein Bremsversagen, verursacht durch den schlechten Zustand der Bremsflüssigkeit, zurückzuführen sei. Soweit im Übrigen bestritten, geht die Vorinstanz davon aus, dass das Unterlassen des Wechsels der Bremsflüssigkeit in strafrechtlicher Hinsicht nicht dem Beschwerdegegner 2 angelastet werden könne. Sie erachtet nach Würdigung sämtlicher Beweismittel als wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer 1 den Beschwerdegegner 2 im Frühling 2016 aufgesucht habe, damit dieser an dessen Fahrzeug einen Service durchführe. Aufgrund der gewählten Formulierung des Auftrags sei für den Beschwerdegegner 2 jedoch nicht erkennbar gewesen, dass eine komplette Inspektion gemäss Wartungsplan und nicht lediglich die Erledigung punktueller Arbeiten im Rahmen einer Frühjahrsinbetriebnahme nach Wintereinlagerung des Fahrzeugs gewünscht gewesen seien. Somit habe auch kein konkreter Auftrag zum Wechseln der Bremsflüssigkeit bestanden. Eine allgemeine Pflicht des Mechanikers, seine Kunden auf fällige Inspektionen aufmerksam zu machen, bestehe nicht. 
 
2.3. Das Bundesgericht ist als oberste Recht sprechende Behörde (Art. 1 Abs. 1 BGG) keine strafrechtliche Berufungsinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt oder die vorinstanzliche Beweiswürdigung mit freier Kognition überprüft (BGE 148 IV 409 E. 2.2). Es legt seinem Urteil vielmehr den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 148 IV 409 E. 2.2, 356 E. 2.1; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; 143 IV 500 E. 1.1; je mit Hinweisen). Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 148 I 127 E. 4.3; 146 IV 297 E. 2.2.5; 141 IV 369 E. 6.3). Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint oder sogar vorzuziehen wäre, genügt nicht (BGE 148 IV 374 E. 3.2.2 mit Hinweis). Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 141 IV 305 E. 1.2 mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 409 E. 2.2, 356 E. 2.1; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).  
 
2.4. Die Beschwerdeführer verkennen diese Grundsätze. Obwohl sie in ihrer Beschwerde immer wieder "Willkür" rügen, setzen sie der vorinstanzlichen Beweiswürdigung in der Sache lediglich eine eigene, für sie günstige Würdigung der erhobenen Beweise entgegen. So bringen sie vor, die Vorinstanz habe völlig ausser Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer 1 in der Konfrontationseinvernahme vom 22. Juni 2018 ausgesagt habe, für ihn sei das Serviceheft nicht wichtig gewesen, weil der Beschwerdegegner 2 die durchgeführten Kontrollen resp. die getätigten Arbeiten am Motorrad im Computer registriert habe. Entgegen der Vorinstanz sehe die Frühjarsinbetriebnahme weder die Kontrolle des Reifenprofils noch der Bremsbeläge vor, geschweige denn die Auswechslung der Verschleissteile. Weiter habe der Beschwerdeführer 1 anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung vom 14. Januar 2022 auf die Frage, ob er dabei gewesen sei, als die Arbeiten durchgeführt worden seien, geantwortet: "Ziemlich sicher schon. Ich war meistens neben dem Töff. Die Arbeiten vor der MFK wurden in der Werkstatt durchgeführt". Mit solcherlei appellatorischer Kritik können die Beschwerdeführer vor Bundesgericht aber nicht gehört werden: Statt eine geradezu ins Auge springende Unhaltbarkeit der vorinstanzlichen Erwägungen aufzuzeigen, beruht ihre Argumentation auf dem Bemühen, die erhobenen Beweise in einem für sie möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen. Damit gelingt es den Beschwerdeführern allenfalls, eine alternative Beweiswürdigung aufzuzeigen, nicht aber Willkür.  
Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung ist derweil nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz legt insbesondere dar, dass und inwiefern der Beschwerdegegner 2 beim Auftrag des Beschwerdeführers 1, er solle das Motorrad für die Saison "zwäg machen", davon ausgegangen sei, dass lediglich jene Arbeiten vorzunehmen seien, wie sie dann auch durchgeführt worden sind, und der Beschwerdegegner 2 diesen Auftrag nicht zur Durchführung eines Service zu verstehen gehabt habe, welcher auch den Wechsel der Bremsflüssigkeit beinhaltet hätte. Im Übrigen - so die Vorinstanz - enthalte das Bedienerhandbuch des Fahrzeugs u.a. Listen mit vorzunehmenden Massnahmen für die Einwinterung, den Winterbetrieb, die Frühjahrsinbetriebnahme nach Wintereinlagerung sowie die Frühjahrsinspektion nach Winterbetrieb. Dabei falle auf, dass weder die Frühjahrsinbetriebnahme nach Wintereinlagerung noch die Frühjahrsinspektion nach Winterbetrieb explizit den Wechsel der Bremsflüssigkeit vorsehen würden. Wenn die Vorinstanz, ohne einen unabhängigen gerichtlichen Sachverständigen beizuziehen, zur Auffassung gelangte, den Mechaniker treffe keine allgemeine Pflicht, seinen Kunden auf fällige Inspektionen aufmerksam zu machen, ist dies jedenfalls unter Willkürgesichtspunkten nicht zu beanstanden. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie haften für die Gerichtskosten solidarisch (Art. 66 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. November 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Stadler