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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_204/2022  
 
 
Urteil vom 22. September 2022  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichterin Kiss, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Stähle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch 
Rechtsanwalt Dr. Marco S. Marty und 
Rechtsanwältin Claudia Durgnat-Nuzzo, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwälte 
Thomas Kälin und Matthias Leemann, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Vermögensverwaltung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 23. März 2022 (NP210032-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (Auftraggeberin, Klägerin, Beschwerdeführerin) und B.________ (Beauftragte, Beklagte, Beschwerdegegnerin) schlossen am 22. Juli 2012 einen Vermögensverwaltungsvertrag ab. 
Am 23. Januar 2014 kündigte die Klägerin diesen Vertrag. 
 
B.  
Am 9. November 2017 reichte die Klägerin beim Bezirksgericht Andelfingen eine Teilklage ein, mit der sie verlangte, die Beklagte sei zu verurteilen, ihr Fr. 29'000.-- nebst Zins zu bezahlen, unter dem Vorbehalt der Nachklage. Sie warf der Beklagten eine vertrags- respektive sorgfaltswidrige Vermögensverwaltungstätigkeit vor: Diese habe das Portfolio nicht aktiv und dynamisch bewirtschaftet, sondern sei weitgehend passiv geblieben. Ein sorgfältiger Vermögensverwalter hätte bei vertragskonformer Anlage eine Rendite von mindestens 25 % erzielt. Es sei ihr (der Klägerin) ein Schaden von insgesamt EUR 107'856.15 bis EUR 118'264.-- entstanden. 
Mit Urteil vom 7. Juni 2021 wies das Bezirksgericht die Klage ab. 
Die Klägerin focht dieses Urteil mit Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich an. Dieses wies die Berufung mit Urteil vom 23. März 2022 ab. Das Obergericht hielt fest, die Klägerin fordere sowohl Ersatz für eine angeblich sorgfaltswidrige Verminderung ihres Vermögens als auch für den Gewinn, welcher ihr aufgrund der behauptetermassen pflichtwidrigen Vermögensverwaltung der Beklagten entgangen sei. Zur Begründung einer solchen Schadenersatzpflicht wäre es - so das Obergericht - an der Klägerin gewesen, aufzuzeigen, wie das fragliche Vermögen bei vertragskonformer Tätigkeit hätte angelegt werden müssen und wie sich das Vermögen bei pflichtgemässer Anlage entwickelt hätte. Die Klägerin habe aber in ihren Rechtsschriften keine Ausführungen zu alternativen Anlagen beziehungsweise zur pflichtgemässen Zusammensetzung ihres Portfolios gemacht, sondern sich mit abstrakten Behauptungen zur hypothetischen Entwicklung ihrer Vermögenswerte begnügt. Eine richterliche Schadensschätzung in Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR sei nicht möglich, da die Klägerin die Umstände nicht hinreichend behauptet habe, welche eine Schätzung des Schadensumfangs erlauben würden. Insgesamt erwiesen sich die klägerischen Behauptungen zum Schaden als unsubstantiiert. Die erstinstanzliche Klageabweisung sei zu Recht erfolgt. 
 
C.  
Die Klägerin verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen und eventualiter mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. In der Sache wiederholt sie das vor Erstinstanz gestellte Begehren. Im Eventualstandpunkt beantragt sie die Rückweisung der Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. 
Das Obergericht verzichtete auf Vernehmlassung. Die Beschwerdegegnerin begehrt ausweislich ihres Rechtsbegehrens die Abweisung der Beschwerde; aus der Beschwerdebegründung erhellt, dass sie die Beschwerde auch für unzulässig hält. Die Beschwerdeführerin replizierte, worauf die Beschwerdegegnerin eine Duplik eingereicht hat. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das angefochtene Urteil des Obergerichts ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer Vorinstanz im Sinne von Art. 75 BGG
 
2.  
 
2.1. Der Streitwert erreicht die Grenze von Fr. 30'000.-- gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG nicht, wie auch die Beschwerdeführerin einräumt. Unter diesen Umständen ist die Beschwerde in Zivilsachen nach Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dies sei der Fall.  
 
2.2. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt vor, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen (BGE 146 III 237 E. 1; 144 III 164 E. 1; 141 III 159 E. 1.2). Der Begriff der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist restriktiv auszulegen. Soweit es bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BGE 135 III 1 E. 1.3 mit weiteren Hinweisen). Wenn geltend gemacht wird, dass von den unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden, muss die zu beurteilende Streitsache überdies geeignet sein, die Frage auch mit Bezug auf die anderen Fälle zu klären (BGE 139 II 340 E. 4 S. 343).  
Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, so ist in der Beschwerde auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BGG). 
 
2.3. Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang in der Beschwerde vor, das Obergericht habe den Unterschieden zwischen der blossen Anlageberatung einerseits und der Vermögensverwaltung andererseits nicht hinreichend Rechnung getragen. Beim Vermögensverwaltungsvertrag - wie er hier vorliege - sei klar, dass der Kundin "das nötige Fachwissen fehle (sonst müsste sie ja keine Vermögensverwaltung engagieren) ". Entsprechend könne von ihr im Rahmen der klageweisen Schadenssubstantiierung nicht verlangt werden, dass sie konkrete alternative Aktientitel nenne, "in welche hätte investiert werden müssen". Dies habe auch das Bundesgericht im Urteil 4A_449/2018 vom 25. März 2019 E. 6.2.4 festgehalten. Die Vorinstanz habe dieses Bundesgerichtsurteil falsch "ausgelegt"; das Obergericht hätte bei richtiger Betrachtung schliessen müssen, dass sie (die Beschwerdeführerin) "ihrer Substantiierungspflicht rechtsgenüglich nachgekommen" sei.  
Mit diesen Ausführungen vermag die Beschwerdeführerin offensichtlich nicht aufzuzeigen, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG stellt. Sie begnügt sich damit, der Vorinstanz eine unrichtige Rechtsanwendung vorzuwerfen, ohne überhaupt darzulegen, welche konkrete Rechtsfrage sie vom Bundesgericht beantwortet haben möchte und inwiefern dieser grundsätzliche Bedeutung im eben dargestellten Sinn zukäme. Im Übrigen hat sich das Bundesgericht bereits einlässlich zur Schadensbestimmung bei der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung sowie den diesbezüglichen Substantiierungsanforderungen geäussert (siehe nur BGE 144 III 155 E. 2). 
 
2.4. Die Beschwerde in Zivilsachen ist nicht zulässig.  
 
3.  
 
3.1. Folglich steht die von der Beschwerdeführerin ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde im Sinne der Art. 113-119 BGG offen.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Diesbezüglich gilt eine qualifizierte Rügepflicht. Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 117 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG). Dies bedeutet, dass klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 135 III 232 E. 1.2; 134 I 83 E. 3.2; je mit weiteren Hinweisen).  
 
3.2.2. Macht die beschwerdeführende Partei eine Verletzung des Willkürverbots geltend, genügt es nicht, wenn sie einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich (BGE 134 II 349 E. 3; 133 I 1 E. 5.5). Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls in Betracht zu ziehen oder gar vorzuziehen wäre, sondern bloss, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 141 III 564 E. 4.1; 140 III 16 E. 2.1; je mit Hinweisen).  
 
3.3. Was den an verschiedenen Stellen der Beschwerdeschrift erhobenen Vorwurf der Willkür anbelangt, übergeht die Beschwerdeführerin, dass eine Gesetzesverletzung als solche noch keine Willkür bedeutet. Selbst wenn zuträfe, dass das Obergericht Art. 42 Abs. 2 OR, Art. 58 sowie Art. 247 Abs. 1 ZPO unrichtig angewandt oder der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht Folge geleistet hätte, wie dies die Beschwerdeführerin behauptet, wäre darin allein keine Missachtung des Willkürverbots zu sehen. Die Beschwerdeführerin hätte darlegen müssen, dass das angefochtene Urteil geradezu offensichtlich unhaltbar ist, und zwar nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis (BGE 140 III 16 E. 2.1). Dies hat sie unterlassen.  
 
3.4. In den Rz. 42-46 der Beschwerde moniert die Beschwerdeführerin eine "falsche Feststellung" des (Prozess-) Sachverhalts. Im angefochtenen Urteil werde übergangen, dass sie in den vor Bezirksgericht eingereichten Rechtsschriften eine sorgfaltswidrige Verwaltung des Gesamtportfolios und nicht die vertragswidrige Anlage einzelner Titel beklagt habe. Dies zeitige nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Auswirkungen auf die Substantiierungsanforderungen.  
Auch insoweit laufen die Vorbringen der Beschwerdeführerin - wie sie denn auch ausdrücklich schreibt - auf die Kritik hinaus, die Vorinstanz habe "die diesbezügliche Rechtsprechung unberücksichtigt gelassen". Willkür tut die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich dar. 
 
3.5. Die Beschwerdeführerin rügt ferner, dass die "Abweisung der Klage aufgrund einer (angeblich) nicht gerechtfertigten ungenügenden Substantiierung" ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletze (Art. 29 Abs. 2 BV).  
Die Abweisung einer Klage mangels hinreichender Substantiierung der anspruchsbegründenden Tatsachen stellt selbstredend keine Missachtung des Gehörsanspruchs dar. Genau besehen kritisiert die Beschwerdeführerin unter dem Vorwand der Gehörsverletzung die Rechtsanwendung des Obergerichts. Eine hinreichend begründete Verfassungsrüge stellt dies nicht dar. 
 
3.6. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist nicht einzutreten.  
 
4.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. September 2022 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Hohl 
 
Der Gerichtsschreiber: Stähle