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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_462/2022  
 
 
Urteil vom 31. Mai 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jonas Steiner, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 14. September 2022 (VBE.2021.505). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1975 geborene, zuletzt als Pflegehelferin tätig gewesene A.________ meldete sich im September 2018 unter Hinweis auf psychische Beeinträchtigungen bei der Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau sprach ihr Frühinterventions- und Integrationsmassnahmen (Belastbarkeits- und Aufbautraining) zu und richtete entsprechende Taggelder aus. Nach Rücksprache mit ihrem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) holte sie bei Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, ein Gutachten ein, welches am 20. April 2021 erstattet wurde. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach sie A.________ mit Wirkung ab 1. März 2019 aufgrund eines ermittelten Invaliditätsgrades von 46 % eine Viertelsrente zu, welche sie während der Dauer des Taggeldbezugs sistierte (Verfügung vom 14. Oktober 2021). 
 
B.  
Beschwerdeweise liess A.________ die Aufhebung der Verfügung und die Zusprache einer ganzen Invalidenrente beantragen. Eventualiter sei ein Obergutachten in Auftrag zu geben und subeventualiter die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie ein neues psychiatrisches Gutachten unter Ausschluss von Dr. med. B.________ in Auftrag gebe. Mit Urteil vom 14. September 2022 wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Beschwerde ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und das Rechtsbegehren stellen, das kantonale Urteil sei aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, ihr die gesetzlichen Leistungen, namentlich eine Invalidenrente, zu gewähren. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie weitere medizinische Abklärungen vornehme, namentlich ein Obergutachten einhole. 
Während die IV-Stelle sich innert Frist nicht vernehmen liess bzw. verspätet auf Abweisung der Beschwerde schloss, verzichtete das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2 mit Hinweis). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie einen über die zugesprochene Viertelsrente hinausgehenden Rentenanspruch der Beschwerdeführerin verneinte. Im Zentrum steht dabei letztinstanzlich die Frage nach dem Beweiswert des von der IV-Stelle bei Dr. med. B.________ eingeholten psychiatrischen Gutachtens vom 20. April 2021. 
 
3.  
Im angefochtenen Urteil werden die hier massgebenden Rechtsgrundlagen, insbesondere die Grundsätze zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3 mit Hinweisen), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz erachtete das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 20. April 2021 als beweiskräftig. Gestützt darauf stellte sie fest, dass der Beschwerdeführerin aufgrund der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F68.8; mit selbstunsicheren, ängstlich-phobischen, histrionischen und emotional instabilen Anteilen, mit gegenwärtig Abstinenz von Tabak, Alkohol und Drogen sowie anamnestisch Abhängigkeitssyndromen von Alkohol und Tabak, bei belastenden Lebenserfahrungen) in einer angepassten Tätigkeit eine Präsenzzeit von sechs Stunden täglich (70 %-Pensum) zumutbar sei, wobei aufgrund einer verminderten Belastbarkeit und eines vermehrten Betreuungsaufwandes insgesamt eine Arbeitsfähigkeit von 60 % bestehe.  
 
4.2. Wie bereits im kantonalen Verfahren bestreitet die Beschwerdeführerin die Beweistauglichkeit des psychiatrischen Gutachtens vom 20. April 2021 mit der Begründung, Dr. med. B.________ habe die medizinischen Zusammenhänge und die gesundheitliche Situation nicht einleuchtend beurteilt. Es gebe mehrere Anhaltspunkte für Zweifel an seiner Einschätzung, was entweder zur Rückweisung und damit zu einer erneuten medizinischen Begutachtung oder zu einem Obergutachten hätte führen müssen. So habe sich der Gutachter nicht hinreichend mit den invaliditätsfremden Faktoren im Sinne der Frage nach einer verselbstständigten psychischen Störung auseinandergesetzt. Seine Aussage, es lägen nichtkrankheitsbedingte Faktoren vor, welche nicht in die Beurteilung einfliessen würden, reiche dafür nicht aus. Zur Hauptsache aber bemängelt die Beschwerdeführerin, das Gutachten enthalte nichts zur Diskrepanz zwischen der darin attestierten Arbeitsfähigkeit von 60 % auf dem ersten Arbeitsmarkt und der von den Eingliederungsfachleuten der Stiftung C.________ sowie des Werkateliers D.________ verneinten Vermittelbarkeit (selbst für eine Tätigkeit im geschützten Rahmen). Es überzeuge nicht, wenn die Vorinstanz argumentiere, der Gutachter habe sich zumindest implizit dahingehend geäussert, dass trotz der aus den objektiven psychopathologischen Befunden resultierenden Defiziten durchaus eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit in einer Verweisungstätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt bestehe. Nach richtiger Auffassung müsste aus dem Text des Gutachtens im Sinne einer expliziten Stellungnahme hervorgehen, dass und inwiefern die gescheiterten Arbeitsversuche berücksichtigt wurden.  
 
4.2.1. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die gutachterlichen Ausführungen zum Vorliegen einer verselbstständigten (d.h. einer von der soziokulturellen Belastungssituation zu unterscheidenden; vgl. BGE 127 V 294 E. 5a) psychischen Störung seien ungenügend, kann ihr nicht gefolgt werden. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Dr. med. B.________ in seinem Gutachten vom 20. April 2021 diesbezüglich klar Stellung bezog, denn er bejahte die ihm dazu gestellte Frage, ob die Beschwerden erklärbar seien und Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit hätten bzw. ob es sich um ein eigenständiges psychisches Leiden handle. Weiter legte der Gutachter dar, dass beim Verlauf der Störung auch nichtkrankheitsbedingte (soziale) Faktoren (z.B. Herkunft, Migration, unsteter beruflicher Lebenslauf etc.) zu nennen seien, welche nicht in die Beurteilung der medizinisch-theoretischen Zumutbarkeit einer allfälligen Tätigkeit einfliessen, bei der Versicherten aber die medizinisch zumutbare Willensanstrengung zur Bewältigung der Defizite, die Motivation und die Möglichkeiten zur Leistungssteigerung sowie die flexible Orientierung am Arbeitsmarkt beeinträchtigen würden. Auf solche invaliditätsfremde Faktoren führte Dr. med. B.________ schliesslich auch die anlässlich der Untersuchung erkennbare Diskrepanz zwischen der subjektiv wahrgenommenen und der objektivierbaren Arbeitsunfähigkeit zurück. Mit anderen Worten gab er klar zu erkennen, dass er das Beschwerdebild prägende psychosoziale Belastungsfaktoren bei seiner Beurteilung ausklammerte, was korrekt ist und zu keinen Beanstandungen Anlass gibt.  
 
4.2.2. Zu prüfen bleibt der Haupteinwand der Beschwerdeführerin.  
 
4.2.2.1. Nach der Rechtsprechung obliegt die abschliessende Beurteilung der sich aus einem Gesundheitsschaden ergebenden funktionellen Leistungsfähigkeit in der Hauptsache den ärztlichen Fachkräften (BGE 140 V 193 E. 3.2; Urteile 9C_441/2019 vom 28. Oktober 2019 E. 3.1; 9C_646/2016 vom 16. März 2017 E. 4.2.2). Allerdings darf den Ergebnissen leistungsorientierter beruflicher Abklärungen nicht jegliche Aussagekraft für die Beurteilung der Restarbeitsfähigkeit abgesprochen werden (Urteile 9C_501/2019 vom 15. Oktober 2019 E. 3.4.3; 9C_512/2013 vom 16. Januar 2014 E. 5.2.1). Es wäre aber auch nicht sachgemäss, allein auf diese Evaluationen abzustellen, weil sie in der Regel auf berufspraktischen Beobachtungen beruhen, welche in erster Linie die dabei erhobene, subjektive Arbeitsleistung der versicherten Person wiedergeben (Urteil 9C_646/2016 vom 16. März 2017 E. 4.2.2). Steht indessen eine medizinische Einschätzung der Leistungsfähigkeit in offensichtlicher und erheblicher Diskrepanz zu einer Leistung, wie sie während einer ausführlichen beruflichen Abklärung bei einwandfreiem Arbeitsverhalten/-einsatz der versicherten Person effektiv realisiert und gemäss Einschätzung der Berufsfachleute objektiv realisierbar ist, vermag dies ernsthafte Zweifel an den ärztlichen Annahmen zu begründen und ist die Einholung einer klärenden medizinischen Stellungnahme grundsätzlich unabdingbar (Urteile 9C_441/2019 vom 28. Oktober 2019 E. 3.1; 9C_512/2013 vom 16. Januar 2014 E. 5.2.1; 9C_737/2011 vom 16. Oktober 2012 E. 3.3).  
 
4.2.2.2. Im angefochtenen Entscheid fehlen verbindliche tatsächliche Feststellungen zu den in diesem Zusammenhang zu würdigenden Verhältnissen, weil die Vorinstanz ihnen keine Bedeutung beimass. Da die Akten aber insoweit liquid sind, kann das Bundesgericht den Sachverhalt diesbezüglich selber ergänzen (BGE 143 V 177 E. 4.3; 140 V 22 E. 5.4.5).  
 
4.2.2.3. Die Beschwerdeführerin absolvierte vom 21. Januar bis 15. März 2019 (vorzeitiger Abbruch) im Werkatelier D.________ ein Belastbarkeitstraining und vom 19. August bis 22. März 2020 (vorzeitiger Abbruch) in der Stiftung C.________ ein Belastbarkeits- und ein Aufbautraining. In den von den Eingliederungsfachleuten der beiden Einrichtungen erstellten Schlussberichten vom 30. April 2019 und 2. April 2020 wurde sie übereinstimmend als nicht vermittelbar betrachtet. Unter Hinweis auf die Rückmeldung der Stiftung C.________ hielt der Eingliederungsberater der IV-Stelle fest, dass das Aufbautraining aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen werde und eine Wiedereingliederung mit Blick auf den bisherigen Verlauf aktuell kein realistisches Ziel darstelle (Abschlussbericht Integration vom 19. März 2020); es sei nicht abschätzbar, ob und wann eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt möglich sein werde (Informationsschreiben ans Regionale Arbeitsvermittlungszentrum vom 1. Juli 2020). Die Betreuungsperson im Werkatelier D.________ führte in ihrem Bericht vom 30. April 2019 aus, dass die Versicherte sehr kontaktschwach und ängstlich sei. Um vom Arbeitsgeschehen im Team nicht gestört und überfordert zu werden, benötige sie einen "abgeschirmten" Arbeitsplatz (allein in einem separaten Raum, was im ersten Arbeitsmarkt im Bereich Pflege [in welchem die Beschwerdeführerin zuletzt tätig war] nicht denkbar sei). Sie verfüge damit noch nicht über die für die Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes erforderliche psychische Stabilität. Dabei sei die Versicherte zwar sehr bemüht, ihr Bestes zu geben, durch ihre "psychische Instabilität" sei sie aber trotz guten Willens noch nicht in der Lage, sich nachhaltig zu stabilisieren. Die in der Stiftung C.________ zuständige Fachperson gab im Bericht vom 2. April 2020 an, man habe die Beschwerdeführerin als "bemüht" und "gewillt" erlebt, das Training umzusetzen, doch sei sie nicht in der Lage gewesen, Konstanz bzw. Stabilität für einen weiteren Aufbau zu erlangen. Die angestrebten Ziele hätten nicht erreicht werden können. Beim Einsatz in der Küche sei sie zwar auf ein Maximalpensum von drei Stunden pro Tag gekommen; mit dem Wechsel in die Montage aufgrund der neu diagnostizierten Hepatitis-C-Erkrankung sei es aber nicht möglich gewesen, dieses Pensum aufrechtzuerhalten (meistens habe sie noch maximal 2.25 Stunden, oft auch nur 30 Minuten oder eine Stunde gearbeitet). Die Versicherte habe kaum konstant und regelmässig kommen können, auch wenn es ihr grosser Wille gewesen sei. Die Instabilität, das (noch) nicht mögliche Umsetzen einer verbindlichen Präsenz und das zu geringe Pensum stünden zum jetzigen Zeitpunkt (auch) einer Anstellung in einem geschützten Rahmen im Wege.  
 
4.2.2.4. Aus den Schlussberichten vom 30. April 2019 und 2. April 2020 zu den sich in den Jahren 2019 und 2020 über mehrere Wochen bzw. mehrere Monate erstreckenden beruflichen Integrationsmassnahmen ergibt sich, dass die Versicherte trotz subjektiver Eingliederungsbereitschaft sowohl im Werkatelier D.________ als auch in der Stiftung C.________ objektiv nur eine sehr geringe Leistung erbringen konnte. Dies steht in einem deutlichen Gegensatz zur später, im April 2021, gutachterlich attestierten Arbeitsfähigkeit von 60 %. Dabei ergeben sich aus den Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die gesundheitlichen Verhältnisse und die Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin in der Zeit zwischen den Belastungs- bzw. Aufbautrainings und der gutachterlichen Beurteilung richtungsweisend verbessert hätten. Den Gegensatz vermag auch nicht zu erklären, dass die Betreuungsperson im Werkatelier D.________ ihre Ausführungen hauptsächlich auf die von der Beschwerdeführerin früher innegehabte Tätigkeit in der Pflege bezog (für welchen Bereich auch Dr. med. B.________ von einer Arbeitsfähigkeit von lediglich 35 % ausging), weil sie ihre Einschätzung nicht allein darauf beschränkte. Ebenso wenig kann gesagt werden, die Berichte vom 30. April 2019 und 2. April 2020 befassten sich nur mit der Verwertbarkeit einer feststehenden Restarbeitsfähigkeit, gehen doch die Ausführungen darüber hinaus. Bei dieser Sachlage hätte aufgrund der Diskrepanz zwischen den beiden Einschätzungen praxisgemäss grundsätzlich eine klärende medizinische Stellungnahme eingeholt werden müssen (vgl. E. 4.2.2.1 in fine).  
 
4.2.2.5. Das kantonale Gericht hielt nun allerdings eine entsprechende Stellungnahme für entbehrlich mit dem Hinweis, der Gutachter habe die im Bericht der Stiftung C.________ vom 2. April 2020 festgestellte fehlende Vermittelbarkeit im ersten Arbeitsmarkt berücksichtigt, sei aber (zumindest implizit) zum Schluss gelangt, dass trotz der aus den objektiven psychopathologischen Befunden resultierenden funktionellen Defizite durchaus eine (eingeschränkte) Arbeitsfähigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt bestehe. Dieser vorinstanzlichen Argumentation ist vorab entgegenzuhalten, dass Dr. med. B.________ lediglich die entsprechende Passage aus dem Bericht vom 2. April 2020 wiedergab, ohne sich mit ihr inhaltlich auseinanderzusetzen, was nicht bereits den Schluss zulässt, er habe ihr im Rahmen seiner Arbeitsfähigkeitsschätzung Rechnung getragen. Sodann würde die in E. 4.2.2.1 in fine dargelegte Rechtsprechung ihres Sinnes entleert, wenn man mit dem kantonalen Gericht bereits die gutachterliche Arbeitsfähigkeitsbeurteilung als solche als "implizite" Stellungnahme zu abweichenden Einschätzungen der Berufsfachleute genügen liesse. Mit anderen Worten macht die Beschwerdeführerin zu Recht geltend, dass der Gutachter sich explizit zu Divergenzen, wie sie hier vorliegen, äussern muss. Da dies bisher nicht geschehen ist, rechtfertigt sich eine entsprechende Ergänzung, welche in der Form einer von der IV-Stelle einzuholenden gutachterlichen Stellungnahme erfolgen kann; ein neues Gutachten ist dazu nicht erforderlich.  
 
4.2.2.6. Nach dem Gesagten ist der rechtserhebliche Sachverhalt insofern zu vervollständigen, als eine ergänzende medizinische Stellungnahme einzuholen ist, welche sich zur Diskrepanz zwischen dem Gutachten des Dr. med. B.________ vom 20. April 2021 und den Berichten des Werkateliers D.________ vom 30. April 2019 sowie der Stiftung C.________ vom 2. April 2020 äussert. Zu diesem Zweck ist die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen.  
 
5.  
 
5.1. Die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zu weiterer Abklärung (mit noch offenem Ausgang) gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG (BGE 141 V 281 E. 11.1). Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Deren Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung, Verbeiständung) wird damit gegenstandslos.  
 
5.2. Zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens ist die Sache an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückzuweisen (Art. 67 und 68 Abs. 5 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 14. September 2022 und die Verwaltungsverfügung vom 14. Oktober 2021 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons Aargau zurückgewiesen wird, damit diese nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen über den Rentenanspruch neu verfüge. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Aargauischen Pensionskasse APK, Aarau, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 31. Mai 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann