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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_980/2023  
 
 
Urteil vom 6. Februar 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Mango-Meier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. Partei B.________, 
vertreten durch Herrn A.________, 
2. A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, III. Abteilung, Postfach 1356, 6301 Zug, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Gegenstand 
Zulassung als Privatkläger. 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, vom 21. November 2023 (BS 2023 56). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 24. Juni 2018 fand die Erneuerungswahl der Mitglieder des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug für die Amtsperiode 2019-2024 statt. Nebst sechs weiteren Personen wurde C.________ mit 9'736 Stimmen gewählt. A.________, der von der Partei B.________ als Kandidat aufgestellt worden war, erreichte mit 4'508 Stimmen hingegen das absolute Mehr nicht und wurde nicht gewählt. 
C.________ hat am 31. August 2021 ihre Schriften von Baar nach Zürich verlegt. Mit Schreiben vom 14. April 2022 teilte sie dem Verwaltungsgerichtspräsidenten mit, aufgrund ihres Wohnsitzwechsels in den Kanton Zürich lege sie ihr Amt als nebenamtliche Verwaltungsrichterin per sofort nieder. Am gleichen Tag informierte der Verwaltungsgerichtspräsident die Justizprüfungskommission des Kantons Zug über den Rücktritt von C.________ und hielt fest, letztere habe nach der am 31. August 2021 erfolgten Verlegung der Papiere an mehreren Verwaltungsgerichtsentscheiden mitgewirkt, weshalb diese Entscheide möglicherweise anfechtbar seien. 
Am 25. September 2022 fand eine Ersatzwahl für die zurückgetretene C.________ statt. A.________, der sich auch bei dieser Wahl als Kandidat der Partei B.________ aufstellen liess, wurde erneut nicht gewählt. 
 
B.  
 
B.a. Mit Eingabe vom 17. Oktober 2022 reichten A.________ und die Partei B.________ bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug Strafanzeige gegen C.________ ein und stellten zwei Sachverhaltshypothesen auf. Sie machten geltend, die Beschuldigte sei allenfalls nach ihrem mutmasslichen Wegzug aus dem Kanton Zug und dem damit möglicherweise einhergehenden Verlust ihres Amtes weiterhin als Verwaltungsrichterin tätig gewesen. Gegebenenfalls hätte sie sich dadurch der Amtsanmassung gemäss Art. 287 StGB, des Betrugs gemäss Art. 146 StGB sowie der Urkundenfälschung im Amt gemäss Art. 317 StGB schuldig gemacht. Falls die Beschuldigte während ihrer gesamten Amtsausübung als Verwaltungsrichterin respektive zu-mindest im Zeitpunkt des Wahlanmeldeschlusses nicht wirklich im Kanton Zug wohnhaft gewesen sei, hätte sie die Straftatbestände der Erschleichung einer falschen Beurkundung gemäss Art. 253 StGB respektive der Wahlfälschung gemäss Art. 282 StGB erfüllt.  
In der Anzeige konstituierten sich A.________ als Kandidat der Gesamterneuerungswahl des Verwaltungsgerichts und der Ersatzwahl vom 25. September 2022 sowie die Partei B.________ als Trägerin beider Wahlvorschläge als Privatkläger. 
Am 8. März 2023 ersuchten A.________ und die Partei B.________ bei der Staatsanwaltschaft um Akteneinsicht. Dieses Gesuch wiederholten sie mit Eingabe vom 9. April 2023 und beantragten, es sei über ihre "Geschädigteneigenschaft" zu entscheiden. Die Anzeigenerstatter hielten fest, die "Geschädigteneigenschaft" von A.________ sei zumindest in Bezug auf die mutmassliche Wahlfälschung gegeben. Wenn der Wahlvorschlag für die Beschuldigte nicht eingereicht oder mangels passiver Stimmberechtigung als ungültig zurückgewiesen worden wäre, wäre A.________ als einziger weiterer Kandidat gemäss § 40 Abs. 1 und 2 des Zuger Gesetzes über die Wahlen und Abstimmungen (WAG/ZG; BGS 131.1) durch den Regierungsrat für gewählt zu erklären gewesen. Somit sei dem Beschwerdeführer der Verdienst als Verwaltungsrichter aufgrund der Wahlfälschung entgangen. Zudem habe A.________ ein schützenswertes berufliches und politisches Interesse daran, das Amt als Verwaltungsrichter zu bekleiden. Die Partei B.________ als Trägerin des Wahlvorschlags von A.________ gemäss § 32a Abs. 2 WAG/ZG habe zudem ein schützenswertes Interesse daran, dass ihr Kandidat als gewählt anerkannt werde. 
In zwei separaten Verfügungen vom 26. Juni 2023 liess die Staatsanwaltschaft A.________ und die Partei B.________ nicht als Privatkläger im Strafverfahren gegen die Beschuldigte zu und gewährte ihnen in diesem Verfahren keine Akteneinsicht. 
 
B.b. Mit Beschluss vom 21. November 2023 wies das Obergericht des Kantons Zug die Beschwerde von A.________ und der Partei B.________ gegen die beiden Verfügungen der Staatsanwaltschaft ab.  
Das Obergericht erwog unter anderem, dass die Staatsanwaltschaft in den angefochtenen Verfügungen die Geschädigtenstellung der Be-schwerdeführer in Bezug auf sämtliche zur Anzeige gebrachten Straf-tatbestände verneint habe. In der Beschwerde hätten die Beschwerde-führer indessen einzig geltend gemacht, sie seien hinsichtlich der Wahlfälschung gemäss Art. 282 StGB Geschädigte, womit die Fest-stellung der Staatsanwaltschaft unangefochten geblieben sei, wonach den Beschwerdeführern hinsichtlich der übrigen zur Anzeige ge-brachten Straftatbestände (Amtsanmassung, Betrug, Erschleichung einer falschen Beurkundung, Urkundenfälschung im Amt) keine Ge-schädigtenstellung zukomme. Das Obergericht kam sodann zum Schluss, dass die unbefugte Ausübung des passiven Wahlrechts keine unbefugte Wahlteilnahme im Sinne von Art. 282 Ziff. 1 Abs. 2 StGB darstelle. Mangels eines tatbestandsmässigen Verhaltens der Be-schuldigten fielen die Beschwerdeführer daher auch mit Bezug auf die Wahlfälschung gemäss Art. 282 Ziff. 1 Abs. 2 StGB als Geschädigte von vornherein ausser Betracht. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragen A.________ und die Partei B.________ dem Bundesgericht, es sei der Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die beiden Beschwerdeführer seien als Privatkläger im Strafverfahren gegen C.________ zuzulassen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen ein-geholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. 
Die Beschwerdeführer haben am Verfahren vor der Vorinstanz teil-genommen. Sie werfen dieser sinngemäss eine formelle Rechtsver-weigerung vor, da sie zu Unrecht nicht als Privatkläger zum Verfahren zugelassen worden seien. Damit haben die Beschwerdeführer nach der Rechtsprechung ein rechtlich geschütztes Interesse an der Auf-hebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids und sie sind grundsätzlich gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen; Urteil 7B_877/2023 vom 21. Dezember 2023 E. 5). 
Mit der Verneinung der Stellung als Privatkläger werden die Beschwer-deführer definitiv nicht als Partei zugelassen. Der angefochtene Ent-scheid stellt für sie deshalb einen gemäss Art. 90 BGG anfechtbaren Endentscheid dar (BGE 139 IV 310 E. 1; Urteil 1B_250/2020 vom 6. Oktober 2020 E. 1). 
 
2.  
Anstatt die Geschädigteneigenschaft zu prüfen, hat die Vorinstanz direkt geprüft, ob der Beschuldigten überhaupt ein tatbestandsmässiges Verhalten vorgeworfen werden kann. Diese Frage ist indes nachrangig - zu prüfen ist zunächst die Geschädigteneigenschaft. 
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführer machen geltend, das geschützte Rechtsgut der beanzeigten Wahlfälschung nach Art. 282 StGB sei die richtige Feststellung des Volkswillens. Dabei handle es sich zwar um ein Kollektivrechtsgut, allerdings seien dadurch auch die "politischen, be-ruflichen und persönlichen Interessen der kandidierenden Personen sowie die politischen und finanziellen Interessen der Trägerinnen von Wahlvorschlägen geschützt" (Beschwerde, Rz. 23).  
 
3.2. Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmit-telbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). In seinen Rechten unmittelbar verletzt ist, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsguts ist. Bei Straf-normen, die nicht primär Individualrechtsgüter schützen, gelten nur diejenigen Personen als Geschädigte, die durch die darin umschriebenen Tatbestände in ihren Rechten beeinträchtigt werden, sofern diese Beeinträchtigung unmittelbare Folge der tatbestands-mässigen Handlung ist (zum Ganzen BGE 148 IV 170 E. 3.2; 140 IV 155 E. 3.2; je mit Hinweis; vgl. 139 IV 78 E. 3.3.3). Im Allgemeinen genügt es, wenn das von der geschädigten Person angerufene Individualrechtsgut durch den verletzten Straftatbestand auch nur nachrangig oder als Nebenzweck geschützt wird, selbst wenn der Tatbestand in erster Linie dem Schutz von kollektiven Rechtsgütern dient. Werden indes durch Delikte, die primär öffentliche Interessen verletzen, private Interessen bloss mittelbar beeinträchtigt, ist der Betroffene nicht Geschädigter im Sinne des Strafprozessrechts (BGE 148 IV 170 E. 3.2; 141 IV 454 E. 2.3.1; 140 IV 155 E. 3.2; je mit Hinweis).  
 
3.2.1. Der Wahlfälschung gemäss Art. 282 StGB macht sich schuldig, wer ein Stimmregister fälscht, verfälscht, beseitigt oder vernichtet (Ziff. 1 Abs. 1), wer unbefugt an einer Wahl oder Abstimmung oder an einem Referendums- oder Initiativbegehren teilnimmt (Ziff. 1 Abs. 2) oder wer das Ergebnis einer Wahl, einer Abstimmung oder einer Unterschriftensammlung zur Ausübung des Referendums oder der Initiative fälscht, insbesondere durch Hinzufügen, Ändern, Weglassen oder Streichen von Stimmzetteln oder Unterschriften, durch unrichtiges Auszählen oder unwahre Beurkundung des Ergebnisses (Ziff. 1 Abs. 3).  
Geschütztes Rechtsgut dieser Norm, die im vierzehnten Titel über die Vergehen gegen den Volkswillen eingeordnet ist (Art. 279-284 StGB), ist die richtige Feststellung des Volkswillens (BGE 138 IV 70 E. 1.1.1; Urteil 6B_1396/2022 vom 7. Juni 2023 E. 1.1.1 ["l'exactitude de la constatation de la volonté populaire"]), indem das Wahlresultat gegen betrügerische Machenschaften geschützt werden soll (Bernard Corboz, Les infractions en droit suisse, Bd. II, 3. Aufl. 2010, N. 1 zu Art. 282 StGB). 
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer schützt Art. 282 StGB somit weder nachrangig noch im Sinne eines Nebenzwecks die indivi-duellen (Vermögens-) Interessen der kandidierenden Personen oder der Träger von Wahlvorschlägen. Nichts anderes ergibt sich aus der Literatur, in der ebenfalls betont wird, dass es bei den Vergehen gegen den Volkswillen vielmehr um das korrekte Zustandekommen einer Volksmehrheit bzw. um die freie und unbeeinflusste Ausübung des Stimm- und Wahlrechts, also rein öffentliche Interessen geht (Stratenwerth/Bommer, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 7. Aufl. 2013, N. 1 zu § 50). 
Die Beschwerdeführer sind damit keine Geschädigten im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO
 
4.  
Die Beschwerde ist unbegründet und abzuweisen. 
Die Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit und intern zu gleichen Teilen auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. Februar 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Mango-Meier