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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_257/2022  
 
 
Urteil vom 4. Dezember 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Mango-Meier 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Grobe Verkehrsregelverletzung; Willkür, 
rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 9. August 2022 (2M 21 26). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ wird vorgeworfen, er habe am 31. Dezember 2020, um 18:14 Uhr, in Luzern auf der Höhe Kasernenplatz beim Fussgängerstreifen (Fahrtrichtung stadtauswärts/Autobahn) als Lenker des Personenwagens B.________ das dortige Lichtsignal, das seit 6.09 Sekunden auf Rot gestanden habe, pflichtwidrig missachtet. Auf dem mit dem Verkehrsüberwachungsgerät aufgenommenen Radarfoto sei ersichtlich, dass sich zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Fussgänger auf dem Fussgängerstreifen befunden hätten. Bei dieser Sachlage habe die beschuldigte Person durch ihr Nichtbeachten des Rotlichts eine erhöhte abstrakte Gefährdung geschaffen. 
Mit Strafbefehl vom 20. April 2021 hielt die Staatsanwaltschaft, Abteilung 1 Luzern, den Beschuldigten wegen Nichtbeachtens eines Lichtsignals (Rotlicht) nach Art. 90 Abs. 2 SVG, begangen am 31. Dezember 2020 in Luzern, für schuldig. Sie schlug ihm hierfür eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 180.--, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren, und eine Busse von Fr. 900.-- vor. 
Der Beschuldigte erhob am 28. April 2021 fristgerecht Einsprache. Die Anklagebehörde hielt in der Folge an ihrem Strafbefehl fest und überwies die Akten mit Verfügung vom 19. Juli 2021 zur Durchführung des Hauptverfahrens an das Bezirksgericht Luzern. 
 
B.  
 
B.a. Mit Urteil vom 5. November 2021 sprach das Bezirksgericht A.________ schuldig des Nichtbeachtens eines Lichtsignals (Rotlicht) nach Art. 90 Abs. 2 SVG, begangen am 31. Dezember 2020 in Luzern. Es verurteilte ihn hierfür mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 100.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren, und einer Verbindungsbusse von Fr. 1'000.--.  
Hinsichtlich der Frage nach der Identität des geblitzten Lenkers erwog das Bezirksgericht Folgendes: Auf dem Radarfoto, welches den Lenker des genannten Personenwagens im Zeitpunkt des Vorfalles zeige, habe anlässlich der Hauptverhandlung der Beschuldigte wiedererkannt werden können. Die charakteristischen Gesichtszüge des Beschuldigten, insbesondere sein längliches Gesicht, die markante Kinnpartie, die längliche Nase und die ausgeprägte hohe Stirn, stimmten mit dem auf dem Radarfoto festgehaltenen Lenker überein. Es sei deshalb erstellt, dass es sich im Zeitpunkt des Vorfalles beim Lenker des Personenwagens B.________ um den Beschuldigten handle. 
 
B.b. Mit Berufungserklärung vom 23. Dezember 2021 beantragte der Beschuldigte dem Kantonsgericht Luzern, er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.  
Nach Zustimmung des Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft ordnete das Kantonsgericht das schriftliche Berufungsverfahren an und setzte dem Beschuldigten Frist zur schriftlichen Berufungsbegründung innert 20 Tagen. 
Mit Urteil vom 9. August 2022 bestätigte das Kantonsgericht den erstinstanzlichen Schuldspruch, reduzierte indessen die Geldstrafe auf 16 Tagessätze zu je Fr. 100.-- und die Verbindungsbusse auf Fr. 400.--. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei das Berufungsurteil aufzuheben und er sei vom Vorwurf der groben Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Abs. 2 SVG freizusprechen. Eventualiter sei das Verfahren zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht auf Berufung hin geurteilt hat (Art. 80 BGG). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG) und hat die Beschwerdefrist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Unter Vorbehalt rechtsgenüglicher Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) ist die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG grundsätzlich zulässig.  
 
1.2. Nicht einzutreten ist jedoch auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Identifikation aufgrund des persönlichen Eindrucks anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung und Abgleichs mit dem Radarfoto eine willkürliche Sachverhaltsfestellung rügt. Die Vorinstanz hat hinsichtlich der Identifikation des Beschwerdeführers auf die erstinstanzlichen Erwägungen verwiesen und sich damit die Beweiswürdigung der ersten Instanz zu eigen gemacht (vgl. Art. 82 Abs. 4 StPO). Mit dieser Beweiswürdigung setzt sich der Beschwerdeführer indessen nicht substanziiert, d.h. nicht in einer den strengen Begründungsanforderungen an eine Willkürrüge genügenden Weise auseinander, womit auf die diesbezügliche Sachverhaltskritik nicht einzutreten ist.  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer beanstandet, dass die Vorinstanz den Verweis in seiner Berufungsbegründung auf sein Plädoyer vor der ersten Instanz als unbeachtlich erklärt hat. Anders als im Verfahren vor Bundesgericht bestehe im kantonalen Rechtsmittelverfahren gerade keine substantiierte Rüge- oder Begründungspflicht. Indem die Vorinstanz postuliere, die vor der ersten Instanz vorgebrachten Ausführungen der Verteidigung würden im Berufungsverfahren nicht gehört, verletze sie das rechtliche Gehör im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Wird die Berufung - wie im vorliegenden Fall vor der Vorinstanz - im schriftlichen Verfahren behandelt, setzt die Verfahrensleitung der Partei, welche die Berufung erklärt hat, Frist zur schriftlichen Begründung (Art. 406 Abs. 3 StPO). Die schriftliche Begründung der Berufung gemäss Art. 406 Abs. 3 StPO ist im schriftlichen Verfahren Gültigkeitserfordernis (Urteil 6B_1430/2021 vom 15. Februar 2023 E. 1.2.2). Verlangt die Strafprozessordnung, dass das Rechtsmittel begründet wird, so hat die Person oder die Behörde, die das Rechtsmittel ergreift, genau anzugeben: (lit. a) welche Punkte des Entscheides sie anficht; (lit. b) welche Gründe einen anderen Entscheid nahe legen; (lit. c) welche Beweismittel sie anruft (vgl. Art. 385 Abs. 1 StPO). Erfüllt die Eingabe diese Anforderungen nicht, so weist die Rechtsmittelinstanz sie gemäss Art. 385 Abs. 2 StPO zur Verbesserung innerhalb einer kurzen Nachfrist zurück (Satz 1). Genügt die Eingabe auch nach Ablauf dieser Frist den Anforderungen nicht, so tritt die Rechtsmittelinstanz auf das Rechtsmittel nicht ein (Satz 2). Bei fachkundigen Personen, insbesondere Rechtsanwälten, kommt eine Nachfristansetzung regelmässig nur bei Versehen oder unverschuldetem Hindernis in Frage (BGE 142 IV 299 E. 1.3.4; Urteil 6B_182/2020 vom 6. Januar 2021 E. 2.5; je mit Hinweis).  
 
2.2.2. Die Berufungsbegründung hat regelmässig den Anfechtungsgrund anzugeben, d.h. die tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründe, die einen anderen Entscheid nahelegen (vgl. Urteile 6B_319/2021 vom 15. Juli 2021 E. 6; 6B_1162/2016 vom 27. April 2017 E. 2.3 mit Hinweisen zur Beschwerde). Nach den allgemeinen Grundsätzen des Rechtsmittelrechts muss die schriftliche Begründung in der Rechtsmittelschrift selber enthalten sein; Verweise auf andere Rechtsschriften oder die Akten reichen nicht aus (vgl. BGE 144 V 173 E. 3.2.2; 143 V 19 E. 2.2; 143 IV 122 E. 3.3; je mit Hinweisen; 143 II 283 E. 1.2.3 und Urteile 6B_224/2023 vom 26. Oktober 2023 E. 1.1 mit Hinweisen; 7B_369/2023 vom 25. September 2023 E. 1.2 zur analogen Rechtslage nach Art. 42 Abs. 2 BGG). Denn die berufungsführende Partei muss in ihrer schriftlichen Berufungsbegründung auf den angefochtenen Entscheid eingehen und - sofern der Mangel nicht geradezu offensichtlich ist - aufzeigen, inwiefern sich ein Anfechtungsgrund verwirklicht hat. Sie soll im Schriftsatz mit ihrer Kritik an den Erwägungen der ersten Instanz ansetzen, die sie als fehlerhaft erachtet (vgl. BGE 121 III 397 E. 2a zur analogen Rechtslage nach Art. 42 Abs. 2 BGG).  
 
2.3. Nach dem Gesagten erweist sich die Kritik des Beschwerdeführers als unbegründet. Die Vorinstanz hat ihrem Entscheid die Grundsätze zur Begründungspflicht bundesrechtskonform zugrunde gelegt und die blossen Verweise auf das erstinstanzliche Plädoyer zu Recht nicht als hinreichende Berufungsbegründung gelten lassen. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer bringt denn auch nicht vor und es bestehen keine Hinweise, dass die Vorinstanz einen Grund zur Nachfristansetzung nach Art. 385 Abs. 2 StPO gehabt hätte.  
 
3.  
 
3.1. Weiter rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 113 StPO, Art. 158 Abs. 1 StPO und Art. 177 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 141 Abs. 1 StPO, indem die Vorinstanz auf Beweismittel abgestellt hat, die in Verletzung oder Umgehung der Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte erhoben worden seien.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Strafverfahren können nur in den vom Gesetz vorgesehenen Formen durchgeführt und abgeschlossen werden (Art. 2 Abs. 2 StPO). Dieser Grundsatz der Formstrenge (BGE 148 IV 1 E. 3.5.1; 147 IV 93 E. 1.3.2 mit Verweis auf die Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1128 Ziff. 2.1.1) gilt auch für das Vorverfahren (Urteil 6B_787/2022 vom 5. Dezember 2022 E. 2.3.3.1 mit Hinweis). Die schützenden Förmlichkeiten des Strafverfahrens sind kein Selbstzweck, sondern dienen der Gewährleistung der Fairness des Verfahrens, indem sie Machtmissbrauch und willkürlich-rechtsungleiche Behandlung ausschliessen und unangemessene Beeinträchtigungen der Verteidigungsrechte verhindern (BGE 148 IV 1 E. 3.5.1 mit Hinweisen).  
 
3.2.2. Gemäss dem in Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II (SR 0.103.2) verankerten und aus Art. 32 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleiteten Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare" ist im Strafverfahren niemand gehalten, zu seiner Belastung beizutragen, und ist der Beschuldigte aufgrund seines Aussageverweigerungsrechts berechtigt zu schweigen, ohne dass ihm daraus Nachteile erwachsen dürfen (vgl. Art. 113 Abs. 1 und Art. 158 Abs. 1 lit. b StPO; BGE 148 IV 221 E. 2.2 mit Verweis auf BGE 142 IV 207 E. 8.3; Urteil 6B_230/2022 vom 25. Oktober 2023 E. 2.2.1 mit Hinweisen; vgl. BGE 148 IV 205 E. 2.4).  
 
3.2.3. Gemäss Art. 140 Abs. 1 StPO sind Zwangsmittel, Gewaltanwendung, Drohungen, Versprechungen, Täuschungen und Mittel, welche die Denkfähigkeit oder die Willensfreiheit einer Person beeinträchtigen können, bei der Beweiserhebung untersagt. Solche Methoden sind auch dann unzulässig, wenn die betroffene Person ihrer Anwendung zustimmt (Art. 140 Abs. 2 StPO). Beweise, die in Verletzung dieser Bestimmung erhoben wurden, sind in keinem Fall verwertbar (Art. 141 Abs. 1 StPO; BGE 148 IV 205 E. 2.8.1). Der Gesetzgeber misst der Willensfreiheit der beschuldigten Person hohe Bedeutung bei (BGE 148 IV 205 E. 2.8.5). Wenn der Beschuldigte nicht auf die Selbstbelastungsfreiheit resp. sein Aussage- und Mitwirkungsverweigerungsrecht hingewiesen wird, greift das absolute Verwertungsverbot im Sinne von Art. 141 Abs. 1 StPO (vgl. BGE 148 IV 205 E. 2.8.5; Urteile 6B_187/2020 vom 21. Oktober 2020 E. 3.2.1; 6B_1390/2019 vom 23. April 2020 E. 2.3.2 mit Hinweisen und Verweis auf BBl 2006 1193 Ziff. 2.4.2). Im gleichen Sinne betont das Bundesgericht, dass das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung absolut gilt und Verstösse die Unverwertbarkeit des betroffenen Beweismittels zur Folge haben (BGE 148 IV 205 E. 2.8.5 mit Hinweisen; vgl. Urteil 6B_990/2017 vom 18. April 2018 E. 2.4.4).  
 
3.2.4. Ermöglichte ein Beweis, der nicht verwertet werden darf, die Erhebung eines weiteren Beweises, so ist dieser nicht verwertbar, wenn er ohne die vorhergehende Beweiserhebung nicht möglich gewesen wäre (Art. 141 Abs. 4 StPO), das heisst, der erste Beweis "conditio sine qua non" des zweiten ist (BGE 138 IV 169 E. 3.1 S. 171 mit Verweis auf BBl 2006 1184 Ziff. 2.4.1.1; Urteil 6B_224/2023 vom 26. Oktober 2023 E. 3.4.1). Eine Fernwirkung gemäss Art. 141 Abs. 4 StPO ist zu verneinen, wenn der Folgebeweis im Sinne eines hypothetischen Ermittlungsverlaufs zumindest mit einer grossen Wahrscheinlichkeit auch ohne den illegalen ersten Beweis erlangt worden wäre. Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls (zum Ganzen BGE 138 IV 169 E. 3.3.3 mit Hinweisen; Urteil 6B_224/2023 vom 26. Oktober 2023 E. 3.4.1). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum alten Verfahrensrecht unterschied für die Frage der Verwertbarkeit von Folgebeweisen sodann nicht danach, ob der Grund für die Unverwertbarkeit des Primärbeweises ein absolutes oder ein relatives Beweisverwertungsverbot ist (BGE 138 IV 169 E. 3.2 mit Hinweisen; Urteile 6B_654/2019 vom 12. März 2020 E. 3.2.2; 6B_976/2015 vom 27. September 2016 E. 6.3.2; je mit Hinweisen). Im Hinblick auf die künftige Fassung von Art. 141 Abs. 4 StPO, welche nun ausdrücklich neben dem Abs. 2 auch den Abs. 1 von Art. 141 StPO einbezieht (BBl 2022 1564), gilt diese Rechtsprechung weiterhin.  
 
3.3.  
 
3.3.1. Zum Prozesssachverhalt hielt die Vorinstanz Folgendes fest: Am 6. Januar 2021 habe die Luzerner Polizei zwecks Lenkerermittlung ein Rechtshilfegesuch an die Kantonspolizei Zürich gestellt. Zu diesem Zeitpunkt sei einzig die Fahrzeughalterin bekannt gewesen. Am 25. Januar 2021 sei diese von der Kantonspolizei Zürich telefonisch kontaktiert worden. Die Fahrzeughalterin sei ersucht worden, selber auf der Polizeistation zu erscheinen oder gegebenenfalls dem Lenker der vorliegenden Verkehrsregelverletzung mitzuteilen, dass er sich selbst bei den Polizeiangehörigen melden solle. Am 28. Januar 2021 habe sich der Beschwerdeführer, der Sohn der Fahrzeughalterin, telefonisch bei der Polizei gemeldet. Am 18. Februar 2021 sei dieser zur polizeilichen Einvernahme erschienen. Dabei sei dem Beschwerdeführer die Einleitung eines Strafverfahrens eröffnet worden, dass er als Beschuldigter einvernommen werde und dass er das Recht auf Verweigerung der Aussage und der Mitwirkung habe. Dem Beschwerdeführer seien die Radarfotos vorgelegt worden, worauf dieser die Aussage verweigert habe.  
 
3.3.2. Was die Feststellungen zum Lebenssachverhalt anbelangt, hat die Vorinstanz - wie bereits die erste Instanz - hinsichtlich der auch oberinstanzlich umstrittenen Frage, wer der Lenker des geblitzten Autos gewesen ist, unter anderem auf den Umstand abgestellt, dass der Beschwerdeführer sich "freiwillig" per Telefon bei der Polizei gemeldet hat. Hinsichtlich des bereits mit Berufung geltend gemachten Einwandes des Beschwerdeführers, auf seine Meldung bei der Polizei könne wegen Verstosses gegen die Selbstbelastungsfreiheit nicht abgestellt werden, erwog die Vorinstanz, dass die Meldung auf dem Polizeiposten freiwillig erfolgt sei. Ihr habe das telefonische Ersuchen an die Fahrzeughalterin zugrunde gelegen, der bis dahin noch unbekannte Lenker solle sich melden. Dieses Ersuchen sei transparent und mit keinerlei Zwang, Täuschung oder sonstiger unzulässiger Methoden nach Art. 140 StPO verbunden gewesen. Insbesondere habe keine Täuschung vorgelegen, da Absicht und Zweck der Aufforderung jederzeit klar und verständlich "aufgeschienen" seien. Das Ersuchen habe mithin eine blosse formlose Aufforderung bzw. eine Einladung dargestellt. Eine förmliche oder zwangsbewehrte Vorladung sei nicht ergangen. Der Beschuldigte sei dabei stets frei gewesen, sich zu melden oder eben nicht. Dies habe alleine in seiner Verantwortung und Willensfreiheit gelegen. Ein eigentlicher Zwang zur Selbstbelastung oder eine Pflicht, sich zu melden, sei nicht ersichtlich. Ein absolutes Verwertungsverbot im Sinne von Art. 141 Abs. 1 StPO bestehe somit nicht.  
 
3.3.3. Aber selbst wenn ein solches bestünde und sich die Frage der Fernwirkung von Art. 141 Abs. 4 StPO stellte, dürften die weiteren Beweise nach Auffassung der Vorinstanz berücksichtigt werden: Denn auch ohne die Meldung des Beschwerdeführers bei der Polizei wäre der notwendige Beweis der Lenkerschaft durch Abfrage des Fahrberechtigungsregisters (Informationssystems Verkehrszulassung) und der darin enthaltenen Fotos mit grosser Wahrscheinlichkeit gelungen. Immerhin gehe es um einen Vergehenstatbestand, was die Polizei zu entsprechend einlässlichen Abklärungen anhalte, die beispielsweise den Abgleich mehrerer oder gar zahlreicher Fotos von in Frage kommenden Lenkern beinhalten könne. Vorliegendenfalls hätten Abklärungen aus dem familiären Umfeld an erster Stelle gelegen. Selbst bei zahlreichen in Frage kommenden Familienmitgliedern werde der Anfang notorischerweise bei den näheren Verwandten gemacht. Dass auf diese Weise sehr rasch auf den Beschwerdeführer gestossen worden wäre, also den Sohn der Fahrzeughalterin, liege sehr nahe.  
 
3.4.  
 
3.4.1. Die vorinstanzlichen Erwägungen überzeugen nur teilweise. Was den Telefonanruf der Kantonspolizei Zürich an die Fahrzeughalterin und Mutter des Beschwerdeführers anbelangt, so geht aus den vorinstanzlichen Feststellungen zum Prozesssachverhalt nicht hervor, dass diese über den Grund des Anrufs, also den konkreten Vorhalt gegenüber dem Lenker informiert worden wäre. Es ist deshalb gerade nicht nachvollziehbar, wie die Vorinstanz zum Schluss kommen kann, dass "Absicht und Zweck der Aufforderung", der bis dahin noch unbekannte Lenker solle sich bei der Polizei melden, "jederzeit klar und verständlich aufgeschienen" seien. Vielmehr muss dieses "telefonische Ersuchen", das die Vorinstanz selbst als "formlose Aufforderung" bzw. als "Einladung" bezeichnet, als eine polizeiliche Aufforderung an den Beschwerdeführer verstanden werden, sich gegenüber der Polizei zu erkennen zu geben und sich durch Bekanntgabe seiner Identität als Fahrzeugführer selbst zu belasten. Dass diese "Einladung" ausserhalb der strafprozessualen Formen geschehen ist, macht dieses Vorgehen rechtsstaatlich nicht weniger heikel, sondern im Gegenteil umso problematischer. Indem die Polizei den Beschwerdeführer letztlich im Ungewissen darüber gelassen hat, aus welchem Grund er sich als Lenker zu erkennen geben soll, liegt zudem ein täuschungsähnliches Vorgehen vor, das mit der Selbstbelastungsfreiheit nicht mehr vereinbar erscheint und eine Unverwertbarkeit der Meldung des Beschwerdeführers als Primärbeweis nach Art. 141 Abs. 1 StPO grundsätzlich indiziert.  
 
3.4.2. Dies bedeutet aber nicht, dass der in der Folge anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung gewonnene persönliche Eindruck des Beschwerdeführers und dessen optischer Abgleich mit dem Radarfoto aufgrund einer Fernwirkung nach Art. 141 Abs. 4 StPO kontaminiert und damit ebenfalls unverwertbar wäre. Wie die Vorinstanz vielmehr zutreffend ausgeführt hat, wäre nämlich der Folgebeweis im Sinne eines hypothetischen Ermittlungsverlaufs zumindest mit einer grossen Wahrscheinlichkeit auch ohne den problematischen ersten Beweis erlangt worden: Es liegt auf der Hand, dass eine Ermittlung bei einem Stillschweigen des Beschwerdeführers und dessen Mutter rasch zu den nächsten Familienmitgliedern und damit zum Beschwerdeführer geführt hätte.  
 
3.4.3. Aufgrund des Gesagten erweist sich die Rüge im Ergebnis als unbegründet, auch wenn der Beschwerdeführer das formlose Vorgehen der Polizei zu Recht als Verletzung seiner Selbstbelastungsfreiheit moniert.  
 
4.  
 
4.1. Schliesslich rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 406 Abs. 2 StPO und führt aus, die Zustimmung der Verteidigung zum schriftlichen Berufungsverfahren sei in der Annahme erfolgt, die Vorinstanz gehe von einer Unverwertbarkeit sämtlicher erhobener Beweismittel aus und die Frage der Identifizierung der Person auf dem Radarfoto stelle sich ohnehin nicht. Sobald die Vorinstanz es aber als notwendig erachtet habe, zu beurteilen, ob es der Beschwerdeführer sei, der auf dem Radarfoto zu sehen sei, habe die Voraussetzung für das schriftliche Berufungsverfahren gemäss Art. 406 Abs. 2 lit. a StPO nicht mehr vorgelegen. Denn für diese Beurteilung sei die persönliche Anwesenheit des Beschwerdeführer notwendig gewesen.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Gemäss Art. 406 Abs. 2 StPO kann die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts mit dem Einverständnis der Parteien das schriftliche Verfahren anordnen, wenn (lit. a) die Anwesenheit der beschuldigten Person nicht erforderlich ist, sowie wenn (lit. b) ein Urteil eines Einzelgerichts Gegenstand der Berufung ist (BGE 147 IV 127 E. 2.2.1 mit Hinweis). Bei Art. 406 Abs. 2 lit. a und b StPO handelt es sich um kumulative Voraussetzungen (BGE 147 IV 127 E. 2.2.2 und E. 3.2; Urteil 6B_242/2023 vom 22. Mai 2023 E. 1.2.3). Nach der Rechtsprechung ist die Anwesenheit des Beschuldigten im Sinne von Art. 406 Abs. 2 lit. a StPO erforderlich, wenn das Berufungsgericht die erstinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen verwerfen und die beschuldigte Person in Abänderung des angefochtenen Urteils schuldig sprechen will (Urteil 6B_931/2021 vom 15. August 2022 E. 2.3.2 f.).  
 
4.2.2. Das Berufungsverfahren stellt keine Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens dar und das Berufungsgericht ist auch keine zweite Erstinstanz; vielmehr knüpft es an das erstinstanzliche Verfahren an und baut darauf auf (Urteile 6B_224/2023 vom 26. Oktober 2023 E. 4.2.2; 7B_15/2021 vom 19. September 2023 E. 4.2.2). Das Berufungsgericht kann gemäss Art. 82 Abs. 4 StPO für die tatsächliche und rechtliche Würdigung des angeklagten Sachverhalts auf die Begründung der Vorinstanz verweisen, wenn es dieser beipflichtet (BGE 141 IV 244 E. 1.2.3 mit Hinweis; Urteile 7B_188/2023 vom 24. Juli 2023 E. 7.2; 6B_337/2023 vom 4. Mai 2023 E. 3.2 mit Hinweisen).  
 
4.3. Im vorliegenden Fall liegen unbestrittenermassen Zustimmungen des Beschwerdeführers und der Staatsanwaltschaft nach Art. 406 Abs. 2 StPO vor. Beim erstinstanzlichen Spruchkörper handelt es sich zudem um ein Einzelgericht (Art. 406 Abs. 2 lit. b StPO). Weiter war die persönliche Anwesenheit des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 406 Abs. 2 lit. a StPO gerade nicht erforderlich, da das Berufungsgericht die erstinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen nicht verwerfen und einen Freispruch in einen Schuldspruch umwandeln wollte. Vielmehr wollte es den Schuldspruch bestätigen unter Zueigenmachen der überzeugenden erstinstanzlichen Beweiswürdigung, wozu die Vorinstanz gestützt auf Art. 82 Abs. 4 StPO befugt war. Die Rüge, die Vorinstanz habe Art. 406 Abs. 2 StPO verletzt, erweist sich als unbegründet.  
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. Dezember 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Mango-Meier