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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_699/2022  
 
 
Urteil vom 19. April 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Beusch, 
nebenamtlicher Bundesrichter Berger, 
Gerichtsschreiber Businger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Einwohnergemeinde Beatenberg, 
vertreten durch G + S Treuhand AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Einwohnergemeinde Interlaken, 
2. A.________ GmbH, 
3. Steuerverwaltung des Kantons Bern, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Interkommunale Steuerteilung des Kantons Bern, Steuerperiode 2018, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 17. Januar 2022 (100.2021.113U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ GmbH mit Sitz in Interlaken bezweckt gemäss Handelsregistereintrag die Förderung und Vermittlung von Gleitschirm-Passagierflügen und anderen Outdooraktivitäten, den Betrieb der Logistik für solche Aktivitäten sowie den Handel mit Sportartikeln, Bekleidung, Souvenirs und ähnlichen Gütern. Die von der A.________ GmbH beauftragten Pilotinnen und Piloten starten die Flüge zum überwiegenden Teil von Startplätzen in Beatenberg aus. 
Am 18. September 2019 ersuchte die Einwohnergemeinde Beatenberg die Steuerverwaltung des Kantons Bern, ab dem Jahr 2018 zwischen ihr und der Gemeinde Interlaken mit Bezug auf die kommerzielle und gewerbliche Nutzung von sieben Startplätzen für Hängegleiter eine Steuerteilung vorzunehmen. Die Steuerverwaltung qualifizierte die Startplätze als Betriebsstätte und veranlagte die A.________ GmbH am 4. Februar 2020 für die Kantons- und Gemeindesteuern mit einem steuerbaren Gewinn von Fr. 89'100.- und einem steuerbaren Kapital von Fr. 245'000.-. Bestandteil der Veranlagung bildete ein Steuerteilungsplan unter bernischen Gemeinden, in dem die Steuerverwaltung der Einwohnergemeinde Beatenberg einen Vorausanteil am steuerbaren Gewinn von 10 % (Fr. 8'917.-) und den Rest der Einwohnergemeinde Interlaken zuwies. 
 
B.  
Nachdem die Steuerverwaltung am 20. Mai 2020 eine Einsprache der Einwohnergemeinde Interlaken gegen die Veranlagungsverfügung abgewiesen hatte, gelangte diese an die Steuerrekurskommission des Kantons Bern. Diese hiess am 16. März 2021 den Rekurs gut, soweit sie darauf eintrat, hob den Einspracheentscheid auf und wies die Sache zur Neuveranlagung im Sinne der Erwägungen an die Steuerverwaltung zurück. Sie erwog im Wesentlichen, die A.________ GmbH verfüge in Beatenberg über keine Betriebsstätte. Eine Beschwerde der Einwohnergemeinde Beatenberg gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern am 17. Januar 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 18. Februar 2022 beantragt die Einwohnergemeinde Beatenberg dem Bundesgericht, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 20. Mai 2020 sei zu bestätigen. 
Die Vorinstanz, die Steuerverwaltung des Kantons Bern und die Einwohnergemeinde Interlaken schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Von der A.________ GmbH ging keine Stellungnahme ein. In einer weiteren Stellungnahme vom 26. April 2023 hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 BGG) eingereichte Eingabe betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) und richtet sich gegen das kantonal letztinstanzliche (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), verfahrensabschliessende (Art. 90 BGG) Urteil eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG). Das Rechtsmittel ist als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, da kein Ausschlussgrund vorliegt (Art. 83 BGG).  
 
1.2. Die Beschwerdelegitimation ist vom Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen (Art. 29 Abs. 1 BGG); ist diese aber nicht ohne Weiteres ersichtlich, obliegt es der beschwerdeführenden Partei im Rahmen der ihr obliegenden Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG), ihre Legitimation substanziiert darzulegen. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, anhand der Akten oder weiterer Unterlagen nachzuforschen, ob die beschwerdeführende Partei allenfalls zur Beschwerde legitimiert ist (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.1; 133 II 249 E. 1.1; Urteil 9C_659/2023 vom 18. März 2024 E. 2.1).  
 
1.3. Weder behauptet die Beschwerdeführerin noch ist ersichtlich, dass sie als Gemeinwesen ein spezielles Beschwerderecht gemäss Art. 89 Abs. 2 BGG besitzt, das der allgemeinen Legitimationsklausel nach Art. 89 Abs. 1 BGG vorgehen würde (vgl. Urteil 2C_25/2022 vom 23. Oktober 2023 E. 1.2 m.H.). Sie beruft sich ausschliesslich auf Art. 89 Abs. 1 BGG, weil sie in hoheitlichen Interessen berührt sei und mit der Beschwerde ein wesentliches öffentliches Interesse verfolge.  
 
1.3.1. Ein Gemeinwesen ist gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert, wenn es in hoheitlichen Befugnissen berührt ist und zentrale öffentliche Interessen auf dem Spiel stehen (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.2.2; 138 I 143 E. 1.3.1; 135 II 156 E. 3.1). Solche zentralen öffentlichen Interessen sind etwa betroffen, wenn Entscheide erhebliche vermögensrechtliche bzw. finanzielle Auswirkungen haben, etwa beim interkommunalen Finanzausgleich (vgl. BGE 138 II 506 E. 2.1.2; 135 I 43 E. 1.3; Urteil 2C_455/2020 vom 2. Dezember 2020 E. 1, nicht publiziert in BGE 147 I 173). Generell gilt jedoch, dass Gemeinwesen für die Durchsetzung hoheitlicher Anliegen nur restriktiv gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel zur Beschwerdeführung zugelassen werden. Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung genügt ebenso wenig wie das blosse Interesse an der Optimierung des Steuerertrags. In Steuerangelegenheiten, insbesondere im harmonisierten Bereich der direkten Steuern, hat der Gesetzgeber bereits durch die Bezeichnung der beschwerdeberechtigten Behörden i.S.v. Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG dafür gesorgt, dass das Gemeinwesen den öffentlichen Interessen wenn nötig auf dem Beschwerdeweg Nachachtung verschaffen kann. Das allgemeine Beschwerderecht des Gemeinwesens erscheint daher in solchen Fällen entbehrlich und scheidet regelmässig aus (BGE 136 II 274 E. 4.2 m.H.).  
 
1.3.2. Die Beschwerdeführerin begründet ihr wesentliches öffentliches Interesse damit, dass jährlich rund 60'000 kommerzielle Flüge ab Beatenberg durchgeführt würden. Entsprechend gross sei die damit verbundene Belastung für die Gemeinde und deren Einwohner, was etwa baurechtliche und raumplanerische Streitigkeiten, Lärmimmissionen und Verkehrsüberlastungen zur Folge habe. Die Regulierung der Hängegleiterflüge sei ganzheitlich zu behandeln, weshalb einzelne Teilaspekte wie die Frage nach der beschränkten Steuerpflicht der Anbieter wesentliche öffentliche Interessen beträfen. Es gehe nicht bloss um fiskalische Interessen der Gemeinde, sondern um fiskalische Auswirkungen eines komplexen Problems. Die Frage sei zentral, inwiefern die Gemeinde, die einen grossen Teil der Lasten der Hängegleiterflüge stemmen müsse, an der Wertschöpfung der Flüge zu beteiligen sei. Aufgrund der schweizweit einmaligen Dimension des Flugbetriebs stelle dieses Interesse analog dem Interesse am interkommunalen Finanzausgleich ein wichtiges vermögensrechtliches Interesse dar.  
 
1.3.3. Es steht ausser Frage, dass sich im Zusammenhang mit den kommerziellen Hängegleiterflügen Fragen in diversen Rechtsgebieten stellen und die Gemeinde bzw. die Einwohner durch die hohe Zahl an Flügen in verschiedener Hinsicht belastet wird bzw. werden. Im vorliegenden Fall ist indessen weder über baurechtliche und raumplanerische Fragen noch über Lärmimmissionen oder die Auswirkungen der Flüge auf den Verkehr zu befinden, sondern ausschliesslich über die Frage nach der beschränkten Steuerpflicht der Beschwerdegegnerin 2. Alleine der Umstand, dass die kommerziellen Hängegleiterflüge in verschiedenen Rechtsgebieten wesentliche öffentliche Interessen der Gemeinde tangieren, führt nicht dazu, dass die Gemeinde in jedem Verfahren, das einen Zusammenhang mit den Flügen aufweist, wesentliche öffentliche Interessen verfolgt.  
Die Situation präsentiert sich vorliegend ähnlich wie im BGE 136 II 274 zugrunde liegenden Fall, als sich zwei Gemeinden um das Hauptsteuerdomizil eines Einwohners stritten. Das Bundesgericht erwog, es gehe um die innerkantonale Festlegung des Steuerwohnsitzes und daran anknüpfend um die Steuerausscheidung zwischen zwei Gemeinden. Die dazu massgebenden Vorschriften seien nicht im kommunalen, sondern ausschliesslich im übergeordneten Recht zu finden, wo den betroffenen Gemeinden keine Regelungsbefugnis zustehe. Die Gemeinden seien lediglich in fiskalischen Interessen betroffen und in ihren hoheitlichen Interessen nicht so qualifiziert bzw. intensiv berührt, dass ihnen das allgemeine Beschwerderecht nach Art. 89 Abs. 1 BGG zustehen würde (vgl. BGE 136 II 274 E. 4.3). 
 
1.3.4. Vor diesem Hintergrund ist auch der Beschwerdeführerin das allgemeine Beschwerderecht nach Art. 89 Abs. 1 BGG abzusprechen. Es ist unbestritten, dass die Vorschriften in Bezug auf die beschränkte Steuerpflicht der Beschwerdegegnerin 2 nicht im kommunalen, sondern ausschliesslich im übergeordneten Recht zu finden sind. Wohl ist die Beschwerdeführerin durch das angefochtene Urteil in ihren hoheitlichen Befugnissen berührt. Dass indessen zentrale öffentliche Interessen auf dem Spiel stehen, ist nicht ersichtlich. In finanzieller Hinsicht geht es um einen marginalen Betrag; selbst wenn sich die Frage nach der beschränkten Steuerpflicht auch bei anderen Anbietern von kommerziellen Flügen stellen sollte, ist weder ersichtlich noch geht aus der Beschwerde hervor, dass die Beschwerdeführerin erheblich in finanziellen Interessen betroffen ist. Ebenso werden mit dem vorliegenden Verfahren wie erwähnt keine Rechtsfragen in anderen Rechtsgebieten (Planungs- und Baurecht; Umweltschutzrecht) in Bezug auf die kommerziellen Hängegleiterflüge beantwortet oder gar präjudiziert. Damit bleibt alleine das Interesse der Beschwerdeführerin an der richtigen Rechtsanwendung bzw. Optimierung ihres Steuerertrags, das für sich alleine nicht genügt.  
 
1.4. Zusammenfassend ist die Beschwerdeführerin nicht gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert. Damit ist auf die Beschwerde mangels Legitimation nicht einzutreten.  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin hat aufgrund ihres Unterliegens die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 19. April 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Businger