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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_615/2021  
 
 
Urteil vom 23. September 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Beusch, Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Herr Dieter Steiger, 
 
gegen  
 
Dienststelle Steuern des Kantons Luzern, 
Buobenmatt 1, 6002 Luzern, 
 
Kantonales Steueramt Nidwalden, Rechtsdienst, 
Bahnhofplatz 3, 6371 Stans. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Luzern, 
Steuerperiode 2017, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts 
Luzern, 4. Abteilung, vom 12. Juli 2021 (7W 21 3). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Ehegatten A.A.________ und B.A.________ wohnen in der Gemeinde U.________/NW. Die Eheleute sind beide als selbständige Physiotherapeuten tätig. Der Arbeitsort von A.A.________ befindet sich in V.________/NW, während B.________ zusammen mit C._______ in der Gemeinde W.________/LU die Physiotherapiepraxis D.________ führt. In ihrer Steuererklärung für das Jahr 2017 deklarierten die Eheleute A.A.________ und B.A.________ für B.________ ein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit in der Höhe von Fr. 233'590.--. 
 
B.  
 
B.a. Mit Verfügung vom 14. Juli 2020 veranlagte das Steueramt des Kantons Nidwalden die Eheleute A.A.________ und B.A.________ mit einem im Kanton Nidwalden steuerbaren Einkommen von Fr. 173'700.-- (satzbestimmend: Fr. 146'200.--) und Vermögen von Fr. 596'000.-- (satzbestimmend: Fr. 641'000.--). Da das Steueramt des Kantons Nidwalden davon ausging, dass B.A._______ die Physiotherapiepraxis D.________ zusammen mit C.________ im Rahmen einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft betrieb, wies es im Rahmen der Steuerausscheidung einen Teil des selbständigen Erwerbseinkommens in der Höhe von Fr. 108'000.-- dem Wohnsitzkanton Nidwalden zu, während der übrige Teil von Fr. 125'591.-- dem Kanton Luzern als Kanton des Geschäftsorts zufiel.  
 
B.b. Am 12. November 2020 veranlagte die Dienststelle Steuern des Kantons Luzern die Eheleute A.A.________ und B.A.________ mit einem im Kanton Luzern steuerbaren Einkommen von Fr. 175'800.-- (satzbestimmend: Fr. 264'300.--) und einem im Kanton Luzern steuerbaren Vermögen von Fr. 29'000.-- (satzbestimmend: Fr. 591'000.--). Im Unterschied zum Steueramt des Kantons Nidwalden ging die Dienststelle Steuern des Kantons Luzern davon aus, dass die Physiotherapiepraxis D.________ im Rahmen einer einfachen Gesellschaft betrieben wurde. Die gegen diese Veranlagung gerichteten kantonalen Rechtsmittel der Eheleute A.A.________ und B.A.________ blieben erfolglos (Einspracheentscheid der Dienststelle Steuern vom 28. Januar 2021; Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 12. Juli 2021). Im Anschluss an das kantonal letztinstanzliche Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 12. Juli 2021 ersuchten die Eheleute A.A.________ und B.A.________ das Steueramt des Kantons Nidwalden mit Schreiben vom 21. Juli 2021 um Revision der Veranlagung vom 14. Juli 2020. Mit Entscheid vom 27. Juli 2021 hat das Steueramt des Kantons Nidwalden das Revisionsgesuch "abgelehnt".  
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 13. August 2021 beantragen A.A.________ und B.A.________, dass die Steuerausscheidung 2017 gemäss dem Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 12. Juli 2011 vorzunehmen und der Gewinn von B.A.________ von Fr. 233'591.-- dem Geschäftsort W.________/LU zuzuweisen sei. Die Steuerbehörde des Kantons Nidwalden sei zu verpflichten, die zu viel erhobenen Steuern inklusive Zins seit Zahlungsdatum spätestens zehn Tage nach rechtskräftigem Entscheid an die Ehegatten A.A.________ und B.A.________ zurückzuerstatten. Für den Fall, dass ein Anteil des Gewinns dem Wohnort U.________/NW zuzuweisen sei, beantragen die Ehegatten A.A.________ und B.A.________ eventualiter, dass die Steuerbehörde des Kantons Luzern zu verpflichten sei, die zu viel erhobenen Steuern inklusive Zins seit Zahlungsdatum spätestens zehn Tage nach rechtskräftigem Entscheid an sie zurückzuerstatten. 
Die Dienststelle Steuern des Kantons Luzern beantragt die Gutheissung der Beschwerde im Hauptantrag. Das Kantonsgericht Luzern verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Steueramt des Kantons Nidwalden beantragt die Abweisung des Hauptantrags, soweit darauf einzutreten sei, und die Gutheissung des Eventualantrags. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten, oberen kantonalen Instanz in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82 lit. a BGG, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeführer sind als Steuerpflichtige gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG und Art. 73 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern ist einzutreten.  
 
1.2. Der Hauptantrag der Beschwerdeführer richtet sich freilich nicht gegen den Kanton Luzern und dessen vom Kantonsgericht Luzern bestätigte Veranlagung, sondern gegen die Veranlagung des Kantons Nidwalden. Auf dem Gebiet des Verbots der interkantonalen Doppelbesteuerung (Art. 127 Abs. 3 BV) kann nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich auch eine allenfalls bereits rechtskräftige Veranlagung eines anderen Kantons für dieselbe Steuerperiode mitangefochten werden (Art. 100 Abs. 5 BGG), obwohl es sich dabei in der Regel nicht um ein Urteil im Sinne von Art. 86 BGG handelt (BGE 139 II 373 E. 1.4; 133 I 308 E. 2.4; 133 I 300 E. 2.4; Urteil 2C_592/2018 vom 1. Oktober 2019 E. 1.2). Für die Ausnahme von Art. 86 BGG ist aber immerhin vorauszusetzen, dass die Veranlagung im anderen Kanton nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden kann (vgl. Urteil 2C_403/2015 vom 1. April 2016 E. 5, in: StE 2016 A 24.21 Nr. 36). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, sodass auch auf den Hauptantrag gegen den Kanton Nidwalden einzutreten ist. Dass die Beschwerdeführer im Nachgang zum Urteil des Kantonsgerichts Luzern beim Steueramt des Kantons Nidwalden erfolglos um Revision ersucht haben, ist für das bundesgerichtliche Verfahren ohne Belang. Da das Steueramt des Kantons Nidwalden keinen neuen Entscheid in der Sache getroffen hat, mithin auf das Revisionsgesuch nicht eingetreten ist, bleibt die ursprüngliche Veranlagungsverfügung des Steueramts des Kantons Nidwalden vom 14. Juli 2020 Anfechtungsobjekt der Beschwerde beim Bundesgericht.  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Feststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang zudem entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Eine entsprechende Rüge ist hinreichend zu substanziieren (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.2).  
 
2.2. Die Bindung an den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG) und das Novenverbot (Art. 99 Abs. 1 BGG) gelten grundsätzlich auch für Beschwerden in Sachen der interkantonalen Doppelbesteuerung. Ausgenommen davon sind jedoch Vorbringen des Kantons, dessen Veranlagung bereits rechtskräftig ist und für den die Bindungswirkung nicht gilt. Insoweit kommt das Bundesgericht nicht umhin, den Sachverhalt frei zu prüfen, und ist auch das Novenverbot zu relativieren (BGE 139 II 373 E. 1.7 mit Hinweisen; Urteil 2C_55/2021 vom 28. Dezember 2021 E. 2.1.2).  
 
2.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft die Anwendung des harmonisierten kantonalen Steuerrechts gleich wie Bundesrecht mit freier Kognition, jene des nicht-harmonisierten, autonomen kantonalen Rechts hingegen bloss auf Verletzung des Willkürverbots und anderer verfassungsmässiger Rechte (BGE 143 II 459 E. 2.1; 134 II 207 E. 2). Mit freier Kognition ist zu prüfen, ob das kantonale Recht mit dem Bundesrecht, namentlich dem StHG, vereinbar ist (Urteil 2C_1081/2015 vom 12. Dezember 2016 E. 1.4, nicht publ. in: BGE 143 II 33). In Bezug auf die Verletzung der verfassungsmässigen Rechte gilt nach Art. 106 Abs. 2 BGG eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (BGE 147 I 73 E. 2.1; 143 II 283 E. 1.2.2; 139 I 229 E. 2.2; 138 I 274 E. 1.6).  
 
3.  
 
3.1. Eine gegen Art. 127 Abs. 3 BV verstossende Doppelbesteuerung liegt vor, wenn eine steuerpflichtige Person von zwei oder mehreren Kantonen für das gleiche Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zu Steuern herangezogen wird (aktuelle Doppelbesteuerung) oder wenn ein Kanton in Verletzung der geltenden Kollisionsnormen seine Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, die einem anderen Kanton zusteht (virtuelle Doppelbesteuerung). Ausserdem darf ein Kanton ein Steuersubjekt grundsätzlich nicht deshalb stärker belasten, weil es nicht im vollen Umfang seiner Steuerhoheit untersteht, sondern zufolge seiner territorialen Beziehung auch in einem anderen Kanton steuerpflichtig ist (Schlechterstellungsverbot; vgl. BGE 140 I 114 E. 2.3.1; 137 I 145 E. 2.2; 134 I 303 E. 2.1; Urteile 2C_1039/2020 vom 6. Oktober 2021 E. 3.1, in: StE 2022 A 24.43.2 Nr. 7, StR 77/2022 S. 36; 2C_974/2019 vom 17. Dezember 2020 E. 13.1).  
 
3.2. Die Verfahrensbeteiligten sind sich einig, dass es eine interkantonale Doppelbesteuerung bedeutet und Art. 127 Abs. 3 BV verletzt, wenn der Kanton Luzern als Kanton des Geschäftsorts den gesamten Gewinn aus der Physiotherapiepraxis der Beschwerdeführerin und gleichzeitig der Kanton Nidwalden als Wohnsitzkanton einen Teil dieses Gewinns als Lohn der Beschwerdeführerin besteuert. Streitig ist einzig, welcher Kanton den Teil des Unternehmensgewinns besteuern darf, den der Wohnsitzkanton Nidwalden für sich als Arbeitsentgelt der Beschwerdeführerin in Anspruch nimmt.  
 
3.3. Natürliche Personen, die in einem Kanton ihren Wohnsitz haben und in einem anderen Kanton einen Geschäftsbetrieb oder eine Betriebsstätte unterhalten, sind gemäss Steuerharmonisierungsgesetz im erstgenannten Kanton unbeschränkt, im zweitgenannten Kanton beschränkt steuerpflichtig (Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 StHG; vgl. auch Urteil 2C_553/2018 vom 17. Juni 2019 E. 5.1). Nach den Grundsätzen zur Vermeidung der interkantonalen Doppelbesteuerung sind das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit, das in einer Geschäftsniederlassung mit ständigen Einrichtungen erzielt wird, sowie das dieser Tätigkeit dienende bewegliche Vermögen am Geschäftsort zu versteuern (Urteile 2C_1046/2015 vom 10. August 2016 E. 2.1, in: StE 2016 A 24.24.41 Nr. 7; 2C_461/2015 / 2C_462/2015 vom 12. April 2016 E. 3.2; 2C_726/2010 vom 25. Mai 2011 E. 2.2, in: StE 2011 A 24.24.41 Nr. 5). Das gilt grundsätzlich auch, wenn die selbständige Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Personengesellschaft (einfache Gesellschaft, Kollektivgesellschaft oder Kommanditgesellschaft) ausgeübt wird (vgl. BGE 107 Ia 41 E. 2; 93 I 542 E. 1). Nach einer althergebrachten Rechtsprechung verbleiben jedoch Einkünfte eines Gesellschafters einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft aus persönlicher Arbeit für die Gesellschaft dem Wohnsitzkanton (begründet in BGE 33 I 712 E. 3; zuletzt bestätigt in Urteilen 2P.433/1998 vom 30. September 1999 E. 3b, in: StR 55/2000 S. 569; 2P.128 vom 3. Dezember 1998 E. 4a; vgl. auch BGE 107 Ia 41 E. 2; 77 I 207 E. 4). In einigen Urteilen hat das Bundesgericht auf die Kritik der Lehre an dieser Ausnahme zugunsten des Wohnsitzkantons reagiert, seine Praxis als "diskutierbar" bezeichnet und es jedenfalls abgelehnt, sie auf Teilhaber einfacher Gesellschaften und Einzelunternehmen auszudehnen (vgl. BGE 50 I 284 E. 2; 45 I 288 E. 1b; vgl. auch DANIEL DE VRIES-REILINGH, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Interkantonales Steuerrecht, 2. Aufl. 2021, § 18 N. 51 und § 26 N. 54). In der Folge hat es aber an der Sonderregel für Kollektiv- und Kommanditgesellschaften festgehalten (vgl. Urteil vom 6. Mai 1959 E. 2, in: ASA 29 S. 143).  
 
3.4. Weder die Beschwerdeführer noch das Kantonsgericht Luzern stellen die Ausnahmeregel für Kollektiv- und Kommanditgesellschaften an sich infrage. Das Kantonsgericht Luzern, dem sich die Beschwerdeführer nunmehr anschliessen, war vielmehr der Ansicht, dass es sich bei der Personengesellschaft zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Geschäftspartnerin nicht um eine Kollektiv- oder um eine Kommanditgesellschaft, sondern um eine einfache Gesellschaft handle, weswegen von vornherein kein Arbeitsentgelt an den Wohnsitzkanton auszuscheiden sei.  
 
3.5. Mangels Eintrag im Handelsregister (vgl. Art. 553 und 595 OR) kann das Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Mitgesellschafterin nur dann eine Kollektiv- oder eine Kommanditgesellschaft darstellen, wenn sie sich zum Zweck vereinigt haben, unter einer gemeinsamen Firma ein Handels-, ein Fabrikations- oder ein anderes nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe zu betreiben (Art. 552 Abs. 1 und Art. 594 Abs. 1 OR). Die Beschwerdeführerin und ihre Mitgesellschafterin führten weder ein Handels- noch ein Fabrikationsgewerbe, handelten sie doch weder mit Gütern oder Dienstleistungen, noch bearbeiteten sie Güter auf maschinelle oder sonstige technische Art und Weise (vgl. BGE 104 Ib 261 E. 1; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 12. Aufl. 2018, § 4 N. 54).  
 
3.6. Die von der Beschwerdeführerin und ihrer Mitgesellschafterin betriebene Physiotherapiepraxis könnte aber ein anderes nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe darstellen. Dazu gehören selbständige, auf dauernden Erwerb gerichtete wirtschaftliche Tätigkeiten, die nicht Handels- oder Fabrikationsgewerbe sind, jedoch nach Art und Umfang des Unternehmens einen kaufmännischen Betrieb und eine geordnete Buchführung erfordern (BGE 84 I 187 E. 1; 80 I 383 S. 384; Urteil 4A.2/2005 vom 28. November 2005 E. 4.2 mit Hinweis auf Art. 53 lit. c der alten Handelsregisterverordnung vom 7. Juni 1937 [AS 53 577]). Grundsätzlich nicht als nach kaufmännischer Art geführte Gewerbe gelten jedoch praxisgemäss die freien Berufe (vgl. BGE 130 III 707 E. 4.2; 106 Ib 311 E. 3c; 70 I 106 E. 2 [alle zur Eintragungspflicht nach Art. 934 Abs. 1 aOR in der bis am 31. Dezember 2020 gültigen Fassung; vgl. auch Art. 931 Abs. 1 OR in der aktuellen Fassung]). Bei diesen Berufen steht nämlich die persönliche Beziehung zwischen dem Arzt, Zahnarzt, Ingenieur, Architekten, Anwalt etc. und dem Patienten oder Klienten im Vordergrund; dem Angehörigen eines freien Berufs wird wegen seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, weniger wegen seiner finanziellen Kreditwürdigkeit vertraut (Urteil 4A_526/2008 vom 21. Januar 2009 E. 4.2 mit Hinweis). Von einem nach kaufmännischer Art geführten Unternehmen ist jedoch praxisgemäss auszugehen, wenn das Streben nach Wirtschaftlichkeit gegenüber der persönlichen Beziehung zum Patienten oder Klienten in den Vordergrund tritt, indem etwa im Hinblick auf eine möglichst hohe Rentabilität Planung betrieben, Organisationsbelangen besondere Aufmerksamkeit geschenkt, einer optimalen Finanzierung Sorge getragen, wirksame Werbung betrieben wird etc. (BGE 124 III 363 E. II.2b; vgl. auch BGE 130 III 707 E. 4.2; 100 Ib 345 E. 1). Ob der freie Beruf nach kaufmännischer Art betrieben wird, beurteilt sich stets aufgrund einer Gesamtbetrachtung. Merkmale der "kaufmännischen Art" der Unternehmensführung sind etwa ein hoher Umsatz, hohe Personal- und Verwaltungsaufwendungen oder die Bezahlung eines Goodwills im Falle einer Übernahme (BGE 130 III 707 E. 4.3; Urteil 2A.210/1992 vom 26. November 1993 E. 4a-d, in: ASA 64 S. 144).  
 
3.7. Weiteres wesentliches Element für das Vorliegen einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft und Abgrenzungskriterium zur einfachen Gesellschaft ist ihr Auftreten unter gemeinsamer Firma, deren Bildung sich nach Art. 947 Abs. 1 OR (seit 1. Januar 2021: Art. 950 Abs. 1 OR) bestimmt. So muss, sofern nicht alle Gesellschafter namentlich aufgeführt werden, der Familienname wenigstens eines der Gesellschafter mit einem das Gesellschaftsverhältnis andeutenden Zusatz in der Firma enthalten sein. Wird entgegen diesen Vorschriften eine unzulässige Firma geführt, ändert dies am Bestand einer Kollektivgesellschaft nichts, sofern die Gesellschafter das Gesellschaftsverhältnis nach aussen bekannt geben und damit nicht lediglich eine stille Gesellschaft vorliegt (BGE 124 III 363 II.2c).  
 
3.8. Unter Berücksichtigung der üblichen Tätigkeiten von Physiotherapeuten und der gesundheitsrechtlichen Regulierung dieses Berufs ist das Kantonsgericht Luzern zum Schluss gelangt, dass die persönliche Beziehung zum Patienten im Vordergrund stehe. Aus diesem Grund hat das Kantonsgericht Luzern den Beruf eines Physiotherapeuten im Allgemeinen den "klassischen [freien] Berufen" gleichgestellt und dafürgehalten, dass in dieser Tätigkeit grundsätzlich kein anderes nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe zu sehen sei.  
Diese Würdigung des Kantonsgerichts Luzern ist nicht zu beanstanden. Das Bundesgericht brauchte bislang nicht zu klären, ob der Beruf des Physiotherapeuten gleich etwa wie der Arztberuf zu den freien Berufen zu rechnen ist. Nach zwei Berichten des Bundesrats aus den Jahren 2003 und 2014 sind die freien Berufe anhand von vier Indikatoren zu bestimmen (Personenbezug, Dienstleistung bzw. Tätigkeit mit typischerweise intellektuellem Charakter, berufliche Qualifikation und staatliche Reglementierung). Der Begriff umfasse deshalb nicht nur die sieben "artes liberales" des Mittelalters (Jurist, Arzt, Theologe, Geometer, Feldmesser, Astronom und Musiker), sondern eine Reihe weiterer Berufe, darunter auch jener des Physiotherapeuten (vgl. Freie Berufe. Stellenwert in der Volkswirtschaft? Bericht des Bundesrats vom 15. Januar 2014 in Erfüllung des Postulates 11.3899 Cassis vom 29. September 2011 [Bericht BR 2014], S. 8 f.; Freie Berufe in der Schweiz, Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Cina [N 03.3663] vom 19. Dezember 2003 [Bericht BR 2003], S. 5 f.; vgl. auch Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union [EuGH] vom 11. Oktober 2001 C-267/99 Adam, Slg. 2001 I-07467 Randnr. 39). In der Tat weist der Beruf des Physiotherapeuten sämtliche der vom Bundesrat identifizierten Merkmale eines freien Berufs auf. Es rechtfertigt sich, Physiotherapeuten im vorliegenden Kontext gleich zu behandeln wie Ärzte, da auch bei ihnen die persönliche Beziehung zum Patienten im Vordergrund steht.  
 
3.9. Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdeführerin und ihre Mitgesellschafterin den freien Beruf ausnahmsweise dennoch in der Art eines kaufmännischen Gewerbes betrieben haben.  
 
3.9.1. Diesbezüglich hat das Kantonsgericht Luzern für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt (Art. 105 Abs. 1 BGG), dass sich das Eigenkapital der Physiotherapiepraxis gemäss Bilanz aus von der Beschwerdeführerin und ihrer Mitgesellschafterin geleisteten Einlagen in Höhe von je Fr. 30'000.-- zusammensetze. Unter dem Titel "Eigenkapital" seien zudem zwei Kontokorrentkredite aufgeführt, die ebenfalls auf die Namen der Beschwerdeführerin und ihrer Mitgesellschafterin lauteten. Gemäss der Erfolgsrechnung sei im Jahr 2017 ein Dienstleistungserlös von Fr. 694'938.20 erzielt worden, wovon unter anderem Lohnaufwände von Fr. 55'723.-- (unter dem Titel "Löhne") und von Fr. 7'200.-- (unter dem Titel "Löhne Reinigung") abgezogen worden seien. Unter Berücksichtigung der weiteren Aufwände habe ein Jahresgewinn von Fr. 364'735.43 resultiert. Laut dem Kantonsgericht Luzern verfügte die Physiotherapiepraxis im Jahr 2017 über keinen eigenen Internetauftritt. Sie sei aber im online zugänglichen Firmenverzeichnis der Gemeinde W.________ aufgeführt, wo ihre Tätigkeit wie folgt umschrieben werde: "Physiotherapie für alle Altersgruppen, Sportphysiotherapie, MTT, Manuelle Therapie, Lymphdrainage, Feldenkrais, Bobath, Triggerpunkt, Taping, alltägliches kostenfreies Training während Behandlungsserie." Ferner sei die Physiotherapiepraxis in der Datenbank von www.tel.search.ch verzeichnet, wo auch die Kontaktangaben der Beschwerdeführerin und ihrer Mitgesellschafterin genannt würden.  
Auf der Grundlage dieser Feststellungen kam das Kantonsgericht Luzern zum Schluss, dass die Physiotherapiepraxis kein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe sei. Das Dienstleistungsvolumen sei angesichts des Umsatzes von Fr. 694'938.20 zwar erheblich. Daraus folge aber nicht zwingend, dass die beiden Gesellschafterinnen den Fokus ihrer Tätigkeit auf eine möglichst hohe Rentabilität gelegt hätten. Zudem hätten die Gesellschafterinnen höchstens eine dritte Physiotherapeutin und nicht eine Reihe weiterer Berufskollegen angestellt, wie dies etwa bei den grösseren Anwaltskanzleien der Fall sei, die nach der Rechtsprechung als nach kaufmännischer Art geführte Gewerbe gelten (vgl. BGE 124 III 363 E. II.2b). 
 
3.9.2. Auch diese Würdigung des Kantonsgerichts Luzern hält der bundesgerichtlichen Überprüfung stand. Wie das Kantonsgericht Luzern anerkannt hat, ist der erhebliche Umsatz von Fr. 694'938.20, den die Beschwerdeführerin und ihre Mitgesellschafterin erzielt haben, ein Merkmal eines nach kaufmännischer Art geführten Unternehmens (vgl. oben E. 3.6). Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin und ihre Mitgesellschafterin nur eine weitere Person - bzw. nach der Darstellung des Kantons Nidwalden: zwei weitere Personen - angestellt haben, spricht jedoch eher gegen eine auf eine möglichst hohe Rentabilität ausgerichtete Organisation. Andere Anhaltspunkte dafür, dass das Streben nach Wirtschaftlichkeit gegenüber der persönlichen Beziehung zum Patienten in den Vordergrund getreten ist, konnte die Vorinstanz nicht feststellen. Der Kanton Nidwalden, der insoweit nicht an die Feststellungen des Kantonsgerichts Luzern gebunden ist (vgl. oben E. 2.2), behauptet, dass die Behandlungen von allen in der Physiotherapiepraxis tätigen Therapeuten gleichermassen vorgenommen werden könnten und die Person des Therapeuten nicht im Vordergrund stehe. Beweismittel für diese Behauptung bietet der Kanton Nidwalden jedoch nicht an. Sie erscheint auch als wenig plausibel: Auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass Patienten je nach Verfügbarkeit von unterschiedlichen Therapeuten derselben Praxis behandelt werden könnten, entspricht dies nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht dem Regelfall. Da der Kanton Nidwalden aus der von ihm behaupteten arbeitsteiligen Organisation einen Vorteil ableitet (teilweises Besteuerungsrecht aufgrund Vorliegens einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft), ohne diese Tatsache zu beweisen, ist zu seinen Lasten davon auszugehen, dass keine solche Arbeitsteilung stattfand und die Therapeutinnen ihre Patienten persönlich betreuten, mithin die persönliche Beziehung zum Patienten und nicht eine möglichst hohe Rentabilität im Vordergrund stand (vgl. zur Beweislastverteilung im Abgaberecht BGE 144 II 427 E. 8.3.1; 142 II 488 E. 3.8.2; 140 II 248 E. 3.5).  
 
3.9.3. Fehlt es an der kaufmännischen Art der Unternehmensführung, braucht nicht geprüft zu werden, ob der von den Gesellschafterinnen verwendete Name überhaupt als gemeinsame Firma im Sinne von Art. 552 Abs. 1 bzw. Art. 594 Abs. 1 OR betrachtet werden kann, obschon er das Gesellschaftsverhältnis nicht andeutet und auch nicht ersichtlich ist, dass die Gesellschafterinnen das Gesellschaftsverhältnis auf andere Weise kundgetan hätten (vgl. oben E. 3.7).  
 
3.10. Nach dem Gesagten erweisen sich die Anhaltspunkte für eine kaufmännische Art der Unternehmensführung insgesamt als zu schwach, um von der Regel abzuweichen, wonach die freiberufliche Tätigkeit nicht der handelsregisterlichen Eintragungspflicht unterliegt respektive keine Kollektivgesellschaft (oder Kommanditgesellschaft) entstehen lässt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Mitgesellschafterin eine Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft bestanden hat. Die Zuweisung eines Lohnanteils an den Wohnsitzkanton scheidet vor diesem Hintergrund von vornherein aus, wie das Kantonsgericht Luzern zu Recht erkannt hat. Ob an der Sonderbehandlung für selbständig erwerbstätige Gesellschafter von Kollektiv- und Kommanditgesellschaften festzuhalten ist, kann unter diesen Umständen offen bleiben.  
 
4.  
Die Beschwerde richtet sich hauptsächlich gegen den Kanton Nidwalden. Insoweit ist sie gutzuheissen. Der Eventualantrag gegen den Kanton Luzern wird dadurch gegenstandslos (Urteil 2C_830/2021 vom 14. Juni 2022 E. 6.2). Die Kosten sind dem unterliegenden Kanton Nidwalden aufzuerlegen, der Vermögensinteressen verfolgt (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 4 BGG). Er hat den Beschwerdeführern eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 BGG; Urteil 2C_830/2021 vom 14. Juni 2022 E. 6.2). Der ebenfalls obsiegende Kanton Luzern hat keinen Anspruch auf Entschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde gegen den Kanton Nidwalden wird gutgeheissen. Die Veranlagungsverfügung des Steueramts des Kantons Nidwalden vom 14. Juli 2020 wird aufgehoben. Das Verfahren wird zu neuer Veranlagung an das Steueramt des Kantons Nidwalden zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Beschwerde gegen den Kanton Luzern wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Kanton Nidwalden auferlegt. 
 
4.  
Der Kanton Nidwalden hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- zu bezahlen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. September 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler