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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_211/2022  
 
 
Urteil vom 18. Juli 2022  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichterin Kiss, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Dürst. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Könitzer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ GmbH, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Schütt, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Teilklage, rechtsmissbräuchliche Erhebung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 22. März 2022 (PP220001-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ AG (Klägerin, Beschwerdeführerin) betreibt ein Inkassobüro. Die B.________ GmbH (Beklagte, Beschwerdegegnerin) bezweckt hauptsächlich den Verkauf und die Vermittlung von Produkten und Dienstleistungen im Finanz- und Versicherungsbereich. 
Gemäss Darstellung der Klägerin schloss die Beklagte mit der C.________ AG am 7. März 2018 einen Kreditvermittlungsvertrag. Dabei sei die gewerbsmässige Vermittlung von Konsumkreditverträgen gegen Provision sowie in bestimmten Fällen die Rückbelastung bzw. Rückerstattung dieser Provision vereinbart worden. Gestützt auf diese Rückbelastungsklausel sei der C.________ AG im Jahr 2018 ein bis dato nicht beglichener Rückforderungsanspruch in Höhe von insgesamt Fr. 77'437.95 entstanden. Am 10. Mai 2021 habe die C.________ AG die genannte Forderung rechtsgültig an die Klägerin abgetreten. 
 
B.  
Am 26. August 2021 fand zwischen den Parteien eine Schlichtungsverhandlung vor dem Friedensrichteramt der Stadt Zürich, Kreise 3 + 9, statt. Das Rechtsbegehren der Klägerin lautete wie folgt: 
 
"Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin CHF 4'999.95 nebst 5% Zins seit dem 08.10.2020 und CHF 103.30 für die Kosten der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes U.________, ausgestellt am 13.10.2020, zu bezahlen, sowie sei der Rechtsvorschlag vom 19.10.2020 aufzuheben." 
 
Nach Scheitern der Schlichtung wurde der Klägerin die Klagebewilligung erteilt. 
Am 29. November 2021 machte die Klägerin beim Einzelgericht im vereinfachten Verfahren am Bezirksgericht Zürich eine Teilklage anhängig mit folgendem Rechtsbegehren: 
 
"1. Die beklagte Partei sei [unter Vorbehalt des Nachklagerechts] zu verurteilen, der klagenden Partei CHF 1'999.95 [CHF 1'999.95 / CHF 77'437.95 Teilklage jeweils von jeder Forderung] nebst Zins zu 5% seit dem 08.10.2020 zu bezahlen. 
In diesem Umfang sei der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes U.________ (Zahlungsbefehl vom 13.10.2020) zu beseitigen." 
 
Mit Verfügung vom 15. Dezember 2001 beurteilte das Einzelgericht die Teilklage als rechtsmissbräuchlich und trat mangels schutzwürdigen Interesses nicht darauf ein. 
Dagegen erhob die Klägerin Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Sie ersuchte um Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheids und um Rückweisung der Sache im Sinne der Erwägungen. 
Mit Urteil vom 22. März 2022 wies das Obergericht die Beschwerde ab. Es gelangte mit einlässlicher Begründung und unter Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles ebenfalls zur Auffassung, die erhobene Teilklage sei rechtsmissbräuchlich. Zum einen bestehe ein krasses Missverhältnis zwischen Teilklage und klägerischem Parteiinteresse. Zum anderen könne auch nicht mehr davon ausgegangen werden, die Klägerin verfolge mit der Erhebung der Teilklage das legitime Ziel der Reduktion von Verfahrenskosten bzw. des Kostenrisikos. Vielmehr bediene sie sich in zweckwidriger und damit rechtsmissbräuchlicher Weise des Instituts der Teilklage, um in den Genuss eines beinahe kostenlosen Testprozesses über eine Vielzahl umstrittener einzelner Forderungen zu gelangen. 
 
C.  
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. März 2022 aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Beschwerdegegnerin teilt unter Verzicht auf Vernehmlassung mit, dass sie sich zur Eintretensfrage, die von Amtes wegen zu prüfen sei, nicht positioniere. Ihr dürften daher unabhängig vom Verfahrensausgang weder Gerichtskosten noch Parteientschädigungen auferlegt werden. Die Vorinstanz liess sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde ist ein reformatorisches Rechtsmittel (Art. 107 Abs. 2 BGG). Deshalb muss sie grundsätzlich ein materielles Begehren enthalten. Ein blosser Aufhebungs- und Rückweisungsantrag reicht ausnahmsweise aus, wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung in der Sache nicht selbst entscheiden könnte, weil Feststellungen der Vorinstanz hierzu fehlen (BGE 135 III 31 E. 2.2; 134 III 379 E. 1.3; 133 III 489 E. 3.1). 
 
Die Beschwerdeführerin beantragt lediglich die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Rückweisung der Sache "im Sinne der Erwägungen". Dieser Antrag erscheint ungenügend. Die Beschwerdeführerin präzisiert weder, was sie unter "Rückweisung im Sinne der Erwägungen" versteht, noch in welchem Umfang sie ihre Teilklage aufrecht erhält. Unter Mitberücksichtigung der Beschwerdebegründung darf allerdings angenommen werden, dass sie darum ersucht, dass auf die Teilklage gemäss erstinstanzlichem Rechtsbegehren einzutreten sei. 
 
2.  
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 145 I 121 E. 1; 143 III 140 E. 1; 141 III 395 E. 2.1). 
 
2.1. Die Beschwerde betrifft eine Zivilsache (Art. 72 BGG), sie richtet sich gegen einen Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG), die Beschwerdeführerin ist mit ihren Anträgen nicht durchgedrungen (Art. 76 Abs. 1 BGG) und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG).  
Der Streitwert von Fr. 1'999.95 erreicht die Streitwertgrenze von Fr. 30'000.-- für eine Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG nicht. Diese ist daher nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). 
 
2.2. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist nur zurückhaltend anzunehmen. Eine solche liegt vor, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen (BGE 147 II 201 E. 2.1; 146 III 237 E. 1; 144 III 164 E. 1; je mit weiteren Hinweisen). Soweit es bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 143 II 425 E. 1.3.2; 141 II 113 E. 1.4.1).  
Der blosse Umstand, dass die aufgeworfene Rechtsfrage noch nie entschieden wurde, genügt nicht. Es muss sich um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann und die von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft (BGE 143 II 425 E. 1.3.2; 141 II 14 E. 1.2.2.1; 138 I 143 E. 1.1.2). Wenn geltend gemacht wird, dass von den unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden, muss die zu beurteilende Streitsache überdies geeignet sein, die Frage auch mit Bezug auf die anderen Fälle zu klären (BGE 139 II 340 E. 4). 
Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, so ist in der Beschwerde auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BGG). 
 
2.3. Laut Beschwerdeführerin geht es konkret um die Frage, "ob mit Einreichung einer Klage bei Gericht eine Reduktion der eingeklagten Forderungssumme unter Vorbehalt des Nachklagerechts von CHF 4'999.95 [CHF 4'999.95 / 77'437.95 Teilklage jeweils von jeder Forderung] um CHF 3'000.00, sodass eine Teilklage einen Streitwert von CHF 1'999.95 [CHF 1'999.95 / 77'437.95 Teilklage jeweils von jeder Forderung] aufweist, zulässig ist".  
Warum es sich bei dieser einzelfallbezogenen Frage um eine solche von grundsätzlicher Bedeutung handeln soll, begründet die Beschwerdeführerin nicht. Sie behauptet lediglich, diese Frage sei vom Bundesgericht noch nie entschieden worden und eine höchstrichterliche Klärung erscheine im Interesse der Rechtssicherheit als angezeigt. Insbesondere mit Blick darauf, dass ein Urteilsvorschlag (Art. 210 ZPO) oder ein Entscheid (Art. 212 ZPO) durch die Schlichtungsbehörde nur bis zu einem gewissen Streitwert zur Verfügung stehe, sei die Frage der Zulässigkeit einer anschliessenden Reduktion des Streitwerts mittels Teilklage für die Praxis wegleitend. Die Streitwertgrenze von Fr. 30'000.-- verhindere eine Klärung der Rechtsfrage auf Dauer. 
Mit diesen Darlegungen zeigt die Beschwerdeführerin das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG nicht auf. Die Vorinstanz hat die Teilklage aufgrund der gegebenen Sachlage wegen rechtsmissbräuchlichen Vorgehens der Beschwerdeführerin für unzulässig erklärt. Um zum Schluss auf Rechtsmissbrauch zu gelangen, hat die Vorinstanz die konkreten Umstände des vorliegenden Falles gewürdigt und nicht etwa allgemeingültig geurteilt, eine Teilklage, mit der die Klageforderung nach gescheitertem Schlichtungsversuch reduziert werde, sei a priori generell unzulässig. Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, dass das Institut der Teilklage unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbots nach Art. 2 Abs. 2 ZGB und des Handelns nach Treu und Glauben nach Art. 52 ZPO steht (BGE 144 III 452 E. 2.4; 143 III 506 E. 4.1; 142 III 683 E. 5.2; Urteil 4A_307/2021 vom 23. Juni 2022 E. 2.2.5). Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Einzelfall wirft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. 
Die Voraussetzung nach Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ist nicht erfüllt, weshalb die Beschwerde in Zivilsachen nicht offensteht. Die Eingabe der Beschwerdeführerin ist daher als subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu behandeln (Art. 113 BGG). 
 
3.  
Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann ausschliesslich die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Diesbezüglich gilt eine qualifizierte Rügepflicht. Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten nicht von Amtes wegen, sondern nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 117 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG). Dies bedeutet, dass klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 135 III 232 E. 1.2; 134 I 83 E. 3.2; je mit weiteren Hinweisen). 
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin erfüllt die genannten Begründungsanforderungen nicht. Sie zeigt nicht auf, inwiefern die Vorinstanz mit ihrem Entscheid verfassungsmässige Rechte verletzt hätte. Sie beruft sich auf einfaches Bundesrecht (Art. 2 Abs. 2 ZGB, Art. 52 ZPO, Art. 86 und 90 ZPO) und bezeichnet die vorinstanzliche Beurteilung als "falsch". Eine gehörig begründete Verfassungsrüge erhebt sie jedoch nicht. 
Demnach kann auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht eingetreten werden. 
 
4.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Hingegen hat sie der Beschwerdegegnerin keine Parteientschädigung zu bezahlen, nachdem diese keine solche beantragt hat und ohnehin lediglich den Vernehmlassungsverzicht mitteilte, ihr durch das bundesgerichtliche Verfahren mithin kein nennenswerter, entschädigungspflichtiger Aufwand erwachsen ist. 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Juli 2022 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Hohl 
 
Der Gerichtsschreiber: Dürst