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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_988/2022  
 
 
Urteil vom 7. November 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Hartmann, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Plattner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.B.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Krumm, 
 
gegen  
 
Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau, Rechtsdienst, 
Bahnhofplatz 3C, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (Rückstufung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 27. Oktober 2022 (WBE.2022.342). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Entscheid vom 2. August 2022 wies der Rechtsdienst des Amtes für Migration und Integration des Kantons Aargau eine Einsprache von A.B.________ (geb. 1988) gegen eine Verfügung betreffend Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (Rückstufung) ab. Dieser Entscheid wurde gemäss Sendungsverfolgung der Schweizerischen Post am 3. August 2022 zugestellt. 
 
B.  
Gegen den Einspracheentscheid vom 2. August 2022 erhob A.B.________, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, mit Eingabe vom 5. September 2022 (Postaufgabe) Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. 
Der Instruktionsrichter des Verwaltungsgerichts teilte A.B.________ mit Schreiben vom 6. September 2022 mit, die 30-tägige Beschwerdefrist sei am 2. September 2022 abgelaufen. Die Beschwerde sei somit verspätet eingereicht worden, weshalb das Verwaltungsgericht voraussichtlich nicht darauf eintreten werde. Die Beschwerde könne bis zum 26. September 2022 ohne Kostenfolge zurückgezogen werden. 
Mit Eingabe vom 6. Oktober 2022 machte A.B.________ geltend, der Einspracheentscheid der Vorinstanz sei ihm nicht am 3. August 2022, sondern erst am 5. August 2022 korrekt zugestellt und damit rechtsgenüglich eröffnet worden. Entsprechend sei die Beschwerdefrist erst am 5. September 2022 abgelaufen. Die Frist sei gewahrt, weshalb auf die Beschwerde einzutreten sei. 
Mit Urteil vom 27. Oktober 2022 trat das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau nicht auf die Beschwerde ein und auferlegte A.B.________ die Verfahrenskosten. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. Dezember 2022 gelangt A.B.________ an das Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 27. Oktober 2022 sei vollumfänglich aufzuheben und die Sache sei zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau verzichtet auf Vernehmlassung und beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau beantragt die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 27. Oktober 2022, mit dem es nicht auf die Beschwerde eintrat. Gegen Nichteintretensentscheide ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn auch ein Entscheid in der Sache mit diesem Rechtsmittel anfechtbar wäre, d.h. wenn kein Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG vorliegt (vgl. BGE 137 I 371 E. 1.1; Urteil 2C_927/2022 vom 20. September 2023 E. 1.1). Das Rechtsmittel ist als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, da auf die Weitergeltung der Niederlassungsbewilligung grundsätzlich ein Anspruch besteht (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1; vgl. Urteile 2C_19/2023 vom 20. Juli 2023 E. 1; 2C_889/2021 vom 24. Februar 2022 E. 1; 2C_628/2021 vom 21. Oktober 2021 E. 1). Der Beschwerdeführer ist als Adressat des angefochtenen Nichteintretensentscheids ferner zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch alle weiteren Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 und Art. 42 BGG), ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht, d.h. es ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Urteils aufzuzeigen, inwiefern die entsprechenden Rechtsnormen verletzt worden sein sollen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.1; 139 I 229 E. 2.2). Die Anwendung des kantonalen Rechts wird sodann vom Bundesgericht abgesehen von den Fällen von Art. 95 lit. c und d BGG nur daraufhin geprüft, ob dadurch Bundesrecht - namentlich das Willkürverbot - verletzt wurde (vgl. BGE 142 II 369 E. 2.1; 138 I 143 E. 2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Feststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang zudem entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 148 I 160 E. 3; 147 I 73 E. 2.2). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Eine entsprechende Rüge ist hinreichend zu substanziieren (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.2; 137 II 353 E. 5.1; BGE 133 II 249 E. 1.4.3).  
 
3.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). 
 
3.1. Er macht geltend, die Vorinstanz habe den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV verletzt, indem sie nicht begründet habe, weshalb die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach der Brief fälschlicherweise an den Nachbarn C.B.________ zugestellt worden sei, nicht glaubhaft sein sollen.  
 
3.2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die Behörde die rechtserheblichen Vorbringen der Parteien tatsächlich hört, ernsthaft prüft und bei der Entscheidfindung angemessen berücksichtigt (BGE 143 III 65 E. 5.2; Urteil 2C_93/2023 vom 5. September 2023 E. 2.1). Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 143 III 65 E. 5.2; 142 II 49 E. 9.2; Urteil 2C_93/2023 vom 5. September 2023 E. 2.1).  
 
3.3. Die Vorinstanz führte aus, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers, selbst wenn sie zuträfen, aus rechtlichen Gründen nichts daran zu ändern vermöchten, dass die Beschwerde verspätet eingereicht worden sei. Die Vorinstanz begründete damit, wieso der konkrete Ablauf der Zustellung ihrer Ansicht nach für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde offengelassen werden konnte. Insofern genügt das vorinstanzliche Urteil den Anforderungen an die Begründungspflicht nach Art. 29 Abs. 2 BV. Ob die Auffassung der Vorinstanz zutrifft, beschlägt nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör, sondern ist eine materiell-rechtliche Frage.  
 
4.  
Streitig ist vor Bundesgericht, wann der Einspracheentscheid vom 2. August 2022 dem Beschwerdeführer eröffnet worden ist und ob er seine Beschwerde dagegen rechtzeitig bei der Vorinstanz eingereicht hat. 
 
5.  
 
5.1. Der Beschwerdeführer rügt, der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz verletze insbesondere das Verbot der formellen Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV). Die Rechtsmittelfrist beginne erst mit der Zustellung an den richtigen Empfänger zu laufen. Er macht wie bereits im kantonalen Beschwerdeverfahren geltend, der Einspracheentscheid sei am 3. August 2022 in das Briefkastenablagefach seines Nachbarn, der den gleichen Familiennamen trage, zugestellt worden, und dieser habe die Sendung am 5. August 2022 in das Briefkastenablagefach des Beschwerdeführers gelegt. Damit sei ihm der Einspracheentscheid am 5. August 2022 zugestellt worden, weshalb die Beschwerdefrist erst am 5. August 2022 zu laufen begonnen habe. Die Beschwerde vom 5. September 2022 sei folglich innerhalb der Beschwerdefrist und damit nicht verspätet erfolgt, weshalb das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde hätte eintreten müssen.  
 
5.2. Die Vorinstanz stellte in ihrem Nichteintretensentscheid vom 27. Oktober 2022 fest, die Zustellung des per A-Post Plus versandten Einspracheentscheids an den Beschwerdeführer sei gemäss Sendungsverfolgung der Post am Mittwoch, 3. August 2022, "durch Ablage in den Briefkasten" erfolgt. Sie liess offen, ob der Einspracheentscheid durch die Post am 3. August 2022 in das Briefkastenablagefach des Beschwerdeführers oder des Nachbarn gelegt worden war. Die fristauslösende Eröffnung des Einspracheentscheids wäre nach Ansicht der Vorinstanz in beiden Fällen bereits am 3. August 2022 erfolgt. Die 30-tägige Beschwerdefrist habe demnach am 4. August 2022 zu laufen begonnen, womit die Beschwerdefrist am 2. September 2022 abgelaufen und die Beschwerde am 5. September 2022 verspätet eingereicht worden sei.  
 
5.3.  
 
5.3.1. Gemäss § 9 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Ausländerrecht des Kantons Aargau (EGAR; SAR 122.600) können Einspracheentscheide innert 30 Tagen seit Zustellung mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden.  
 
5.3.2. Nach Art. 29 Abs. 1 BV hat jede Person in Verfahren vor Gerichtsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. Als Teilgehalt fliesst aus der genannten Bestimmung das Verbot formeller Rechtsverweigerung. Eine formelle Rechtsverweigerung liegt vor, wenn eine Behörde auf eine ihr frist- und formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber befinden müsste (BGE 144 II 184 E. 3.1; 141 I 172 E. 5; 135 I 6 E. 2.1; Urteil 2C_995/2021 vom 28. September 2022 E. 5.1). Ob eine solche formelle Rechtsverweigerung vorliegt, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition. Die Auslegung und Anwendung des einschlägigen kantonalen Rechts untersucht es hingegen nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 144 II 184 E. 3.1; 135 I 6 E. 2.1; Urteil 2C_61/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 3.1).  
 
5.3.3. Verfügungen und Entscheide gelten als eröffnet, sobald sie ordnungsgemäss zugestellt sind und die betroffene Person davon Kenntnis nehmen kann. Dass sie davon tatsächlich Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich (BGE 142 III 599 E. 2.4.1; 122 I 139 E. 1; Urteil 2C_103/2021 vom 9. Februar 2021 E. 3.2.1). Eine der Post zuhanden des Empfängers übergebene uneingeschriebene Sendung gilt nach konstanter Praxis als zugestellt, wenn sie in den Briefkasten des Adressaten gelegt wird (Urteil 2C_1032/2019 vom 11. März 2020 E. 3.2). Das Schriftstück muss sich mithin im Machtbereich ("sphère de puissance"; Urteil 2C_882/2019 vom 31. Oktober 2019 E. 4.1) der betroffenen Person befinden (Urteil 2C_463/2019 vom 8. Juni 2020 E. 3.2.2).  
 
5.3.4. Bei der Versandmethode A-Post Plus wird der Brief mit einer Nummer versehen und ähnlich wie ein eingeschriebener Brief mit A-Post spediert. Im Unterschied zu den eingeschriebenen Briefpostsendungen wird aber der Empfang durch den Empfänger nicht quittiert. Die Zustellung wird vielmehr elektronisch erfasst, wenn die Sendung in das Postfach oder in den Briefkasten des Empfängers gelegt wird (BGE 144 IV 57 E. 2.3.1; 142 III 599 E. 2.2 mit Hinweisen). Der ständigen bundesgerichtlichen Praxis zum Verfahren "A-Post Plus" zufolge gilt, dass mit der elektronischen Sendungsverfolgung "Track & Trace" der Post CH AG zwar nicht bewiesen wird, dass die Sendung tatsächlich in den Empfangsbereich des Empfängers gelangt ist, sondern bloss, dass die Post CH AG einen entsprechenden Eintrag in ihrem Erfassungssystem vorgenommen hat. Im Sinne eines Indizes lässt sich aus dem Eintrag aber darauf schliessen, dass die Sendung in den Briefkasten oder in das Postfach des Adressaten gelegt wurde (BGE 142 III 599 E. 2.2; Urteile 2C_170/2022 vom 21. Dezember 2022 E. 5.3; 2C_1008/2022 vom 21. Dezember 2022 E. 3.2.1).  
 
5.3.5. Dass die Sendung in den Briefkasten des Empfängers gelangte, hat der Absender zu beweisen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die sich auch auf die Zustellungsart A-Post Plus bezieht, liegt ein Fehler bei der Postzustellung nicht ausserhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Eine fehlerhafte Postzustellung ist allerdings nicht zu vermuten, sondern nur anzunehmen, wenn sie aufgrund der Umstände plausibel erscheint. Auf die Darstellung des Adressaten, dass eine fehlerhafte Postzustellung vorliegt, ist daher abzustellen, wenn seine Darlegung der Umstände nachvollziehbar ist und einer gewissen Wahrscheinlichkeit entspricht, wobei sein guter Glaube zu vermuten ist (BGE 142 III 599 E. 2.4.1). Rein hypothetische Überlegungen des Empfängers genügen hingegen nicht (Urteile 2C_170/2022 vom 21. Dezember 2022 E. 5.2; 2C_16/2019 vom 10. Januar 2019 E. 3.2.2; 4A_10/2016 vom 8. September 2016 E. 2.2.1, nicht publiziert in BGE 142 III 671; 2C_165/2015 vom 21. Februar 2015 E. 2.3). Eine Verwechslung bei der Zustellung aufgrund gleicher oder ähnlich lautender Familiennamen kann als nachvollziehbarer Umstand gelten, der eine fehlerhafte Postzustellung plausibel erscheinen lassen kann (vgl. Urteil 1C_330/2016 vom 27. September 2016 E. 2.6).  
 
5.4. Indem der Beschwerdeführer gestützt auf ein entsprechendes Bestätigungsschreiben des Nachbarn und Fotos der Briefkastenanlage darlegte, der Einspracheentscheid sei am 3. August 2022 in den Briefkasten seines Nachbarn gelegt worden, der den gleichen Familiennamen trage, und dieser habe die Sendung am 5. August 2022 in den Briefkasten des Beschwerdeführers gelegt, machte er nachvollziehbare Umstände geltend, die eine fehlerhafte Zustellung plausibel erscheinen lassen. Sein guter Glaube ist zu vermuten. Es ist daher auf die Darstellung des Beschwerdeführers abzustellen, wonach ihm der Einspracheentscheid erst am 5. August 2022 zugestellt wurde.  
 
6.  
Wie der Beschwerdeführer zu Recht vorbringt, überzeugen die Erwägungen der Vorinstanz nicht, wonach sich der Beschwerdeführer die Zustellung am 3. August 2022 an den Nachbarn als rechtswirksame Eröffnung entgegen halten muss.  
 
6.1. Die Vorinstanz begründete ihre Auffassung zunächst mit dem Argument, es liege in der Verantwortung des Beschwerdeführers, seinen Briefkasten so zu beschriften, dass eine an ihn adressierte Sendung zuverlässig zugestellt werde könne.  
 
6.1.1. Angesichts der Umstände sei vom Beschwerdeführer zu erwarten gewesen, dass er seinen vollen Namen auf dem Briefkasten anbringe, zumal sich an der Briefkastenanlage seiner Wohnadresse mehrere Briefkästen mit dem Nachnamen B.________ befänden und umso mehr, als es dadurch bereits in der Vergangenheit zu Verwechslungen gekommen sei. Indem der Beschwerdeführer unter diesen Umständen seinen Briefkasten nicht mit seinem vollen Namen (A.B.________), sondern mit "B.________ Tata" beschriftet habe, nehme er in Kauf, dass an ihn adressierte Post jeweils in einen der beiden mit "B.________", aber nicht mit "A.B.________" beschrifteten Briefkästen eingeworfen werde und er gewisse Sendungen erst dann in seinem Briefkasten vorfinde, wenn ihm diese durch den Nachbarn C.B.________ weitergeleitet würden. Entsprechend könne er sich - selbstverschuldet - bezüglich des Zustelldatums einer Sendung nicht darauf verlassen, dass das Zustelldatum mit dem Datum des Vorfindens der Sendung in seinem Briefkasten übereinstimme.  
 
6.1.2. Die Vorinstanz stützte sich in ihren Erwägungen auf keine gesetzlichen Grundlagen oder sonstigen verbindlichen Regeln, wonach ein Adressat seinen Briefkasten mit seinem Vor- und Nachnamen zu beschriften hat. Wie der Beschwerdeführer zurecht vorbringt, ist es nicht unüblich, dass bei der Beschriftung des Briefkastens nicht der (volle) Vorname angegeben wird. Die möglichen Grundlagen einer entsprechenden Pflicht sind zu unbestimmt, um das mit dem Fehlen des Vornamens verbundene Risiko eines Zustellungsfehlers dem Adressaten aufzubürden. So ergibt sich aus Art. 73 Abs. 3 der Postverordnung vom 29. August 2012 (VPG; SR 783.01), wonach der Briefkasten mit vollständiger und gut lesbarer Anschrift der Wohnungsbesitzerin oder des Wohnungsbesitzers zu beschriften ist, nicht mit der erforderlichen Klarheit, ob auch der Vorname zur Anschrift gehört.  
 
 
6.1.3. Der Briefkasten des Beschwerdeführers ist mit "B.________ Tata" beschriftet und führt somit (mindestens) den Familiennamen "B.________" des Beschwerdeführers auf. Es fehlen vorinstanzliche Feststellungen dazu, welche Bedeutung dem zweiten Wort der Anschrift ("Tata") zuzumessen ist. Der Briefkasten des Nachbarn ist mit Vor- und Nachnamen beschriftet. Der Zustellungsfehler kann unter diesen Umständen nicht dem Beschwerdeführer angelastet werden.  
 
6.2. Die zweite Begründung der Vorinstanz, dem Beschwerdeführer sei vorzuwerfen, dass er seinen Rechtsvertreter nicht auf die ihm bekannten Probleme betreffend Sendungszustellung hingewiesen habe, und der Rechtsvertreter wäre im Rahmen seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht gehalten gewesen, das Zustelldatum des Einspracheentscheids selbst zu überprüfen, anstatt sich auf die unbelegten Angaben seines Mandanten zu verlassen, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Frage, ob der Rechtsvertreter den Zustellungsfehler bei genügender Aufmerksamkeit hätte erkennen können, stellt sich nicht, nachdem davon auszugehen ist, dass der Einspracheentscheid am 5. August 2022 eröffnet und damit der Beginn der Beschwerdefrist ausgelöst wurde.  
 
6.3. Gestützt auf die Begründung, auch eine am 3. August 2022 beim Nachbarn erfolgte Zustellung gelte als rechtswirksame Eröffnung des Einspracheentscheids und löse damit den Beginn der Rechtsmittelfrist aus, verletzt der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz das Verbot der formellen Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV).  
Die 30-tägige Beschwerdefrist gemäss § 9 Abs. 1 EGAR begann am 6. August 2022 zu laufen. Mit Beschwerde vom 5. September 2022 an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hat der Beschwerdeführer die Beschwerdefrist gewahrt. 
 
7.  
 
7.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich als begründet, weshalb sie gutzuheissen ist. Das angefochtene Urteil vom 27. Oktober 2022 ist aufzuheben. Die Vorinstanz hat auf die Beschwerde einzutreten, sofern die weiteren Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind. Die Sache ist zur weiteren Durchführung des Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
 
7.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind keine Kosten zu erheben (vgl. Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Aargau hat den obsiegenden Beschwerdeführer mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG). Die Vorinstanz hat über die Kosten- und Entschädigungsfrage in den kantonalen Verfahren neu zu befinden (Art. 66 Abs. 5 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 27. Oktober 2022 wird aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Durchführung des Verfahrens im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. November 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: P. Plattner