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Urteilskopf

149 II 147


15. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen A. AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_876/2020 vom 13. September 2022

Regeste

Art. 1 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1, Art. 29, 69 und 82 Abs. 1 lit. f MWSTG 2009; zur mehrwertsteuerlichen Abzugsberechtigung künftiger vorsteuerbelasteter Rückbaukosten, die zum Gegenstand einer Feststellungsverfügung gemacht werden.
Dem Ersuchen um Erlass einer Feststellungsverfügung hat die steuerpflichtige Person im individuell-konkreten Fall einen präzis umschriebenen Sachverhalt zu unterlegen. Nur dieser ist von der ESTV zu beurteilen (E. 3.3).
Begriff des Rückbaus (E. 3.2.3).
Vorsteuerbelastete Rückbaukosten sind mehrwertsteuerrechtlich dann nach Massgabe der künftigen Nutzung des Grundstücks zu beurteilen, wenn der Unternehmensträger das bebaute Grundstück erwirbt, um sogleich den Rückbau der bisherigen Gebäude an die Hand zu nehmen und eine neue Überbauung zu realisieren. Eine nur sehr kurzfristige Nutzung zwischen Erwerb und Rückbau vermag nicht dazu zu führen, dass die Vorsteuerabzugsberechtigung aufgrund der bisherigen (Zwischen-)Nutzung zu würdigen wäre (E. 3.2, 4.2-4.4).

Sachverhalt ab Seite 148

BGE 149 II 147 S. 148
Die A. AG (nachfolgend: die Käuferin) hat statutarischen Sitz in T./ZH. Sie ist in dem von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) geführten Register der Inlandsteuerpflichtigen eingetragen. Mit Kaufvertrag vom 14. November 2018 erwarb sie von der B. AG (nachfolgend: die Verkäuferin) mit statutarischem Sitz in S./SG das dort gelegene Grundstück Nr. x. Darauf befindet sich neben weiteren Bauten namentlich eine Fabrikliegenschaft, in welcher die Verkäuferin bis im Jahr 2017 ihrer operativen Tätigkeit nachgegangen war.
Die Verkäuferin hatte sich am 27. August 2018 an die ESTV gewandt, wobei sie bekanntgab, dass sie ihre operative Tätigkeit auf dem genannten Grundstück eingestellt habe. Sie werde das Areal im Sinne einer Zwischennutzung an Dritte vermieten. Dabei gedenke sie, für die Versteuerung der (an sich von der Mehrwertsteuer ausgenommenen) Vermietungsleistungen zu optieren. Die Mietverträge hinsichtlich der Zwischennutzung seien bis im März 2020 befristet. Das bisher der Industriezone zugewiesene Grundstück sei bereits rechtskräftig umgezont worden. Sie, die Verkäuferin, werde eine Wohnüberbauung entwickeln und das Grundstück anschliessend an einen Investor veräussern.
Nachdem zwischen der Verkäuferin bzw. später der Käuferin einerseits und der ESTV anderseits in der Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung keine Einigung gefunden werden konnte, erliess die ESTV am 11. Februar 2020 eine Feststellungsverfügung. Dagegen
BGE 149 II 147 S. 149
gelangte die Käuferin an das Bundesverwaltungsgericht, das die Beschwerde mit Entscheid A-1436/2020 vom 22. September 2020 guthiess und erwog, dass die Käuferin berechtigt sei, auf den vorsteuerbelasteten Rückbaukosten "im Umfang der bisherigen steuerbaren Nutzung und unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen" den Vorsteuerabzug zu tätigen.
Mit Eingabe vom 23. Oktober 2020 erhob die ESTV beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Das Bundesgericht hat die Sache am 13. September 2022 öffentlich beraten, wobei es zur Gutheissung der Beschwerde gelangte.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3.

3.1 In der Sache selbst ist streitig und zu prüfen, ob die ESTV in ihrer Feststellungsverfügung vom 11. Februar 2020 bundesrechtskonform festgestellt hat, dass die vorsteuerbelasteten Rückbaukosten nicht zum Vorsteuerabzug gebracht werden könnten. Auszugehen ist vom Vorsteuerabzug (hinten E. 3.2), bevor Charakter und Tragweite einer mehrwertsteuerlichen, so genannten Auskunftsverfügung zu untersuchen sind (hinten E. 3.3).

3.2

3.2.1 Die steuerpflichtige Person kann im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit (Art. 10 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer [MWSTG 2019;SR 641.20]) grundsätzlich laufend dievon ihr wirtschaftlich getragenen Vorsteuern abziehen (Art. 28 Abs. 1 MWSTG 2009; XAVIER OBERSON, Droit fiscal suisse, 5. Aufl. 2021, § 16 N. 3.4), soweit sie nachweist, dass sie diese bezahlt hat (Art. 28 Abs. 3 MWSTG 2009). Dadurch kommt die Belastungskonzeption zum Ausdruck, die darauf abzielt, dass mit der Mehrwertsteuer der nicht unternehmerische Endverbrauch im Inland besteuert wird (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 MWSTG 2009). Soll die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs eingeschränkt werden, bedarf es hierfür einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage (Botschaft vom 25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer [nachfolgend: Botschaft 2008], BBl 2008 6885, insb. S. 6975 zu Art. 29 Abs. 1 E-MWSTG).

3.2.2 Eine derartige gesetzliche Grundlage findet sich namentlich in Art. 29 MWSTG 2009 ("Ausschluss des Anspruchs auf Vorsteuerabzug", "Exclusion du droit à la déduction de l'impôt préalable",
BGE 149 II 147 S. 150
"Esclusione del diritto alla deduzione dell'imposta precedente"). Die Norm lautet in den drei gleichwertigen Amtssprachen (Art. 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt [PublG; SR 170.512]; BGE 142 II 100 E. 4.1) folgendermassen:
"Kein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht bei Leistungen und bei der Einfuhr von Gegenständen, die für die Erbringung von Leistungen, die von der Steuer ausgenommen sind und für deren Versteuerung nicht optiert wurde, verwendet werden."
"Les prestations et l'importation de biens affectés à la fourniture de prestations exclues du champ de l'impôt ne donnent pas droit à la déduction de l'impôt préalable si l'assujetti n'a pas opté pour leur imposition."
"Non sussiste alcun diritto alla deduzione dell'imposta precedente per prestazioni e importazione di beni utilizzati per la fornitura di prestazioni escluse dall'imposta se il contribuente non ha optato per la loro imposizione."
Die Korrektur des Vorsteuerabzugs (BGE 140 II 495 E. 2.2.2) setzt damit voraus, dass die unternehmerisch tätige steuerpflichtige Person (Art. 10 Abs. 1 MWSTG 2009) eine steuerausgenommene Ausgangsleistung erbringt (Art. 21 MWSTG 2009), für welche sie keine Option im objektiven Sinn ausübt bzw. für welche sie gar keine Option ausüben kann (Art. 22 Abs. 1 MWSTG 2009) und wofür sie eine vorsteuerbelastete Eingangsleistung "verwendet" (Art. 29 Abs. 1 MWSTG 2009; Urteil 2C_207/2013 vom 28. April 2014 E. 2.2).

3.2.3 Vorliegend von Bedeutung sind die vorsteuerbelasteten Kosten des Abbruchs eines Gebäudes. In begrifflicher Hinsicht ist zu präzisieren, dass heute fachtechnisch vom "Rückbau" gesprochen wird. Dieser Begriff ist umfassender als der Terminus "Abbruch", fallen doch folgende Positionen des Baukostenplans unter die Rückbaukosten: Kosten für "Rodungen", "Abbrüche", "Demontagen (Transport, Deponiegebühren, Entsorgung)" und die "Sicherung vorhandener Anlagen" (Das Schweizerische Schätzerhandbuch, Schweizerische Vereinigung kantonaler Grundstückbewertungsexperten [SVKG; Hrsg.], 5. Aufl. 2019, S. 472).

3.2.4 Zu den vorsteuerbelasteten Rückbaukosten liegt mit dem Urteil 2C_166/2016 vom 27. Oktober 2017 ein einschlägiges Präjudiz vor. Demzufolge ist für die Beurteilung, ob diese Vorsteuern zum Abzug zuzulassen sind oder ob der Vorsteuerabzug gegenteils zu korrigieren ist, nicht auf die zukünftige Leistungserbringung abzustellen. Massgebend ist vielmehr die vergangene tatsächliche
BGE 149 II 147 S. 151
Leistungserbringung durch den Grundeigentümer (zit. Urteil 2C_166/2016 E. 5.2). Die Konzeption beruht darauf, dass ein Gebäude im Verlauf seines Bestehens gemeinhin drei Phasen durchläuft ("Erstellung", "Betrieb", "Rückbau") und dass die Zugehörigkeit zu einer dieser drei Phasen aus der Sicht des jeweiligen Grundeigentümers zu beurteilen ist. Die vorsteuerbelasteten Rückbaukosten sind, soweit sie vom bisherigen Grundeigentümer vorgenommen werden, unabhängig von der beabsichtigten Nutzung des Neubaus zum Vorsteuerabzug zuzulassen, soweit der Grundeigentümer das Gebäude zuvor im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit für steuerbare Zwecke genutzt hat (zit. Urteil 2C_166/2016 E. 5.3 erster Absatz).

3.2.5 In einem zweiten Absatz hat das Bundesgericht im zit. Urteil 2C_166/2016 E. 5.3 das Nachfolgende festgehalten (Auszeichnungen durch das Bundesgericht hinzugefügt):
"Anders wäre die Situation zu beurteilen, falls ein neuer Eigentümer die Liegenschaft erwirbt, abbricht und neuen Zwecken zuführt; diesfalls würde der Abbruch aus Sicht des Eigentümers zur Lebensphase "Erstellung" - im Hinblick auf die neue Verwendung - des Objektes gehören: der neue Eigentümer befindet sich am Anfang seiner unternehmerischen Tätigkeit. Totalabbruch sowie die Bodensanierung gehören dabei zur Roherschliessung eines Grundstücks, welche im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigen, wenn sie nicht für von der Steuer ausgenommene Zwecke verwendet werden (...)."
Eine derartige Konstellation liegt nun hier vor: Das Gesuch um Erlass einer Auskunftsverfügung vom 11. Februar 2020 geht nicht von der "bisher" unternehmerisch tätigen Grundeigentümerin aus, die im Gebäude steuerbaren Leistungen nachgegangen war. Aufgrund der Handänderung vom 14. November 2018 handelt es sich bei der Gesuchstellerin um die "neue" Grundeigentümerin.

3.3

3.3.1 Im Bereich der Mehrwertsteuer herrscht das Prinzip der modifizierten Selbstveranlagung (BGE 144 I 340 E. 2.2.1; BGE 143 II 646 E. 2.2.1; PIERRE-MARIE GLAUSER, in: Commentaire romand, Constitution fédérale, 2021, N. 33 zu Art. 130 BV; BEATRICE BLUM, in: MWSTG, Kommentar, Geiger/Schluckebier [Hrsg.], 2. Aufl. 2019 [nachfolgend: HK-MWSTG], N. 9 der Vorbemerkungen zu Art. 65 bis 80 MWSTG 2009; BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, 2010, § 10 N. 32 ff.).
Demnach hat die steuerpflichtige Person sich insbesondere innerhalb der gesetzlichen Frist nach Beginn der subjektiven Steuerpflicht
BGE 149 II 147 S. 152
unaufgefordert bei der ESTV schriftlich anzumelden (Art. 66 Abs. 1 MWSTG 2009). Weiter hat sie gegenüber der ESTV innerhalb der gesetzlichen Frist unaufgefordert in der vorgeschriebenen Form über die Steuerforderung abzurechnen (Art. 71 Abs. 1 MWSTG 2009) und die entstandene Steuerforderung innerhalb der gesetzlichen Frist zu begleichen (Art. 86 Abs. 1 MWSTG 2009). Die ESTV überprüft die Erfüllung dieser Pflichten (Art. 77 MWSTG 2009).
Die sich aus der Methode der Selbstveranlagung ergebenden Pflichten werden durch ein zweistufiges Auskunftsrecht gemildert, das der Gesetzgeber den steuerpflichtigen Personen einräumt (Urteil 2C_423/ 2012 vom 9. Dezember 2012 E. 3.4; dazu schon MOLLARD/OBERSON/ TISSOT BENEDETTO, Traité TVA, 2009, S. 1369 zu Art. 82 E-MWSTG).

3.3.2 Zunächst verleiht das Gesetz den steuerpflichtigen Personen den Rechtsanspruch auf eine weitgehend informelle Auskunft. Gemäss Art. 69 MWSTG 2009 gilt: "Auf schriftliche Anfrage der steuerpflichtigen Person zu den mehrwertsteuerlichen Konsequenzen eines konkret umschriebenen Sachverhalts erteilt die ESTV innert angemessener Frist Auskunft. Die Auskunft ist für die anfragende steuerpflichtige Person und die ESTV rechtsverbindlich; sie kann auf keinen anderen Sachverhalt bezogen werden." Der ESTV obliegt es, den Sachverhalt vor der Auskunftserteilung von Amtes wegen derart abzuklären, dass eine verbindliche Auskunft erteilt werden kann. Insofern herrscht die Untersuchungsmaxime (Art. 81 Abs. 2 MWSTG 2009).
Die ESTV hat den konkreten, ihr unterbreiteten und, sofern erforderlich, von Amtes wegen bereinigten Sachverhalt zu beurteilen (MOLLARD/OBERSON/TISSOT BENEDETTO, a.a.O., S. 1358 f. zu Art. 68 E-MWSTG). Sie darf sich nicht auf allgemeine Ausführungen zur Rechtslage beschränken (BLUM, HK-MWSTG, a.a.O., N. 15 f. zu Art. 69 MWSTG 2009). Die einmal erteilte Auskunft ist damit individuell-konkreter Natur, was bedeutet, dass lediglich die betreffende steuerpflichtige Person (oder deren Rechtsnachfolgerin) sich darauf berufen kann, und auch dies nur, soweit es sich um genau diesen Sachverhalt (bzw. eine Wiederholung desselben) handelt.
Die Auskunft hat materiell den Charakter einer Feststellungsverfügung, soweit im Nachgang keine formelle Feststellungsverfügung verlangt wird (zum Ganzen: BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 10 N. 32 ff.; ebenso: JEANNINE MÜLLER, in: Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht,
BGE 149 II 147 S. 153
2015, N. 12 zu Art. 69 MWSTG 2009; BLUM, HK-MWSTG, a.a.O., N. 24 zu Art. 69 MWSTG 2009).

3.3.3

3.3.3.1 Fällt die einfachschriftliche Auskunft seitens der ESTV nicht zur Zufriedenheit der um Auskunft ersuchenden steuerpflichtigen Person aus, kann diese im Anschluss daran den Erlass einer Auskunftsverfügung verlangen (Urteil 2C_1120/2015 vom 26. April 2017 E. 6.2.1). Dieser Sonderfall einer Feststellungsverfügung ist damit primär dem Fall vorbehalten, in welchem eine einvernehmliche Einigung zwischen steuerpflichtiger Person und ESTV scheitert (BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 10 N. 35). Die Auskunftsverfügung findet ihre Grundlage in Art. 82 Abs. 1 lit. f MWSTG 2009, der folgenden Wortlaut trägt: "Die ESTV trifft von Amtes wegen oder auf Verlangen der steuerpflichtigen Person alle für die Steuererhebung erforderlichen Verfügungen, insbesondere wenn ... für einen bestimmten Fall vorsorglich die amtliche Feststellung der Steuerpflicht, der Steuerforderung, der Grundlagen der Steuerbemessung, des anwendbaren Steuersatzes oder der Mithaftung beantragt wird oder als geboten erscheint."

3.3.3.2 Noch viel mehr als im Fall des Auskunftsersuchens gemäss Art. 69 MWSTG 2009 hat die steuerpflichtige Person, wenn sie um eine in die Form einer Feststellungsverfügung gekleidete Auskunft ersucht, den zu beurteilenden Sachverhalt konkret und präzise darzulegen. Die Auskunftsverfügung bezieht sich dem Grundsatze nach auf einen noch nicht verwirklichten, künftigen, unter Umständen sogar hypothetisch bleibenden Sachverhalt. Handelt es sich beim Gegenstand des Ersuchens um ein Projekt, eine reine Planung oder eine Mehrzahl von Varianten, so haben die steuerpflichtige Person und die ESTV auf Grundlage des konkret und präzis zu umschreibenden Sachverhalts zu argumentieren. Weder sind Sachverhaltselemente zu berücksichtigen, die im Ersuchen um Erlass einer Auskunftsverfügung nicht enthalten sind, noch denkbare Hypothesen, die aber nicht unterbreitet werden.

3.3.3.3 Wie jede andersartige Feststellungsverfügung ist auch jene gemäss Art. 82 Abs. 1 lit. f MWSTG 2009 subsidiär gegenüber einer Leistungs- oder Gestaltungsverfügung (BGE 135 II 60 E. 3.3.2; BGE 132 V 257 E. 1; BGE 130 V 388 E. 2.4; BGE 126 II 300 E. 2c; Urteile 2C_423/ 2012 vom 9. Dezember 2012 E. 4.2; 2A.652/2004 vom 13. September 2005 E. 1.5). Gilt es beispielsweise, im konkreten Einzelfall die
BGE 149 II 147 S. 154
Frage nach der Vorsteuerabzugsberechtigung zu klären und sind die vorsteuerbelasteten Aufwände oder Investitionen bereits angefallen, so bleibt grundsätzlich kein Raum mehr für eine Auskunftsverfügung.

3.3.3.4 Die Auskunftsverfügung unterliegt, wie alle anderen Verfügungen auch, der Einsprache an die ESTV (Art. 83 Abs. 1 MWSTG 2009), sodann der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und zuletzt der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht (Art. 82 lit. a BGG; nicht publ. E. 1.1).

4.

4.1 Die ESTV hat in ihrer Feststellungsverfügung vom 11. Februar 2020 die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs auf den vorsteuerbelasteten Rückbaukosten verneint, wogegen die Vorinstanz erwägt, diese seien "im Umfang der bisherigen steuerbaren Nutzung und unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen" abzugsberechtigt.

4.2

4.2.1 Nach den vorinstanzlichen Feststellungen, die mangels hinreichender Bestreitung (Art. 105 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG) für das Bundesgericht verbindlich sind (nicht publ. E. 1.4), steht fest, dass die Käuferin das streitbetroffene Grundstück mit Verpflichtungsgeschäft vom 14. November 2018 erworben hat (den Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts hat die Vorinstanz nicht festgehalten). Die Käuferin hat alsdann die vorübergehend bestehenden Mietverträge übernommen (Art. 261 Abs. 1 und 2 OR), die meisten davon mit Option für die Versteuerung (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 21 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b e contrario MWSTG 2009).

4.2.2 Ob die Rückbauarbeiten bis zum Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids (22. September 2020) bereits in Angriff genommen wurden, ist unklar. Dies scheint indes nicht der Fall zu sein, nachdem die Käuferin geltend gemacht hatte, das Gebäude stehe "voraussichtlich bis im Jahr 2021 oder 2022" für steuerbare Zwecke zur Verfügung. Vor dem Hintergrund der Subsidiarität der Feststellungsverfügung (vorne E. 3.3.3.3) bestand damit Raum für eine Auskunftsverfügung im Sinne von Art. 82 Abs. 1 lit. f MWSTG 2009).

4.2.3 In tatsächlicher Hinsicht ist weiter von Bedeutung, dass schon die Verkäuferin von einer "Zwischennutzung an Dritte" gesprochen und angegeben hatte, dass die Mietverträge "bis im März 2020" befristet seien, ehe auf dem rechtskräftig von der Industriezone in eine gemischte Wohn- und Gewerbezone umgezonten Areal eine Wohnüberbauung realisiert werde. Die Eckpunkte dieser Absicht haben sich
BGE 149 II 147 S. 155
in der Folge verwirklicht: Die Käuferin übernahm das streitbetroffene Grundstück, wobei die Mietverträge nunmehr bis zum 30. Juni 2020 befristet wurden, um die nachfolgende Umgestaltung des Terrains zu ermöglichen. Diese Eckpunkte bilden gleichsam den Rahmen dessen, was Gegenstand der Auskunftsverfügung gemäss Art. 82 Abs. 1 lit. f MWSTG 2009 bildet: Noch viel mehr als im Fall des Auskunftsersuchens gemäss Art. 69 MWSTG 2009 (vorne E. 3.3.3.1) hat die steuerpflichtige Person den zu beurteilenden Sachverhalt konkret und präzise darzulegen. Dieser Sachverhalt bindet nicht nur die steuerpflichtige Person, sondern in gleicher Weise auch die ESTV, die eben diesen Sachverhalt zu beurteilen hat (vorne E. 3.3.3.2).

4.2.4 Die ESTV hat im bundesgerichtlichen Verfahren ergänzend darauf hingewiesen, dass ein Anteil von lediglich 3,23 Prozent der Geschossflächen für gewerbliche Nutzungen reserviert sei, weshalb die Wohneinheiten "zu über 95 Prozent" ohne Möglichkeit der Option vermietet würden. Wie es sich damit verhält, darf aber letztlich offenbleiben. Denn im bundesgerichtlichen Verfahren unbestritten geblieben und allein entscheidend ist, dass auf dem streitbetroffenen Grundstück eine Wohnüberbauung erstellt werden wird.

4.3

4.3.1 Der Umstand, dass der Rückbau des Industriebaus allein deshalb vorgenommen werden soll, um alsdann eine Wohnüberbauung verwirklichen zu können, ist im Lichte der bisherigen bundesgerichtlichen Praxis zu würdigen. Wie dargelegt, hat das Bundesgericht sich im Urteil 2C_166/2016 vom 27. Oktober 2017 E. 5.3, zweiter Absatz, über den damals streitbetroffenen Sachverhalt hinaus bereits zu einer Konstellation geäussert, die in einem künftigen Fall auftreten könnte. Es erwog, dass der neue Eigentümer eines bebauten, aber einer neuen Nutzung zuzuführenden Grundstücks sich am Anfang seiner (auf dieses Grundstück bezogenen) unternehmerischen Tätigkeit befinde. Der Rückbau des bestehenden Gebäudes gehöre zur Roherschliessung eines Grundstücks, die im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit ausschliesslich dann zum Vorsteuerabzug berechtige, falls das neue Gebäude für steuerbare (also nicht für steuerausgenommene) Zwecke verwendet werde (vorne E. 3.2.5).

4.3.2 Im vorliegenden Fall stellen sich damit zwei grundsätzliche Fragen, nämlich eine zeitliche (hinten E. 4.3.3) und eine sachliche (hinten E. 4.3.4), die zur konkreten Subsumtion führen (hinten E. 4.4).
BGE 149 II 147 S. 156

4.3.3

4.3.3.1 Der zeitliche Gesichtspunkt hat die Frage zum Inhalt, welchem Zeitraum (bzw. welcher Phase) die Rückbauarbeiten im vorliegenden Sachverhalt zuzuordnen sind. Insbesondere fragt sich, ob der Umstand, dass das rückzubauende Gebäude einer Zwischennutzung zugeführt wurde (und möglicherweise immer noch wird, was vorinstanzlich nicht festgestellt ist), dazu führen kann, dass der Rückbau der Phase "Betrieb" zuzuordnen ist - oder ob vielmehr auf die künftige Nutzung abgestellt werden muss. Dies ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil die vorsteuerbelasteten Rückbaukosten, je nach Sachlage, unterschiedlich zu würdigen sind.

4.3.3.2 Massgebend für die zeitliche Einordnung der Rückbaukosten ist die Sicht des jeweiligen Eigentümers, also des das Grundeigentum haltenden Unternehmensträgers (vorne E. 3.2.4). Der Rückbau von unbeweglichem Vermögen stellt sich, sofern das rückzubauende Gebäude weiterhin im Eigentum des bisherigen Grundeigentümers steht, als letzte Phase der unternehmerischen Nutzung des Gebäudes dar. Mit dem Rückbau geht die Wiederherstellung jenes Zustandes einher, der geherrscht hatte, bis es zur Erstellung gekommen war. Gemäss dem Urteil 2C_166/2016 vom 27. Oktober 2017 E. 5.3, erster Absatz, was zu bestätigen ist, berechtigen die rückbaubedingten Vorsteuern diesfalls zum Vorsteuerabzug, falls das Gebäude im Rahmen der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit für steuerbare Ausgangsleistungen genutzt worden war.
Anders verhält es sich, wenn der bisherige Unternehmensträger das Grundstück an einen anderen Unternehmensträger veräussert, worauf dieser unmittelbar zum Rückbau des auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes schreitet (Urteil 2C_166/2016 vom 27. Oktober 2017 E. 5.3, zweiter Absatz). In einem solchen Fall erfolgt der Rückbau ohne eigentliche "vorangehende unternehmerische Nutzung des Gebäudes zu steuerbaren Zwecken". Die rückbaubedingten Vorsteuern fallen diesfalls im Hinblick auf die künftige Nutzung an, weshalb ihre Abzugsberechtigung u.a. im Lichte von Art. 29 MWSTG 2009 (vorne E. 3.2.2) zu prüfen ist.
Eine derartige Konstellation liegt hier insofern vor, als eine Handänderung erfolgte und das Gesuch um Erlass einer Auskunftsverfügung vom "neuen" Grundeigentümer ausging. Die Beurteilung der Auskunftsverfügung hat vor diesem Hintergrund zu erfolgen (vorne E. 3.3.3.2).
BGE 149 II 147 S. 157

4.3.4

4.3.4.1 Zweitens ist dem sachlichen Aspekt nachzugehen: Was die Frage der Zwischennutzung betrifft, welche die Vorinstanz festgestellt hat, so ist unstreitig, dass es sich dabei um eine unternehmerische Tätigkeit im Sinne von Art. 10 Abs. 1 MWSTG 2009 gehandelt hat. Massgebend ist indes, dass die Mietverträge hinsichtlich der Zwischennutzung gewissermassen "auf Sicht" abgeschlossen wurden, also für alle Vertragsparteien ersichtlich spätestens ein Ende finden sollten, sobald mit dem Rückbau begonnen werden kann. Mit Blick darauf erweist sich die rein akzessorische Nebentätigkeit nicht als gewichtig genug, als dass gesagt werden könnte, der Grundeigentümer baue das von ihm zuvor im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit für steuerbare Zwecke genutzte Gebäude zurück.

4.3.4.2 Dies heisst jedoch nicht, dass jede Art von "Zwischennutzung" gleichsam als im Hinblick auf Art. 29 Abs. 1 MWSTG 2009 unzureichende steuerbare Nutzung im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit zu würdigen wäre. Im vorliegenden Fall hat die neue Grundeigentümerin indes, wie schon die Rechtsvorgängerin, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um eine kurze Übergangsdauer handle. Diese Absicht ist, wie ausgeführt, zum Gegenstand des Ersuchens um Erlass einer Feststellungsverfügung gemacht worden und daher nicht nur für die ESTV, sondern auch für die steuerpflichtige Person verbindlich (vorne E. 3.3.3.2). Dass Investoren daran interessiert sind, ein neues, oft sehr kostspieliges Bauvorhaben baldmöglichst zu verwirklichen, ist notorisch.

4.4

4.4.1 Dies alles hat zunächst zur Folge, dass die Rückbaukosten, um die Vorsteuerabzugsberechtigung beurteilen zu können, nicht der bisherigen (Zwischen-)Nutzung zuzuweisen sind, die keinen hinreichenden Konnex herzustellen vermag, sondern der künftigen Verwendung. Hierzu ist vorinstanzlich festgehalten, dass die projektierte Überbauung, wie dem seinerzeitigen Auskunftsersuchen hervorgehe, zumindest weit überwiegend für Wohnzwecke genutzt werden soll.

4.4.2 Gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 21 MWSTG 2009 ist steuerausgenommen "die Überlassung von Grundstücken oder Grundstücksteilen zum Gebrauch oder zur Nutzung" (Urteile 2C_853/2021 vom 12. Mai 2022 E. 5.1; 2C_119/2017 vom 5. Oktober 2018 E. 2.3). Die im Negativkatalog von Art. 21 Abs. 2 MWSTG 2009 genannten Leistungen sind von Gesetzes wegen ausgenommen, es sei denn, die steuerpflichtige Person habe im Sinne von Art. 22 MWSTG 2009
BGE 149 II 147 S. 158
für die Versteuerung der Leistung optiert (sog. "Option im objektiven Sinn"; BGE 140 II 495 E. 2.2.2). Von vornherein nicht optierbar ist die Überlassung eines Grundstücks zum Gebrauch, wenn dieses vom Empfänger "ausschliesslich für private Zwecke genutzt wird oder genutzt werden soll" (Art. 22 Abs. 2 lit. b MWSTG in der hier massgebenden Fassung vom 30. September 2016, in Kraft seit 1. Januar 2018 [AS 2017 3575]; siehe wiederum Urteil 2C_119/2017 vom 5. Oktober 2018 E. 2.3).

4.4.3 Vor dem Hintergrund des Urteils 2C_166/2016 vom 27. Oktober 2017 E. 5.3, zweiter Absatz, und mit Blick auf die konkreten Sachumstände (beabsichtigte steuerausgenommene Ausgangsleistungen seitens der Eigentümerin) ergibt sich, dass die ESTV in ihrer Auskunftsverfügung vom 11. Februar 2020 bundesrechtskonform feststellen durfte, dass die projektierten vorsteuerbelasteten Rückbaukosten unter den gegebenen Umständen zu keinem Vorsteuerabzug berechtigten (Art. 29 Abs. 1 MWSTG 2009; vorne E. 3.2.2).

4.5 Die Beschwerde erweist sich damit als begründet. In Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Bestätigung der Feststellungsverfügung der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 11. Februar 2020 ist sie gutzuheissen.

Inhalt

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Sachverhalt

Erwägungen 3 4

Referenzen

BGE: 140 II 495, 142 II 100, 144 I 340, 143 II 646 mehr...

Artikel: Art. 10 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer [MWSTG 2019;SR 641.20], Art. 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt [PublG; SR 170.512], Art. 130 BV, Art. 82 lit. a BGG mehr...