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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_633/2022  
 
 
Urteil vom 27. September 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Müller, Merz, 
Gerichtsschreiber Poffet. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Verein A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Robert Hadorn, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Gemeinde Maur, 
Abteilung Hochbau und Planung, 
 
Gegenstand 
Verweigerung nachträgliche Baubewilligung, 
 
Beschwerde gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, vom 22. September 2022 (VB.2022.00041; VB.2022.00058). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Beschluss vom 3. Juni 2015 erteilte der Bauausschuss der Gemeinde Maur verschiedenen Bauherren, darunter dem Verein A.________, die Baubewilligung für eine Wohnüberbauung mit sechs Mehrfamilienhäusern und einem Wohnheim mit Werkstätte in U.________. 
Im Anschluss an eine Baukontrolle wurde festgestellt, dass die unmittelbar an das Trottoir der Strasse V.________ angrenzende Terrasse des Wohnheims die Auflage der Baubewilligung verletze, wonach gegenüber dem öffentlichen Grund ein Bankett von mindestens 0,3 m auszubilden sei. Am 13. Dezember 2019 forderte die damalige Abteilung Hoch- und Tiefbau der Gemeinde Maur den Verein auf, die Terrasse bis zum 31. Januar 2020 in Nachachtung dieser Auflage anzupassen. 
Mit Verfügung vom 3. März 2021 verweigerte die Abteilung Hochbau und Planung der Gemeinde Maur ein nachträgliches Baugesuch des Vereins, mit dem dieser um Bewilligung der Terrasse ohne Aussparung eines entsprechenden Banketts ersuchte, und ordnete die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands an. 
Einen dagegen gerichteten Rekurs des Vereins wies das Baurekursgericht des Kantons Zürich nach Durchführung eines Augenscheins mit Entscheid vom 1. Dezember 2021 ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schützte diesen Entscheid mit Urteil vom 22. September 2022 (Verfahren VB.2022.00041). 
 
B.  
Während des hängigen Rekursverfahrens reichte der Verein bei der Gemeinde ein "Alternativgesuch zur Projektänderung Terrasse" ein. Die Abteilung Hochbau und Planung trat auf dieses Gesuch am 6. September 2021 nicht ein. 
Auch dagegen gelangte der Verein an das Baurekursgericht, welches das Alternativgesuch als Wiedererwägungsgesuch qualifizierte und den Rekurs gegen den Nichteintretensentscheid am 15. Dezember 2021 abwies. Dies bestätigte das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. September 2022 (Verfahren VB.2022.00058). 
 
C.  
Der Verein A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. Dezember 2022 an das Bundesgericht. Er verlangt die Aufhebung beider Urteile des Verwaltungsgerichts vom 22. September 2022 und die Erteilung der nachgesuchten Baubewilligung; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
Das Verwaltungsgericht und die Abteilung Hochbau und Planung ersuchen um Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. 
Mit Verfügung vom 25. Januar 2023 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer erhebt in einer einzigen Eingabe Beschwerde gegen zwei Entscheide. Dieses Vorgehen ist grundsätzlich zulässig, falls die Rechtsschrift den Anforderungen von Art. 42 BGG genügt (vgl. Urteil 5A_146/2023 vom 23. Mai 2023 E. 1.1.1). Bei beiden angefochtenen Urteilen handelt es sich um kantonal letztinstanzliche Endentscheide in einer Bausache. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheit grundsätzlich offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Ein Ausnahmegrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer hat an beiden vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist mit seinen Anträgen unterlegen. Als Baugesuchsteller und zur Wiederherstellung des bewilligten Zustands Verpflichteter ist er zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). 
Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV) und auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) im Zusammenhang mit der Frage der Zuständigkeit der Baubehörde. Er machte vor der Vorinstanz erstmals geltend, die Abteilung Hochbau und Planung sei nicht zuständig gewesen, über die Baugesuche und die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands zu entscheiden. 
 
2.1. Fehlerhafte Verwaltungsakte sind in aller Regel nicht nichtig, sondern bloss anfechtbar, und sie erwachsen dementsprechend durch Nichtanfechtung in Rechtskraft. Nichtigkeit eines Entscheids ist nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur anzunehmen, wenn der ihm anhaftende Mangel besonders schwer ist, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Inhaltliche Mängel einer Entscheidung führen nur ausnahmsweise zur Nichtigkeit. Als Nichtigkeitsgründe fallen vorab funktionelle und sachliche Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde sowie krasse Verfahrensfehler in Betracht (BGE 147 IV 93 E. 1.4.4; 145 III 436 E. 4; 138 II 501 E. 3.1; je mit Hinweisen).  
 
2.2. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 148 III 30 E. 3.1; 136 I 229 E. 5.2; je mit Hinweisen).  
 
2.3. Die Vorinstanz prüfte die Rüge des Beschwerdeführers im angefochtenen Urteil VB.2022.00058 lediglich unter dem Blickwinkel der Nichtigkeit. Sie gelangte dabei offenbar zum Schluss, die Erstinstanz sei zum Erlass der Verfügung vom 6. September 2021 nicht zuständig gewesen, verneinte jedoch einen offensichtlichen bzw. leicht erkennbaren Mangel im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Obschon die Verfügung vom 6. September 2021 nicht in formelle Rechtskraft erwachsen ist, äusserte sich die Vorinstanz mit keinem Wort zur Frage der Anfechtbarkeit bzw. zu den Motiven, die sie allenfalls dazu bewogen haben, diesen Aspekt nicht weiter zu vertiefen (vgl. hingegen Urteil VB.2021.00575 des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. Juni 2022 E. 2.2 und 2.4). Damit war es dem Beschwerdeführer nicht möglich, sich über die Tragweite des Entscheids hinreichend Rechenschaft zu geben, woraus eine Verletzung seines Gehörsanspruchs resultiert.  
Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, haben zudem die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art zu enthalten (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Dies ist vorliegend mit Bezug auf die Frage der Unzuständigkeit und deren allfälligen Rechtsfolgen nicht der Fall, weshalb das Bundesgericht die korrekte Rechtsanwendung durch die Vorinstanz nicht prüfen kann (vgl. BGE 135 II 145 E. 8.2; Urteil 1C_485/2022 vom 21. April 2023 E. 4.2 ff. mit Hinweisen). 
 
2.4. Im angefochtenen Urteil VB.2022.00041 finden sich keinerlei Ausführungen zur Frage der Zuständigkeit der Abteilung Hochbau und Planung für die Bewilligung des nachträglichen Baugesuchs und den Erlass der Wiederherstellungsverfügung, obschon der Beschwerdeführer die Rüge in beiden Verfahren erhoben hat. Der Hinweis im Urteil VB.2022.00058 auf die im Parallelverfahren ebenfalls geltend gemachte Nichtigkeit vermag der Begründungspflicht bereits aus den vorgenannten Gründen offensichtlich nicht zu genügen.  
 
2.5. Damit erweist sich die Beschwerde als begründet. Sie ist gutzuheissen, die angefochtenen Entscheide sind aufzuheben und beide Angelegenheiten zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird sich in beiden Verfahren erneut mit der Frage der Unzuständigkeit der Abteilung Hochbau und Planung sowie deren Rechtsfolgen auseinandersetzen müssen. Das Ergebnis hat sie alsdann hinreichend zu begründen.  
 
3.  
Da die Beschwerde bereits aus formellen Gründen gutzuheissen ist, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den materiellen Rügen des Beschwerdeführers. 
Die Rückweisung mit offenem Ausgang gilt praxisgemäss als Obsiegen des Beschwerdeführers, weshalb diesem keine Gerichtskosten aufzuerlegen sind (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE 141 V 281 E. 11.1). Ebenfalls keine Kostenpflicht trifft den Kanton bzw. die Gemeinde (Art. 66 Abs. 4 BGG). Letztere hat dem Beschwerdeführer jedoch eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Urteile des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. September 2022 werden aufgehoben und beide Angelegenheiten zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an dieses zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Die Gemeinde Maur hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Gemeinde Maur und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. September 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Poffet