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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_758/2021  
 
 
Urteil vom 8. November 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiber Grünenfelder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Hilfsmittel), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. September 2021 (IV 2021/22). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1988 geborene A.________ leidet an einer angeborenen Muskeldystrophie "Becker-Kiener" (Ziff. 184 des Anhangs zur Verordnung vom 9 Dezember 1985 über Geburtsgebrechen, GgV-Anhang). Nachdem ihm die IV-Stelle des Kantons St. Gallen verschiedene Hilfsmittel gewährt hatte, unter anderem in Form eines Rollstuhls und eines Fahrzeugumbaus, beteiligte sie sich Anfang März 2016 an einem elektrisch höhenverstellbaren Pflegebett (Einlegerahmen "Belluno"). Zudem erhielt A.________ ab 1. April 2016 eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit mittleren Grades sowie ab 1. September 2017 eine ganze Invalidenrente zugesprochen (Verfügungen vom 12. November 2016 und 10. Juli 2017).  
 
A.b. Nach Abklärungen der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Hilfsmittelberatung für Behinderte und Betagte (SAHB) teilte die Verwaltung A.________ Anfang September 2020 mit, bezüglich des Transfers vom Bett in den Rollstuhl und zurück bestehe neu einzig Anspruch auf leihweise Abgabe eines Krankenhebers. Der Einlegerahmen "Belluno" aus dem Jahr 2016 könne zwar zum weiteren Gebrauch kostenlos überlassen werden. Künftige Reparatur- und Unterhaltskosten würden aber von der Invalidenversicherung nicht mehr übernommen, weil das Elektrobett als Hilfsmittel aufgrund des Fortschreitens der Erkrankung nicht mehr genüge. Daran hielt die IV-Stelle mit Verfügung vom 14. Dezember 2020 fest.  
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 28. September 2021 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt im Wesentlichen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie der Verfügung vom 14. Dezember 2020 sei die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit diese eine neue Verfügung erlasse, wonach die Gewährung eines Krankenhebers die Kostenbeteiligung für einen Einlegerahmen nicht ausschliesse. 
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Das kantonale Gericht hat die massgeblichen Rechtsgrundlagen bezüglich des Anspruchs versicherter Personen auf Hilfsmittel (Art. 8 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 und 2 IVG; Art. 14 IVV [SR 831.201]; Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern [EDI] vom 29. November 1976 über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung [HVI; SR 831.232.51]) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. Zu ergänzen ist, dass im Rahmen der im Anhang zur HVI (nachfolgend: HVI-Anhang) aufgeführten Liste gemäss Art. 2 Abs. 1 HVI Anspruch auf Hilfsmittel besteht, soweit diese für die Fortbewegung, die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge notwendig sind. Anspruch auf die in dieser Liste mit (*) bezeichneten Hilfsmittel besteht nach Art. 2 Abs. 2 HVI nur, soweit diese für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die Tätigkeit im Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung, die funktionelle Angewöhnung oder für die in der zutreffenden Ziffer des Anhangs ausdrücklich genannte Tätigkeit notwendig sind.  
Nach Ziff. 14.02 HVI-Anhang werden Krankenheber und gemäss Ziff. 14.03 HVI-Anhang Elektrobetten (mit Aufzugbügel, jedoch ohne Matraze oder sonstiges Zubehör) zur Verwendung im privaten Wohnbereich leihweise abgegeben. Ziff. 14.02 und 14.03 HVI-Anhang sind nicht mit (*) bezeichnet. 
 
3.  
 
3.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf leihweise Abgabe eines Krankenhebers gemäss Ziff. 14.02 HVI-Anhang hat. Streitig und zu prüfen ist hingegen, ob das kantonale Gericht in Bestätigung der Verfügung vom 14. Dezember 2020 zu Recht erkannte, es bestehe kein Anspruch auf eine (zusätzliche) Hilfsmittelversorgung durch ein Elektrobett respektive auf Übernahme der Reparatur- und Unterhaltskosten für den im Jahr 2016 abgegebenen Einlegerahmen "Belluno".  
 
3.2. Die Vorinstanz hat erwogen, der Krankenheber könne als Hilfsmittel für die Selbstsorge mehreren Zwecken dienen. Einerseits sei er Transfer- und Aufstehhilfe und andererseits Hilfsmittel bei der Körperhygiene zur Unterstützung der betreuenden Personen (Spitex). Der Beschwerdeführer habe wiederholt dargelegt, er benötige das Elektrobett (bzw. den Einlegerahmen) nicht nur als Transferhilfe, sondern auch zwecks Veränderung der Ruheposition, für nächtliche Blasenentleerungen und um andere Freiheiten geniessen zu können. Das Argument, dass er auf das Bett aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen in verschiedenen Bereichen angewiesen sei, könne zwar nachvollzogen werden, sei aber im Rahmen der IV-rechtlichen Hilfsmittelabgabe nicht relevant. Denn das Elektrobett als Hilfsmittel decke lediglich einen Teilgehalt der Selbstsorge ab, nämlich die Transferhilfe in das und aus dem Bett. Der einzige Zweck des Hilfsmittels Elektrobett bzw. des Einlegerahmens sei anders gesagt das Aufstehen und Abliegen, was aber im Falle des Beschwerdeführers angesichts seines verschlechterten Gesundheitszustands nicht (mehr) ausreiche. Somit habe die Beschwerdegegnerin einen entsprechenden Anspruch richtigerweise verneint und einzig die Versorgung mit einem Krankenheber übernommen.  
 
4.  
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, verfängt nicht. 
 
4.1. Soweit in der Beschwerde vorab (implizit) geltend gemacht wird, das kantonale Gericht habe Recht verletzt, indem es den Zweck des Einlegerahmens aus wirtschaftlichen Gründen nur auf die Lebensverrichtung "Aufstehen/Abliegen" beschränkte, kann ohne Weiteres auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden, wonach jede Hilfsmittelversorgung als Eingliederungsmassnahme den allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 IVG unterliegt. Sie muss somit neben den in dieser Bestimmung ausdrücklich genannten Erfordernissen der Geeignetheit und Notwendigkeit auch demjenigen der Angemessenheit (Verhältnismässigkeit im engeren Sinne) als drittem Teilgehalt des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes genügen. Die Voraussetzung der finanziellen Angemessenheit im Hilfsmittelrecht, wie sie in Art. 2 Abs. 4 HVI zum Ausdruck gelangt, findet ihre gesetzliche Grundlage in Art. 21 Abs. 3 IVG. Anspruch auf Hilfsmittel besteht daher nur in einfacher und zweckmässiger Ausführung, während die versicherte Person durch eine andere Ausführung verursachte zusätzliche Kosten selber zu tragen hat (BGE 143 V 190 E. 2 mit Hinweisen; SVR 2021 IV Nr. 50 S. 163, 8C_479/2020 E. 2.2; MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, N. 27 zu Art. 21-21 quater IVG). Demzufolge fehlt es entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers weder an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage für die im angefochtenen Entscheid vertretene Sichtweise, noch ist zu erkennen, inwieweit die Heranziehung auch finanzieller Gesichtspunkte bei der Abgabe von Hilfsmitteln diskriminierend (Art. 8 BV) sein oder gegen das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006 (SR 0.109) verstossen soll. Dass es sich bei der wirtschaftlichen Angemessenheit, wie der Beschwerdeführer meint, um eine in diesem Sinne unzulässige "neue, einschränkende Kategorie auf Verordnungsebene" handelt, trifft nicht zu.  
 
4.2. Vor diesem Hintergrund greift auch der (Haupt-) Einwand, das Pflegebett weise mehr Zwecke auf, als die Beschwerdegegnerin berücksichtigt habe, und stelle deshalb ein zusätzlich zum Krankenheber von der Invalidenversicherung zu übernehmendes Hilfsmittel dar, zu kurz:  
 
4.2.1. Die Vorinstanz hat verbindlich (vgl. E. 1 hievor) festgestellt, der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe sich seit dem Jahr 2016 (Abgabe des Einlegerahmens "Belluno") massgeblich verschlechtert. Inzwischen brauche er das Elektrobett (bzw. den Einlegerahmen) nicht mehr nur als Transferhilfe. Vielmehr habe er selber eingeräumt, der von einer Pflegefachkraft mit einem Rutschbrett zu bewerkstelligende Transfer vom Rollstuhl in das Elektrobett und umgekehrt gefährde die Sicherheit aller Beteiligten.  
 
4.2.2. Die daraus resultierende Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts, das abzugebende Hilfsmittel zur Selbstsorge müsse nicht mehr nur in der Lebensverrichtung "Aufstehen/Abliegen", sondern auch weitergehenden Zwecken dienen, bleibt rechtlich verbindlich. Inwieweit das Elektrobett diesen neuen Erfordernissen genügen und der veränderten Pflegesituation angemessen sein soll, ist weder zu ersehen noch (substanziiert) dargelegt. Folglich kann damit der konkreten Situation, in welcher der Beschwerdeführer lebt, nicht mehr hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BGE 135 I 161 E. 5), was die Argumentation der Vorinstanz stützt. Hinzu kommt, dass in der Invalidenversicherung zwar die notwendige, nicht aber die bestmögliche (Hilfsmittel-) Versorgung vergütet wird (statt vieler: BGE 143 V 190 E. 7.3.2; Urteil 8C_782/2021 vom 3. Mai 2022 E. 5.3 mit Hinweis). Das hier interessierende Hilfsmittel muss nicht bloss für den Transfer, sondern darüber hinaus nach willkürfreier Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auch geeignet sein, Drittpersonen bei der Pflege (Körperhygiene) zu unterstützen. Dies vermag der Krankenheber für sich allein zu leisten, nicht aber das Elektrobett, weshalb unter dem Blickwinkel der Verhältnismässigkeit nur Ersterer abzugeben ist. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Zusatznutzen des Einlegerahmens (im Wesentlichen: verbesserte Durchblutung, Atmung, erleichterte Umlagerung, erholsamerer Schlaf) ändert daran nichts. Denn die genannten Faktoren sind im Hilfsmittelrecht, das sich stets an einem bestimmten Zweck orientiert, weder anspruchsbegründend noch -erhaltend, also mit den Worten der Vorinstanz "nicht relevant" (vgl. E. 3.2 hievor). Gestützt darauf wird im angefochtenen Entscheid zu Recht auf Rz. 2157 des Kreisschreibens über die Abgabe von Hilfsmitteln in der Invalidenversicherung (KHMI; gültig ab 1. Januar 2013, Stand: 1. Januar 2021) Bezug genommen, worin das Verhältnismässigkeitsprinzip lediglich ausformuliert ist ("Wird ein Krankenheber auch dazu benötigt, um ins Bett zu gehen und aufzustehen, besteht kein zusätzlicher Anspruch auf Leistungen gemäss Ziff. 14.03 HVI [Elektrobett]."). Dass besagte Ziffer, wie der Beschwerdeführer glauben machen will, vorliegend nicht angewandt werden dürfte, leuchtet demnach nicht ein (zur Verbindlichkeit von Verwaltungsweisungen: BGE 147 V 79 E. 7.3.2; 133 V 257 E. 3.2; je mit Hinweisen). Auch anhand der sonstigen Vorbringen, soweit überhaupt sachbezogen und hinreichend begründet (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 145 I 16 E. 1.3), ist keine Rechtsverletzung erkennbar.  
 
4.3. Insgesamt erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist daher abzuweisen.  
 
5.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 8. November 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder